Zwicker, Petrus
- Lebensdaten
- erwähnt 1391, gestorben zwischen 1404 und 1415
- Beruf/Funktion
- Cölestiner ; Inquisitor ; Schulrektor in Zittau ; Verfasser von Traktaten ; Schulleiter
- Konfession
- katholisch
- Normdaten
- GND: 120783088 | OGND | VIAF: 25442492
- Namensvarianten
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- Zwicker, Peter
- Czwicker, Petrus
- Czwickeri, Petrus
- Czwickers, Peter
- Petrus Celestinus
- Frater Petrus Celestinus
- Petrus de Prussia
- Frater Petrus de Prussia
- Zwicker, Petrus
- Zwicker, Peter
- Czwicker, Petrus
- Czwickeri, Petrus
- Czwickers, Peter
- Petrus Celestinus
- Frater Petrus Celestinus
- Petrus de Prussia
- Frater Petrus de Prussia
- Petrus, Zwicker
- Zwicker, Pierre
- Pierre, Zwicker
- Petrus, Czwickeri
- Zwicker, Pether
- Czwickers, Pether
- Petrus Kelestinus
- Frater Petrus Kelestinus
- frather petrus celestinus
- Frather Petrus de Prussia
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Zwicker (auch Czwickeri, Czwicker[s]), Peter (auch frater Petrus Celestinus, frater Petrus de Prussia), Cölestiner, Inquisitor, Verfasser von Traktaten, † nach dem 7.6.1404, ⚰ Benediktinerabtei Garsten (?).
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Genealogie
Eltern unbekannt.
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Biographie
Der aus dem ostpreuß. Wormditt stammende Z. ist erstmals 1379 in Prag als Baccalaureus der Artes-Fakultät belegt. In der Folge wird er vereinzelt mit Magistertitel genannt; dieser scheint jedoch nicht auf weiterführende Studien hinzuweisen. Lange wurde angenommen, Z. habe vor seinem Studium rund zwei Jahrzehnte als Schulrektor in Zittau gewirkt, doch spricht einiges dafür, daß er sich erst nach seinem Baccalaureat gegen 1380 in Zittau niederließ. Entsprechend verkürzt sich seine Unterrichtstätigkeit, da er wenige Jahre später (vor 1385) in das Cölestinerkloster auf dem Oybin eintrat. Am 12.3.1394 wird Z. erstmals als Provinzial der neugegründeten dt. Ordensprovinz faßbar, die freilich nur aus dem Kloster auf dem Oybin und dessen 1387 in Prag gegründetem Ableger bestand. Das Provinzialat hatte Z. bis zu seiner letzten Erwähnung 1404 inne. In den Akten erscheint er u. a. am 13.8.1397 als Provinzial, als er eine Gebetsverbrüderung mit den Benediktinern von Gleink einging. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich hauptsächlich jedoch schon der Verfolgung der Waldenser Glaubensgemeinschaft zugewandt. Als Inquisitor trat Z. erstmals 1391 in Erfurt auf, wobei nicht geklärt ist, weshalb gerade ein Cölestiner mit diesem Amt betraut worden war. Er war in Begleitung des 1374–1401 tätigen Prager Altarpriesters Martin (möglicherweise →Martin von Amberg), mit dem er rund ein Jahrzehnt später wieder zusammenwirken sollte.
Vom Spätherbst 1392 bis zum Frühjahr 1394 leitete Z. in Stettin einen Massenprozeß gegen die Waldenser aus Pommern und der Mark Brandenburg: Die Zahl von ursprünglich 455 Verhörmitschriften, von denen etwas weniger als die Hälfte erhalten sind, vermittelt einen Eindruck vom Umfang der Verfolgung. Dazu bevollmächtigt worden war er durch den Erzbischof von Prag, →Johann von Jenstein (reg. 1378–96[?]), sowie die Bischöfe von Lebus, Kammin und Brandenburg. Auch die nachfolgenden Verfahren waren durch bischöfliche Vollmachten autorisiert. Eine weitere Massenverfolgung unter Z.s Ägide erfaßte von 1395 an die Waldenser in Oberösterreich, v. a. in und um Steyr. Laut den verschollenen Annalen der Benediktinerabtei Garsten, wo Z. Quartier genommen hatte, sollen über tausend Männer und Frauen vor Gericht geladen worden sein. Im Rahmen dieses Verfolgungsschubs ist auch der anonym überlieferte antiwaldensische Traktat „Cum dormirent homines“ zu sehen, der auf 1395 datiert werden kann und Z. zugeschrieben wird, nachdem ihn der Ersteditor →Jacob Gretser 1613 irrtümlicherweise mit dem 1388–1402 an der Univ. Wien tätigen Theologen →Peter von Pilichsdorf in Verbindung gebracht hatte. Der polemische Text liefert die bis dahin vollständigste Beschreibung des dt. Waldensertums. In Oberösterreich stieß der Inquisitor auf Widerstand, weshalb er sich noch 1395 an die geistlichen und weltlichen Würdenträger wandte und die von den Häretikern angeblich ausgehende Gefahr beschwor. Der folgende „Feldzug“ gegen die Waldenser führte ins ungar. (heute slowak.) Tyrnau (Trnava), wo Z. am 11.9.1400 zusammen mit →Martin von Prag belegt ist. Ein weiterer Verfolgungsort im ungar.-österr. Grenzland war Ödenburg (Sopron), wobei sich die Repression am 9.1.1401 wie bereits in Tyrnau allem Anschein nach auf dt. Waldenser konzentrierte. Die nächste Station der beiden Verfolger bildete das steir. Hartberg, wo Z. am 27.2.1401 drei Frauen dem weltlichen Arm überließ. Nach einer Lücke von zwei Jahren ist Z. in Wien belegt; hier verurteilte er am 4.3.1403 einen →Andreas Hesel, dessen „Irrtümer“ sich ausgesprochen eklektisch ausnehmen, zu öffentlicher Buße. Zum letzten Mal findet sich Z. am 7.6.1404 in Ofen (Buda), wobei die Quellen nur sehr fragmentarisch überliefert sind. Danach verliert sich seine Spur.
Die Verfolgungen, welche die dt.sprachigen Waldenser zwischen der Ostsee und dem Alpenrand bzw. zwischen den Rheinlanden und dem Westen des Königreichs Ungarn im letzten Jahrzehnt des 14. und in den ersten Jahren des 15. Jh. erfaßten, waren nicht allein Z.s Werk. Doch war er zweifellos ein wichtiger Treiber der Verfolgung und gilt als aktivster dt. Ketzerjäger seiner Zeit. Neben dem Traktat „Cum dormirent homines“, dessen Verfasserschaft weitgehend gesichert ist, wurde Z. zuletzt auch der kürzere und weniger elaborierte Traktat „Refutatio errorum“ zugeschrieben, der sich als Vorstufe zu „Cum dormirent“ ausmacht. Ferner wird ein knapper „Pater-noster“ -Traktat mit Z. in Verbindung gebracht. Auf die von Z. hauptsächlich in Oberösterreich geleiteten Verfahren geht ein unter der Bezeichnung „Processus Petri“ bekanntes, derzeit nur unzulänglich ediertes Quellenkonvolut zurück, das aus unterschiedlichen Textbausteinen zusammengesetzt und in mehreren Rezensionen überliefert ist.
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Werke
W Cum dormirent homines, Erstdr. in: J. Gretser, Lucae Tudensis episcopi scriptores aliquot succedanei contra sectam Waldensium, 1613, S. 201–76, Nachdr. in: Maxima bibliotheca veterum patrum, T. 25, 1677, S. 277–99;
Refutatio errorum, Erstdr. in: J. Gretser, Lucae Tudensis [ … ], 1613, S. 291–308, Nachdr. in: Maxima bibliotheca [ … ], T. 25, 1677, S. 302–07;
Pater-noster-Traktat, ungedr., Hs. St. Florian, Stiftsbibl., XI 96, fol. 298r–99r. -
Quellen
Qu H. Haupt, Waldenserthum u. Inquisition im südöstl. Dtld. seit d. Mitte d. 14. Jh., in: Dt. Zs. f. Gesch.wiss. 3/1, 1890, S. 337–411, bes. 401 f.; D. Kurze (Hg.), Qu. z. Ketzergesch. Brandenburgs u. Pommerns, 1975, S. 73–262.
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Literatur
L ADB 45;
D. Kurze, Zur Ketzergesch. d. Mark Brandenburg u. Pommerns vornehml. im 14. Jh., Luziferaner, Putzkeller u. Waldenser, in: Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdtld.s 16/17, 1968, S. 50–94, bes. S. 66–91;
P. Biller, Aspects of the Waldenses in the fourteenth century including an edition of their correspondence, Diss. (ungedr.) Oriel College, Oxford, 1974, bes. S. 354–62;
R. Kieckhefer, Repression of Heresy in Medieval Germany, 1979, bes. S. 55–67;
P. Biller, Les Vaudois dans les territoires de langue allemande vers la fin du XIVe siecle, in: Heresis 13/14, 1989, S. 203–28;
ders., The Waldenses, 1170–1530, Between a Religious Order and a Church, 2001, bes. S. 237–69 (The anti-Waldensian treatise Cum dormirent homines of 1395 and its author) u. S. 271–91 (Waldenses in German-speaking areas … [Übers. v. Les Vaudois dans les territoires de langue allemande …, 1989]);
K. Utz Tremp, „Multum abhorrerem confiteri homini laico“, Die Waldenser zw. Laienapostolat u. Priestertum, insbes. an d. Wende v. 14. z. 15. Jh., in: Pfaffen u. Laien – ein ma. Antagonismus?, Freiburger Colloquium 1996, hg. v. E. C. Lutz u. E. Tremp, 1999, S. 153–89;
P. Segl, Die Waldenser in Österr. um 1400, in: Friedrich Reiser u. d. „waldens.-hussit. Internationale“, hg. v. A. de Lange u. K. Utz Tremp, 2006, S. 161–88;
dies., Von d. Häresie zu Hexerei, „Wirkliche“ u. imaginäre Sekten im Spätma., 2008, bes. S. 275–310;
G. Modestin, in: Schles. Lb. X, hg. v. K. Borchardt, 2010, S. 25–34;
ders., The Anti-Waldensian Treatise Cum dormirent homines, Historical Context, Polemical Strategy, and Manuscript Tradition, in: Religious Controversy in Europe, 1378–1536, hg. v. M. Van Dussen u. P. Soukup, 2013, S. 211–29;
E. Smelyansky, Heresy and Citizenship, 2020;
R. Välimäki, Imagery of Disease, Poison and Healing in the Late Fourteenth-century Polemics against Waldensian Heresy, in: Infirmity in Antiquity and the Middle Ages, hg. v. Ch. Krötzl, K. Mustakallio u. J. Kuuliala, 2015, S. 137–52, bes. S. 139–47;
ders., Transfers of anti-Waldensian material from a polemical treatise to a didactic text, in: Medieval Worlds 7, 2018, S. 153–69;
ders., Heresy in Late Medieval Germany, The Inquisitor Petrus Z. and the Waldensians, 2019;
– ältere L u. Forsch.gesch.: G. Modestin, Rez.essay zu Välimäki, Heresy [ … ], 2019, in: Studia Mediaevalia Bohemica 11 (2019), Nr. 1, 2021, S. 93–98;
LexMA. -
Autor/in
Georg Modestin -
Zitierweise
Modestin, Georg, "" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 800-801 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd120783088.html#ndbcontent
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Zwicker, Petrus
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Biographie
Zwicker: Petrus Z., aus Wormditten in Preußen, Inquisitor, begegnet zuerst als Schulrector in dem damals böhmischen Zittau, tritt 1381 in das benachbarte Cölestinerkloster auf dem Oybin ein und bekleidet seit 1395 gleichzeitig das Priorat dieses Klosters und das Amt eines Provinzials der deutschen Cölestinerprovinz. Um 1390 übernimmt er, vermuthlich auf einen vom päpstlichen Stuhle und von König Wenzel ausgegangenen Auftrag hin, zusammen mit dem Priester Martin von Prag die Verfolgung der deutschen Waldenser, der er sich lange Jahre hindurch in ebenso energischer wie erfolgreicher Weise widmete. In Böhmen, Oesterreich, Ungarn, Steiermark, Pommern, Brandenburg, Thüringen hat er den waldensischen Gemeinden nachgespürt, Tausende von Anhängern der Secte vor sein Gericht gezogen und theils zur Abschwörung ihres Glaubens gezwungen, theils dem Scheiterhaufen überliefert. Wesentlich seiner Thätigkeit ist es zuzuschreiben, daß das Waldenserthum, das am Ende des 14. Jahrhunderts in einzelnen deutschen Landschaften die katholische Kirche geradezu zu überflügeln drohte, durch die Verfolgungen der Jahre 1390—1410 seiner Organisation und seiner Führer beraubt, und daß damit auf lange hinaus weiteren Fortschritten der waldensischen Propaganda ein Damm entgegengesetzt worden ist. Aus Zwicker's Inquisitionsarchiv hat sich eine Reihe von Actenstücken (Untersuchungsprotocolle, Urtheilssprüche, Verzeichnisse und Widerlegungen von waldensischen Glaubensartikeln u. A. m.) erhalten, die von Gretser, Preger, Wattenbach, Döllinger und dem Unterzeichneten bekannt gemacht worden sind. Besonders bemerkenswerth ist darunter ein zu Ende des Jahres 1395 erlassenes Manifest, worin Z., der damals die Rache der durch zahlreiche Hinrichtungen erbitterten oberösterreichischen Waldenser zu fürchten hatte, dem Papst, dem gesammten Clerus, den weltlichen Fürsten und speciell den österreichischen Herzogen die von Seite des Waldenserthums drohenden Gefahren schilderte und zur energischen Unterdrückung der Ketzerei aufforderte. Die Mahnung blieb nicht erfolglos, und gelang es Z. in den folgenden Jahren unter ausgiebiger Unterstützung der österreichischen Herzoge und durch massenhafte Hinrichtungen der überzeugungstreuen Ketzer den Widerstand der Waldenser niederzuwerfen. Bis zu seinem zwischen 1405 bis 1415 erfolgten Tode blieb Z. auf seinem Posten; im Kloster Garsten bei Steher, seinem langjährigen Standquartier bei Verfolgung der österreichischen Waldenser, fand er seine letzte Ruhestätte.
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Literatur
H. Haupt, Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland (1890) S. 57 ff., 82 ff. und die dort angeführten Quellen.
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Autor/in
Herman Haupt. -
Zitierweise
Haupt, Herman, "Zwicker, Petrus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 45 (1900), S. 535 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd120783088.html#adbcontent