Lebensdaten
1821 – 1896
Geburtsort
Dresden
Sterbeort
Radebeul bei Dresden
Beruf/Funktion
Statistiker
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 116486856 | OGND | VIAF: 27823534
Namensvarianten
  • Engel, Christian Lorenz Ernst
  • Engel, Ernst
  • Engel, Christian Lorenz Ernst
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Engel, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116486856.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V George Bernh., Weinhandlungskellermeister, S des Handelsmanns Andreas in Sommerhausen b. Würzburg;
    M Christiane Rosina, T des Müllers Joh. Aug. Möbius in Gauernitz b. Meißen;
    Dresden 1848 Joh. Frieder. Amalie (1824–90), T des Innoc. Aug. v. Holleuffer, sächsischer Oberstleutnant a. D. u. Rentbeamter;
    2 S, 1 T.

  • Biographie

    E. wandte sich zunächst dem Berg- und Hüttenwesen zu, machte zu seiner praktischen Ausbildung Reisen nach England, Frankreich und Belgien, wurde 1848 in eine Kommission zur Untersuchung der Gewerbe- und Arbeitsverhältnisse im Königreich Sachsen berufen und 1850 mit der Organisation der Allgemeinen Deutschen Gewerbeausstellung in Leipzig beauftragt. Noch im gleichen Jahre wurde ihm die Leitung des neugegründeten Statistischen Bureaus im sächsischen Ministerium des Innern übertragen. Da es ihm nicht gelang, die von ihm geplante Reform der sächsischen amtlichen Statistik zu verwirklichen, legte er 1858 sein Amt nieder und wurde Leiter der auf seine Anregung hin errichteten Sächsischen Hypotheken-Versicherungsgesellschaft. Bald aber kehrte er zur Statistik zurück, indem er 1860 als Nachfolger von Wilhelm Dieterici Direktor des preußischen Statistischen Bureaus wurde (bis 1882).

    E. gehört zu den großen Organisatoren der amtlichen Statistik in Deutschland. Ihm war die Statistik „Zustandschilderung im allgemeinen“ und als solche einerseits eine selbständige Wissenschaft, andererseits eine Methode im Dienste aller anderen Wissenschaften. Die Grundlage aller statistischen Arbeit sah er in der methodischen Massenbeobachtung, die er in bezug auf Forschung, Nachweis der Ursächlichkeit, Erklärung und Darstellung nach naturwissenschaftlichen Verfahren betrieb. Von der amtlichen Statistik forderte er, daß sie sich auf alle Zweige der Verwaltung gleichmäßig erstrecken müsse. Zu diesem Zweck gründete er 1860 die „Preußische Statistische Zentralkommission“, die ein einheitliches Zusammenwirken aller Zweige der Staatsverwaltung bei der Durchführung statistischer Erhebungen gewährleisten sollte, und 1862 im Anschluß an sein Amt ein Seminar zur statistischen Ausbildung von Verwaltungsbeamten. – Er zählt zu den Gründern des Internationalen Statistischen Kongresses und gehörte der Permanenten Statistischen Kommission und dem 1886 ins Leben gerufenen Internationalen statistischen Institut als Mitglied an. Auch am Ausbau der deutschen Reichsstatistik nahm E. großen Anteil, insbesondere als Mitglied der „Kommission zur weiteren Ausbildung der Statistik des Zollvereins“, welche den Grund zur neuen Reichsstatistik legte. E. hat sich auch wiederholt im Sinne|des sogenannten Katheder-Sozialismus mit wirtschafts- und sozialpolitischen Problemen befaßt. 1867-70 gehörte er dem preußischen Abgeordnetenhaus als nationalliberaler Abgeordneter an. Nach ihm wurde das E.sche Gesetz benannt, das besagt, daß mit zunehmendem Einkommen die Ausgaben für Nahrungsmittel relativ sinken.

  • Werke

    vollst. Verz. in: Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel v. 18.12.1896. – Hrsg. zahlr. Fachzss.

  • Literatur

    ADB 48;
    W. Heithecker, E.s Anschauungen üb. d. amtl. Statistik, Diss. Halle 1921;
    E. Blenck, in: BJ I, S. 221-30 (u. III, Tl. 1896, L).

  • Autor/in

    Ernst Meier
  • Zitierweise

    Meier, Ernst, "Engel, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 500-501 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116486856.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Engel: Christian Lorenz Ernst E., namhafter deutscher Statistiker, am 26. März 1821 in Dresden geboren, in Serkowitz bei Dresden am 8. December 1896 gestorben, studirte von 1842—1845 in Freiberg i. S. das Bergfach und Hüttenwesen, unternahm nach dem Abschlusse seiner Studien in den nächsten Jahren größere Reisen in die Bergbau- und Hüttengebiete von Deutschland, Belgien, England und Frankreich und benutzte dabei die Winterhalbjahre 1846 und 1847 zu eingehenden theoretisch-technischen und wissenschaftlichen Studien in Paris. In Brüssel trat er dem Vater der Socialphysik Adolf Quetelet näher. Im Sommer 1848 vom damaligen Königlich sächsischen Ministerium nach seiner Vaterstadt berufen, richtete er 1850 die allgemeine deutsche Gewerbeausstellung in Leipzig mit so außerordentlichem Erfolge ein, daß er noch in demselben Jahre an die Spitze des neu geschaffenen Königlich sächsischen statistischen Büreaus berufen wurde. Er blieb in diesem Amte, nach allen Seiten hin neuordnend und schaffend, bis zum August 1858, wo er, insbesondere der Unmöglichkeit gegenüber, manche der von ihm angebahnten Aenderungen durchzusetzen, mit dem Charakter eines Wirklichen Regierungsraths aus dem sächsischen Staatsdienste schied und sich dem Gebiete des Realcredits zuwandte, bis er nach dem im Juli 1859 erfolgten Tode des damaligen Directors des Königlich preußischen statistischen Büreaus, Wirklichen Geheimen Ober-Regierungsraths Dr. Karl Dieterici, vom 1. April 1860 ab als Geheimer Regierungsrath (Rath III. Classe) mit der Leitung dieses Büreaus, des zweitältesten in Deutschland, betraut wurde. (Das preußische statistische Büreau, dessen erster Director J. G. Hoffmann war, wurde 1805 errichtet, das Königl. bayerische statistische Büreau 1801.) Was Ernst E., der 1863 zum Geheimen Ober-Regierungsrath (Rath II. Classe) aufrückte, in dieser Stellung während eines Zeitraumes von 22 Jahren geleistet, wie er auch hier umformend und gestaltend aufgetreten, wie es ihm gelungen, die preußische statistische Landes-Centralstelle zu einem hohen Grade der Vollendung zu führen, das gehört der Geschichte an. Schon seit Jahren an einem organischen Herzfehler leidend, erkrankte der Verstorbene im October 1877 schwer an einer Brustfell- und rheumatischen Rippenfellentzündung, deren sich immer bemerkbarer machende Folgen in Verbindung mit jenem organischen Leiden und einer sich aus derselben entwickelnden hochgradigen Nervosität ihn Anfang der achtziger Jahre zwangen, seine Entlassung aus dem Staatsdienste nachzusuchen, welche ihm, nachdem er bereits vom 1. April 1882 ab beurlaubt worden, zum 1. Juli desselben Jahres ertheilt wurde. Stets darauf bedacht, wie er den Forderungen seines Amtes und seiner Wissenschaft gerecht werden könne, widmete er der letzteren auch nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienste seine ganze Kraft und sorgte sich bis in die letzten Lebensstunden hinein um das, was für sie noch geschehen könne und müsse.

    Ernst Engel's gesammte Bestrebungen auf dem Gebiete der Statistik gingen von der Erkenntniß aus, daß die amtliche Statistik alle Zweige der Verwaltung gleichmäßig umfassen und sich durch zweckmäßige Erhebung, Sammlung, Zusammenstellung und Veröffentlichung des Urstoffes in einem|den zeitlichen Anforderungen an diese Wissenschaft entsprechenden Geiste nützlich erweisen müsse. Die Statistik war ihm „Zustandsschilderung im allgemeinen“, im engeren Sinne dagegen „sowohl die Schilderung oder Beschreibung des Zustandes menschlicher Gemeinschaften und ihrer Einrichtungen in einem gegebenen Zeitmomente, wie auch die Darlegung der ununterbrochen vor sich gehenden Veränderungen dieses Zustandes und dieser Einrichtungen innerhalb bestimmter Zeitabschnitte“. Er folgerte daraus, daß die Statistik einestheils eine ganz selbständige Wissenschaft sei, anderntheils aber (und zwar zeitlich noch im vorherrschenden Grade, gewissermaßen als Methode) im Dienste aller anderen Wissenschaften und so natürlich auch der Verwaltungswissenschaft und der Verwaltungspolitik stehe. Die methodische Massenbeobachtung war ihm die Grundlage aller statistischen Thätigkeit. Fort und fort war er bemüht, allen seinen Arbeiten die naturwissenschaftlichen Methoden der Forschung und des Nachweises der Ursächlichkeit, der Erklärung und Darstellung zu Grunde zu legen. Dieser seiner schon früh ausgesprochenen und später nur im Wortausdrucke veränderten Ueberzeugung von dem Wesen und der Aufgabe der Statistik mit allen ihren Folgerungen blieb der Verstorbene während seiner gesammten amtlichen und privaten, praktischen und wissenschaftlichen Thätigkeit getreu; ihr suchte er schon als Leiter des sächsischen statistischen Büreaus, soweit angängig, Rechnung zu tragen. Zwar mußte er dort von seinem, später in Preußen in der Hauptsache verkörperten Ideale, der Schaffung eines der statistischen Centralstelle zur Seite stehenden amtlichen Organes, das insbesondere, wie die belgische statistische Central-Kommission, „allen Einzelerhebungen ein gemeinschaftliches Princip unterlege und sie nach einem gemeinsamen Mittelpunkt leite“, Abstand nehmen; dagegen zeigten alle seine Veröffentlichungen das unausgesetzte Streben nach jenen vorangedeuteten Zielen.

    In die ersten Amtsjahre Engel's in Sachsen (1851/52) fällt die Herausgabe des Quellenwerkes der „Statistischen Mittheilungen aus dem Königreiche Sachsen“, auf Grund deren er im April 1853 an der Universität Tübingen die Würde eines Doctors der Staatswissenschaften erlangte. „Land und Leute, Wohnplätze und materielle Hilfsquellen“ schilderte er im „Jahrbuche für Statistik und Staatswirthschaft des Königreichs Sachsen“ (1853) in Zahl und begleitendem Texte, gleichwie er es sich in der als Fortsetzung des Jahrbuches seit 1855 erschienenen „Zeitschrift des statistischen Büreaus des Königlich sächsischen Ministeriums des Innern“ zur Aufgabe machte, den todten Ziffern Leben einzuhauchen, und dort nach und nach eine Reihe der wichtigsten socialen und wirthschaftlichen Fragen zur Besprechung brachte, während das Quellenwerk von 1851 bis 1855 in vier Bänden Stand und Bewegung, die Berufs- und Erwerbsverhältnisse sowie die Sparthätigkeit u. s. w. der sächsischen Bevölkerung behandelte. Daneben beschäftigte sich Dr. Engel, entsprechend seinen Vorstudien und persönlichen Beziehungen, angelegentlich mit der internationalen Statistik, ward bald einer ihrer Hauptführer und der Mitbegründer des internationalen statistischen Congresses, an dessen sämmtlichen neun Versammlungen er sich in hervorragender Weise betheiligte.

    In Preußen ging der neue Director mit frischem Eifer an die Verfolgung jener alten Ziele. Die publicatorische Thätigkeit des statistischen Büreaus erfuhr eine völlige Um- und Neugestaltung. Der „Zeitschrift des Königlich preußischen statistischen Büreaus" (1860) folgten seit 1861 die „Preußische Statistik", 1862 das „Jahrbuch für die amtliche Statistik des preußischen Staats", seit 1864 die „Ergänzungshefte zur Zeitschrift u. s. w.“, seit 1874 die „Statistische Korrespondenz“. Daneben liefen außer den, in ihren veränderlichen Theilen jährlich erscheinenden, 1869/70 nach Form und|Inhalt umgestalteten „amtlichen Kalendermaterialien" (dem Kgl. stat. Büreau waren seit 1852 auch die Geschäfte der „Kalenderdeputation“ übertragen, wie ihm bis 1886 auch das 1848 ins Leben gerufene „preußische meteorologische Institut“ angehörte), eine Reihe von besonderen Veröffentlichungen des Königlichen statistischen Büreaus socialpolitischen Inhalts sowie ein Hafenverzeichniß (1876), von dem unter E. 1879 noch eine zweite Auflage erschien, ein Gemeindelexikon auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. December 1871 und ein Viehstandslexikon auf Grund der Materialien der Viehzählung vom 10. Januar 1873. In dem der ersten Nummer der „Zeitschrift“ beigegebenen Programme wies der Herausgeber darauf hin, daß, obwol die statistischen Forschungen, namentlich wenn ihre Ergebnisse der Zeit und dem Gegenstande nach vergleichbar mit einander sind, je älter sie werden, zu immer werthvollerem geschichtlichen Stoffe heranreifen, die Gegenwart doch das nächste und unbestreitbarste Anrecht auf sie habe; denn die Statistik sei ja hauptsächlich die Zustandsschilderung der Gegenwart. Damit die Statistik aber auch der Gegenwart von Nutzen sei, müsse die Darlegung ihrer Ergebnisse den Begebenheiten, auf welche sie sich bezögen, nicht nur so rasch wie möglich auf dem Fuße folgen; es müsse ihr auch die größtmögliche Verbreitung deshalb gegeben werden, weil die Oeffentlichkeit das befruchtende und berichtigende Element für die Statistik sei. Hiernach sollte die „Zeitschrift“ insbesondere 1. den neuesten statistischen Stoff aus der Monarchie und deren einzelnen Theilen veröffentlichen, 2. wichtige, das Interesse der Gegenwart berührende statistische und staatswissenschaftliche Fragen besprechen sowie 3. die staatswirthschaftlichen Zustände Preußens und seiner Gebietstheile unter sich selbst und mit denen anderer Länder vergleichen, während das amtliche Quellenwerk der „Preußischen Statistik" für die Aufnahme und ausführliche tabellarische sowie textlich erläuternde Veröffentlichung aller derjenigen größeren Arbeiten des Königlichen statistischen Büreaus bestimmt war und ist, welche in keiner anderen Publicationsreihe desselben genügenden Platz finden, der Zweck des später in ein „Statistisches Handbuch" umgewandelten „Jahrbuchs“ aber dahin ging, Nachrichten über alle Zweige der Statistik und über das gesammte Gebiet des preußischen Staats- und Volkslebens in der Weise zu geben, daß die in den verschiedenen Quellenwerken angehäuften und dort bis in die kleinsten Einzelheiten durchgearbeiteten Stoffe dem statistischen Publicum in gedrängter übersichtlicher und leicht benutzbarer Form dargeboten werden. Die „Ergänzungshefte zur Zeitschrift u. s. w.“ hatten und haben die Aufgabe, umfänglichere, nicht auf den eigenen größeren Erhebungen des Büreaus beruhende amtliche und halbamtliche Arbeiten aufzunehmen, und behandelten in den neun unter E. zur Ausgabe gelangten Heften: die Handels- und Preisstatistik, das Versicherungswesen, die Finanzstatistik der Gemeinden und Kreise, die Statistik des Reichsheeres sowie die öffentlichen Volksschulen. Die „Statistische Korrespondenz“ endlich war mit der Bestimmung gegründet, in erster Linie die Hauptergebnisse der vom statistischen Büreau ausführlich veröffentlichten Forschungen in kurzen, für die Tagespresse geeigneten Aufsätzen zur Darstellung zu bringen, zugleich aber auch die amtlichen Ergebnisse aus anderen Staaten des Reiches, aus dem Reiche selbst und aus dem Auslande sowie die hervorragendsten Erscheinungen der statistischen Litteratur zu berücksichtigen. Das Königliche statistische Büreau liefert damit insbesondere der Tagespresse die statistische Scheidemünze, deren sie für ihre Zwecke bedarf.

    Wemge Wochen nach der Ausgabe der ersten Nummer der „Zeitschrift“ trat die vorerwähnte, von E. schon für Sachsen erstrebte, 1870 reorganisirte „preußische statistische Central-Kommission“ ins Leben, deren Aufgabe war|und ist, als höchste fachlich berathende Behörde „ein einheitliches Zusammenwirken sämmtlicher Zweige der Staatsverwaltung dahin zu vermitteln, daß auf allen der Statistik zugänglichen Gebieten — sowohl für das Bedürfniß der Gesetzgebung, der Verwaltung und des öffentlichen Lebens überhaupt, wie auch mit Rücksicht auf die Anforderungen der Wissenschaft — hinsichtlich der Grundlagen, der Ausdehnung und der Art der statistischen Erhebungen nach gleichmäßigen Grundsätzen methodisch und planmäßig verfahren, die Ausführung und Zuverlässigkeit der Erhebungen mit den zu Gebote stehenden Mitteln sichergestellt und die Verarbeitung und Verwerthung der gewonnenen Ergebnisse in zweckentsprechender Weise bewirkt werde“. Die neue Commission begann ihre Thätigkeit bereits im Mai 1861 und war dem Director eine wesentliche Stütze bei der Durchführung der Neuordnung der amtlichen preußischen Statistik sowol bezüglich der Methode der Erhebungen und der Aufbereitung des durch dieselbe gewonnenen Stoffes, wie insbesondere bei der fortschreitenden Ausdehnung des Geschäftsbereiches der preußischen statistischen Landes-Centralstelle. Sie hat in dieser Beziehung bis in die Gegenwart hinein segensreich gewirkt, wennschon ihre Bedeutung nach der Begründung des neuen Deutschen Reiches mit der Schaffung einer Reichsstatistik, deren Forderungen in Zusammenkünften der amtlichen deutschen Statistiker vorberathen werden, namentlich in jüngerer Zeit etwas in den Hintergrund getreten ist. Damals hatte sich die statistische Central-Kommission insbesondere mit jener bekannten, die gesammten praktischen Verbesserungen und Fortschritte einleitenden, die nächste preußische Volkszählung betreffenden Engel’schen Denkschrift über „Die Methoden der Volkszählung u. s. w.“ zu beschäftigen. Bestand bis dahin in Preußen die rein decentralisirte Methode der Erhebung der verschiedenen für die öffentlichen Zwecke erforderlichen Auskünfte mittels Orts-, Kreis- und Bezirkslisten, welche dann im Königlichen statistischen Büreau, soweit überhaupt angängig, geprüft und zu Gesammtübersichten für die Provinzen und den Staat vereinigt wurden, — so ging man nunmehr zunächst auf dem Boden der Volkszählung schrittweise von den Ortslisten mit der Zählung durch Beamte über die Haushaltungs- und Hauslisten, welche von den Haushaltungsvorständen auszufüllen waren, zu den Zählkarten mit Haushaltungsverzeichnissen sowie zur centralisirten Aufbereitung des durch die Erhebung gewonnenen Urmaterials mit allen in dieser Methode liegenden Vortheilen über. Die Zählkartenmethode, auf welche der Verstorbene mit Recht einen so hohen Werth legte, ward in Preußen zuerst 1869 in Anwendung gebracht, 1871 weiter durchgeführt und seitdem bei der überwiegenden Zahl der fortlaufenden, zeitweise wiederkehrenden und einmaligen Arbeiten des Königlichen statistischen Büreaus festgehalten bezw. in Gebrauch genommen. Der Betheiligung der Bevölkerung bei den statistischen Erhebungen maß E. eine sehr hohe Bedeutung bei, mußte es aber doch erleben, daß die von ihm 1869 zu diesem Zwecke angeregte Begründung eines „statistischen Vereinsnetzes für die Länder deutscher Zunge“, ungeachtet ihrer späteren Begrenzung auf Preußen, an den Schwierigkeiten ihrer Durchführung, d. h. an letzter Stelle an der Trägheit der menschlichen Natur und an der schon damals zu Tage tretenden Vereinsmüdigkeit der Bevölkerung scheiterte. Desgleichen war sich der Verstorbene von Anfang an klar darüber, daß, wenn er der amtlichen Statistik die angedeutete Ausdehnung auf alle Zweige der Verwaltung erfolgreich geben wolle, es dazu der Heranbildung statistisch vorbereiteter Staatsbeamter bedürfe. Auf solchen Erwägungen beruhte die im Sommer 1862 vollzogene Einrichtung des „theoretisch-praktischen Kursus zur Ausbildung in der amtlichen Statistik“, des sog. „Statistischen Seminars“, das in etwas veränderter Gestalt noch|heute fortbesteht und s. Z. von einer Anzahl junger Gelehrten besucht wurde, welche später die Lehrstühle für Staatswissenschaften und Statistik auf deutschen und fremden Hochschulen bekleideten und z. Th. noch inne haben. Von den jungen Beamten aus dem zunächst für die gesammte Einrichtung in das Auge gefaßten Bereiche der höheren Verwaltung, welche früher oder später Mitglieder des statistischen Seminars waren, befinden sich heute verschiedene in hohen Staatsstellungen. Wenn E. in seiner bei der letzten Versammlung des internationalen statistischen Congresses zu Budapest im September 1876 gehaltenen Gedächtnißrede auf Adolf Quetelet hervorhob, dieser habe bestätigt, daß „die Werke eines großen Mannes nicht bloß das werth seien, was sie lehren, sondern auch das, was sie anregen“, so gilt von ihm selbst das Gleiche. Mehr Anregungen als er hat wol selten ein Lehrer gegeben; darüber sind alle seine Schüler einig, einig auch die, welche unter und mit ihm, dem wissenschaftlich und technisch so hochgebildeten, sprachgewandten und vielbelesenen Manne haben arbeiten dürfen.

    Daß er das geistige und wissenschaftliche Rüstzeug, dessen eine Behörde, wie die preußische statistische Landes-Centralstelle, zur Erfüllung ihrer Aufgabe dringend bedarf, nicht vergaß, ist selbstverständlich. Sofort nach Uebernahme der Leitung des Büreaus ging er an den planmäßigen Aus- und Fortbau der Bücherei; er erstrebte auf ganz geringen Anfängen die Schaffung einer möglichst vollständigen Fachbibliothek für die der allgemeinen und namentlich der inneren Verwaltungslehre (im Sinne L. v. Stein's) angehörigen Gebiete unter Einbeziehung der übrigen Wissenschaften, soweit sie für jene unentbehrlich sind. Zu Anfang 1882 zählte die Bücherei bereits 86 000 Bände und Broschüren; jetzt sind es deren mehr als 160 000.

    Auch beim Ausbau der Reichsstatistik war der Verstorbene in hervorragender Weise betheiligt. Was E. auf praktischem und wissenschaftlichem Gebiete, amtlich und privatim, was er auf dem gemeinnütziger u. s. w. Bestrebungen geleistet, übersteigt weit das Maaß einer einzelnen Menschenkraft. Vorübergehend gehörte er auch dem preußischen Abgeordnetenhause an, in welchem er von 1867 bis 1870 den Wahlkreis Schleiden-Malmedy-Montjoie als Mitglied der nationalliberalen Partei vertrat, ganz in Uebereinstimmung mit seiner später noch schärfer hervorgekehrten politischen und wirthschaftspolitischen Ueberzeugung, welcher er stets unverhohlen Ausdruck gab.

    Im Ruhestande nahm E. seine früheren Studien und Untersuchungen wieder auf, insbesondere diejenigen über die Messung der Familien- und Volkswohlfahrt sowie über die Lebenshaltung der verschiedenen Volksclassen und ihre Haushaltungsbudgets. Das Ergebniß seiner bezüglichen Forschungen sollte unter dem Namen „Demos“ zusammengefaßt werden und drei Bände füllen, von welchen dem ersten die „Messung der Volkswohlfahrt", dem zweiten die „Messung der Familienwohlfahrt", dem dritten die „Messung der Einzelwohlfahrt“ zugewiesen war. Von diesen drei Bänden erschien zunächst nur der erste Theil des dritten Bandes unter dem Namen: „Der Kostenwerth des Menschen“, während dem zweiten Theile der Ertragswerth des Menschen vorbehalten war. E. faßte in diesem nur kleinen Büchlein das Ergebniß eigener und fremder Untersuchungen über den Anschaffung- oder Kostenwerth des Menschen, der nicht mit dessen Ertrags- oder dessen ethischem Werthe verwechselt werden darf, zusammen und zeigt uns, mehr oder weniger hypothetisch, was die Maschine kostet, der Adam Smith den Menschen vergleicht. — Alles, was die Menschen thun, geschieht nach Engel des Verbrauchs wegen und läßt sich unter den Gesichtspunkt der Consumtion bringen; davon sind nach ihm weder die feinsten Arbeiten des Geistes noch die edelsten Regungen der Seele|ausgenommen. Die Feststellung der menschlichen Consumtion schien ihm nur dürftig ausgebildet; hier Wandel zu schaffen, sollte das Schlußwerk seines Lebens sein.

    Wir müssen darauf verzichten, die zahlreichen Arbeiten, Abhandlungen und Schriften aus der eigenen Feder Ernst Engel's, welche er amtlich und privatim, unter seinem Namen und pseudonym veröffentlicht hat, einzeln zu verzeichnen. Berühren sie doch das ganze Gebiet der Statistik und Volkswirthschaft und darüber hinaus besondere wirthschaftliche und technische Fragen, auf welche ihn sein Bildungs- und Lebensgang geführt. Wir glauben dieserhalb vielmehr auf unsere, am Schlusse bezeichnete Gedächtnißschrift verweisen zu sollen. Seine letzte, auch in das „Bulletin de l'Institut international de Statistique“ übernommene Arbeit über „die Lebenskosten belgischer Arbeiter-Familien früher und jetzt. Ermittelt aus Familien-Haushaltsrechnungen und vergleichend zusammengestellt“ knüpft an jene Schrift über den Kostenwerth des Menschen an. Ihr Ergebniß läßt sich dahin zusammenfassen, daß, bei nahe gleichen Preisen der Lebensmittel, die Lebenshaltung der belgischen Arbeiterfamilien in den Jahren 1853 bis 1891 erheblich gestiegen ist, ein Ziel, das nicht ohne Kampf zwischen den beiden Productionsfactoren erreicht worden. Ernst E. beabsichtigte, wie er in dem aus Oberlößnitz-Radebeul vom Juni 1895 datirten Vorworte zu dieser letzten Schrift sagt, wofern der allgütige Gott ihm noch fernerhin Kraft und Gesundheit genug lasse, diesem Anfange noch im Laufe des Jahres die Ergebnisse ähnlicher, aber in viel größerem Maßstabe unternommener Untersuchungen in den Vereinigten Staaten von Amerika folgen zu lassen, denen sich später die Darlegung der Lebenskosten deutscher Familien verschiedener Wohlstandsgrade, sodann die der Lebenskosten französischer, schweizerischer, englischer, niederländischer, skandinavischer und russischer Familien anreihen werde. Leider konnte er seine Absicht nicht ausführen.

    Die Aufgabe, welche der Verstorbene der Statistik im engeren und weiteren Sinne zuertheilen wollte, hat er in seinem, bereits 1851 entworfenen, von da ab weitergebildeten und 1871 für die Zwecke des statistischen Seminars veröffentlichten „Systeme der Demologie" ausführlichst dargelegt. An diesem Systeme, das die Erfassung der Durchdringung der Raum- durch die Interessengemeinschaften — d. h. der Gesetze, nach denen die menschliche Gesellschaft sich bildet und bewegt, nach denen Staat und Gesellschaft neben einander bestehen — zum Endziele hat, hielt der Verstorbene bei allen sonstigen Wandlungen fest. Er wollte es in einem großen wissenschaftlichen Werke, einem „Systeme der Demologie“ oder „der Demographie“ ausführen, fand aber, solange er im aufreibenden amtlichen Dienste mit dessen täglich wachsenden Ansprüchen war, neben seiner ausgedehnten Vereinsthätigkeit nicht die Muße dazu, während ihm in der späteren Ruhezeit, wie er oft klagte, das benöthigte Handwerkszeug geistiger und mechanischer Art abging, ihm auch viele alte, ihn gleichfalls seit Jahren beschäftigende Fragen wieder näher traten.

    Ernst Engel's wissenschaftliche Bedeutung lag, wir wiederholen es, hauptsächlich in seiner Lehrthätigkeit, in der Verschmelzung des Abstrakten und Konkreten, der Theorie und Technik. Den leitenden Gedanken seines ganzen Lebens hat er selbst in trefflichster Weise in jener Abhandlung, in welcher er sein System der Demologie mittheilt, ausgesprochen, deren Schlußworte lauten: „Wer nicht von rücksichtslosem und unerschrockenem Streben nach Wahrheit beseelt ist, in wem nicht Ordnung und Fleiß zu Fleisch und Blut geworden sind, der lasse ab vom Studium der zur Naturlehre der menschlichen Gemeinschaften erhobenen Statistik. Er hilft ihr nichts, und sie hilft ihm nichts“.

    • Literatur

      Vgl. E. Blenck, Zum Gedächtniß an Ernst Engel im XXXVI. Jahrg der Zeitschrift d. Kgl. preuß. stat. Büreaus, S. 951 ff., auch im Sondenabdruck erschienen.

  • Autor/in

    Blenck.
  • Zitierweise

    Blenck, "Engel, Ernst" in: Allgemeine Deutsche Biographie 48 (1904), S. 363-369 unter Engel, Christian Lorenz Ernst [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116486856.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA