Lebensdaten
1882 – 1957
Geburtsort
Hornberg (Schwarzwald)
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Kunstschriftsteller ; Publizist ; Diplomat
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118547003 | OGND | VIAF: 7405078
Namensvarianten
  • Armbruster, Johann (Pseudonym)
  • Hausenstein, Wilhelm
  • Armbruster, Johann (Pseudonym)
  • mehr

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Zitierweise

Hausenstein, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118547003.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (1852–91), Steuerkommissar, S d. Schneidermeisters Wendelin u. d. Adelheid Gnam;
    M Clara (1856–1937), T d. Bärenwirts Gustav Gottlob Baumann in H u. d. Josepha Armbruster, aus Flößerfam. im Schwarzwald;
    München 1919 Margot (* 1890) verw. Lipper, T d. Bau-Ing. Max Maurice Kohn (1854–98) in Brüssel u. d. Gabrielle Rulf;
    1 T.

  • Biographie

    Auf dem Gymnasium in Karlsruhe erhielt H. die klassische Bildung. Der impressionistisch Sensible, in dessen Werk die Schwarzwaldheimat den verborgenen Hintergrund seines weitausgreifenden Werkes bildet, wurde hier in die weltoffene Tradition der Rheinebene gestellt. 1900-01/02 studierte H. Philosophie, klassische, deutsche und semitische Philologie in Heidelberg, 1902 Kunstgeschichte in Tübingen und seit 1903 deutsche Philologie, Kunstgeschichte, vor allem aber Geschichte bei K. Th. von Heigel und Nationalökonomie bei L. Brentano in München (Promotion 1905, Dissertation: Die Wiedervereinigung|Regensburgs mit Bayern im Jahre 1810 …). – Die Autobiographien „Buch einer Kindheit“ (1936) und „Lux perpetua“ (Pseudonym J. Armbruster, 1947) sind kunstvoll in sich ruhende Zeugnisse über das ausklingende Jahrhundert. – München wurde ihm zur zweiten Heimat; hier setzte er sich mit gleicher Intensität für Adolf von Hildebrand und Karl Valentin, Barockkirchen und klassizistische Königsbauten ein. Italien erschloß sich ihm von hier aus in immer neuen Wanderungen. Paris gehörte von vorneherein zur Latinität des Badeners. Gleich auf der 1. Reise mit Th. Heuss 1906 hatte sich hier seine Entwicklung zum Kunstschriftsteller vollzogen. Die Universitätslaufbahn, für die er bestimmt schien, nachdem er zusammen mit Heigel den Abschnitt „Die Zeit der Nationalen Einigung“ (1908) für die „Weltgeschichte“ von J. von Pflugk-Harttung verfaßt hatte, verschloß sich der Nachkomme badischer 48er durch den Beitritt zur sozialistischen Partei (1907–19). Er wurde zum Typ des freien Schriftstellers, des „homme de lettres“, wie es ihn in dieser vollendeten Form selten in Deutschland gegeben hat: beweglich und genau, voller Spürsinn für das Keimende bei aller Treue gegenüber der Tradition. Seine Kenntnisse in politischer Geschichte und Nationalökonomie trugen auch zur Fundierung der kunsthistorischen Arbeiten bei, vor allem im Werk „Der nackte Mensch in der Kunst aller Zeiten“ (1911, erweitert unter dem Titel „Der Körper des Menschen in der Geschichte der Kunst“, 1917), worin „am einzig stabilen Thema der Kunstgeschichte die Wandlung der Form, nicht des Bildinhaltes untersucht“ wurde, und in „Soziologie der Kunst: Bild und Gemeinschaft“ (1912, erweitert 1920), dessen Thesen selbst in Sowjetrußland diskutiert wurden.

    Auf literarischem Gebiet gehört H. zu den Wiederentdeckern von Seume (1912) und Büchner (1913), die er als „deutsche Revolutionäre“ neben „Karl Sand“ (1907) stellte. Sein „Geist des Barock“ (1919, ²1924, erweitert unter dem Titel „Vom Genie des Barock“, 1956) gab den Impuls zur seither datierbaren allgemeinen Wahrnehmung dieser Stilrichtung. Im gleichen Jahr registrierte H. in „Über Expressionismus in der Malerei“ mit der ihm eigenen Hingabe und Behutsamkeit die dominierende Tendenz der neuen Kunstepoche. Freundschaft mit den führenden Köpfen der Avantgarde – von Rilke bis Corinth, Beckmann und Paul Klee, über den er als einer der ersten eine eindringliche Studie veröffentlichte („Kairuan“, 1921), – führte ihn ins Zentrum der Probleme seiner Zeit. „Exoten“ (1920) und „Barbaren und Klassiker“ (1922) verteidigen die Kunst der Primitiven, ohne ihre Grenzen zu übersehen, damit den Weg anbahnend zur Spätschrift „Was bedeutet die moderne Kunst“ (1949), die aus der Sicht des Alters vor allen Übersteigerungen warnt. Daneben war H. Herausgeber von Zeitschriften (darunter „Der neue Merkur“, 1919-22, mit Efraim Frisch; „Ganymed“, 1921-25, mit J. Meier-Graefe) und Mitarbeiter an führenden Blättern. Seine Gesamtproduktion ist kaum überblickbar; allein die Bibliographie der Einzelschriften umfaßt über 80 Nummern, darunter Monographien (Bauern-Breugel, 1910, Grünewald, 1919, Rembrandt, 1926, 1951) so gut wie Enzyklopädien, die er teils geleitet, teils selbst redigiert hat (so „Die bildende Kunst der Gegenwart“, 1914, und „Das Bild, Atlanten zur Kunst“, 10 Bände, 1922–24). Seine Reiseberichte sind kulturhistorische Studien voller Subtilität und Weitblick. Als Leiter des Literaturblattes und der Frauenbeilage der „Frankfurter Zeitung“ 1934-43 schuf er hier eine Plattform des heimlichen Widerstands, bis ihn das allgemeine Schreibverbot traf (bereits 1936 war er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen worden) und er selbst mit seiner Frau, einer Belgierin aus jüdischem Haus, direkter Bedrohung ausgesetzt war. In der Einsamkeit entstanden die kongenialen Übersetzungen aus der französischen Lyrik des 19. Jahrhunderts, vor allem Baudelaire, sowie bewußt aufs Innere bezogene Tagebücher. 1940 war der protestantisch Erzogene mit der Gattin zum Katholizismus übergetreten, „der mir die eigentliche Fülle der christlichen Realität zu enthalten scheint“. Als „entschieden sozialen Christen“ bezeichnete er sich weiterhin.

    Unter Verzicht auf literarische Pläne ließ sich H. 1950 von Konrad Adenauer bewegen, in den auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland einzutreten. Er war zunächst als Generalkonsul, dann als erster Botschafter der Bundesrepublik bis 1955 in Paris mit bedeutendem Erfolg tätig. Er baute die diplomatische Vertretung in Frankreich in personeller und organisatorischer Hinsicht auf, knüpfte die abgerissenen politischen und kulturellen Kontakte wieder an und wirkte entscheidend mit an der Gründung einer internationalen Vertrauensbasis für die Bundesrepublik. Als Außenseiter von der Bürokratie des Auswärtigen Amtes nicht gerade verwöhnt, vermochte H. dennoch durch sein hohes Ansehen in den künstlerischen und literarischen Kreisen Frankreichs seine außerordentlichen Fähigkeilen und durch zähe, diskrete, kluge Kleinarbeit eine fruchtbare und dauerhafte Wirksamkeit zugunsten der deutsch-französischen Versöhnung zu entfalten. Nicht zuletzt seinem Engagement ist es zu verdanken, daß die frühere Kriegsgegnerschaft und die Erinnerung an die Nazibesetzung schon in wenigen Jahren überwunden werden konnten, obwohl die deutsch-französischen Beziehungen während seiner Amtszeit durch das Saar-Problem, das Ringen um die Ablösung des Besatzungsstatuts und den Aufbau Europas im Sinne Adenauers und R. Schumans großen Belastungen ausgesetzt waren. – H.s persönliche Bekanntschaft mit Adenauer fand in den „Pariser Erinnerungen“ (1961, S. 63-116, Sonderausgabe 1967 [W, P] ihren literarischen Niederschlag.|

  • Auszeichnungen

    Präs. d. Bayer. Ak. d. Schönen Künste (seit 1950), Großoffz. d. Ehrenlegion (1955), Prof.-Titel (1955), Gr. Bundesverdienstkreuz mit Stern.

  • Werke

    Weitere W u. a. Rokoko, 1912, ⁴1924, Neuaufl. 1958;
    L. Corinth, 1920;
    M. Beckmann, 1924;
    Allg. Kunstgesch., 1928;
    Meister u. Werke, 1930;
    Europ. Hauptstädte, 1932, Neuausg. 1954, ³1961;
    Land d. Griechen, 1934, Neusaug. 1954;
    Herbstlaub, Erzz., 1947;
    Edgar Degas, 1948;
    Zwiegespräch üb. d. Don Quijote, 1948;
    Meißel, Feder u. Palette, 1949;
    Abendländ. Wanderungen, 1951;
    Besinnl. Wanderfahrten, 1955, ³1963;
    Liebe zu München, 1958 (P), ⁴1964;
    Die Kunst in diesem Augenblick, Aufsätze u. Tagebuchbll. aus 50 J., hrsg. v. H. Melchers, 1960;
    Reisetagebuch e. Europäers, hrsg. v. dems., 1964;
    Licht unter d. Horizont, Tagebücher 1942–46, eingel. u. hrsg. v. W. E. Süskind, 1967 (W, L, P).Überss.: Charles Baudelaire, Ausgew. Gedichte, 1946;
    Das trunkene Schiff u. andere franz. Gedichte v. Chénier bis Mallarmé, 1950. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Marbach, Schiller-Nat.mus.

  • Literatur

    Die Gabe, Dichtungen u. Aufsätze, 1933 (zu H.s 50. Geb.tag);
    Festgabe f. W. H. z. 70. Geb.tag, 1952 (P);
    Th. Heuss, in: Würdigungen, 1955, S. 300-07 u. 427;
    R. Minder, W. H. Ecrivain, in: Allemagne d'aujourd'hui 6, Paris 1957, S. 30-37;
    B. Reifenberg, in: Gegenwart 12, 1957, S. 359-61 (W);
    W. E. Süskind, Gedenkwort f. W. H., in: Jb. d. Dt. Ak. f. Sprache u. Dichtung, 1958, S. 145-47;
    G. Hillard, in: Jahresring 58/59, 1958, S. 296-307;
    G. Jedlicka, in: Wege z. Kunstwerk, 1960, S. 272-86;
    A. Hoentzsch, Der „Kunstschriftsteller“ W. H., in: Hochland 54, 1961/62, S. 91-94;
    W. H., Wege e. Europäers, Ausstellungskat. München, 1967 (mit Vorträgen v. R. Garaudy u. O. Roegele, Bibliogr., P).

  • Porträts

    Büste v. I. W. Fehrle, 1938 (im Bes. v. Frau R.-M. Parry-Hausenstein [T], London);
    Totenmaske, Bronze (Marbach, Schiller-Nat.mus.).

  • Autor/in

    Robert Minder
  • Zitierweise

    Minder, Robert, "Hausenstein, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 113-115 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118547003.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA