Lebensdaten
1903 – 1999
Geburtsort
Groß-Lichterfelde bei Berlin
Sterbeort
Freiburg (Breisgau)
Beruf/Funktion
Mediävist ; Historiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 11862122X | OGND | VIAF: 109567277
Namensvarianten
  • Tellenbach, Gerd Leo
  • Tellenbach, Gerd
  • Tellenbach, Gerd Leo
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Zitierweise

Tellenbach, Gerd, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11862122X.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Leo (1861–1914), Oberst, S d. Leo (1822–95), Oberst, u. d. Malwine Habelmann (1836–1923);
    M Margarethe (1872–1954), T d. Eduard Eberty (1840–94), aus Görlitz, Jur., Syndikus d. Stadt B., Kreisrichter ebd., RT-Abg. (s. Biogr. Hdb. Preuß. Abg.haus I), u. d. Luise Hirsekorn (1847–1926);
    Ur-Gvm Gustav Eberty (1806–87), Dr. iur., RT-Abg. (s. Biogr. Hdb. Preuß. Abg.haus I u. II);
    1 B Klaus (1902–85), Jur., 1934–45 Landrat in Pfullendorf u. Tauberbischofsheim, dann Richter am badenwürtt. Verw.ger.hof u. am Bundesverw.gericht, 1957 Vizepräs., 1963 Präs. d. baden-württ. Rechnungshofs, 2 Schw Anni (1900–85, Adolf Schell, 1897–1978, Jur., Obermagistratsrat in B., dann Beamter d. Stadt Mannheim), Helga (1906–62, Hans Hoyer, 1905–66, Architekt, Baurat in Oberursel), 2 Halb-B Helmuth (1893–1914), Lt., Wolfgang (1897–1944), Oberst;
    Weilburg/Lahn 1945 Marie Elisabeth Gerken (1923–2010), T d. Julius Gerken (1891–1994), Prof. an d. Pädagog. Hochschule f. landwirtschaftl. Lehrer in Wilhelmshaven, u. d. Hedwig Müller (1901–88);
    2 S, 2 T.

  • Biographie

    T. studierte nach dem Abitur 1922 in Baden-Baden Geschichte, Germanistik und Latein in München und Freiburg (Br.), wo er 1926 bei Georg v. Below promoviert wurde. Seit 1928 arbeitete er am Preuß. Historischen Institut in Rom unter der Leitung von Paul Fridolin Kehr (1860–1944). Hier entstand neben der Beteiligung an den laufenden Institutsprojekten sein Buch „Libertas, Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites“, mit dem er sich 1933 in Heidelberg bei Karl Hampe (1869–1936) habilitierte (gedr. 1936, Nachdr. 1996). Dieses Werk machte ihn international bekannt; bereits 1940 ( ²1948) erschien eine Übersetzung ins Englische. T. deutete darin den Investiturstreit als ein „Ringen um die rechte Ordnung in der Welt“, hier zeige sich „die Höhe des Mittelalters“ als eine Zeit „der Reife, der Wende, des Beginns“, weil das Verhältnis von Klerus und Laien zueinander neu geregelt und ebenso die innere Verfassung der Kirche durch den „Sieg der Primatsidee“ neu bestimmt wurde. In seinem Alterswerk „Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert“ (1988) erörterte T. das Thema noch einmal pointiert und konzis. Die Anstöße zu diesen Forschungen – und überhaupt zur Beschäftigung mit dem Mittelalter – waren von Fragestellungen des Kulturprotestantismus um 1900 ausgegangen, u. a. vom „Kirchenrecht“ (1892) des Juristen Rudolph Sohm und von Adolf v. Harnack (Das Wesen des Christentums, 1900).

    Die Jahre in Rom brachten zugleich eindrückliche Erfahrungen mit dem ital. Faschismus – sie machten T. sensibel gegenüber dem Nationalsozialismus und seinen Verheißungen. Zugleich begründete er in dieser Zeit Freundschaften, v. a. mit Carl Erdmann (1898–1945), der damals sein berühmtes Buch über „Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens“ (ersch. 1935) schrieb.

    T., der am 31. 1. 1933 zum Probevortrag nach Heidelberg reiste, erlebte in der Folge die Selbstpreisgabe der dt. Universität (Rede Heideggers in der Univ. Heidelberg am 30. 6. 1933). Nach Lehrstuhlvertretungen in Heidelberg, Gießen und Würzburg wurde eine Berufung nach Rostock durch den NS-Dozentenbund verhindert, nach einer erneuten Lehrstuhlvertretung in Heidelberg wurde er 1938 als o. Professor nach Gießen berufen. Hier wandte sich T. neuen Themen zu; die Grundfragen blieben aber dieselben. Was „Staaten lange Dauer“ verleihe, sei ihre „Fähigkeit zu lebendiger Erneuerung“, schrieb er in der Einführung zu „Die Entstehung des Deutschen Reiches“ (1940), und gerade ein Staat, der sich zum „Träger hoher Werte“ mache, gewinne einen „Zuwachs an Lebenskraft“, während „bloße Macht gewöhnlich ein vergängliches und brüchiges Fundament ist“. Dies war eine dezidiert politische Aussage. Die dahinter stehenden wissenschaftlichen Fragestellungen hatte T. in „Königtum und Stämme in der Werdezeit des Deutschen Reiches“ (1939) behandelt, einer Studie über die Unterschiede zwischen dem Karolingerreich und dem Deutschen Reich, wie sie sich z. B. in der „Unteilbarkeit“ des Reiches manifestierten, aber auch in der Entstehung einer „Reichsaristokratie“ und der Stammesherzogtümer.

    Zum Sommersemester 1942 erhielt T. einen Ruf nach Münster; diesen Lehrstuhl betreute er zunächst noch im Wechsel mit dem Gießener. Nach weiteren Semestern in Münster (Herbst 1942 bis Sommer 1944) und einer nochmaligen Vertretung in Gießen (Wintersemester 1943/44) lehrte T. seit Sommer 1944 gleichzeitig auch in Freiburg. Anfang Febr. 1945 reiste T. im Auftrag der Freiburger phil. Fakultät in das in Trümmern liegende Berlin, um im Reichssicherheitshauptamt der SS und bei der Staatsanwaltschaft des Volksgerichtshofs etwas zugunsten des im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 inhaftierten Kollegen und Freunds Gerhard Ritter (1888–1967) zu erreichen. T. konnte ein Memorandum der Fakultät persönlich übergeben und auch mit Ritter sprechen.

    Nach 1945 hat T. Fragen nach der Entstehung einer „Reichsaristokratie“ und der Stammesherzogtümer in dem von ihm gegründeten|sog. ‚Freiburger Arbeitskreis‘ weiter entfaltet, der sich der Personen- und Adelsforschung widmete. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden auch die Memoria und ihre Zeugnisse stärker wahrgenommen, wie T.s Beteiligung an der Edition des ‚Liber Memorialis‘ des Klosters Remiremont (1970) dokumentiert.

    Daneben trat nun mehr und mehr die Europäisierung der Fragestellungen der Historiker als Konsequenz aus dem Zusammenbruch von 1945. Sie zeigt sich in der umfassenden Abhandlung „Vom Zusammenleben der abendländischen Völker im Mittelalter“ (1950) oder in den großen Darstellungen zur europ. und zur Weltgeschichte für die „Historia mundi“ (1958) und die „Saeculum Weltgeschichte“ (1967 u. 1970).

    Diese Veröffentlichungen standen bereits im Kontext umfangreicher Verpflichtungen, die T. für die Univ. Freiburg als Rektor zuerst 1949/50 und noch einmal im Jubiläumsjahr 1957/58 auf sich nahm, sowie als Präsident und Vizepräsident der Westdt. Rektorenkonferenz (1957–60) und als Mitglied des Wissenschaftsrats (seit 1958). Hier engagierte er sich v. a. für neue Wege der Studienfinanzierung; schon am Ende seines ersten Rektorats hatte ihn der Allgemeine Studentenausschuß (ASTA) der Univ. Freiburg zum Ehrenvorsitzenden berufen, eine wohl einzigartige Auszeichnung. Von dem Ansehen, das er in der internationalen Geschichtswissenschaft genoß, zeugen mehrere ausländische Ehrenpromotionen. In Rom – für T. der zentrale Ort und Bezugspunkt seiner Arbeit als Historiker – beendete er seine Laufbahn als Direktor des Dt. Historischen Instituts (1962–72).

    Der Mediävist T. zählt zu den bedeutendsten Historikern des 20. Jh. Die Reflexion über die Erfahrungen seines Lebens hat ihn stets begleitet: Er gab Rechenschaft in seiner im Sommer 1945 verfaßten Schrift „Die deutsche Not als Schuld und Schicksal“ (ersch. 1947), in seinen Schriften und Reden zur Hochschulpolitik 1946–63 (ersch. u. d. T. Der sibyllinische Preis, 1963) und in seinem Buch „Aus erinnerter Zeitgeschichte“ (1981). Obwohl T. dem Nationalsozialismus keine Konzessionen gemacht hatte, fühlte er sich „schuldig“, denn „auch Unvermögen und Schwäche waren Schande und Schuld“, ein Bewußtsein, das sein „ganzes Leben überschattet[e]“.

    Einen Überblick über sein ungewöhnlich reiches Œuvre, mit Veröffentlichungen auch über die Bedingungen historischer Erkenntnis, über Liturgie und Geschichte, über Historiker seiner eigenen Zeit und zur Hochschulpolitik, vermitteln die fünf Bände der „Ausgewählten Abhandlungen und Aufsätze“ (1988–96).

  • Auszeichnungen

    A Mitgl. d. Komm. f. geschichtl. Landeskde. in Baden-Württ. (1954), d. Zentraldirektion d. MGH (1956) u. d. Soc. Storica Pisana;
    korr. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1955) u. d. British Ac. (1976);
    o. Mitgl. d. Hist. Komm. b. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1958, 1960–85 Leiter d. Abt. Urkk. u. Akten d. oberdt. Städtebünde);
    Ehrenmitgl. d. Inst. f. Österr. Gesch.forsch. (1954);
    Dr. phil. et litt. (Löwen 1960);
    D. litt. (Glasgow 1960);
    Dr. phil. h. c. (Pisa 1987);
    Gr. BVK mit Stern (1968);
    Komturkreuz d. ital. Verdienstordens (1973);
    Verdienstmedaille d. Landes Baden-Württ. (1995).

  • Werke

    Weitere W u. a. Die bfl. passau. Eigenklöster u. ihre Vogteien, 1928;
    Die Bedeutung d. Reformpapsttums f. d. Einigung d. Abendlandes, 1947;
    Zur Bedeutung d. Personenforsch. f. d. Erkenntnis d. früheren MA, Freiburger Rektoratsrede, 1957;
    C. Erdmann, in: Aus erinnerter Zeitgesch., 1981, S. 82–94;
    Btrr. f. Historia mundi: Ks.tum, Papsttum u. Europa im hohen MA, 1958;
    f. d. Saeculum Weltgesch.: Die Germanen u. d. Abendland bis z. Beginn d. 13. Jh., 1967, u. Die Grundlegung d. späteren Weltstellung d. Abendlandes, 1970; postum: MA u. Gegenwart, hg. v. D. Mertens u. a., 2003 (P); Der Hist. G. T., in: Erzählte Erfahrung, Nachdenkl. Rückblicke Freiburger Professoren aus d. J. 1988–2007, hg. v. G. Schramm, 2008, S. 45–57 (P); – Nachlaß: Univ.archiv Freiburg (Br.).

  • Literatur

    L Adel u. Kirche, FS z. 65. Geb.tag, hg. v. J. Fleckenstein u. Karl Schmid, 1968 (W-Verz., P);
    J. Fleckenstein, G. T. als Nat.- u. Universalhist., in: QFIAB 53, 1973, S. 1–15;
    K. Schmid, Der ‚Freiburger Arbeitskreis‘, G. T. z. 70. Geb.tag, in: ZGORh 122, 1974, S. 331–43;
    Festgabe G. T. z. 80. Geb.tag (= ZGORh 131, 1983, mit ergänztem W-Verz. S. 447–49, P);
    Reich u. Kirche vor d. Investiturstreit, Vortrr. b. wiss. Kolloquium aus Anlaß d. 80. Geb.tags v. G. T., hg. v. K. Schmid, 1985 (P);
    Vita Walfredi u. Kloster Monteverdi, Toskan. Mönchtum zw. langobard. u. fränk. Herrschaft, Gabe d. Freiburger Toskana-Seminars an G. T. z. seinem 85. Geb.tag 1988, hg. v. dems., 1991 (P);
    H. Keller, Das Werk G. T.s in d. Gesch.wiss. unseres Jh., in: Frühma. Studien 28, 1994, S. 374–97;
    Akad. Feier z. Gedenken an Altrektor G. T., in: Freiburger Univ.bll., H. 147, 2000, S. 85–111 (P);
    D. Mertens, H. Mordek u. Th. Zotz (Hg.), G. T. (1903–1999), e. Mediävist d. 20. Jh., 2005 (P);
    Th. Zotz, Dt. Mediävisten u. Europa, Die Freiburger Hist. Theodor Mayer u. G. T. im „Kriegseinsatz“ u. in d. Nachkriegszeit, in: Der Zweite Weltkrieg u. seine Folgen, hg. v. B. Martin, 2006, S. 31–50;
    A. Ch. Nagel, G. T., Wiss. u. Pol. im 20. Jh., in: Das Dt. Hist. Inst. Paris u. seine Gründungsväter, 2007, S. 79–99 (P);
    Wi. 1997;
    Munzinger;
    Baden-Württ. Biogrr. IV;
    Nachrufe: R. Schieffer, in: DA 56, 2000, S. 409–11;
    H. Fuhrmann, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 2000, S. 309–15 (P); H.-M. Schwarzmaier, in: ZGORh 148, 2000, S. 393–96.

  • Autor/in

    Otto Gerhard Oexle †,
  • Zitierweise

    Oexle, Otto Gerhard, "Tellenbach, Gerd" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 15-17 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11862122X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA