Lebensdaten
1808 – 1889
Geburtsort
Sulzburg (Baden)
Sterbeort
Freiburg (Breisgau)
Beruf/Funktion
Orientalist ; Übersetzer ; Übersetzer ; Historiker ; Philologe
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 117251208 | OGND | VIAF: 30308463
Namensvarianten
  • Weil, Gustav Jakob
  • Weil, Gustav
  • Weil, Gustav Jakob
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Zitierweise

Weil, Gustav, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117251208.html [08.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit d. 14. Jh. zuerst in Weil b. Stuttgart nachweisbarer Gelehrten- u. Rabbinerfam.;
    V Gottschalk (Götsch) Eliakum (1762–1830), Vorsteher d. jüd. Gde. in S., S d. Hirschel Naphtali (1729–1800);
    M Babette (um 1783–1845), T d. Samuel (Seligmann) Nathanael (Nesanel) Wittersheim (Wiedersheimer) (1760–1831, 2] Esther Moyse Marx, * 1769), 1788 Gen.syndicus d. Elsässer Juden in Hagenau, 1812 Oberrabbiner im Westphäl. Konsistorium in Kassel, 1813 Oberrabbiner in Metz, Begründer d. franz. Zentralrabbinerschule, unterrichtete W. (s. NDBA; Biogr. Hdb. Rabbiner I / 2), u. d. Kendle Mayer Mutzig (1757–94);
    Ur-Ur-Gvv Naftali Hirsch W. (1639–92), Rabbiner in Freiburg (Br.);
    Ur-Gvv Moses (1688–1766), inoffizieller Vorsteher d. jüd. Gde. in S.;
    Tante-m Pauline Wittersheim (1802–67, Marx Pfeiffer, 1785–1842, Bankier, württ. HR, s. NDB 20*);
    6 Halb-B Loew (* 1789), Adolf (* 1803), Simon Wolf (1804–93), Imanuel (1805–27), Menachem Dow (* 1807), Jehuda (* 1816), 5 B Marx (1811–1903), Lazarus (* 1817), Lazer (* 1818), Salomon (* 1819), Joseph (* 1825), 2 Halb-Schw Hania (* 1792), Brencel (* 1800), 7 Schw Carolina (* 1810), Flor (* 1812), Rosalia (* 1814), Karolina (1821–72), Mathilde (um 1822–1901), Clara (* 1822), Minata (* 1823);
    1) Heidelberg 1839 Auguste Levy ( 1851), 2) Heidelberg 1853 Sophie Levy (1818–86), Schw d. Auguste (s. o.);
    5 K aus 1) (3 früh †) u. a. S Adolf (1848–1916), 1886–87 o. Prof. f. spezielle Pathol. u. Therapie in Dorpat, danach in Badenweiler, 1893 Arzt u. Konsiliarius in Wiesbaden, beschrieb e. schwere Verlaufsform d. Leptospirose (Weilsche Krankheit), 1883 Mitgl. d. Leopoldina (s. Pagel; Fischer; Enc. Jud.²; Goerttler, Wegbereiter; Drüll, Heidelberger Gelehrtenlex. I), 1 S aus 2), 2 T aus 2) u. a. Helen (1879–1939);
    Vt Eduard Pfeiffer (1835–1921, württ. Personaladel 1900), Soz.pol., Bankier, Schriftst. (s. NDB 20).

  • Biographie

    W. besuchte die Ortsschule in Sulzburg und erhielt Privatunterricht durch den ev. Stadtpfarrer Johannes Gerwig ( 1828). Ab dem 12. Lebensjahr wurde er in Metz von seinem Großvater in jüd. Religionslehre unterwiesen und besuchte das dortige Lyzeum. Das ursprüngliche Ziel, Rabbiner zu werden, gab W. auf und immatrikulierte sich 1828 an der Univ. Heidelberg, wo er bei Johann Christian Felix Bähr (1798–1872), Georg Friedrich Creuzer (1771–1858) und Carl Friedrich Hermann (1805–55) Philologie, bei Friedrich Christoph Schlosser (1776–1861) Geschichte und bei dem ev. Theologen Friedrich Wilhelm Karl Umbreit (1795–1850) Arabisch studierte. 1830 ging er nach Paris, um sich dort unter Silvestre de Sacy (1758–1838), Étienne Marc Quatremère (1782–1857) und Nicolas Perron (1798–1876) ganz der Orientalistik zu widmen. Aufgrund bedrängter finanzieller Verhältnisse schloß er sich nach einem Semester der franz. Expeditionsarmee nach Algier an, um die orientalische Kultur aus eigener Anschauung kennenzulernen. Von dort berichtete er für den Stuttgarter Verlag Cotta an die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ und das „Morgenblatt für gebildete Stände“. 1831 reiste er weiter nach Kairo und unterrichtete Französisch an der Veterinärschule von Abu Zabel. Zugleich vertiefte er u. a. bei Sheikh Muhammed Ayyad al-Tantawi (1810–61) sein Arabisch und lernte Persisch sowie Türkisch. 1835 kehrte er nach mehrmonatigem Aufenthalt in Konstantinopel nach Heidelberg zurück. 1836 wurde W. in Tübingen mit einer Arbeit über Zamasharis „Goldene Halsbänder“ zum Dr. phil. promoviert. Sein Versuch, sich dort zu habilitieren, scheiterte zunächst wegen seiner Kritik an einer Übersetzung des einflußreichen Orientalisten Joseph v. Hammer-Purgstall (1774–1856) (Samaschari’s Goldene Halsbänder, 1835) und an seiner jüd. Herkunft. Erst mit Unterstützung Sacys konnte er sich habilitieren und erhielt eine Anstellung als Collaborator, ab 1838 als fester Mitarbeiter an der Universitätsbibliothek. Trotz Ablehnung der Universität wurde W. 1845 als erster Jude in Baden von Ghzg. Leopold (1790–1852) zum ao. Professor für Orientalische Sprachen ernannt und wurde 1861 Ordinarius (em. 1889).

    Nach seiner Ausgabe von „Samachscharis goldene Halsbänder, von neuem übersetzt| mit kritischen und exegetischen Noten zur Erklärung der von Herrn v. Hammer mißverstandenen Stellen, nebst Verbesserung des Textes nach einem in Kahira aufgefundenen Manuscripte“ (1836), die er dem bad. Staatsminister Ludwig Georg Winter (1778–1838) widmete, veröffentlichte W. eine Ausarbeitung seiner Antrittsvorlesung über „Die Poetische Litteratur der Araber vor und unmittelbar nach Mohammed, Eine historische Skizze“ (1837, F. W. K. Umbreit gewidmet).

    1838–41 übersetzte er mit streng philologischem Ansatz „Tausend und eine Nacht, Arabische Erzählungen, Zum Erstenmale aus dem arabischen Urtext treu übersetzt“. Doch der Verleger beauftragte den Orientalisten August Lewald (1792–1871) mit der Überarbeitung des Textes, um diesen in bereinigter Form zwar „treu und wahr, und doch keusch und verhüllt“ als Unterhaltungsbuch zu präsentieren, „so artig und konventionell, daß keine Dame die Augen senken dürfte“ (S. XII f.). W. distanzierte sich von dem Ergebnis, erst 1865 erschien seine Ausgabe „vollständig und treu übersetzt“. Mit seiner Studie „Mohammed der Prophet, Sein Leben und seine Lehre, Aus handschriftlichen Quellen und dem Koran geschöpft und dargestellt“ (1843, Ghzg. Leopold gewidmet) legte er eine erste historisch-kritische Biographie des Propheten vor. Auch in den folgenden Jahren trug W. wegweisend zur Mohammed-Forschung bei und veröffentlichte u. a. die Übersetzung „Das Leben Mohammed’s nach Mohammed Ibn Ishak bearbeitet von Ab del-Malik Ibn Hischam“ (2 Bde., 1864). Dieses Werk widmete er Johann Jakob Stähelin (1797–1875), der den Druck finanzierte.

    Die im Auftrag des Bielefelder Verlags Velhagen und Klasing 1844 verfaßte „Historischkritische Einleitung in den Koran“ wurde der Übersetzung von Ludwig Ullmann (1804–43) beigefügt und kann als Beginn der modernen Koranforschung aufgefaßt werden, indem W. als erster auf die Surenchronologie verweist.

    Mit der Studie „Biblische Legenden der Muselmänner“ (1845) wies W. nach, wie diese zur Verbreitung der neuen Religion eingesetzt wurden. 1846–62 erschien die bahnbrechende „Geschichte der Chalifen, Nach handschriftlichen, größtentheils noch unbenützten Quellen bearbeitet“ (5 Bde.), die als erste umfassende Darstellung der islam. Geschichte von 632 bis 1517 nach Originalquellen gilt. Die „Geschichte der islamischen Völker von Muhammad bis zur Zeit des Sultan Selim übersichtlich dargestellt“ (1866) gibt eine Einführung in die mittelalterliche Geschichte des Orients.

    W. zählt wie Abraham Geiger (1810–74) und Ignaz Goldziher (1850–1921) zu einer Reihe jüd. Gelehrter, die sich im 19. Jh. aus einer kulturellen und religiösen (Kramer, 1999) sowie exegetischen und historischen Nähe (Noll, 2007) von Judentum und Islam erstmals aus „rein wissenschaftlicher Neugierde“ einer vorurteilsfreien Koran- und Islamforschung zuwandten.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Asiat. Ges. Paris (1838);
    Geschworener am bad. Hofger. d. Unterrheinkreises (1857);
    preuß. Kronenorder IV. Kl. (1863);
    Mauritiusorden (1863);
    Offz.kreuz d. mexikan. Guadelupe-Ordens (1866);
    pers. Sonnenorden (1873);
    Mitgl. d. Engeren Senats (1874 / 75), Dekan (1874 / 75) u. Prodekan d. phil. Fak. d. Univ. Heidelberg (1875 / 76);
    Rr.kreuz I. Kl. (1878) u. Kommandeurkreuz II. Kl. d. Ordens v. Zähringer Löwen (1886);
    HR (1884);
    W.-Gasse in Sulzburg (1928–33, erneut 1990).

  • Werke

    Weitere W u. a. Die Matrone v. Ephesus, n. muselmänn. Tradition, in: Europa 4, 1839, S. 433–39;
    Sur un fait relatif à Mahomet, in: Journ. Asiatique, Juillet 1842, S. 108–12;
    Die Zukunft d. Islams, in: Zs. f. Theol. 12, 1844, S. 237 f.;
    Die Ann. des Tabari, in: Heidelberger Jbb. d. Lit. 38, 1845, S. 408–20;
    Die Assassinen, in: HZ 9, 1863, S. 418–34;
    Zur Lit. d. Gesch. d. Kreuzzüge, ebd. 24, 1870, S. 257–73;
    Mohammedanismus, in: Staats-Lex., ³1864, S. 136–52;
    „Mahomet savait-il lire et écrire?” in: Atti del IV Congresso Internazionale degli Orientalisti, 1878, I, 1880, S. 357–66.

  • Quellen

    |Univ.archive Heidelberg u. Tübingen; Cotta-Archiv, DLA Marbach; The Nat. Library of Israel.

  • Literatur

    |ADB 41;
    G. Dugat, Hist. des orientalistes de l’Europe du XIIe au XIXe siècle, I, 1868, S. 42–48;
    J. Fück, Die arab. Studien in Europa, 1955, S. 175 f.;
    D. M. Dunlop, Some Remarks on W.’s History of the Caliphs, in: Historians of the Middle East, hg. v. B. Lewis u. P. M. Holt, 1962, S. 315–29;
    B. Lewis, The Pro-Islamic Jews, in: Judaism 17, 1968, S. 391–404;
    H. L. Zollner, Mehr als Übers. v. „Tausendundeiner Nacht“, Zum 100. Todestag d. Orientalisten G. W., in: Momente, Btrr. z. Landeskde. IV, 1989, S. 13–15;
    J. Grosspietsch, Vom Markgräfler- ins Morgenland, in: Bad. Heimat 79, 1999, S. 649–54;
    M. Kramer, Introduction, in: The Jewish Discovery of Islam, Studies in Honor of Bernard Lewis, 1999, S. 1–48;
    W. Heidenreich, Weißer Kieselstein, schwarzer Obelisk, in: Alemann. Judentum, 2001, S. 318–28;
    S. Mangold, Eine „weltbürgerl. Wiss.“, Die dt. Orientalistik im 19. Jh., 2004, S. 79, 104 f. u. 208;
    W. Werth, Der Orientalist G. W. (1808–1889), o. J., unveröff. Typoskr., Anna-Hugo-Bloch-Stiftung Sulzburg;
    Ch. Noll, Jüd. Sichtweisen auf d. Koran, in: ZfG 55 / 12, 2007, S. 1120–36;
    D. Hartwig, Die „Wiss. d. Judentums“ u. d. Anfänge d. krit. Koranforsch., in: Zs. f. Rel. u. Geistesgesch. 61 / 3, 2009, S. 134–256, bes. 243;
    R. J. Bloom, Jews, Muslims and Bildung, in: Rel. Compass 8 / 2, 2014, S. 49–59;
    A. Merx, in: Bad. Biogrr. IV, 1891, S. 489–96;
    M. Perlmann, in: Enc. Jud.²;
    Drüll, Heidelberger Gelehrtenlex. I.

  • Porträts

    P Photogr. (Univ.archiv Heidelberg, Bilderslg.;
    Univ.bibl. Heidelberg, Graph. Slg.).

  • Autor/in

    Gregor Pelger
  • Zitierweise

    Pelger, Gregor, "Weil, Gustav" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 616-618 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117251208.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Weil: Gustav W., einer der befähigtsten Orientalisten seiner Zeit, ist in Sulzburg im badischen Oberlande am 25. April 1808 geboren. Zum Rabbiner bestimmt, wurde er von Jugend auf im Hebräischen, Deutschen und Französischen unterrichtet, vom Ortsgeistlichen lernte er Latein. Zwölf Jahre alt kam er nach Metz, um Talmud zu studiren, dem er aber keinen Geschmack abgewann, so daß für ihn der Aufenthalt in Metz nur wegen des Französischen von bedeutendem Werthe war. Er bezog 1828 die Universität Heidelberg, wo er sich der Philologie und Geschichte widmete, zugleich aber bei Umbreit Arabisch zu lernen begann. Obwol mittellos, da sein Vater das Vermögen verloren hatte, begab er sich doch 1830 nach Paris in die Schule de Sacy's, und von dort folgte er der französischen Expeditionsarmee nach Algier. Er lieferte von Algier aus Correspondenzen für die Augsburger Allgemeine Zeitung. Seine dort auf die Dauer unhaltbare Stellung gab er im Januar 1831 auf, reiste nach Kairo und hatte das Glück, als Lehrer des Französischen an der aegyptischen Medicinschule zu Abu-zabel angestellt zu werden, und er benutzte die günstige Gelegenheit,|unter den vorzüglichen arabischen Philologen Mohammad Ayyâd et-tantâwi und Ahmed et-tûnsi zu studiren. Auch lernte er hier Neupersisch und Türkisch. Mit kurzer Unterbrechung durch eine Reise nach Europa im Mai 1832 blieb er in Aegypten bis zum März 1835. In dieser Zeit kehrte er über Konstantinopel, wo er sich türkischer Studien wegen eine Zeit lang aufhielt, nach. Deutschland zurück und versuchte seine Habilitation in Heidelberg zu erwirken, was ihm nicht ohne Schwierigkeiten gelang. W. hatte nämlich gegen Joseph von Hammer in einer Uebersetzung von Samachschari's goldenen Halsbändern (Stuttg. 1836) polemisirt, was bei dem hohen Ansehen Hammer's die incompetente Heidelberger Facultät stutzig gemacht hatte. Die Empfehlung de Sacy's eröffnete ihm aber den Weg. der freilich auch späterhin noch rauh genug sein sollte. Seinen Lebensunterhalt bestritt er aus seiner Collaboratorstelle an der Bibliothek und wurde dann 1838 fest angestellter Bibliothekar, was er geblieben ist, bis er 1861 zum Professor ordinarius gemacht wurde, nachdem er schon 1836 sich habilitirt hatte. W. veröffentlichte nach seiner Uebersetzung der goldenen Halsbänder die „Poetische Litteratur der Araber“ (Stuttgart 1837), sodann eine Uebersetzung von „Tausend und Eine Nacht“, die ihm indessen sozusagen unter der Feder verdorben worden ist. Der Stuttgarter Verleger ließ nämlich durch August Lewald viele anstößige Stellen umändern, und während W. ein philologisch genaues Werk, welches in vieler Hinsicht wünschenswerth gewesen wäre, zu schreiben vorhatte, machte der Verleger eine gangbare Unterhaltungsschrift daraus, was W. vielen Aerger bereitet hat. Der Leser wolle also diese deutsche Bearbeitung durchaus nicht als eine genaue Wiedergabe des Originals ansehen, ebenso wenig aber auch die Schuld davon W. zuschreiben. Das Buch erschien 1866 in zweiter Auflage.

    Eine zweite große Arbeit, die W. beschäftigte, war eine Lebensgeschichte Mohammed's, bei der er als Erster auf die ältesten in dieser Zeit in Europa erreichbaren Quellen zurückgriff, während erst lange Zeit nachher durch Aloys Sprenger die eigentlichen Urquellen erschlossen worden sind. W. hat hier den ihm zugänglichen Stoff zuverlässig mitgetheilt, eine psychologische Reconstruction zu versuchen, wie es später Sprenger und Muir gethan haben, das lag nicht in seiner Natur, dagegen war er unter den damals lebenden deutschen Orientalisten für eine solche stoffliche Arbeit vermuthlich der am besten vorbereitete. Washington Irving, dessen Lebensgeschichte Mohammed's durch den Tauchnitzdruck in Deutschland sehr verbreitet ist, benutzte ihn vielfach als Quelle.

    Im Verfolg dieser Studien publicirte W. weiter die „Historisch-kritische Einleitung in den Koran“ (Bielefeld und Leipzig 1844 und 1878) als Beigabe zu Ullmann's Koranübersetzung, und weiter die Uebersetzung der Grundquelle für die Mohammedbiographie: „Das Leben Mohammed's nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, übersetzt von Dr. G. Weil“ (Stuttgart 1864). Die Kosten dieser Publication bestritt, da sich kein Verleger dazu bereit finden wollte, der Basler patricische Professor J. J. Stähelin. Endlich sind noch drei Abhandlungen anzuführen, die eine über Mohammed's Epilepsie im Journal asiatique Juli 1842, sodann eine Untersuchung über eine Lüge des Mohammed, ebenda Mai 1849, und die dritte, eine Erörterung über die Frage, ob Mohammed lesen und schreiben konnte, in den Acten des Florentiner Orientalistencongresses I, 357. Hierzu kommen noch „Die Biblischen Legenden der Muselmänner“ (Frankfurt 1845), worin er den Einfluß der rabbinischen Legende auf den Islam nachweist.

    Das umfangreichste Werk Weil's ist aber seine „Geschichte der Chalifen“, welche in Wahrheit eine Verarbeitung der arabischen Originalhistoriker ist, die er zum großen Theile aus Handschriften studiren mußte, weil sie meist noch|ungedruckt waren. Das fünfbändige Werk, welches auch den spanischen und ägyptischen Chalifat behandelt, erschien 1845—1862. Ihm folgte dann noch die „Geschichte der islamischen Völker übersichtlich dargestellt“ 1866, die bequemste Einführung in die mittelalterliche Geschichte des Orients durch einen gründlichen Kenner. Weil's akademische Laufbahn war keine glänzende, 1845 zum Extraordinarius ernannt, trat er trotz aller dieser gelehrten Arbeiten erst 1861 in die Facultät ein. Nach 1866 hat er nur noch Recensionen in den Heidelberger Jahrbüchern und in der Jenaischen Litteraturzeitung veröffentlicht, deren Polemik jetzt vergessen werden kann. Bei zunehmender Kränklichkeit wurde er Weihnachten 1888 pensionirt und starb am 29. September 1889 zu Freiburg im Breisgau. Sein Besitz an arabischen Handschriften ist der Heidelberger Universitätsbibliothek geschenkt worden.

    • Literatur

      Was über diese Lebensnotizen hinaus für Badener und Heidelberger Verhältnisse von Interesse ist, habe ich in v. Weech's Badischen Biographien, Band IV, mitgetheilt; mehr als dort gesagt ist, ist über Weil's Leben nicht zu finden. Die Chronologie der Jugendgeschichte habe ich aus halb zerrissenen Reisepässen ableiten müssen, die übrigen Einzelheiten verdanke ich seinen im Verlaufe vieljährigen Umganges gemachten mündlichen Mittheilungen.

  • Autor/in

    Merx.
  • Zitierweise

    Merx, "Weil, Gustav" in: Allgemeine Deutsche Biographie 41 (1896), S. 486-488 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117251208.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA