Lebensdaten
1870 – 1950
Geburtsort
Den Haag (Holland)
Sterbeort
Blühnbach bei Salzburg (Österreich)
Beruf/Funktion
Stahlindustrieller
Konfession
lutherisch?
Normdaten
GND: 116574216 | OGND | VIAF: 5686352
Namensvarianten
  • Bohlen und Halbach, Gustav von (preußische Namensvermehrung 1906)
  • Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav
  • Bohlen und Halbach, Gustav von (preußische Namensvermehrung 1906)
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Zitierweise

Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116574216.html [24.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Gustav v. B. u. H. (bad. Adel 1871, 1831-90), Dr. iur., bad. Kammerherr u. Legationsrat, zuletzt im Haag, S d. Arnold Halbach (1787–1860), Kaufm. u. preuß. Konsul in Philadelphia, u. d. Caroline Bohlen (1800–1882);
    M Sophie (1837–1915), T d. Henry Charles Bohlen (1810–62), niederländ. Generalkonsul in Philadelphia u. Gen. d. Vereinigten Staaten v. Nordamerika, u. d. Emilia Maria Borie;
    Hügel b. Essen 1906 Bertha (1886–1957), T d. Friedrich Alfred Krupp (s. 3); Schwager Tilo Frhr. v. Wilmowsky (1878–1966), Landrat a. D., stellv. Vorsitzender d. Aufsichtsrats d. Fried. Krupp AG (s. W);
    6 S, 2 T u. a. Alfried (s. 5).

  • Biographie

    K. besuchte in Karlsruhe das Gymnasium und studierte anschließend in Lausanne, Straßburg und Heidelberg Rechts- und Staatswissenschaften. Nach seiner Promotion 1893 trat er als Rechtspraktikant in den bad. Staatsdienst, 1897 als „Referendär“ (Assessor) in das Auswärtige Amt in Berlin ein. Seit 1899 war er als Legationssekretär zunächst an der Botschaft in Washington, dann an der Gesandtschaft in Peking tätig. 1904 wurde er zum Legationsrat ernannt und gleichzeitig als Sekretär an die preuß. Gesandtschaft beim Vatikan berufen. In Rom lernte K. Bertha, die älteste Tochter von Friedrich Alfred Krupp und Alleinerbin des Unternehmens kennen. Nach seiner Heirat wurde K. in den Aufsichtsrat des Unternehmens berufen – auf seinen Wunsch zunächst als einfaches Mitglied. 1909 übernahm er dort den Vorsitz und behielt ihn bis Ende 1943.

    Der Eintritt K.s fiel in eine Expansionsphase des Unternehmens, die bis 1914 anhielt, von der Stockung 1907/08 nur geringfügig unterbrochen Sie wurde ermöglicht durch eine gute Auftragslage in den verschiedenen Produktionsbereichen: Der Bedarf für die Rüstung im In- und Ausland erhöhte sich, u. a. durch umfangreiche Inlandsaufträge im Flottenbereich; in den übrigen Produktionsbereichen ist vor allem die wachsende Nachfrage nach Eisenbahnmaterial zu nennen. Der Gesamtumsatz stieg von 91,4 Mill. Mark (1902/03), davon insgesamt 28,2 Mill. Mark Rüstungsbedarf, auf 463,4 Mill. Mark (1912/13), davon 128,8 Mill. Mark Rüstungsmaterial. Die Belegschaft stieg dagegen nur von 42 300 (1903) auf 77 400 (1913). Diese starke Steigerung der Produktivität war im wesentlichen bedingt durch den Ausbau des Hüttenwerks in Rheinhausen und die dadurch ermöglichte grundlegende Erweiterung und Umgestaltung der Produktionsanlagen in Essen. In Rheinhausen wurden seit 1903 die schon unter Friedrich Alfred Krupp gefaßten Pläne verwirklicht: Der Bau neuer Hochöfen, eines Thomasstahlwerks, eines Walzwerks und verschiedener Anlagen für die Verwertung von Nebenprodukten. Die Verlegung der Schienenproduktion nach Rheinhausen ermöglichte in der Essener Fabrik in Verbindung mit verschiedenen Neubauten die Zusammenfassung und damit rationellere Durchführung der Arbeitsgänge in den verbleibenden Produktionsbereichen. Den erhöhten Rohstoffbedarf deckte Krupp u. a. durch den Ankauf weiterer Kohlezechen und Erzgruben. Die notwendigen Mittel beschaffte man durch Kapitalerhöhungen in den Jahren 1906 und 1908. In diesen Jahren wurden auch die Sozialeinrichtungen in Essen und den Außenwerken weiter ausgebaut, 1908 eine Lehrwerkstatt eingerichtet.

    Bereits vor dem Ausbruch des Krieges soll K. in einem Gespräch mit dem Kaiser von der Möglichkeit einer baldigen Kriegserklärung durch Deutschland erfahren haben. Doch läßt sich das nach den vorliegenden Quellen nicht belegen. Selbst wenn das Treffen stattgefunden haben sollte, hatte diese Information – nicht nur ihrer Kurzfristigkeit wegen – auf die Geschäftspolitik des Unternehmens keine Wirkung. Krupp verfügte mit dem verhältnismäßig hohen Anteil an Auslandslieferungen (von 1910 bis 1914 durchschnittlich knapp 40 % der Fertigung) über ausreichende Kapazitäten im Bereich der Rüstungsproduktion, um die – niedrig angesetzten – Forderungen des Mobilmachungsprogramms ohne Schwierigkeiten zu erfüllen, da die Auslandslieferungen mit Kriegsausbruch ohnehin gestoppt wurden. K. sprach sich zwar zu Beginn des Krieges, wie viele andere, für eine nationale Expansionspolitik aus. Er gehörte jedoch nicht zum Kreis der radikalen Vertreter dieser Forderungen. Zudem hat er seine Vorstellungen unter dem Eindruck der Kriegsereignisse gewandelt.

    Schon bald zeigte sich, daß „Stellungskrieg“ und „Materialschlachten“ bisher ungekannte Mengen an Geschützen, noch mehr aber an Munition erforderten. Im ersten Kriegsjahr verdoppelte sich die Kruppsche Produktion in diesem Bereich im Vergleich zu den In- und Auslandslieferungen des Vorjahres, im dritten Kriegsjahr betrug sie bereits das Sechsfache. Die Produktionssteigerung wurde möglich durch den Bau zahlreicher neuer Fabrikanlagen, insbesondere seit 1916 im Rahmen des „Hindenburgprogramms“. Die Zahl der Beschäftigten im Gesamtkonzern stieg von 80 300 Anfang August 1914 auf 168 000 Anfang November 1918. Zum ersten Mal wurden in der Produktion Frauen eingesetzt – 1918 waren es in der Gußstahlfabrik über 32 000. Die schlechte Ernährung und die Zeitumstände verstärkten die Fluktuation und die heterogene Zusammensetzung der Beschäftigten. Dies führte zur Zunahme von Unruhen und Streiks, in den Außenwerken stärker als in Essen.

    Der Krieg brachte – insgesamt gesehen – das Unternehmen in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Krupp hat zwar im Kriege anfangs hohe Gewinne erzielt. Sie mußten aber – zusammen mit einer Eigenkapitalerhöhung von 70 Mill. Mark – überwiegend zur Finanzierung der außerordentlich hohen Anlageninvestitionen verwendet werden und nahmen später wegen der steigenden Kosten ab. Dividenden wurden, entsprechend dem Beschluß der Inhaber, keine Kriegsgewinne zu machen, zunächst nur in Vorkriegshöhe ausgeschüttet, dann aufgrund der steigenden Kapitalbedürfnisse reduziert und fielen 1917 ganz weg. Die verbleibenden Mittel wurden für Stiftungen und für die wachsenden Wohlfahrtsausgaben verwendet.

    Mit der Niederlage Deutschlands kam Krupp – trotz vorsichtiger Bilanzierungspolitik während des Krieges – in eine schwierige Lage. Es zeigte sich, daß in der Inflationszeit 1919-23 vor allem die insgesamt noch relativ hohen Erträge aus der Eisen- und Stahlerzeugung und aus kriegsbedingten Entschädigungszahlungen des Reiches nicht ausreichten, um die entstehenden Kosten zu decken; vielmehr mußten der größte Teil der bis Kriegsende angesammelten Reserven und auch ein Teil des Aktienkapitals zur Verlustdeckung verwendet werden, ohne dass|aber z. B. die notwendigen Rationalisierungsinvestitionen durchgeführt werden konnten. Verluste entstanden dem Unternehmen hauptsächlich aus folgenden Gründen: 1. Die Produktion war im Krieg weitgehend auf Rüstungsmaterial umgestellt worden. Der Versailler Vertrag verbot Krupp die Herstellung von Munition und ließ die Fertigung von Geschützen nur in sehr beschränktem Umfang zu. K. entschloß sich zu einer Produktionsumstellung, bei der das vorhandene technische Wissen und die vorhandenen Anlagen zur Weiterverarbeitung des Kruppschen Stahls genutzt werden konnten. So wurde die Fertigung neuer Produkte aufgenommen. Zu nennen sind Lokomotiven, Landmaschinen, Dieselmotoren, Registrierkassen und chirurgische Instrumente. Die Umstellungskosten waren aber hoch und die meisten der neuen Produkte nicht wettbewerbsfähig. 2. Die laufenden Personalkosten (für Arbeiter und Angestellte) waren zu hoch: Zwar hatte die Produktionseinschränkung nach Kriegsende zu einer erheblichen Personalreduzierung geführt (vom 1.11.-1.12.1918 Entlassung von ca. 65 000 Beschäftigten). Die Beschäftigungsmöglichkeiten reichten aber für die verbleibenden Mitarbeiter – K. wollte nach Möglichkeit die Stammbelegschaft der Vorkriegszeit halten – bei weitem nicht aus. 3. Krupp mußte in den ersten Nachkriegsjahren im Krieg aufgenommene Rohstoffkredite (Schwedenschuld) abtragen. 4. Die zur Fertigung von Kriegsgerät verwendeten Maschinen (allein 44 % des Maschinenparks in der Gußstahlfabrik) mußten zerstört oder abgeliefert werden. 5. Der Ruhrkampf forderte durch Produktionsausfall bei Weiterbeschäftigung der Belegschaft hohe Kosten und machte die Veräußerung eines großen Teils des Wertpapier- und Devisenvermögens notwendig. Die Situation wurde dadurch verschärft, daß 1923 K. und leitende Mitarbeiter des Unternehmens sieben Monate lang von der franz. Besatzungsmacht inhaftiert wurden.

    K. fand sich nur sehr zögernd nach fortdauernden Verlusten vor allem in den neuen Produktionsbereichen und angesichts der drohenden Illiquidität des Unternehmens zu einschneidenden Sanierungsmaßnahmen bereit. Die Beschäftigtenzahl wurde von 71 300 (1924) auf 46 200 (1926) reduziert; unrentable Fertigungsbetriebe wurden stillgelegt oder verlegt. Andere von der Unternehmensleitung vorgeschlagene Sanierungsmaßnahmen lehnte K. ab: die Dezentralisierung des Unternehmens, die Beteiligung fremden Aktienkapitals und den Anschluß an die Vereinigten Stahlwerke, die 1926 als Zusammenschluß in der Montanindustrie gegründet wurden. Bei der Deckung des akuten Finanzbedarfs halfen (Ende 1924) eine amerikan. Anleihe (US $ 10 Mill.) und (Sommer 1925) die wohl letzte Zahlung des Reiches zur Abrüstungsentschädigung (RM 11 Mill.; Krupp hatte einen Reichskredit in Höhe von RM 60 Mill. beantragt). Krupp mußte dafür seinen Verzicht auf Ansprüche aus dem Versailler Vertrag erklären.

    Schwerpunkt der Sanierungsmaßnahmen waren die Straffung der Weiterverarbeitungsbetriebe und der Ausbau der Stahlerzeugung: So wurde zu dem bereits vorhandenen Stahl- und Walzwerk in Essen-Borbeck ein (schon lange geplantes) Hochofenwerk gebaut. Der Bereich Stahlerzeugung, hier insbesondere die Sonderstähle, z. B. das bei Krupp entwickelte „Nirosta“ als rostfreier Edelstahl sowie „Widia“ als besonders widerstandsfähiges Werkzeugmetall, gestaltete sich wirtschaftlich erfolgreich. In geringerem Maße zeigte sich ein solcher Erfolg auch in Teilbereichen des verbliebenen Maschinenbaues.

    Dieser Aufschwung wurde jedoch bald beendet durch die 1929 einsetzende allgemeine Wirtschaftskrise. Die schon in den Vorjahren latent vorhanden gewesenen Schwierigkeiten (hohe Belastungen durch die Reparationszahlungen sowie hohe Sozialaufwendungen durch die Inflationsverluste bei den Pensionskassen) wurden verschärft durch sehr starke Absatzstockungen. Die Belegschaft, die 1928 wieder auf 92 300 angestiegen war, ging bis 1932 auf 46100 zurück. Der Umsatz, der 1925/26 391,8 Mill. (davon 0,6 Mill. RM Rüstungsmaterial) betragen hatte, sank nach einem Anstieg auf 577,5 Mill. (davon 1,9 Mill. RM Rüstungsmaterial) 1928/29 bis 1931/32 auf 240 Mill. RM (davon 10 Mill. RM Rüstungsmaterial).

    Nach 1933 begann ein Wirtschaftsaufschwung, der bei Krupp in besonderem Umfang mit der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik verknüpft war. Das Unternehmen war in die Autarkie- und Rüstungspolitik des 3. Reiches eingebunden. Das Streben nach Unabhängigkeit von ausländischen Rohstoffen führte bei Krupp zunächst zum Ausbau der eigenen Erzbasis durch den Ankauf inländischer Erzgruben. Im Krieg wurden dazu Beteiligungen im südosteurop. Raum, u. a. Chrom- und Nickelerzgruben in Bulgarien und Griechenland, erworben. Mit dem im Grusonwerk entwickelten und im Krupp-Hüttenwerk in Essen-Borbeck zur Betriebsreife gebrachten Rennverfahren für die Aufbereitung inländischer armer Eisenerze wurde eine größtmögliche Verwertung dieser Rohstoffe möglich. Das Rennverfahren konnte zudem auch bei der Verhüttung armer Nickelerze angewandt werden. Die wachsende Bautätigkeit der öffentlichen Hand, insbesondere der Autobahnbau, führte zur erhöhten Nachfrage nach Walzwerkserzeugnissen. Die „Eisenbauwerkstätten“ in der Friedrich-Alfred-Hütte in Rheinhausen expandierten, vor allem im Bereich des Brückenbaus, in einem solchen Umfang, daß sie 1941 verselbständigt wurden. Zur Gewinnung von Treibstoffen auf Kohlebasis (Fischer-Tropsch-Synthese in Verbindung mit Steinkohleschwelung) entstand die Krupp Treibstoffwerk GmbH. Der Stahlerzeugungsbereich blieb vor allem mit Sonder- und Edelstählen nach wie vor erfolgreich. Lokomotiv-, LKW- und Landmaschinenbau erhielten durch wachsenden Auftragseingang ebenfalls neue Impulse. Insgesamt konnte allmählich auch der Export gesteigert werden. In diesen Jahren wurde der werkseigene und werksgeförderte Wohnungsbau für Belegschaftsmitglieder verstärkt wieder aufgenommen. 1937 entschied man sich nach einer fast 20jährigen „dividendenlosen“ Zeit erstmals wieder für die Ausschüttung einer Dividende in Höhe von 5 %. 1938 wurde nach dem Anschluß Österreichs und dem Tod Arthur Krupps, des Inhabers der Berndorfer Metallwarenfabrik, die Aktienmehrheit dieser Gesellschaft erworben.

    Schon während der 1920er Jahre waren auf Betreiben und später mit finanzieller Unterstützung des Reichswehrministeriums bei Krupp Konstruktionsarbeiten auf dem militärischen Sektor auch über die enge Beschränkung des Versailler Vertrages hinaus aufgenommen worden; gebaut wurden die Fahrzeuge und Geräte in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. Seit Mitte der 1930er Jahre wurden Konstruktion und Fertigung im Rüstungsbereich verstärkt. Während des Krieges schließlich wuchsen die Erfordernisse auf diesem Sektor, gesteuert durch die die gesamte Wirtschaft erfassenden staatlichen Lenkungsmaßnahmen, auf mehr als das Doppelte. Dabei lag der Anteil der Rüstungsfertigung im Verhältnis zur Gesamtproduktion im Vergleich zum 1. Weltkrieg erheblich niedriger, eine genaue Abgrenzung ist allerdings kaum möglich. Der Gesamtumsatz stieg von dem Tiefstand 1932 bis 1937/38 auf 809,6 Mill. RM (davon 52,4 Mill. RM Rüstungsproduktion); 1942/43, im letzten Jahr der Unternehmensleitung von K., betrug der Gesamtumsatz 1,1 Mrd. RM. Die Belegschaft stieg bis 1938 auf 123 400, 1943 umfaßte sie insgesamt 235 300 Beschäftigte.

    Schon seit längerer Zeit hatte K. aus Alters- und Gesundheitsgründen versucht, sich aus dem öffentlichen und dem Geschäftsleben zurückzuziehen. Ende 1943 übergab er die Firmenleitung an seinen ältesten Sohn Alfried, der mit der Umwandlung des Unternehmens in eine Einzelfirma (lex Krupp) Alleininhaber wurde. K. hielt sich mit seiner Frau in zunehmendem Maße, seit Sommer 1944 ständig, in Blühnbach (Österreich) auf. Nach Kriegsende wurde vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg auch gegen ihn Anklage als Hauptkriegsverbrecher erhoben. K. war jedoch nach einem Autounfall im Dez. 1944 und nach mehreren Schlaganfällen nicht mehr verhandlungsfähig; an seiner Stelle wurde der Sohn Alfried in einem der Nachfolgeprozesse vor Gericht gestellt. K. hat diese Geschehnisse aufgrund seiner bis zum Tode im Jan. 1950 währenden Krankheit nicht mehr bewußt wahrgenommen.

    In seiner geschäftlichen Tätigkeit fühlte K. sich als Treuhänder des Unternehmens und Wahrer der Kruppschen Tradition. Die für das Unternehmen bedeutsamen Entscheidungen nach dem 1. Weltkrieg (Fortführung als zentral geleitetes, selbständiges Familienunternehmen mit den Bereichen Stahlerzeugung und Weiterverarbeitung einschließlich Rüstungsfertigung) traf er allein gegen die Empfehlung u. a. seines Direktoriumsvorsitzenden Otto Wiedfeldt und des Reichsfinanzministers Luther. Sein langjähriger Widerstand gegen umfangreiche Entlassungen führte das Unternehmen zeitweise in finanzielle Schwierigkeiten, beruhte aber auf seinem in der Krupp-Tradition begründeten sozialen Verantwortungsbewußtsein für die Belegschaft. Ganz sicher war K. nicht der „Befehlsempfänger“ seiner Frau Bertha, der das Unternehmen gehörte. Vielmehr erwarb er sich durch seine in zielstrebiger Arbeit erlangte Sachkenntnis und sein ausgewogenes Urteil großes Ansehen nicht nur im Unternehmen, sondern auch im öffentlichen und im Wirtschaftsleben.

    K. war seiner politischen Überzeugung nach Konservativer und Befürworter der Monarchie. Trotz der schon Tradition gewordenen Verbindung der Familie zum preuß.-deutschen Herrscherhaus sind bis 1918 keine|Bemühungen um Einflußnahme am Hof erkennbar. Er blieb aber dem Kaiser persönlich auch nach 1918 verbunden. Unabhängig davon stand er jedoch dem Weimarer Staat loyal gegenüber. Sein Verhältnis zur Politik war wesentlich durch die Erkenntnis bestimmt, daß die Firma Krupp eine „besondere Stellung in der Industrie wie der Regierung gegenüber“ einnahm. Aus dieser Einschätzung folgte für ihn eine „ganz besondere Zurückhaltung in allen politischen Fragen“. Dabei verstand er Politik in dem engen Sinn der Parteienpolitik. Er stand persönlich der Deutschen Volkspartei nahe, wollte aber in der Öffentlichkeit nach Möglichkeit nicht mit den Zielen einer politischen Partei in Verbindung gebracht werden. Daher nahm er seit Mitte der 1920er Jahre oft die Vermittlung seines Schwagers, Tilo v. Wilmowsky, in Anspruch, um selbst im Hintergrund bleiben zu können. Andererseits hielt K. die Mitarbeit in überparteilichen Gremien für seine Pflicht, wenn er dazu aufgefordert wurde. 1909 wurde er in die Immediatkommissiun zur Vorbereitung der preuß. Verwaltungsreform berufen, 1910 zum Mitglied des Preuß. Herrenhauses ernannt; bis 1933 gehörte er dem Preuß. Staatsrat an. Kennzeichnend für sein Wirken war auch hier die intensive Auseinandersetzung mit den jeweiligen Sachproblemen.

    Wirtschaftspolitischen Sachverstand und Engagement bewies K. vor allem in der Frage der Reparationen. Verbindungen aus seiner diplomatischen Tätigkeit nutzend, hat er dem Ausland gegenüber immer wieder darauf hingewiesen, daß Deutschland erst seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wiedererlangen müsse, bevor es den Reparationsforderungen nachkommen könne. 1924 wurde er zum Präsidenten des Aufsichtsrats der in Verbindung mit der Durchführung des Dawes-Plans geschaffenen Bank für Deutsche Industrieobligationen gewählt. Dort hat er sich für eine möglichst reibungslose Abwicklung der Zahlungen eingesetzt und zugleich bei den ausländischen Mitgliedern des Aufsichtsrats – wohl mit Erfolg – auf die Ablösung des Dawes-Plans hingewirkt. Mit dem Young-Plan war er nicht einverstanden, weil er auf der Grundlage der Anerkennung einer deutschen Kriegsschuld entstanden sei. Er lehnte es deshalb ab, als einer der drei deutschen Vertreter in den Aufsichtsrat der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich einzutreten. Dennoch war er aus allgemeinen politischen Gründen entschiedener Gegner des u. a. von Hugenberg vertretenen Volksbegehrens gegen den Young-Plan. Er hielt den Rücktritt Hugenbergs vom Vorsitz der Deutschnationalen Volkspartei für dringend notwendig und versuchte gemeinsam mit Wilmowsky – wenn auch ohne Erfolg –, auf dieser Basis eine Einigung der zersplitterten konservativen Parteien herbeizuführen. Auch dabei wünschte er, persönlich im Hintergrund zu bleiben.

    In der Weltwirtschaftskrise schlug K. (Schreiben an den Reichskanzler Brüning im Febr. 1931) zur Überwindung der Arbeitslosigkeit mit Neueinstellungen kombinierte Lohnsenkungen vor, ein Plan, wie ihn auch Hans-Joachim und Alexander Rüstow durchzusetzen versuchten.

    1931 hatte K. das Präsidium des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI) übernommen. Er hatte sich vor 1933 nicht für Hitler oder die NSDAP eingesetzt und stand der Machtübernahme Hitlers reserviert gegenüber. Trotzdem entschied er sich nach der Machtergreifung für den Verbleib in seinem Amte und versuchte, die Eigenständigkeit der Industrie nach Möglichkeit zu erhalten. Er führte die Umgestaltung des RDI zu dem nach dem Führerprinzip organisierten Reichsstand der Deutschen Industrie durch. Als dessen Präsident nahm K. im Sept. 1933 an der einzigen Sitzung des von Hitler berufenen Generalrats der Deutschen Wirtschaft teil. 1934 legte er in Zusammenhang mit der weiteren nationalsozialistischen Umgestaltung der Industrieorganisation sein Amt nieder, weil er seine organisatorischen und personellen Vorstellungen nicht durchsetzen konnte. Zudem fühlte er sich dieser Tätigkeit auch gesundheitlich nicht mehr gewachsen. K. blieb Kuratoriumsvorsitzender der Adolf-Hitler-Spende der Deutschen Wirtschaft, die mit dem Ziel gegründet worden war, die umfangreichen Spendenforderungen der zahlreichen Parteiorganisationen an die Industrie durch quotenmäßig festgelegte Beträge zu ersetzen. Der Ernennung zum „Wehrwirtschaftsführer“ 1937 stimmte er nur unter der Bedingung zu, daß ihm daraus keinerlei aktive Handlungsverpflichtungen erwuchsen. Hitler baute das Unternehmen Krupp und die Person K.s bewußt in seine Propaganda ein, z. B., als er das Unternehmen als „NS-Musterbetrieb“ auszeichnete und als er K. – der übrigens erst damit automatisch zum Mitglied der NSDAP wurde – anläßlich seines 70. Geburtstages persönlich das Goldene Ehrenzeichen der NSDAP überreichte. K. seinerseits hat sich bei offiziellen Firmenveranstaltungen in seinen Reden im Sinne des bestehenden Staates ausgesprochen.

    K. war seit 1934 im Verwaltungsrat der Reichsbahngesellschaft tätig und wurde 1938 auf Drängen des Reichsfinanzministers Aufsichtsratsmitglied der Vereinigte Industrie-Unternehmen AG (VIAG). Sehr intensiv arbeitete er bereits seit 1910 in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften mit und hat dort als Vizepräsident und als Mitglied des Verwaltungsausschusses insbesondere die Bereiche Biologie und Kohleforschung nachhaltig gefördert. – 1912 wurde K. vom Kaiser zum ao. Gesandten und bevollmächtigten Minister ernannt.|

  • Auszeichnungen

    Ehrendoktor (Darmstadt 1912, Bonn 1914 u. Kiel 1916);
    Ehrenmitgl. d. Ver. dt. Eisenhüttenleute (1915);
    Ehrenvorsitzender d. Dt. Mus. (1923);
    Ehrenbürger d. Stadt Essen (1936, aberkannt 1946);
    Goldene Beuth-Denkmünze (1932);
    Goethe-Medaille (1932).

  • Literatur

    (s. a. L zur Einl.) W. Berdrow, Die Fam. v. Bohlen u. Halbach, 1921;
    Ergg. z. Fam.gesch. v. Bohlen u. Halbach, bearb. v. F. G. Kraft, 1930;
    Stahl u. Eisen 70, 1950, S. 165 (P);
    Nekr. a. d. Rhein.-Westfäl. Industriegebiet Jg. 1939–51, bearb. v. F. Pudor, 1955, S. 195-97 (P);
    T. v. Wilmowsky, Warum wurde Krupp verurteilt? Legende und Justizirrtum, ³1962 (P);
    Rhdb. (P). - Eigene Archivstud.

  • Autor/in

    Renate Köhne-Lindenlaub
  • Zitierweise

    Köhne-Lindenlaub, Renate, "Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 138-143 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116574216.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA