Lebensdaten
1883 – 1934
Geburtsort
Brandenburg/Havel
Sterbeort
Neubabelsberg bei Potsdam
Beruf/Funktion
General ; Reichskanzler
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118608037 | OGND | VIAF: 8180339
Namensvarianten
  • Schleicher, Kurt von
  • Von Schleicher, Kurt
  • Schleicher, Curt von
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Orte

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Zitierweise

Schleicher, Kurt von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118608037.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus hess. Fam., deren Stammreihe mit Elias S. (um 1628-74), Pfarrer in Obervellmar u. Ehringen, beginnt u. d. 1778 mit Christoph, gfl. lipp. Reg.rat, in den Reichsadelsstand erhoben wurde;
    V Hermann (1853–1906), preuß. Oberstlt., S d. Ludwig (1812–71), auf Brodhagen, preuß. Lt., MdL, u. d. Luise Lammers (1829–95);
    M Magdalene (1857–1939), T d. Friedrich Heyn, Reeder, KR, u. d. Amalie Engelhard;
    Ov Karl (1851–99), preuß. Major, Otto (1861–1933), preuß. Gen.major;
    Geschw Ludwig-|Ferdinand (1884–1923), preuß. Lt., Farmer in Kanada, Thusnelda (1879–1955, Albrecht v. Gaudecker, 1878–1932, Major);
    Berlin 1931 Elisabeth (1893–1934, v. SS erschossen, 1) 1931 Bogislaw v. Schleicher, 1892–1945, Rittmeister), T d. Viktor v. Hennigs (1848–1930), preuß. Gen., u. d. Paula v. Albedyll (1861–1946);
    1 Stief-T Lonny (* 1919, s. L).

  • Biographie

    S. trat nach dem Besuch der Kadettenanstalten in Plön und Berlin-Lichterfelde 1900 als Leutnant in das 3. Garde-Rgt. zu Fuß (Berlin) ein, einen militärischen Verband mit ausgesprochenem Korpsgeist, was S.s Laufbahn später zugutekommen sollte. 1910-13 wurde er an der Kriegsakademie in Berlin zum Generalstabsoffizier ausgebildet und anschließend zum Großen Generalstab kommandiert. Bis auf wenige Monate als Frontkommandant verbrachte er den Weltkrieg auf verschiedenen Adjutantenposten. Nach 1918 bekleidete S. zunächst als Leiter der Dienststelle für innen- und militärpolitische Aufgaben und seit 1926 als Chef der neu geschaffenen „Wehrmachtsabteilung“ Schlüsselpositionen an der Nahtstelle zwischen Militär und Politik, ehe er am 1.3.1929 zum Leiter des Ministeramtes im Reichswehrministerium ernannt wurde, was der Stellung eines Staatssekretärs entsprach. Damit korrespondierte seine Beförderung zum Generalmajor im Oktober, an welcher Reichswehrminister Wilhelm Groener (1867–1939), der im Weltkrieg zeitweise Vorgesetzter S.s gewesen war und diesen als eine Art Ziehsohn betrachtete, erheblichen Anteil besaß.

    S. galt den Zeitgenossen als bloßer „Bürogeneral“, der für die Interessen der bewaffneten Macht auf umtriebige Weise im Hintergrund wirkte und Fäden in alle politischen Richtungen, mit Ausnahme der Kommunisten, spannte. Seinen politischen Aufstieg verdankte er dem Ausbau der Präsidialgewalt, als dessen stärkster Befürworter und konzeptioneller Kopf er sich in der Reichswehrführung profilierte. Durch die Bündelung exekutiver Befugnisse beim Reichspräsidenten, auf dessen Geheiß – bei Umgehung der im Reichstag vertretenen Parteien – die Reichsregierung Zustandekommen sollte, wollte er die Voraussetzungen für eine Aufrüstung und Aufwertung der Reichswehr schaffen. Dafür konnte er den Reichspräsidenten Paul v. Hindenburg (1847–1934) auch deshalb gewinnen, weil er wie dieser aus dem 3. Garderegiment zu Fuß hervorgegangen und lange mit dessen Sohn Oskar (1883–1960) freundschaftlich verbunden war. Seine Bemühungen wurden im April 1930 mit der Einsetzung des ersten Präsidialkabinetts unter Reichskanzler Heinrich Brüning (1885- 1970) von Erfolg gekrönt. Im Auftrag Hindenburgs lotete S. aus, ob die seit Ende 1930 zu einem Machtfaktor aufgestiegene NSDAP in dieses Konzept integriert werden könnte. Als die Regierung Brüning am 13.4.1932 die SA-Verbände verbot, wandte sich S. von Brüning und seinem Mentor Groener ab, der als kommissarischer Innenminister dieses Verbot maßgeblich zu verantworten hatte, da er das in der SA versammelte wehrfähige Potential für seine ehrgeizigen Aufrüstungspläne nutzen wollte. Nach Brünings Entlassung spielte S. eine maßgebliche Rolle bei der Bildung der neuen Präsidialregierung unter dem von ihm protegierten Franz v. Papen (1879–1969) und übernahm am 1.6.1932 das Reichswehrministerium.

    Da sich Hitler seinen Avancen verweigerte, schlug S. Ende August 1932 einen Konfrontationskurs gegen die NSDAP ein. Mit Hilfe von Staatsrechtslehrern, v. a. von Carl Schmitt (1888–1985), ließ er verfassungsrechtliche Möglichkeiten ausloten, um die Befugnisse des Reichspräsidenten so auszulegen, daß dieser einem Präsidialkabinett ein Regieren gegen die Reichstagsmehrheit gestatten konnte. Damit wollte S. u. a. den Anspruch Hitlers auf die Reichskanzlerschaft aushebeln, der sich auf den Erfolg der NSDAP bei der Reichstagswahl vom 31.7.1932 gründete. Mit diesem Vorhaben geriet S. in Gegensatz zu den monarchischen Restaurationsabsichten Papens, dessen Nachfolger als Reichskanzler er am 3.12.1932 wurde.

    Da Hindenburg die Konfrontation v. a. mit den Nationalsozialisten scheute, die in S.s Konzept einer autoritären Präsidialherrschaft angelegt war, entzog er ihm das Vertrauen, so daß S. am 28.1.1933 als Reichskanzler und Keichswehrminister zurücktrat. Er hielt sich seither aus der Politik zurück und kommentierte nur im vertrauten Kreis die Errichtung der Herrschaft Hitlers auf bissige Weise. Am 30.6.1934 fiel er zusammen mit seiner Frau in seiner Villa in Neubabelsberg der als „Röhm-Putsch“ bezeichneten Mordaktion zum Opfer.

  • Literatur

    T. Vogelsang, Reichswehr, Staat u. NSDAP, 1962;
    ders., K. v. S., 1965;
    A. Schildt, Mil.diktatur mit Massenbasis?, 1981;
    F.-K. v. Plehwe, Reichskanzler K. v. S., 1983 (P);
    W. Pyta, Vfg.umbau, Staatsnotstand u. Querfront, in: ders. u. L. Richter (Hg.), Gestaltungskraft d. Politischen, 1998, S. 173-97;
    ders., Konstitutionelle Demokratie statt monarch. Restauration, in: VPZ 1999, S. 417-41;
    H. Graml, Zw. Stresemann u. Hitler. Die Außenpol. d. Präsidialkabinette Brüning, Papen u. S., 2001;
    C. Gusy, in: M. Fröhlich (Hg.), Die Weimarer Rep., 2002, S. 269-81;
    I. Strenge, K. v. S., Politik im Reichswehrministerium am Ende d. Weimarer Rep., 2006;
    Munzinger;
    GHdA 83, Adelige Häuser B XV, 1984 (P);
    Biogr. Lex. Weimarer Rep.;
    zu Lonny:
    Christian Mayer, in: SZ v. 26.6.1999 (P).

  • Autor/in

    Wolfram Pyta
  • Zitierweise

    Pyta, Wolfram, "Schleicher, Kurt von" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 50-52 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118608037.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA