Lebensdaten
1776 – 1844
Geburtsort
Langelage (Westfalen)
Sterbeort
Bayreuth
Beruf/Funktion
Paläontologe ; bayerischer Kammerherr ; Regierungsdirektor ; Paläontologe
Konfession
lutherisch?
Normdaten
GND: 12053343X | OGND | VIAF: 54981206
Namensvarianten
  • Münster, Georg Graf zu
  • Münster, Georg zu
  • Muenster, Georg zu
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Münster, Georg Graf zu, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd12053343X.html [08.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ludwig (1750–90), hann. Oberlandesmarschall, S d. Georg u. d. N. N. Freiin v. Hammerstein (1730–58);
    M Charlotte (1755–1830), T d. Otto v. Münchhausen (1716–74), Landdrost in Harburg; Stiefonkel Ernst (s. 1);
    Vt Georg (s. 2); – ledig.

  • Biographie

    M. trat nach dem Studium der Kameralistik als Kriegs- und Domänenrat in den preuß. Staatsdienst ein und war zunächst 1800-06 in Ansbach, danach in Bayreuth tätig. Nach dem Übergang der Mgfsch. Ansbach-Bayreuth an Bayern wurde er als Kammerherr in bayer. Dienste übernommen. M., der in engem Kontakt mit führenden Geologen und Paläontologen Europas stand, hatte entscheidenden Anteil an der intensiven wissenschaftlichen Bestandsaufnahme, die die Paläontologie in der ersten Hälfte des 19. Jh. prägte. Während zahlreicher Reisen, die nicht nur in die nähere und weitere Umgebung Bayreuths, sondern auch in andere Gegenden Deutschlands und Europas führten, widmete er sich dem Sammeln von Fossilien. Als vermögender Mann konnte er auch ganze Sammlungen ankaufen oder durch Mittelsmänner sammeln lassen. Seine Sammeltätigkeit erstreckte sich auf sämtliche Formationen Mitteleuropas. Schwerpunkte waren der Bayreuther Muschelkalk, wo er das erste zusammenhängende Skelett eines Sauriers bergen konnte, die paläozoischen Formationen des Frankenwaldes, ganz besonders die oberjurassischen Plattenkalke von Solnhofen, Kelheim und Monheim, von denen er als Glanzstücke einen von ihm selbst beschriebenen Flugsaurier („Pterodactylus medius“) sowie zwei Seeschildkröten erwerben konnte, sowie später auch die triassischen Kalkmergel von St. Cassian (Südtirol). Für das Kreisnaturalienkabinett in Bayreuth stiftete er 15 200 Dubletten seiner Sammlung. Seine Hauptsammlung von 150 000 Exemplaren wurde nach seinem Tod vom bayer. König angekauft und bildete den Grundstock der Bayer. Staatssammlung für Paläontologie und historische Geologie. M. bearbeitete seine Funde zum großen Teil selbst. In über 70 Publikationen machte er etwa 900 neue Arten bekannt. Für das von August Goldfuß 1826-44 herausgegebene prächtige Tafelwerk „Petrefacta Germaniae“ lieferte M. zahlreiche Beiträge. 1839 begründete er die Reihe „Beiträge zur Petrefaktenkunde“, von der bis 1846 sieben Bände erschienen. Die meisten darin veröffentlichten Arbeiten stammen von M. selbst, so über die Clymenien und Goniatiten (paläozoische Ammoniten) oder die wichtige Monographie über die fossilen langschwänzigen Krebse in den Kalkschiefern Bayerns. Er beschränkte sich nicht auf Fossilbeschreibungen, sondern konnte auch Wesentliches zur Klärung stratigraphischer Fragen (altersmäßige Einstufung von Gesteinsschichten) beitragen. So erklärte er die Gosauschichten von Wiener Neustadt aufgrund ihres Fossilgehaltes entgegen der herrschenden Lehrmeinung als der Kreidezeit zugehörig. Er erkannte die Zugehörigkeit der Nummulitenschichten am Kressenberg bei Traunstein zum Tertiär und stufte tertiäre Meeressande zwischen Osnabrück und Kassel richtig als pliozän ein. Zahlreiche Gattungen und Arten von Fossilien wurden nach M. benannt, z. B. Muensteroceras (Goniatit), Muensterella Tintenfisch, Muensteria (Spurenfossil), Selenocarpus muensterianus (Farn), Belonostomus muensteri (Fisch).

  • Werke

    u. a. Über d. Versteinerungen aus d. feinkörnigen Thoneisenstein u. d. grünen Sande am Kressenberg b. Traunstein in Baiern, 1828;
    Bemerkungen z. näheren Kenntnis d. Belemniten, 1830;
    Sur le gisement géognostique des Ammonées en Allemagne, 1830;
    Über d. Planuliten u. Goniatiten im Übergangskalk d. Fichtelgebirges, 1832;
    Über einige neue Pflanzen in d. Keuper-Formation b. Bayreuth, 1836;
    Btrr. z. Petrefacten-Kunde, 7 Hh., 1839-46.

  • Literatur

    ADB 23;
    K. A. v. Zittel, Gesch. d. Geol. u. Paläontol. bis Ende d. 19. Jh., 1899;
    W. Weiss, Bayreuth als Stätte alter erdgeschichtl. Entdeckungen, 1937;
    H. Döbereiner, in: Jber. 1965/66 d. Gf.-Münster-Gymnasiums;
    B. v. Freyberg, Das geolog. Schrifttum üb. Nordost-Bayern (1476–1965), Tl. I, Bibliogr., in: Geologica Bavarica 70, 1974;
    H. Mayr, G. Gf. zu M., Kat. d. Mineralientage München 1988, S. 52-58 (P);
    G. Weiss, in: Aufschluß 40, S. 403-11, 1989 (P);
    Pogg. II.

  • Porträts

    Pastellporträt v. J. L. Kreul (Schloß Langelage).

  • Autor/in

    Günter Viohl
  • Zitierweise

    Viohl, Günter, "Münster, Georg Graf zu" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 537-538 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd12053343X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Münster: Georg Graf zu M., bairischer Kammerherr und Regierungsdirector, bekannt durch seine ausgezeichnete Petrefactensammlung und als kenntnißreicher Paläontologe, war geboren am 17. Febr. 1776 und starb zu Baireuth am 23. December 1844. Derselbe entsproßte dem alten westfälischen Reichsgrafengeschlechte Münster und erhielt während der Herrschaft der Markgrafen in Ansbach-Baireuth eine Anstellung bei der Landesregierung in Baireuth. Bei dem Uebergange des Landes an die Krone von Baiern wurde M. mit übernommen und verblieb als Mitglied der Kreisverwaltung als Regierungsrath im administrativen Dienste, beschäftigte sich außerdem in der ausgedehntesten und ergiebigsten Weise mit Sammeln und wissenschaftlicher Bearbeitung von Versteinerungen, so daß er mit Hülfe seines eifrigen und findigen Dieners Dietrich auf seinen zahlreichen und ausgedehnten Reisen eine der damals wohl umfangreichsten und bedeutendsten Privatsammlungen neben jenen von Schlotheim und Hoeninghaus in Crefeld zusammenbrachte. Viele der darin vorfindlichen Exemplare wurden|von Goldfuß bei Herausgabe des paläontologischen Prachtwerkes „Petrefacta Germaniae“, 1826—1844, welches, wie der Titel ausdrücklich hervorhebt, unter Mitwirkung Münster's zu Stande kam, zur Beschreibung und Abbildung benutzt. Diese großartige, fast alle Schichtensysteme umfassende Sammlung ging nach Münster's Tode in den Besitz des bairischen Staates über und bildet den Hauptstock des inzwischen großartig vermehrten Paläontologischen Museums in München. Namentlich waren es die damals in dem Strafarbeitshause zu St. Georgen bei Baireuth bearbeiteten oberdevonischen Marmorkalke (Clymenien-, Goniatiten- und Orthoceratitenkalke) des Fichtelgebirgs, aus welchen M. eine erstaunlich reiche paläontologische Fauna für die Wissenschaft rettete, da später kaum mehr Bedeutendes aus dieser Ablagerung erbeutet wurde. Sorgfältig ausgearbeitet bildeten diese Versteinerungen den Gegenstand einer ebenso gründlichen, wie umfangreichen Publication, welche als erstes Heft einer fortlaufenden Reihe paläontologischer Abhandlungen nach der Art der Schlotheim’schen Petrefactenbeschreibung (Petrefactenkunde, 1820—23) 1832 unter dem Titel: „Beiträge zur Petrefacten-Kunde“ (2. Aufl. 1843) erschienen ist und neben zahlreichen Abhandlungen Münster's auch Arbeiten des berühmten Paläontologen Herm. v. Meyer enthält. Auch aus dem berühmten versteinerungsreichen Kalkschiefer von Solenhofen wußte M. eine höchst umfangreiche Sammlung zusammenzubringen. Die zahlreichen, meist guterhaltenen Krebsüberreste dieser Schichten werden in dem 2. Hefte 1839 in gleich gründlicher Weise geschildert und gut abgebildet. Auch das 3. Heft 1840 beschäftigt sich meist mit der Beschreibung von Versteinerungen aus den vorher genannten Schichten. In den Alpen galten bis dahin Versteinerungen als Seltenheiten; desto größer war das Erstaunen über den Reichthum und die Artenfülle von Petrefacten einer Mergelbank bei St. Cassian im Ennebergischen in Tirol, auf die L. v. Buch aufmerksam gemacht hatte und aus welcher M. eine höchst ansehnliche Menge, nämlich 422 Arten, in dem 4. Hefte 1841 beschrieb und abbildete, nachdem er bereits in Leonhard's und Bronn's Jahrbuch für Mineralogie etc., Jahrg. 1834, die Aufmerksamkeit auf die vermeintliche Eigenthümlichkeit dieser Fauna, mehrere in anderen Gegenden auf verschiedene andere Systeme verthcilte Arten, z. B. des Muschelkalks, Lias und des weißen Juras vermengt zu beherbergen gelenkt hatte. Dieses abweichende Verhalten hat erst in neuerer Zeit seine richtige Deutung erhalten. Die drei letzten Hefte (5tes 1842; 6tes 1844), von welchem das 7te erst nach Münster's Tode von Prof. Dunker 1846 zur Veröffentlichung gebracht wurde, enthalten zahlreiche interessante Abhandlungen Münster's und anderer Gelehrten. Diese Schriften, können als Vorläufer von Meyer's wichtigen Publicationen „Zur Fauna der Vorwelt“ und den „Palaeontographica“, 1851—1877 angesehen werden. Münster's sonstige kleinen sehr zahlreichen Publicationen über paläontologische Gegenstände, welche meist in Leonhard's Taschenbuch für Mineralogie und in Leonhard's und Bronn's Jahrbuch für Mineralogie etc. und in Keferstein's Zeitschrift „Teutschland geognostisch-geologisch dargestellt“ sich finden, verbreiten sich über fast alle Abtheilungen des Thier- und Pflanzenreichs. Bemerkenswerth ist, daß M. die erste Nachricht über seine reiche Petrcfactensammlung in Férussac's Bull. de Géologie IX. 275 gab und dabei sehr treffliche Bemerkungen über die Zugehörigkeit verschiedener Gesteinsbildungen nach ihrer Versteinerung zu den damals unterschiedenen Formationen beifügte. Hervorzuheben sind als besonders bemerkenswerth die Bemerkungen über verschiedene Arten von Cypris und Cythere, über das Vorkommen von Pterodactylus, über Belemniten, über eine neue Art von Pterodactylus, über das geognostische Vorkommen der Ammoneen und Nautilaceen in Deutschland, über den oolithischen Thoneisenstein im südlichen Deutschland, über fossile Fischzähne|im Muschelkalk, über den Kalk von Hohenstein, den er richtig als jurassische Ablagerung erkannte, über verschiedene organische Ueberreste in Westfalen und Baiern, über tertiäre Meeresgebilde bei Cassel, über mittlere Juragebilde bei Hildesheim, Verzeichniß der Versteinerungen zu Baireuth (selbständig erschienen), über Sternberg's Flora, über einige neue Versteinerungen in den lithographischen Schiefern von Baiern, über das Alter des oberfränkischen Uebergangsgebirgs, über Fische im Kupferschiefer, über süddeutsche Liasreptilien u. A. Münster's Sammeleifer spornte auch andere Freunde der Naturwissenschaft zum Aufsuchen von Versteinerungen an. Es entstand auf diese Weise eine ansehnliche Kreissammlung, in Baireuth namentlich durch Braun's Bemühungen und in Ansbach veranlaßte der Präsident von Andrian ebenfalls die Anlage einer Kreissammlung, wie denn auch die Entstehung der reichen herzoglichen Petrefactensammlung auf Schloß Banz auf Münster's Anregung zurückzuführen ist. Bei seinem Eintritt in den Ruhestand erhielt M. den Titel eines Regierungsdirectors. Ein fossiles Algengeschlecht wurde ihm zu Ehren vom Grafen von Sternberg mit dem Namen Muensteria bezeichnet und Deslangchamps schlug für die Bezeichnung Aptychus den Namen Muensteria vor. Außerdem sind mehrere Arten von Versteinerungen durch seinen Namen gekennzeichnet.

    • Literatur

      Poggendorff, Biographisches Lexikon II, 231.

  • Autor/in

    v. Gümbel.
  • Zitierweise

    Gümbel, Wilhelm von, "Münster, Georg Graf zu" in: Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 27-29 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd12053343X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA