Fiehler, Karl
Fiehler, Karl
1895 – 1969
NS-Politiker, Oberbürgermeister von München
- Lebensdaten
- 1895 – 1969
- Geburtsort
- Braunschweig
- Sterbeort
- Dießen am Ammersee
- Beruf/Funktion
- NS-Politiker ; Oberbürgermeister von München ; Politiker ; Nationalsozialist ; Oberbürgermeister
- Konfession
- baptistisch, seit 1930 evangelisch-reformiert
- Normdaten
- GND: 116500115 | OGND | VIAF: 110120123
- Namensvarianten
-
- Fiehler, Karl
- Fiehler
- Fiehler, Carl
Biografische Lexika/Biogramme
Quellen(nachweise)
- * Kalliope-Verbund
- Archivportal-D
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Pressemappe 20. Jahrhundert
- Kritische Online-Edition der Tagebücher Michael Kardinal von Faulhabers (1911–1952)
- Forschungsplattform zu den "Großen Deutschen Kunstausstellungen" 1937-1944
- * Datenbank der deutschen Parlamentsabgeordneten Basis: Parlamentsalmanache/Reichstagshandbücher 1867 - 1938 [1867-1938]
- * Historisches Lexikon Bayerns
- * Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1945-1954
Literatur(nachweise)
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- * Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin
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Als Münchner Oberbürgermeister hatte Karl Fiehler von 1933 bis 1945 maßgeblichen Anteil an der Verankerung der NS-Ideologie auf allen Ebenen der Stadtverwaltung und Stadtgesellschaft. In Personalunion führte er die beiden zentralen kommunalpolitischen Institutionen des „Dritten Reichs“, das NS-Hauptamt für Kommunalpolitik und den Deutschen Gemeindetag.
Lebensdaten
Geboren am 31. August 1895 in Braunschweig Gestorben am 8. Dezember 1969 in Dießen am Ammersee Grabstätte in Konfession baptistisch, seit 1930 evangelisch-reformiert Karl Fiehler, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC) -
Lebenslauf
31.·August 1895 - Braunschweig -
Genealogie
Vater Heinrich Fiehler 1858–1945 Baptisten-Prediger in München, 1887–1890 in Bayreuth; Religionslehrer; Druckschriften-Händler Großvater väterlicherseits Johannes Fiehler 1819–1873 Lehrer in Kathus (Regierungsbezirk Kassel) Großmutter väterlicherseits Amalie Fiehler, geb. Hartusch 1826–1865 Mutter Emma Sophie Emilie Fiehler, geb. Wulff 1861–1943 Großvater mütterlicherseits Hermannsen (unleserlich) Wulff Großmutter mütterlicherseits Margarethe Wulff, geb. Bolsmann Bruder Werner Heinrich Fiehler 1889–1952 Schriftsteller (Pseudonyme „Heinz Werner“ u. „Heinz Werner Wulff“), Publizist, Kaufmann; 1917/18 Schriftleiter der Feldzeitung „Champagne Kameraden“; 1923 Teilnehmer am Hitler-Putsch, Flucht nach Südamerika, 1924 in Abwesenheit zu 15 Monaten Festungshaft verurteilt; später Rückkehr nach München, danach bei der Bayerischen Warenvermittlung landwirtschaftlicher Genossenschaften tätig; 1929 wegen Unterschlagung zu 15 Monaten Haft verurteilt; 1930–1936 erneut NSDSP-Mitglied, Schriftleiter der NS-Zeitung „Die Front“ und 1932/33 Spezialberichterstatter des „Völkischen Beobachters“ im Bayerischen Landtag; 1936 u. a. wegen „Schädigung des Ansehens des Oberbürgermeisters Fiehler“ im KZ Dachau inhaftiert, anschließend Büroangestellter bei Schongau, 1939 in Nürnberg; wegen Zechbetrügereien und Volltrunkenheit zu Haftstrafen verurteilt, um 1940 Autor von Romanen, deren Veröffentlichung z. T. verboten wurde Bruder Johannes (Hans) Georg Hermann Fiehler 1890–1969 Bruder Otto Heinrich Fiehler geb. 1892 Bruder Gerhard August Fiehler geb. 1893 Schwester Frieda Anna Emma Fiehler geb. 1898 Schwester Elisabeth Fiehler geb. 1903 1. Heirat 25.9.1918 in München Ehefrau Regina Rosina Fiehler, geb. Kiendl 1896–1949 Tochter Emma Regina Fiehler geb. 1919 gest. in Starnberg (Oberbayern) Tochter Annemarie Fiehler geb. 1923 verh. mit Carl Watson (geb. 1910), gest. in Wisconsin (USA) eine weitere Tochter 2. Heirat 2.5.1951 in München Ehefrau Margarete Josephine Maria Fiehler, verw. Roßmann, geb. Perzl 1909–1988 Schwiegervater Friedrich Perzl 1881–1963 Schwiegermutter Elmene Perzl, geb. Empter 1883–1964 -
Biografie
Karl Fiehler (Mitte), BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC) 1902 kam Fiehler nach München, wo sein Vater den Aufbau einer Baptistengemeinde unterstützte, und begann nach Abschluss der Volks- und Realschule 1912 eine kaufmännische Lehre. 1914 aufgrund seiner schwachen Konstitution noch als Kriegsfreiwilliger zurückgewiesen, wurde er im September 1915 einberufen und diente bis Kriegsende als Frontsoldat im Westen. Im Dezember 1918 schied er aus dem Militärdienst aus.
Seit 1919 fester Mitarbeiter der Stadt München, lernte Fiehler in mehreren Dienststellen die Strukturen einer großen Kommunalverwaltung kennen. Neben seinem Status als „Alter Kämpfer“ – Fiehler war seit 1923 Mitglied der NSDAP – wurde dies entscheidend für seine politische Karriere im „Dritten Reich“. Als Angehöriger des „Stoßtrupps Hitler“, einer Vororganisation der SS, beteiligte er sich im November 1923 am gescheiterten NS-Putschversuch und wurde im April 1924 vom Volksgericht München I wegen Beihilfe zum Hochverrat zu 15 Monaten Haft verurteilt.
Während der gemeinsamen Festungshaft in Landsberg am Lech wurde Fiehler einer der engsten Gefolgsleute Adolf Hitlers (1889–1945). Am 29. November 1924 vorzeitig aus der Haft entlassen, wurde er noch im selben Jahr als Kandidat der NS-Tarnorganisation „Nationalsozialistische Freiheitsbewegung Großdeutschlands“ in den Münchner Stadtrat gewählt. 1925 trat er der wiedergegründeten NSDAP mit der prestigeträchtig niedrigen Mitgliedsnummer 37 erneut bei, übernahm bis 1929 die Führung der Parteifraktion im Stadtrat und leitete seit 1926 die Ortsgruppe Schwabing. Innerhalb der Reichsleitung der NSDAP verantwortete er seit 1929 die Kommunalpolitische Fachabteilung, seit 1932 das Hauptamt für Kommunalpolitik.
Als Karl Scharnagl (1881–1963) im März 1933 auf nationalsozialistischen Druck zurücktreten musste, wurde Fiehler von Gauleiter Adolf Wagner (1890–1944) zum Oberbürgermeister von München ernannt. In diesem Amt ließ er den Stadtrat „gleichschalten“ und wurde zu einem Vorreiter der Ausgrenzung und Diskriminierung der Münchner Juden, indem er kommunalpolitisch wiederholt antisemitische Reichsgesetze und -verordnungen vorwegnahm. Direkt nach seinem Amtsantritt verfügte Fiehler den Ausschluss von Juden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und verbot ihnen den Zugang zu städtischen Bädern (letztere Bestimmung musste wieder zurückgenommen werden, ehe sie seit 1935 dann reichsweit galt). Jüdische Ärzte in städtischen Krankenanstalten durften künftig nur noch jüdische Patienten behandeln, jüdische Pathologen nur die Leichen von Juden sezieren. Im Januar 1941 gab Fiehler seine Absicht zur „Evakuierung“ aller Münchner Juden bekannt und verantwortete mit Gauleiter Wagner die kurz darauf begonnene Einrichtung zweier „Judenlager“ in Berg am Laim und Milbertshofen, die v. a. als Durchgangslager für die spätere Deportation dienten.
Von 1933 bis 1945 war Fiehler Vorsitzender des Deutschen Gemeindetags, unter dessen Dach die kommunalen Spitzenverbände der Weimarer Zeit vereint und „gleichgeschaltet“ wurden. Nach außen vermittelte er den Eindruck eines kommunalpolitisch kompetenten und bescheidenen Sachwalters städtischer Interessen, dessen Ambitionen weniger von persönlichen Eitelkeiten, sondern von sachlichen Zielsetzungen geprägt waren. Gleichwohl agierte er v. a. als linientreuer Gewährsmann der NS-Ideologie und -Herrschaftspraxis, für den die enge Bindung an Hitler, dem er bis zuletzt bedingungslos loyal gegenüberstand, handlungsleitend war. Über ein konzises kommunalpolitisches Programm verfügte er nicht. Fiehlers erstmals 1929 erschienene Schrift „Nationalsozialistische Gemeindepolitik“ hatte den Charakter einer ideologischen Polemik, die sich bei den Sachaussagen am NS-Parteiprogramm orientierte und allenfalls im Postulat von der Bewahrung der kommunalen Selbstverwaltung eine eigenständige Position formulierte. In der politischen Praxis des Nationalsozialismus nach 1933 wurde die kommunale Selbstverwaltung jedoch endgültig abgeschafft.
Nach dem Ende des „Dritten Reichs“ verteidigte Fiehler in mehreren Eingaben an Gerichte und an die Stadt München das NS-Regime und sein eigenes Handeln als Oberbürgermeister. Im Januar 1949 wurde er von der Hauptspruchkammer München in Kategorie II der „Belasteten (Aktivisten)“ eingestuft und mit Politikverbot, Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts sowie zwei Jahren Arbeitslager bestraft, die allerdings als abgebüßt galten. Fiehler zog sich anschließend an den Ammersee zurück, wo er seinen Lebensunterhalt als Buchhalter verdiente.
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Auszeichnungen
1918 Eisernes Kreuz II. Klasse 1933 Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP 1933–1942 Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Lufthansa AG (als Vertreter kommunaler Anteilseigner) 1934 Ehrenzeichen vom 9. November 1923 („Blutorden“) 1934 Frontkämpfer Ehrenkreuz 1937 Orden eines Großoffiziers der Krone von Italien 1943 Großkreuz des Ordens der Krone von Rumänien 1943 Goldenes Abzeichen der Hitler-Jugend -
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Quellen
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Stadtarchiv München, PA-12011/1-2. (Personalakte)
Staatsarchiv München, K 407. (Spruchkammerakte)
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Werke
Fünf Jahre nationalsozialistische Gemeindepolitik in München, 1929.
Nationalsozialistische Gemeindepolitik, 1929, 71933.
Handbuch der Gemeindeverwaltung. Alphabetisches Nachschlagewerk für die Praxis, 2 Bde., 1934–1939. (Bearb.)
Die deutsche Gemeindeordnung. Mit Durchführungsverordnung und Ausführungsanweisung nebst der bayerischen Überleitungs- und Angleichsverordnung, einschließlich des bayerischen Fürsorgegesetzes und ergänzenden Bestimmungen, 1935, 31941. (Hg.)
München baut auf. Ein Tatsachen- und Bildbericht über den nationalsozialistischen Aufbau in der Hauptstadt der Bewegung, 1937.
Aufgaben der Kommunalpolitik, in: Völkischer Beobachter v. 15.12.1942.
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Literatur
Monografien:
Peter Steinborn, Grundlagen und Grundzüge Münchener Kommunalpolitik in den Jahren der Weimarer Republik. Zur Geschichte der bayerischen Landeshauptstadt im 20. Jahrhundert, 1968.
Horst Matzerath, Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970.
Wolf Gruner, Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung. Wechselwirkungen lokaler und zentraler Politik im NS-Staat (1933–1942), 2002. (Onlineressource)
Andreas Heusler, Das Braune Haus. Wie München zur „Hauptstadt der Bewegung“ wurde, 2008.
Ulrike Haerendel, Kommunale Wohnungspolitik im Dritten Reich. Siedlungsideologie, Kleinhausbau und „Wohnraumarisierung“ am Beispiel Münchens, 2009. (Onlineressource)
Florian Wimmer, Die völkische Ordnung von Armut. Kommunale Sozialpolitik im nationalsozialistischen München, 2014.
Aufsätze und Artikel:
Helmut M. Hanko, Kommunalpolitik in der „Hauptstadt der Bewegung“ 1933–1935. Zwischen „revolutionärer“ Umgestaltung und Verwaltungskontinuität, in: Martin Broszat/Elke Fröhlich/Anton Grossmann (Hg.), Bayern in der NS-Zeit. Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, Bd. 3, 1981, S. 329–356.
Wolf Gruner, Die NS-Judenverfolgung und die Kommunen. Zur wechselseitigen Dynamisierung von zentraler und lokaler Politik 1933–1941, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 48 (2000), H. 1, S. 75–126. (Onlineressource)
Doris Seidel, Die Jüdische Gemeinde Münchens 1933–1945, in: Angelika Baumann/Andreas Heusler (Hg.), München „arisiert“. Entrechtung und Enteignung der Juden in der NS-Zeit, 2004, S. 31–53.
Joachim Lilla (Bearb.), Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch, 2004, S. 138 f.
Andreas Heusler, Karl Fiehler (1933–1945), in: Friedrich H. Hettler/Achim Sing (Hg.), Die Münchner Oberbürgermeister. 200 Jahre gelebte Stadtgeschichte, 2008, S. 117–134.
Wolfram Selig, Art. „Fiehler, Karl“, in: Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 2, 2009, S. 231 f.
Mathias Rösch, Art. „Fiehler, Karl“, in: Hermann Weiß (Hg.), Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, überarb. Neuausg., 22011, S. 121 f.
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Onlineressourcen
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Porträts
zahlreiche Fotografien in: Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sammlung Heinrich Hoffmann.
Fotografie v. Wilhelm Nortz (geb. 1902), 9.11.1933, in: Stadtarchiv München, FS-NS-01270.
Fotografie v. Kurt Huhle, 1936, in: Stadtarchiv München, FS-PER-F-0103-03.
Fotografie, ca. 1933, Abbildung in: Reichstags-Handbuch. IX. Wahlperiode 1933, hg. v. Büro des Reichstags, 1934, S. 399. (Onlineressource)
Fotografie, ca. 1938, Abbildung in: Der Großdeutsche Reichstag 1938, IV. Wahlperiode (nach dem 30. Januar 1933). Mit Zustimmung des Herrn Reichstagspräsidenten hg. v. E. Kienast, 1938, S. 483. (Onlineressource)
Autor/in
→Andreas Heusler (München)
Zitierweise
Heusler, Andreas, „Fiehler, Karl“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/116500115.html#dbocontent