Lebensdaten
unbekannt
Beruf/Funktion
Bankiersfamilie
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118603272 | OGND | VIAF: 42630560
Namensvarianten
  • Rothfels (seit 1840)
  • Rothschild
  • Rothfels (seit 1840)
  • mehr

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Zitierweise

Rothschild, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118603272.html [29.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Die Familie stammt aus der Frankfurter Judengasse. Sie leitet ihren Namen von dem Haus „Rotes Schild“ ab, das Isaak Elchanan ( 1585), Sohn des Uri. dort 1576 erwarb. Ihre Mitglieder erscheinen im 17. und 18. Jh. vorwiegend als Händler und Wechsler; diesen Beruf schlug auch Mayer Amschel (1743/44-1812, s. 1) ein. Dessen Großvater Moses Kalman ( 1735) und Vater Amschel Moses ( 1755) sind ebenfalls als Kaufleute bezeugt; Moses Kaiman erwarb zwischen 1733 und 1735 für 38 000 fl. Wechsel des württ. Hoffaktors Josef Süss Oppenheimer ( 1738), Mayer Amschel begründete das Bankhaus, das unter der Leitung seiner fünf Söhne in der 1. Hälfte des 19. Jh. die führende Position in der europ. Finanzwelt einnahm und das bis heute in London und Paris fortbesteht. Neben dem Handel mit engl. Tuchen spielte seit Mitte der 1790er Jahre die Vermittlung von Staatsanleihen eine immer größere Rolle im R.schen Geschäft, gefördert durch die enge Verbindung, die Mayer Amschel zur Finanzverwaltung des späteren hess. Kurfürsten hielt. 1798 wurde der drittälteste Sohn Nathan (1777–1836, österr. Frhr. 1822, s. 4) nach England geschickt, wo er in Manchester ein Handelsgeschäft eröffnete, 1810 seinen Firmensitz nach London verlegte und das bis heute bestehende Bankhaus „N M Rothschild & Sons“ gründete.

    1810 nahm Mayer Amschel seine Söhne als Teilhaber in das Familiengeschäft auf und gab in Frankfurt die Gründung die Firma „Mayer Amschel Rothschild & Söhne“ bekannt. Nach dem Tod des Vaters 1812 setzten seine fünf Söhne die Zusammenarbeit fort und machten im folgenden Jahrzehnt das Familienunternehmen zum größten europ. Bankhaus. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Verbindung, die Nathan zur engl. Regierung aufbaute. Während Nathan von London aus die riskanten Geschäfte dirigierte, übersiedelte James (urspr. Jakob) (1792-1868, österr. Adel 1817, s. 6), der jüngste Sohn Mayer Amschels, 1811/12 nach Paris; 1817 gründete er dort die Firma „De Rothschild Frères“. Auf dem Kontinent waren die beiden Brüder Salomon (1774–1855) und Kalmann (später Carl, 1788-1855, österr. Adel 1817, s. 5) als Kuriere der Familie unterwegs, um die Verbindung zu den Geschäftspartnern und den Höfen in Frankreich, Österreich, Preußen und anderen dt. Staaten zu unterhalten. Die Leitung der Zentrale in Frankfurt übernahm nach dem Tod des Vaters der älteste Sohn Amschel (1773–1855, s. 1), Eine Grundlage ihres erstaunlichen Erfolges bildete die fortdauernde enge Zusammenarbeit der fünf Brüder, die europaweit agierten, sich aber täglich durch Briefe miteinander abstimmten.

    Die entscheidende Zeit für den Aufstieg der Rothschild-Bank war das Jahrzehnt nach der Niederlage Napoleons. Gegen starke Konkurrenz anderer Banken schafften es die Brüder R. unter der Leitung Nathans, eine dominierende Stellung in der Finanzierung der europ. Staaten einzunehmen. Den Durchbruch für die R. brachte 1818 eine Anleihe über 30 Mio. Taler für Preußen. Es gelang ihnen dabei, erstmals eine solche Anleihe für einen Kontinentalstaat an der Londoner Börse zu plazieren und damit die Kapitalkraft der am weitesten industrialisierten Gesellschaft für den Kapitalbedarf anderer europ. Staaten zu nutzen. Es folgten zahlreiche weitere Anleihen für fast alle europ. und einige neu gegründete außereurop. Staaten wie Brasilien.|Vor allem Salomon, der 1817 das Bankhaus „S. M. von Rothschild“ in Wien gründete, und Carl knüpften enge Verbindungen zu Metternich und übernahmen in dessen politischem System durch Staatsanleihen und Kredite eine zentrale Rolle. Bei den Zeitgenossen galten sie als „Bankiers der Hl. Allianz“. Aus diesem Engagement für die österr. Politik entstand auch die Gründung einer weiteren Bank in Neapel durch Carl, dessen Bankhaus „C. M. Rothschild e figli“ dort bis 1860 bestand. Die Niederlassungen in Wien und Neapel galten bis 1860 als Dependancen des Frankfurter Stammhauses, während jene in London und Paris eigenständige Banken waren.

    Neben dem weiter dominierenden Bankgeschäft begannen die R. seit den 1830er Jahren, auch in den Eisenbahnbau zu investieren, ausgehend vom Engagement Salomons für die Wiener Nordbahn. In Frankreich gehörte James zu den Pionieren des Eisenbahnwesens. In Belgien finanzierten die R. das erste staatliche Eisenbahnsystem der Welt. In der 2. Hälfte des 19. Jh. ging die Bedeutung der Rothschild-Bank zwar zurück, v. a. durch die zunehmende Rolle der Nationalbanken und die Entstehung von Aktienbanken, die den gewaltigen Finanzbedarf der stürmisch wachsenden Industrie besser sichern konnten. Dennoch blieben die R. bis zum 1. Weltkrieg die weltweit bedeutendste Privatbank, die neben den Bankgeschäften einen in zahlreichen Ländern operierenden Unternehmenskomplex schufen, zu dem die Eisenwerke im österr. Witkowitz, Eisenbahnlinien in mehreren europ. Staaten, Erdölvorkommen am Schwarzen Meer, Kupferminen in Spanien sowie Gold- und Diamantenminen in Südafrika gehörten. Das spektakulärste Geschäft der R. in der 2. Hälfte des 19. Jh. war die kurzfristige Finanzierung des Suezkanal-Ankaufs durch die engl. Regierung 1875.

    Mit ihrem gesellschaftlichen Aufstieg entwickelte die Familie einen luxuriösen Lebensstil, der sich v. a. im Bau von Schlössern und Stadtpalais, der Anlage repräsentativer Kunstsammlungen und prächtiger Gärten niederschlug. Die seit den 1820er Jahren in ihrem Reichtum konkurrenzlosen R. sicherten den Zusammenhalt der Familie und der fünf europ. Bankgeschäfte durch befristete, immer wieder aktualisierte Partnerschaftsverträge und ein zeitgenössisch unerreichtes Kommunikationssystem durch Korrespondenten und Agenten in ganz Europa, später auch in den USA. Ein verbindendes Element wurde auch die planmäßige Heiratspolitik innerhalb der Familie. Die erste dieser Verbindungen war 1824 die Heirat von James mit Betty (1805–86), der Tochter seines Bruders Salomon, der zahlreiche weitere Verbindungen zwischen Cousins und Cousinen folgten. Seit etwa 1817 nahm auch die breite Öffentlichkeit von den R. Notiz. Ihr rascher Aufstieg aus dem Frankfurter Ghetto, ihr Einfluß auf die europ. Finanzpolitik und die Tatsache, daß sie Juden waren, machten die Familie zum Objekt zahlloser Zeitungsartikel, Karikaturen, Legenden und auch literarischer Darstellungen, darunter von H. Heine, L. Börne, Lord Byron und H. Balzac. Die Familie wurde zu einem Mythos, der im 20. Jh. u. a. in Theaterstücken, Romanen, einem Musical und mehreren Spielfilmen seinen Niederschlag fand.

    Im Unterschied zu vielen anderen wirtschaftlich erfolgreichen jüd. Familien des 19. Jh. konvertierten die R. nicht zum Christentum, sondern setzten sich mit ihrem finanziellen und politischen Einfluß für die Emanzipation der Juden in den europ. Staaten ein. Ihre eigenen Erfolge werteten sie als Beitrag im Kampf um die rechtliche Gleichstellung. In England konnte Nathans Sohn Lionel Baron de R. (1808-79) 1858 als erster Jude ins Parlament einziehen, dessen Sohn Nathaniel Mayer (1840–1915, s. Dict. of Business Biography, 1985) 1st Lord Rothschild of Trig (Hertfordshire) wurde 1885 als erster Jude zum Lord ernannt. In zahlreichen europ. Ländern begründeten sie karitative, soziale und kulturelle Stiftungen. Edmond de R. (1845-1934), ein Sohn von James, gehörte zu den bedeutendsten Förderern der jüd. Siedlung in Palästina, seit den 1880er Jahren v. a. der von osteurop. Einwanderern angelegten Siedlungen. Weithin bekannt sind die bereits im 19. Jh. erworbenen Weingüter in Mouton und Lafite. in denen Bordeauxweine der Spitzenqualität produziert werden. Nur wenige Familienmitglieder engagierten sich außerhalb des Bankgeschäfts: Walter (1868–1937) gewann als Zoologe große Anerkennung, Henri (1872–1947) veröffentlichte als Arzt Abhandlungen zur Kinderheilkunde und war später ein bekannter Theaterschriftsteller.

    1901 fand sich für das Frankfurter Haus kein Nachfolger für Wilhelm Carl (1828–1901), den letzten Frankfurter R.; die dortige Bank wurde geschlossen. Die zahlreichen Bauten der R. in Frankfurt wurden bis auf das Palais am Untermainkai (heute Jüd. Mus. d. Stadt Frankfurt) im 2. Weltkrieg zerstört. Die über 20 von den R. in der Stadt gestifteten Wohl-tätigkeits- und Bildungseinrichtungen wurden in der NS-Zeit aufgelöst oder „arisiert“, die zur Unterstützung der Frankfurter Juden geschaffenen wohltätigen Einrichtungen 1939/40 in das Vermögen der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ überführt. Nach dem „Anschluß“ Österreichs an das Dt. Reich 1938 wurde Louis (1882–1955) verhaftet, der Besitz der R. beschlagnahmt und die Familie gezwungen, die Stahlwerke in Witkowitz dem Dt. Reich zu überlassen. Nach einjähriger Gestapo-Haft durfte Louis das Land verlassen. Mit der dt. Besetzung Frankreichs 1940 wurde auch der Besitz der franz. R. beschlagnahmt bzw. nach Deutschland geschafft. Fast alle Mitglieder der Familie konnten aus Frankreich fliehen, einige wurden jedoch verhaftet, deportiert und ermordet, so im KZ Ravensbrück Elisabeth von Chambure (1902–45), die Ehefrau Philippes (1902–88), Die antisemitische NS-Propaganda benutzte die Geschichte der R. zur Agitation gegen die vermeintliche „jüd. Weltherrschaft“. Nach dem 2. Weltkrieg konnte die franz. Bank wiederhergestellt werden, während die Wiener Niederlassung nicht wiedergegründet wurde. Ein Teil des geraubten Besitzes der R. blieb verschwunden.

    Die R. wurden erst im letzten Drittel des 20. Jh. von der historischen Forschung als ein europ. Phänomen sui generis wahrgenommen.

  • Literatur

    ADB 29;
    A. Freimann, Stammtafeln d. Frhrl. Fam. v. R., 1906;
    E. C. Conte Corti, Der Aufstieg d. Hauses R. 1770-1830, 1927;
    ders., Das Haus R. in d. Zeit seiner Blüte 1830-1871, mit e. Ausblick in d. neueste Zeit, 1928;
    B. Gille, Lettres adressées à la maison de R. de Paris par son représentant à Bruxelles, 2 Bde., 1961/63;
    ders., Hist. de la Maison R., I: Des Origines à 1848, II: 1848-1870, 1965/67;
    Bibliogr. z. Cesch. d. Frankfurter Juden 1781-1945, bearb. v. H.-O. Schembs, 1978, S. 570-89;
    A. Mühlstein, J. de R., 1981 (P);
    R. Davis, The English R.s, 1983 (P);
    Miriam Rothschild. Dear Lord R., Birds, Butterflies and Hist., 1983 (P);
    L. Bergeron, Les R. et les autres, Le gloire des banquiers, 1991;
    Die R., Eine europ. Fam., hg. v. G. Heuberger, 1994 (L, P);
    Die R., Btrr. z. Gesch. e. europ. Fam., hg. v. dems., 1994 (L, P);
    P. Prevost-Marcilhacy, Les R., Batisseurs et mécènes, 1995 (P);
    F. Backhaus, The Last of the Court Jews, Mayer Amschel R. and His Sons, in: From Court Jews to the R.s, Art, Patronage and Power 1600-1800, hg. v. V. B. Mann u. R. I. Cohen, 1996, S. 79-95 (P);
    The life and times of N M R. 1777-1836, hg. v. V. Gray u. M. Aspey, 1998 (P);
    A. Weber. Moritz Daniel Oppenheim u. d. Fam. R., in: M. D. Oppenheim, Die Entdeckung d. jüd. Selbstbewußtseins in d. Kunst, hg. v. G. Heuberger u. A. Merk, 1999 (P);
    The R. Family Tree, 2000;
    N. Ferguson, The World's Banker, The Hist. of the House of R., 1998, dt. u. d. T Die Gesch. d. R., 2 Bde., 2002 (P);
    Enc. Jud. 1971;
    Frankfurter Biogr.;
    GHdA Adelslex. XII, 2001, S. 66-69;
    Oxford DNB; |

  • Quellen

    Qu The R. Archive, London; Archives Nationales, Paris (Archives R.).

  • Autor/in

    Fritz Backhaus
  • Familienmitglieder

  • Zitierweise

    Backhaus, Fritz, "Rothschild" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 129-131 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118603272.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Rothschild: Familie. In einer „Allg. Deutschen Biographie“ kann die international gewordene Familie R. natürlich nur in ihren Anfängen und in ihren im Vaterland verbliebenen Gliedern betrachtet werden. Das Stammhaus der Familie in der ehemaligen Frankfurter Judengasse ist das einzige erhaltene Muster des Typus der Häuser in derselben; es ist 1886 neu hergestellt und enthält gegenwärtig die Räume für die Verwaltung der Rothschild’schen Stiftungen. Es trug Nr. 148. Schon in der „Judenstättigkeit“ von 1616 kommt das Haus „zum Rothen Schild“ vor: Mosche zum rothen Schild — Isaak Rothschild zum rothen Schwerdt —, dann 1715 Gumprecht Trier im rothen Schild. Es trug Nr. 69.

    Die Rothschild’sche Familiengeschichte kann nicht über den Handelsmann Amschel Moses R. zurückgeführt werden. Ueber dessen Verhältnisse wissen wir nur, daß er der Vater von Maier Amschel R. war, welcher das nach ihm benannte weltberühmte Handelshaus begründet hat. Der hier wiederholt vorkommende Name Amschel ist bei späteren Familiengliedern fälschlich in Anselm verfeinert, er ist aber nur der Hausname zur Amsel.

    M. A. R. war 1743 geboren und wurde von seinem Vater dazu verwendet, daß er mit einem Geldsäckchen bei den Bankiers herumgehen mußte, um Münzen gegen grobes Geld umzuwechseln. Diese Beschäftigung war für ihn aus dem Grunde wichtig, weil er dabei mitunter seltene Münzen eintauschte und infolge davon Interesse an der Münzkunde gewann. Als Jüngling brachte er, da er Rabbiner werden wollte, einige Zeit in Fürth zu und studirte dort jüdische Theologie, gab dies jedoch bald wieder auf, um sich dem Handel zu widmen. In seine Vaterstadt zurückgekehrt blieb er vorerst nicht in derselben, sondern nahm im Oppenheim’schen Bankhause zu Hannover eine Stelle an. Dort erwarb sich R. das volle Vertrauen seines Principals. In die Vaterstadt zurückgekehrt, gründete er ein eigenes Geschäft und verheirathete sich 1770 mit der Frankfurterin Gutta Schnapper, geboren am 23. August 1753, welche am 7. Mai 1849 im 96. Lebensjahre starb. Sie erlebte noch den höchsten Glanz ihrer Familie, verließ aber bis zu ihrem Tode nicht das 1780 erkaufte Stammhaus, welches ursprünglich den Namen „zum grünen Schild“ führte.

    M. A. Rothschilds Erfolge waren so groß, daß er schon 1798 ein Handelshaus in London gründen konnte, aber einen noch höheren Aufschwung nahm sein Geschäft durch die Verbindung mit dem Landgrafen Wilhelm IX. von Hessen-Kassel (reg. seit 1785, als Wilhelm I. Kurfürst von 1803—1821), dessen Hofagent er seit 1801 war. Als der Kurfürst 1806 beim Ausbruch des Krieges sein Land verlassen mußte, vertraute er den größten Theil seines Vermögens seinem Frankfurter Hofagenten zur geheimen Aufbewahrung an. R. verbarg das Geld in Weinfässern und wußte nicht nur dasselbe vor den Nachforschungen der Franzosen zu sichern, sondern er vermochte es auch, dem Kurfürsten die Zinsen seiner in der englischen Bank hinterlegten Capitalien richtig zukommen zu lassen. Als R., welcher schon seit 1804 bedeutende Anleihen mit Dänemark abgeschlossen, im Jahre 1808 das colossale Geschäft einging, das in Spanien kämpfende englische Heer mit Geldmitteln zu versorgen, streckte ihm der Kurfürst die dafür erforderliche Caution vor. Der große Gewinn dieses Geschäftes war eigentlich die Grundlage seines Reichthums. M. A. R. starb am 19. September 1812 in seinem Stammhause mit Hinterlassung von fünf Söhnen und fünf Töchtern. Wie er im Leben sehr wohlthätig gewesen war, so legte er in seinem Testamente|seinen Söhnen die Verpflichtung auf, daß jeder bis an sein Lebensende fünftausend Gulden jährlich an das Frankfurter Haus zum besten der Armen zahlen solle.

    Die fünf Söhne waren: Amschel Mayer, geb. am 12. Juni 1773, zu Frankfurt am 6. December 1855, der Frankfurter R.; Salomon Mayer, geb. am 9. September 1774, am 27. Juli 1855 zu Paris, der Wiener seit 1816; Nathan Mayer, geb. am 16. September 1777, am 28. Juli 1836 in Frankfurt, der Londoner seit 1798; Karl Mayer, geb. am 24. April 1788, am 10. März 1855 zu Neapel, der Neapolitaner seit 1821; Jacob Mayer (James), geb. am 15. Mai 1792, am 15. November 1868 zu Paris, der Pariser seit 1812. Sie erhielten 1815 vom Kaiser von Oesterreich den erbländischen Adel, 1822 den Freiherrnstand. Dennoch dauerte es bis 1836, daß die drei in Frankfurt anwesenden Glieder der Familie Rothschild, Mayer Amschel, Karl und Anselm, in die erste geschlossene Gesellschaft der Stadt, in das Casino, Aufnahme fanden. Nach der Wiederherstellung des Weltfriedens nahmen die Geschäfte der immer zusammenwirkenden, an den Hauptpunkten des Geldverkehrs stationirten Brüder immer größere Dimensionen an; Gentz gibt an, daß in zwölf Jahren durch Vermittelung des Rothschild’schen Hauses für Rechnung der europäischen Fürsten zwischen 1100 und 1200 Millionen Gulden, theils als Anleihen, theils als Subsidienzahlungen übernommen wurden, wovon ungefähr 500 Millionen für England, 120 für Oesterreich, 100 für Preußen, 200 für Frankreich, 120 für Neapel, 60 für Rußland, 10 für einige deutsche Höfe und 30 für Brasilien; — ohne weder die an die verbündeten Höfe im Betrage von mehreren hundert Millionen ausgezahlten französischen Kriegsentschädigungsgelder, noch die mannigfaltigen vorübergehenden Geschäfte in Anschlag zu bringen, die sie in Aufträgen der verschiedenen Regierungen vollzogen, und deren Gefammtbetrag die vorstehenden Summen wohl noch weit überstieg.

    Bekannt ist, daß die 20 Millionen Franken aus der französischen Kriegsentschädigung, welche zur Anlegung einer Bundesfestung am Oberrhein bestimmt waren, bis 1842 zu höchst niedrigem Zinsfuß bei dem Hause R. in Frankfurt hinterlegt waren. An 2 800 000 Pfund Sterl. (56 Mill. Mark) Consols, welche die Häuser R. 1827 zu 87½ % übernahmen, verdienten sie 14 % (Morning Chronicle bei Gentz).

    Wir beschränken uns auf diese kurzen Andeutungen hinsichtlich der internationalen Geschäfte, welche den Grund zum Reichthum des Hauses legten und wenden uns zur Schilderung eines Deutschland angehörigen Gliedes der Familie, welcher als Politiker wie als Kunstsammler in die Oeffentlichkeit getreten ist. Freiherr Mayer Karl v. R. war in Frankfurt geboren als Sohn des neapolitanischen R., am 5. August 1820. Er bezog Herbst 1837 die Universität Göttingen, theils zu seiner allgemeinen Ausbildung, theils um Rechtswissenschaft zu studiren. In Göttingen lernte ich ihn kennen, er war sehr fleißig, und da er bei Dahlmann Collegien gehört, so schloß er sich nicht aus, als eine Schar seiner Landsleute nach der Austreibung der eidestreuen Professoren, da den Lohnkutschern in Göttingen bei schwerer Strafe verboten war, einen Wagen zu liefern, zu Fuß sich am 17. December 1837 auf den Weg machte, um nach Uebernachten in dem ersten hessischen Dorfe die verehrten Lehrer am 18. morgens in Witzenhausen zu begrüßen. Im nächsten Winter (1838/39) war ich mit R. in Berlin, im darauffolgenden (1839/40) in Neapel zusammen. Nachdem R. nach Frankfurt zurückgekehrt, in das Bankhaus eingetreten war und sich 1842 verheirathet hatte, begann er auf der 1855 von ihm erworbenen Günthersburg, deren Hauptgebäude er umbaute, seine kunstgewerbliche Sammlung anzulegen, von welcher später die Rede sein wird. Mit der Annexion von Frankfurt begann seine politische Wirksamkeit. 1867 war er Abgeordneter von Frankfurt für den Reichstag des Norddeutschen Bundes, am 16. November wurde er Mitglied des Herrenhauses, 1870 war er Mitglied des Reichstags, von 1869/70 Stadtverordneter. Karl v. R. starb am 16. October 1886; in den letzten Jahren hatte er, außer seinem Geschäfte, wesentlich seiner Sammlung gelebt. Dieselbe war theils auf der Günthersburg, theils im Stadthause am Unter-Main-Thor aufgestellt, und zwar wurden auf dem Landhause, welches mit Pietradura-Möbeln und chinesischen Porcellanvasen ausgestattet war, die größeren Arbeiten in Silber und Limousiner Email aufbewahrt, in dem Stadthause die kleineren, im Ganzen wohl noch werthvolleren Arbeiten in Gold, Email, edlen Steinen, Bergkrystall, die Bijouterien, die Dosensammlung, die Schildkrot-, Elfenbein- und Holzarbeiten. Während seines Lebens waren die Sammlungen nicht allgemein zugänglich, wurden aber Fachleuten, Einzelnen und Vereinen, sowie gut empfohlenen Privatleuten geöffnet, auch gestattete der Besitzer, daß der Buchhändler H. Keller in Frankfurt unter dem Titel: „Der Schatz des Freiherrn Karl v. R.“ ein Werk von 100 Tafeln nach Photographien mit Text von Prof. Ferd. Luthmer, Director der Kunstgewerbeschule, herausgab.

    Nach seinem Tode wurden die Sammlungen vertheilt. Die in London und Paris verheirathet oder verwitwet lebenden Töchter erhielten einzelne Stücke, das Frankfurter historische Museum drei silberne Becher, das Frankfurter Kunstgewerbemuseum leihweise die chinesischen Vasen, der Haupttheil jedoch, der Witwe und der in Frankfurt lebenden ledigen Tochter Luise gehörig, wurde im Stadthaus aufgestellt und gegen Karten dem Publicum zugänglich gemacht. Das Prachtstück des „Rothschild-Museums“ bildet der weltberühmte, aus der Nürnberger Familie Merkel stammende Tafelaufsatz von Wenzel Jamnitzer, welcher für 500 000 Mark angekauft wurde. Der Raum gestattet uns nicht, auf die Einzelheiten weiter einzugehen; nur das sei bemerkt, daß bei dem Geschmack des Sammlers und seinen unbegrenzten Mitteln nur Meisterleistungen hier vertreten sind. Aus den Sammlungen der Günthersburg schenkten die Hinterbliebenen dem Städel’schen Kunstinstitut das Gemälde von Tischbein: Goethe in Rom. Wir schließen mit einer Aufzählung der Stiftungen, welche die Familie R. in ihrer Vaterstadt gemacht hat. 1) Georgine Sara v. R.-Stiftung für erkrankte fremde Israeliten, wurde im Januar 1870 von Freifrau Hannah Mathilde v. R. zum Andenken an ihre Tochter Georgine Sara (geb. 1851, 1869) gegründet, seit 1878 auf dem Roderberg. — 2) Clementine-Mädchenspital, gestiftet zum Andenken an ihre Tochter Clementine Henriette (geb. 1845, 1865), eröffnet 1875. — 3) Freiherr Anselm Salomon Rothschild'sche Stiftung zur Förderung des Kunstgewerbes, gegründet 1877 mit einem Capital von 250 000 Mark von Freifrau Hannah Mathilde v. R. zum Andenken an ihren Vater Freiherr A. S. v. R. (geb. 1803, 1874 in Paris). 4) Freifrau Charlotte v. Rothschild'scher Fonds von 125 000 Mark zur Linderung der Noth in Frankfurt, gegründet 1878. — 5) Freiherrlich Karl v. Rothschild'sche öffentliche Freibibliothek, gegründet zu seinem Andenken von seiner Tochter Luise, eröffnet am 3. Januar 1888. Als Curiosum mag noch angeführt sein, daß die Frankfurter Thaler mit dem Bild der Francofurtia, bei welcher man eine Aehnlichkeit mit der Schauspielerin Janauscheck entdecken wollte, in Amerika als Janauscheck Dollars oder Rothschild Love Dollars als besondere Seltenheit zu hohen Preisen ausgeboten werden.

    • Literatur

      Mittheilungen des Frankfurter Vereins für Gesch. u. Alterthskde., V. 509. — L. Kriegk, Geschichte von Frankfurt, 1871, S. 468. —
      Schriften von F. Gentz, herausg. v. G. Schlesier, 1840, V, 113. — Gothaisches Taschenbuch der freiherrlichen Häuser.

  • Autor/in

    W. Stricker.
  • Zitierweise

    Stricker, W., "Rothschild" in: Allgemeine Deutsche Biographie 29 (1889), S. 373-375 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118603272.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA