Lebensdaten
1830 – 1895
Geburtsort
Varel/Jade
Sterbeort
Tübingen
Beruf/Funktion
Chemiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118733419 | OGND | VIAF: 64048998
Namensvarianten
  • Meyer, Julius Lothar
  • Meyer, Julius Lothar von (seit 1892)
  • Meyer, Lothar
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Meyer, Lothar, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118733419.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V August (1783–1850), Arzt in V., S d. Friedrich, Vollmeier in Hassbergen b. Eystrup;
    M Anna Sophie Wilhelmine (1800–53), T d. Arztes Georg Friedrich Biermann (1767–1818) in V. u. d. Sophia Wilhelmina Spanhoff (1773–1800);
    B Oskar Emil (s. 2);
    Halle 1866 Johanna (* 1842), T d. Alfred Volkmann (1801–77), Prof. d. Anatomie u. Physiol. in Halle (s. ADB 40; Pogg. II; BLÄ), u. d. Adele Härtel (1804–84, s. NDB VII*); Gvm d. Ehefrau: Gottfried Christoph Härtel (1763–1827), Musikverleger (s. NDB VII); – 4 K;
    N Herbert (s. 3).

  • Biographie

    M. war als Kind stets kränklich und litt gegen Ende seiner Schulzeit an anhaltend schweren Kopfschmerzen, weshalb er zu einem Gärtner in die Lehre gegeben wurde. Er erholte sich und trat nach einem Jahr an das Oldenburger Gymnsium über. Nach dem Tod des Vaters beschloß M. 1851, an der Univ. Zürich Medizin zu studieren, wo er auch im chemischen Laboratorium bei Carl Jakob Löwig arbeitete und von dem Physiologen Carl Wilhelm Ludwig entscheidende Anregungen empfing. Im Februar 1854 promovierte er an der Univ. Würzburg. Die medizinische Dissertation „Über die Gase des Blutes“, in der er das Vorhandensein einer chemischen Bindung von Sauerstoff und Kohlenmonoxid an den Blutfarbstoff nachweisen konnte, reichte er 1857 von Königsberg aus nach. Die hierfür notwendigen gasanalytischen Methoden hatte er sich in Robert Bunsens Laboratorium in Heidelberg angeeignet, wohin er 1854 über|gewechselt war. Vorlesungen über mathematische Physik hörte M. seit Herbst 1856 für drei Semester bei Franz Ernst Neumann in Königsberg. Hier führte er auch seine physiologischen Arbeiten fort und promovierte im Frühjahr 1858 ein zweites Mal, diesmal zum Dr. phil., mit einer Untersuchung der Einwirkung von Kohlenmonoxid auf den Blutfarbstoff. 1859 habilitierte er sich in Breslau für Physik und Chemie mit einer chemiehistorischen Betrachtung „Über die chemischen Lehren von Berthollet und Berzelius“. Es folgte die Ernennung zum Privatdozenten und zum Leiter des chemischen Laboratoriums am Physiologischen Institut der dortigen Universität. Hier wurde er mit Verpflichtungen überhäuft und hatte über Biochemie, Photochemie, Gas- und Maßanalyse zu lesen und darüber hinaus Repetitorien der anorganischen und organischen Chemie zu halten. Diese enorme Belastung behinderte zwar einerseits seine Forschungen, legte aber andererseits nahe, sich die Mühe der Lehre durch die Abfassung eines eigenen, möglichst systematischen Lehrbuches zu erleichtern.

    Der glückliche Zufall fügte es, daß von August Kekulé, Adolph Wurtz und Carl Weltzien 1860 ein Chemikerkongreß nach Karlsruhe einberufen wurde, auf dem die damaligen Definitionsschwierigkeiten der Begriffe Atom-, Molekular- und Äquivalentgewicht vor dem Hintergrund der These von Amadeo Avogadro diskutiert werden sollten. Unmittelbar war diesem Kongreß kein Erfolg beschieden, doch wirkten wichtige Anregungen weiter, die Stanislao Cannizzaro in einer von ihm verteilten kleinen Schrift „Sunto di un corso di Filosofia Chimica“ niedergelegt hatte. Eindringlich hatte er darin deutlich gemacht, daß die Molmassen flüchtiger chemischer Verbindungen immer aus der Dampfdichte bestimmt werden und daß scheinbare Abweichungen vom Satz von Avogadro durch die Annahme mehratomiger Moleküle gelöst werden könnten. Dies kam M. zustatten, als er 1862 begann, sein erstes Werk, „Moderne Theorien der Chemie“, zu verfassen, wobei er sich zunächst entsprechend seinen chemiehistorischen Neigungen an Berthollets „Essai de statique chimique“ von 1803 anlehnen wollte, um sich aber bei der endgültigen Fassung, die 1864 erschien, von seinem Vorbild zu lösen. In diesem Werk stellte er sechs Elementgruppen nach ihren Eigenschaften und Atomgewichten zusammen, und zwar bereits nach Haupt- und Nebengruppenelementen getrennt, wenn auch diese Begriffe zunächst noch fehlten. 1868 erschien eine zweite Auflage, für die M. eine wesentlich erweiterte Tabelle, die schon 52 Elemente umfaßte, vorgesehen hatte, die dann allerdings dem Werk nicht beigegeben wurde, sondern als eigene Veröffentlichung erscheinen sollte. Doch ehe diese zustande kam, publizierte im April 1869 Dimitri Mendelejew seinen später legendären Aufsatz „Über die Beziehungen der Eigenschaften zu den Atomgewichten der Elemente“. 1870 zog M. mit seiner Ende 1869 verfaßten Arbeit „Die Natur der chemischen Elemente als Funktion ihrer Atomgewichte“ nach, die eine verbesserte Fassung seiner Elemententabelle enthielt und in einigen Punkten, insbesondere in der Betrachtung der „Atomvolumina“ (d. h. Atomgewicht geteilt durch spezifisches Gewicht) in Gestalt der Atomvoluminakurve, eine wesentliche Stütze des periodischen Systems lieferte. Mit Hilfe dieser Kurve konnte er Fehler Mendelejews bei der Einordnung der Elemente Gold, Quecksilber, Tallium und Blei korrigieren. Im Gegensatz zu Mendelejew wagte M. allerdings keine Voraussagen bezüglich noch unentdeckter Elemente.

    Nachdem M. in Breslau sieben Jahre gelehrt hatte, wurde er als Dozent an die Forstakademie Neustadt-Eberswalde berufen und 1867 zum Professor ernannt. Bereits im Frühjahr 1868 nahm er einen Ruf an das Polytechnikum Karlsruhe an. 1876 wurde er an die Univ. Tübingen berufen, wo er 1894/95 als Rektor amtierte und bis zu seinem Tode 1895 verblieb. Von seinen sonstigen Arbeiten sind eine Neuberechnung vieler Atommassen sowie seine Forschungen zur Katalyse erwähnenswert. 1865 entwickelte er die zentrierte Benzolformel. Er erforschte die Bildung von Paraffinen aus Alkyljodiden und Aluminiumchlorid. In erster Linie machte sich M. als Verfasser bahnbrechender theoretischer Werke einen Namen.|

  • Auszeichnungen

    Davy-Medaille d. British Chemical Society.

  • Werke

    u. a. Die modernen Theorien d. Chemie u. ihre Bedeutung f. d. ehem. Statik, 1864, ⁵1884 (engl. 1888, franz. 1887-89);
    Grundzüge d. theoret. Chemie, 1890, ²1893, engl. 1892;
    Die Grundlagen d. Thermochemie, 1883;
    Die Atomgewichte d. Elemente aus d. Originalzahlen neu berechnet, 1883;
    Über d. neuere Entwicklung d. chem. Atomenlohre, 1885;
    Die bisherige Entwicklung d. Affinitätslehre, 1887;
    K. Seubert (Hrsg.), Das natürl. System d. chem. Elemente, Abhh. v. L. M. u. D. Mendeleeff, 1895.

  • Literatur

    ADB 55;
    K. Seubert, in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 28 R, 1895, S. 1109-46 (W, L, P);
    P. P. Bedson, in: Journal of the Chemical Society 69, 1896, S. 1402-39 (W, L, P);
    P. Walden, L. M., Mendelejeff, Ramsay u. d. period. System d. Elemente, in: G. Bugge, Das Buch d. gr. Chemiker II, 1930, S. 229-87 (W, P);
    J. H. Long, in: Journal of the American Chemical Society 17, 1895, S. 664-66;
    R. Winderlich, in: Journal of Chemical Education 27, 1950, S. 365-68 (P);
    J. W. van Spronsen, The Priority Conflict between Mendeleev and M., ebd. 46, 1969, S. 139-39;
    ders., The Periodic System of Chemical Elements: A History of the First Hundred Years, 1969, S. 124-32;
    G. B. Kauffman, The Periodic System of the Chemical Elements: The Search for its Discoverer, in: Isis 62, 1971, S. 314-27;
    Pogg. II—VI, VII a Suppl. (ausführt. Bibliogr.);
    DSB IX.

  • Autor/in

    Otto Krätz
  • Zitierweise

    Krätz, Otto, "Meyer, Lothar" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 304-306 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118733419.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Meyer *)Zu Bd. LII, S. 370.: Julius Lothar M., hervorragender chemischer Forscher, Lehrer und Schriftsteller, wurde am 19. August 1830 zu Varel a. d. Jade (Großherzogthum Oldenburg) als Sohn des Amtsphysikus Dr. Friedrich August Meyer geboren. Nach vorübergehender Beschäftigung mit der Gärtnerei aus Gesundheitsrücksichten bezog er schließlich neu gekräftigt das Gymnasium zu Oldenburg, das er Ostern 1851 mit dem Zeugniß der Reife verließ, mit gleicher Vorliebe für die Naturwissenschaften, wie für das classische Alterthum begabt. M. widmete sich zunächst zwei Jahre lang an der Universität Zürich dem Studium der Medicin, insbesondere bei dem Physiologen C. Ludwig und dem Chemiker Löwig, studirte dann in Würzburg weiter und promovirte dort 1854 zum Dr. med. Im Jahre 1854 an die Universität Heidelberg übergesiedelt, wandte er sich den Naturwissenschaften und besonders der Chemie unter Bunsen's Leitung zu und arbeitete in dessen Laboratorium. In Heidelberg traf er mit Beilstein, Barth, G. Quincke, Lieben, Landolt, Pebal, Kekulé, Adolf Baeyer, Volhard, Adolf Wagner u. a. zusammen. Von diesem Sammelpunkte der Chemie aus wandte er sich im Herbst 1856 nach Königsberg i. Pr., um dort ebenso wie sein Bruder, der Physiker O. E. Meyer (nachmals Professor der Physik in Breslau) die berühmten Vorlesungen des Physikers Franz Neumann zu hören. 1857 reichte er eine Abhandlung „Ueber die Gase des Blutes“ als Inauguraldissertation bei der medicinischen Facultät der Universität Würzburg ein und erwarb sich außerdem 1858 mit der Abhandlung „De sanguine oxydo carbonico infecto“ an der Universität Breslau den philosophischen Doctorgrad. Am 21. Februar 1859 habilitirte sich M. in Breslau mit der historisch-kritischen Schrift „Ueber die chemischen Lehren von Berthollet und Berzelius“ für Physik und Chemie und übernahm die Leitung der chemischen Abtheilung des physiologischen Instituts. Von hier aus wurde er im Herbst 1866 als Docent für Naturwissenschaften an die Forstakademie in Eberswalde berufen und vermählte sich am 16. August 1866 mit Johanna Volkmann. 1868 folgte M. einem Rufe als ordentlicher Professor der Chemie und Vorstand des chemischen Laboratoriums an das Polytechnicum zu Karlsruhe i. B. und zeichnete sich im Kriegsjahre 1870 bei der Leitung des in den Räumen der Hochschule eingerichteten Hülfslazareths aus. Im Frühjahr 1876 siedelte M. als ordentlicher Professor der Chemie und Nachfolger R. Fittig's an die Universität Tübingen über, wo er|eine fruchtbare Lehrthätigkeit bis zu seinem Lebensende ausgeübt hat. Für das Studienjahr 1894/95 wurde M. zum Rector gewählt, 1883 zum Ehrenmitglied der Chemical Society in London, er war auch u. a. correspondirendes Mitglied der Berliner und der Petersburger Akademie der Wissenschaften. M. war bei Schülern, Mitbürgern und Freunden wegen seines wohlwollenden Wesens und der Lauterkeit seines Charakters, besonders geschätzt und beliebt; ein Bildniß seines seinen Kopfes findet man in den „Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft“ 28, 1109 (1895). M. starb nach einem rüstigen Lebensabend plötzlich am 11. April 1895 infolge eines Gehirnschlages.

    Lothar Meyer's Name wurde besonders berühmt durch seine Aufstellung des periodischen Systems der chemischen Elemente. Zwar wurde diese Entdeckung, wie so oft große Ideen in demselben Moment an verschiedenen Puncten der Culturwelt auftauchen, fast gleichzeitig auch von dem geistreichen russischen Chemiker D. Mendelejeff gemacht. Nachweislich aber ist M. unabhängig zu seinem System gekommen, das er sowohl in seinem Buche „Die modernen Theorien der Chemie“ 1864, wie besonders in den „Annalen der Chemie“ 1870 veröffentlicht hat. Die Geschichte dieser Entdeckung und ihrer Vorläufer ist von seinem langjährigen Mitarbeiter Karl Seubert in Heft 68 von „Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaft“ genau beschrieben und wird am besten durch die Thatsache erhellt, daß M. für sein System gleichzeitig mit Mendelejeff 1882 die goldene Davy-Medaille von der Royal Society in London zuerkannt erhielt. Der Inhalt dieses Systems ist kurz folgender. Ordnet man die chemischen Elemente nach ihrem Atomgewichte, so ändern sich die Eigenschaften der Elemente von Glied zu Glied der Reihe so regelmäßig, daß nach einer bestimmten Anzahl von Gliedern sich die früheren Eigenschaften oder ihnen naheliegende wiederholen. Es lassen sich also die chemischen Elemente in verschiedene Gruppen ordnen, in denen die Glieder mit analogen Eigenschaften stets dieselbe Reihenfolge besitzen. So erhält man eine übersichtliche und natürliche Classification der chemischen Elemente, die auch wichtige praktische Anwendungen ergibt. Fehlt z. B. in einer Gruppe ein Element, für welches in einer anderen Gruppe ein Analogon bekannt ist, so darf man mit einiger Wahrscheinlichkeit die künftige Entdeckung und sogar das Atomgewicht und die Eigenschaften jenes fehlenden Elementes auf Grund dieser Analogie zur anderen Gruppe voraussagen. Solche Voraussagen sind in den folgenden Jahrzehnten wiederholt eingetroffen. Kommt ferner ein Element auf Grund einer Bestimmung seines Atomgewichtes an eine Stelle des Systemes zu stehen, wohin es nach seinen Eigenschaften nicht paßt, so ist anzunehmen, daß jene Atomgewichtsbestimmung unrichtig gewählt war, und man hat in der That so durch das periodische System öfters Anleitung gefunden, das Atomgewicht entsprechend richtig zu corrigiren. M. wies nach, daß nach diesem Systeme die meisten Eigenschaften der Elemente, wie ihr Atomvolumen, ihr Schmelzpunkt, Siedepunkt, ihre mechanischen und elektrischen Eigenschaften u. s. w. sich als periodische Functionen ihrer Atomgewichte darstellen lassen. Die neuere Forschung hat dies auch noch für eine ganze Reihe anderer Eigenschaften bestätigt. In seiner ersten Mittheilung betrachtet M. diese Gesetzmäßigkeiten und zwar wohl mit einiger Berechtigung als einen Fingerzeig, daß auch die Atome „nicht untheilbare Größen, vielmehr wiederum Verbindungen von Atomen höherer Ordnung, also zusammengesetzte Radicale“ seien. Dieser Gedanke ist bekanntlich nach Meyer's Tode durch die neuesten Forschungen über Radioactivität und Elektronentheorie wieder aufgenommen, wenn auch noch nicht endgiltig bewiesen worden, während M. selbst stets mit großer Vorsicht vor allen zu weit gehenden Schlüssen über die Natur der|Materie, auch aus seiner Theorie, warnt. Mit Recht sagt aber Ostwald (Grundriß d. allgem. Chemie, 1909, S. 175), daß das „periodische System“ nicht als der Abschluß, sondern vielmehr als der Anfang einer fruchtbaren Ideenreihe anzusehen sei.

    Die zweite bedeutende Leistung Meyer's besteht in dem großen erzieherischen Einflusse, den er durch sein in mehreren Auflagen (Breslau 1864—1896) erschienenes Lehrbuch: „Die modernen Theorien der Chemie und ihre Bedeutung für die chemische (Statik) Mechanik“ Jahrzehnte lang auf die Fachgenossen ausgeübt hat. In diesem Buche stellte er das theoretische Wissen seiner Zeit in klarer und gründlicher Form dar, stets bemüht, in jeder Auflage mit ihm fortzuschreiten. In einer Zeit, wo die Chemiker in Folge schlechter Erfahrungen jedem Theoretisiren abhold geworden waren und sich erfolgreich der reinen Empirie widmeten, war es keine geringe, aber von M. mit großer Meisterschaft gelöste Aufgabe, das Interesse seines ausgedehnten wissenschaftlichen Leserkreises für die großen, allgemeinen und theoretischen Fragen und Probleme der Chemie nicht bloß wach zu halten, sondern zu concentriren und weiter zu beleben. Was H. Kopp's „Lehrbuch der physikalischen und theoretischen Chemie“ für die Zeitgenossen Liebig's, Wöhler's und Bunsen's gewesen war, das bedeuten Meyer's „Moderne Theorien der Chemie“ für die darauffolgende Chemikergeneration, für das Zeitalter der Structurchemie und der Valenztheorie der Atome. In den letzten Jahrzehnten begann freilich auch die chemische Verwandtschaftslehre durch die Arbeiten eines Horstmann, Helmholtz, van't Hoff, Ostwald, Arrhenius, Nernst u. a. neue mächtige thermodynamische und elektrochemische Grundlagen zu erhalten, und hier wurde M. allerdings im Alter schließlich durch eine nicht ganz glückliche Skepsis verhindert, wie in früheren Jahren mit den jüngeren Generationen fortzuschreiten. Meyer's „Moderne Theorien der Chemie“ sind daher in neuerer Zeit durch modernere Werke überholt und ersetzt worden, ihr historischer Werth bleibt aber bestehen und es wird unvergessen bleiben, daß sie Generationen von Chemikern vortreffliche Belehrung gegeben haben und daß sie auch heute noch äußerst lesenswerthe Capitel über Atomtheorie, Structurchemie und Valenztheorie enthalten.

    M. hat ferner die Arbeiten seiner Vorläufer: J. W. Döbereiner's und Max Pettenkofer's Abhandlungen unter dem Titel „Anfänge des natürlichen Systems der chemischen Elemente" und S. Cannizzaro's berühmten „Abriß eines Lehrganges der theoretischen Chemie" als Heft 66 und 30 von Ostwald's „Klassikern der exakten Wissenschaften“ neu herausgegeben und mit Commentaren versehen. Besonders erwähnenswerth und ganz actuell für unsere neuesten Schulprobleme sind seine Schriften über Schulwesen, besonders das Heft: „Die Zukunft der deutschen Hochschulen und ihrer Vorbildungsanstalten“ (Breslau 1873), in denen er besonders die nach seiner Meinung „unglückselige Zweitheilung der nationalen Bildung“ in eine humanistische und eine realistische bekämpft, „weil der Schule obliegt, den Menschen allseitig auszubilden, alle seine Kräfte zu entwickeln“.

    Es ist noch darauf hinzuweisen, daß M. in Gemeinschaft mit seinen Schülern eine reiche experimentelle Forscherthätigkeit entfaltet hat. Unter anderem seien genannt die Studien über die Blutgase, über die Transpiration der Dämpfe durch Capillaren, über Molekularvolumina, über Löslichkeit, über Diffusion, über die Chlorüberträger, über Sauerstoffüberträger, über Massenwirkung bei chemischen Reactionen, wie bei Nitrirung, Amid- und Chloraethylbildung, bei Fällungen, Gasreactionen u. s. w.

    • Literatur

      K. Seubert, Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch. 28, 1109 (1895). Daselbst ausführliches Verzeichniß von L. Meyer's Schriften. — E. Fischer, ebenda|28, 971 (1895). —
      Ostwald's Klassiker d. exakten Naturwiss., Heft 68, S. 119. —
      W. Nernst, Theoret. Chemie, 1909, S. 183. — G. Rudorf, Das period. System (deutsch von Riesenfeld). Hamburg 1904.

  • Autor/in

    Bredig.
  • Zitierweise

    Bredig, Georg, "Meyer, Lothar" in: Allgemeine Deutsche Biographie 55 (1910), S. 830-833 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118733419.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA