Lebensdaten
1861 – 1938
Geburtsort
Jamburg bei Sankt Petersburg
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
Metallurg ; Chemiker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 117697818 | OGND | VIAF: 22925480
Namensvarianten
  • Tammann, Gustav Heinrich Johann Apollon
  • Tammann, Gustav
  • Tammann, Gustav Heinrich Johann Apollon
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Tammann, Gustav, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117697818.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Heinrich (1832–64, aus Riga, Arzt am städt. Krankenhaus in J., lehrte später prakt. Med. am |Landwirtschaftl. Inst. in Gori-Gorki (Weißrußland), S d. Johann u. d. Minna Meiß;
    M Mat(h)ilde (1834–86), aus Dorpat, T d. Johann Joachim Christian Schünmann (1780–1840);
    St. Petersburg 1891 Anna (1865–1920), aus St. P., T d. Linus Mitscherling;
    1 S Heinrich (1894–1946, Verena, 1907–88, Autorin, s. L, T d. Alfred Bertholet, 1868–1951, Prof. d. ev. Theol. in Basel, Tübingen, G. u. Berlin, s. NDB II), Oberarzt an d. Chirurg. Univ.klinik in G., 1933 ao. Prof. an d. Univ. ebd., 1940 apl. Prof. f. Luftfahrtmed. an d. TH Hannover (s. Hann. Professoren), 2 T; E Gustav Andreas (* 1932), Prof. f. Astrophysik 1972–77 in Hamburg, 1977–2002 in Basel, Mitgl. d. New York Ac. of Science (1974), d. Schweizer. Ak. f. Naturforscher (1984), d. Leopoldina (1984), d. European Ac. of Science (1990), d. Ac. Europaea (1990) u. d. Ac. di Napoli (1994), korr. Mitgl. d. Österr. Ak. d. Wiss. (1998) u. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1993), Dr. rer. nat. h. c. (Istanbul 1985), Einstein-Preis (2000), Tomalla-Preis (2000), Karl Schwarzschild-Preis (2005) (s. Kürschner, Gel.-Kal. 2009); Schwager Gustav Adolf Linus Mitscherling (1862–1900), Dr. med., Arzt in St. P.

  • Biographie

    Nach dem Tod des Vaters zog die Familie nach Dorpat, wo T. die Vorschule und 1872–79 das Gymnasium besuchte. Anschließend studierte er Physik und Chemie an der Univ. Dorpat bei Arthur v. Oettingen (1836–1920), Carl Schmidt (1822–94), Johann Lemberg (1842–1902) und Gustav v. Bunge (1844–1920). Noch vor Ablegung des Diploms (1882) wurde er zweiter Chemieassistent (Laborant) von Schmidt. 1883–85 war er auch als Lehrer am Realgymnasium tätig. Das Studium schloß er 1883 mit einer Arbeit über den Nachweis und die analytische Bestimmung von Fluor ab. Auf Anraten Lembergs studierte er nun Pflanzenphysiologie und Mikroskopie und führte biochemische Untersuchungen über den Gehalt von Fluor in Pflanzen und Samen, den osmotischen Druck von lebenden Systemen und über Fermentationsprozesse durch. Seit 1885 wandte T. sich der physikalischen Chemie zu und publizierte eine erste Arbeit über die Molekulargewichtsbestimmung mittels Dampfdruckmessungen. 1887 erfolgte die Ernennung zum Privatdozenten und 1889 zum Dozenten. 1890 legte er eine Dissertation über die „Metamerie der Metaphosphate“ vor. Nach der Emeritierung von Schmidt|1892 wurde T. zum Direktor des Chemischen Instituts und gleichzeitig zum ao., 1894 zum o. Professor ernannt. Auf Betreiben von Walther Nernst wurde er 1903 auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Anorganische Chemie an der Univ. Göttingen berufen. Nach dem Weggang von Nernst nach Berlin übernahm T. 1907 die Leitung des Instituts für Physikalische Chemie (em. 1930).

    T.s Dampfdruckmessungen an konzentrierten Lösungen ergaben, daß die gelösten Stoffe ähnlich wirken wie externer Druck auf das reine Lösungsmittel. Der so erzeugte „Binnendruck“ wurde als Hinweis auf starke Wechselwirkungen zwischen gelösten Stoffen und den Lösungsmitteln gedeutet. Diese Arbeiten stellte T. 1907 in der Monographie „Über die Beziehungen zwischen den inneren Kräften und Eigenschaften der Lösungen“ zusammenfassend dar. Noch in die Dorpater Zeit fallen Untersuchungen zu den Phasenumwandlungen in heterogenen Systemen, die T. seit 1895 betrieb, und die ihren Niederschlag in einer weiteren Monographie „Kristallisieren und Schmelzen“ (1903, erweiterte Fassung u. d. T. Aggregatzustände, 1922) fanden. Dazu kam 1924 das Lehrbuch „Heterogene Gleichgewichte“. Für die Bestimmung der Druck-Temperatur-Gleichgewichtskurve zwischen unterschiedlichen Aggregatzuständen eines Stoffes konnte T. Experimente bei Drücken bis zu 10 000 kg/cm ² durchführen. Diese Untersuchungen brachten wesentliche Erkenntnisse zu Kristallkeimbildung und -wachstum in unterkühlten Schmelzen, zum Verständnis des Glaszustandes und der polymorphen Phasenumwandlungen in einigen anorganischen und organischen Stoffen. Große Unterschiede in der Einstellgeschwindigkeit des Gleichgewichtszustandes in heterogenen Systemen wurden festgestellt und zwei neue Hochdruckmodifikationen des Eises entdeckt.

    In Göttingen wandte sich T. zwei damals noch kaum bearbeiteten Themen zu, den Verbindungen der Metalle untereinander und der Silikatchemie (einschließlich der Gläser). Die Untersuchungen zur Verbindungs- und Legierungsbildung zwischen Metallen wurden u. a. in 125 fortlaufend nummerierten „Göttinger metallographischen Mitteilungen“ veröffentlicht. Besondere Aufmerksamkeit widmete T. der Kaltbearbeitung und Rekristallisation und der „Reaktionsgrenze“ der Metalle und Legierungen gegenüber Reagenzien. Systematische optische Versuchsreihen führten zu ersten Erkenntnissen über die Schichtdicke von Anlaufschichten auf Metalloberflächen. Untersuchungen zu Bildung und Zerfall von Metallverbindungen führten ihn zur Formulierung eines Geschwindigkeitsgesetzes für diffusionskontrollierte Festkörperreaktionen. Im Bereich der Silikatchemie befaßte er sich v. a. mit der Untersuchung des Wärmeinhalts, des Volumens und der optischen Eigenschaften von Glas im „Erweichungsintervall“ (Der Glaszustand, 1933). T. gilt als einer der Begründer der Metallkunde.

  • Auszeichnungen

    A Dr. h. c. (Frankfurt, Dresden);
    GR (1909);
    Mitgl. d. Ak. d. Wiss. in Göttingen (o. 1910), Berlin (korr. 1919), Wien (korr. 1922) u. St. Petersburg (korr. 1912);
    Ehrenmitgl. d. Estländ. Literar. Ges. (1925), d. Dorpater Naturforscher-Ges., d. Ak. d. Wiss. d. UdSSR (1927), d. Ges. d. Metallkde. (1921), d. Dt. Bunsen-Ges. (1929), d. Inst. of Metals, London u. d. Chemical Soc.;
    Ehrenbürger d. TH Stuttgart (1929);
    Bunsen-Preis d. Dt. Bunsen-Ges. (1921);
    Heyn-Preis (1929);
    Carl-Lueg-Preis (1929);
    goldene Medaille d. Ak. d. Wiss. in St. Petersburg (1912?);
    Liebig-Denkmünze d. Ver. dt. Chemiker (1925);
    Bakhuis-Roozeboom-Medaille d. Ak. d. Wiss., Amsterdam (1923);
    goldene Paterno-Medaille d. Ital. Chem. Ges. (1932);
    Adlerschild d. Dt. Reiches (1936);
    T.-Gedenkmünze d. Dt. Ges. f. Materialkde. (DGM, seit 1973);
    G.-T.-Preis d. Univ. Göttingen (seit 1995).

  • Werke

    Weitere W u. a. Ermittlung d. chem. Zus.setzung ohne Hilfe d. Analyse, in: Zs. f. Anorgan. u. Allg. Chemie 37, 1903, S. 303–13;
    Über Anlauffarben v. Metallen, ebd. 111, 1920, S. 78–89;
    Lehrb. d. Metallographie, 1914, ³1923, u. d. T. Lehrb. d. Metallkde., 1932.

  • Literatur

    W. Biltz, in: Zs. f. Anorgan. u. Allg. Chemie 198, 1931, S. 1–31 (P);
    U. Dehlinger, in: Angewandte Chemie 52, 1939, S. 229–31;
    G. Masing, in: Zs. f. Elektrochemie 45, 1939, S. 121–24 (P);
    ders., in: Die Naturwiss. 27, 1939, S. 169 f. (P);
    ders., in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 73, 1940, S. 25–27 (P);
    Nature Nr. 3616, 1939, S. 291;
    Stahl u. Eisen 71, 1951, S. 2 (P);
    W. E. Garner, The T. Memorial Lecture, in: Journal of the Chemical Soc. 1952, S. 1961–73 (P);
    E. Thomson, in: Ostdt. Gedenktage 1988, 1987, S. 177–79 (P);
    A. G. Morschevskii, in: Russian Journal for Applied Chemistry 74, 2001, S. 1610–15 (P);
    Mus. d. Göttinger Chemie, Mus.briefe 23, 2004 (P), ebd. 24, 2005;
    Pogg. IV, VI, VII a (L);
    Dt.balt. Biogr. Lex.;
    Lex. Naturwiss. (P);
    – zu Verena T.-Bertholet: Zur Erinnerung an V. T.-B., [1988] (P)

  • Porträts

    | Öl/Lwd. v. E. Jensen, 1936 (Göttingen, Inst. f. Materialphysik), s. Die Übergabe d. Adlerschildes an GR T., in: Mitt. d. Univ.bundes Göttingen 17, 1936, S. 35 ff., u. Bildniskat. Univ. Göttingen, S. 116, Nr. 210;
    Photogr. v. August Schmidt, 1913 (Göttingen, Slg. Voit), Abb. in: Göttinger Gelehrte I, S. 329.

  • Autor/in

    Anton Lerf
  • Zitierweise

    Lerf, Anton, "Tammann, Gustav" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 772-773 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117697818.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA