Lebensdaten
1840 – 1902
Geburtsort
Mannheim
Sterbeort
Graz
Beruf/Funktion
Psychiater
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118715399 | OGND | VIAF: 22207200
Namensvarianten
  • Krafft-Ebing, Richard Freiherr von
  • Krafft-Ebing, Richard von
  • Ebing, Richard Krafft-
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Zitierweise

Krafft-Ebing, Richard Freiherr von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118715399.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus Pfalz-Neuburg stammende Fam.;
    V Friedrich (1807–89), bad. Oberamtmann, S d. Friedrich Franz, auf Zizenhausen, u. d. Maria Fridolina Elisabeth Katharina Freiin Ebing v. d. Burg;
    M Klara Antonia (1820–55), T d. Karl Josef Anton Mittermaier ( 1867), Prof. d. Rechte;
    Karlsruhe 1874 Luise (1846–1903), T d. Bez.försters Josef Kissling in Baden-Baden u. d. Christine Runz;
    2 S, 1 T, u. a. Margareta ( Richard Sexau, 1882–1962, Schriftsteller, s. Kosch, Lit.-Lex.).

  • Biographie

    K. absolvierte Schule und Medizinstudium in Heidelberg. Nach dem Staatsexamen verbrachte er zur Nachkur einer Typhuserkrankung einen Sommer in Zürich, wo ihn die psychiatrischen Demonstrationen W. Griesingers für die Psychiatrie begeisterten. Die Promotion erfolgte 1863 in Heidelberg über „Die Sinnesdelirien“, es schließen sich kurze Hospitationen in Wien, Prag und Berlin an. 1864 bot ihm Ch. Roller eine Assistentenstelle an der Irrenanstalt Illenau in Baden an, wo er 4 Jahre blieb. Nach kurzer Praxis als Nervenarzt in Baden-Baden und Kriegsdienst 1870/71 folgte K. einem Ruf als außerordentlicher Professor für Psychiatrie an die neu eröffnete Universität Straßburg, die er jedoch 1873 wieder verließ, um die Leitung der Irrenanstalt Feldhof bei Graz zu übernehmen. Damit war die Professur für Psychiatrie an der Universität Graz verbunden. K. versah dieses Amt bis 1889, als er als Nachfolger von Max Leidesdorf zur Leitung der I. Psychiatrischen Klinik nach Wien berufen wurde. 1892 übernahm er als Nachfolger von Th. Meynert die II. Psychiatrische Klinik (emeritiert 1902).

    K.s Wirken fällt in die Zeit der wissenschaftlichen und institutionellen Konsolidierung der Psychiatrie als Spezialdisziplin. Unter dem Einfluß der patriarchalischen Anstaltspsychiatrie Rollers, der gehirnanatomischen Schule Griesingers und im intensiven Erfahrungsaustausch mit seinen Freunden H. Schüle und W. Erb entstanden bereits in der Illenau wichtige Arbeiten, deren methodischer Ansatz die klinisch erfaßte Phänomenbeschreibung mit neurophysiologischen und psychologischen Gesetzmäßigkeiten in Verbindung zu bringen suchte. Eine wichtige frühe Monographie waren die „Beiträge zur Erkennung und richtigen forensischen Beurteilung krankhafter Gemüthszustände“ (1867), in der er den Begriff der „Zwangsvorstellungen“ in die psychiatrische Nomenklatur einführte. Weitere Arbeiten über psychische Störungen nach Kopfverletzungen (1868), Grundzüge zu einer Kriminalpsychologie (1872) und das wichtige „Lehrbuch der gerichtlichen Psychopathologie mit Berücksichtigung der Gesetzgebungen von Österreich, Deutschland und Frankreich“ (1876, ³1892, französisch) weisen auf den grundsätzlichen Ansatzpunkt hin, daß Psychiatrie nur den Rang als beschreibende, nicht aber den als erklärende Wissenschaft zu beanspruchen habe. K.s Interesse an einer forensischen Psychiatrie zeigt sich am deutlichsten|in der Forderung, daß nicht die Tat, sondern der Täter zum Objekt ärztlicher Untersuchung gemacht werden müsse. 1879 erschien sein „Lehrbuch der Psychiatrie“, das in nahezu unveränderter Form auch in mehreren Sprachen bis 1903 sieben Auflagen erlebte. Intensiv beschäftigte sich K. auch mit dem Hypnotismus, was ihm viel Kritik eintrug. Nicht zu übersehen ist der Einfluß der Degenerationslehre B. A. Morels und V. Magnans, der sich besonders in den Gedanken einer „neuropathischen Konstitution“ und den Überlegungen zur Geschlechtssphäre niederschlägt. K. ist als der eigentliche Begründer einer modernen Sexualpathologie zu bezeichnen, er beschrieb und benannte klinische Phänomene als Perversionen, Sadismus, Masochismus und ordnete sie den Entartungsphänomenen unter. Seine forensischen und sexualpathologischen Schlußfolgerungen beeinflußten mit ihren weitreichenden anthropologischen, sozialen und juristischen Konsequenzen die allgemeine Auseinandersetzung mit dem Problem der Psychopathien oder der Entartung.

    K.s 4 Bände „Arbeiten aus dem Gesamtgebiete der Psychiatrie und Neurologie“ (1897-99) sollten sein Lehrbuch ergänzen; in ihnen finden sich unter anderem der Begriff des „Dämmerzustandes“, die Beschreibung der „Selbstbestimmungsfähigkeit“ bei Neurosen, vor allem aber die deutlich formulierte Zurückweisung der reinen hirnanatomisch und nur neurophysiologisch arbeitenden Psychiatrie, der er den Charakter der Hilfswissenschaft zuweist. Für den klinisch und damit nosographisch arbeitenden Psychiater sei es eine Selbstverständlichkeit, auch mit unerklärten Tatsachen arbeiten zu müssen. Diese grundlegende Konzeption klinischer Forschung und Lehre hebt K. weit über den Rang eines „Entartungstheoretikers“ hinaus.

  • Werke

    Weitere W u. a. Die transitor. Störungen d. Selbstbewußtsein, 1868;
    Über d. durch Gehirnerschütterungen u. Kopfverletzungen hervorgerufenen psych. Krankheiten, 1868;
    Grundzüge d. Kriminalpsychol. auf d. Grundlage d. Strafgesetzbuches d. Dt. Reiches f. Aerzte u. Juristen, 1872;
    Die zweifelhaften Geisteszustände vor d. Civilrichter, 1873;
    Die Melancholie, 1874;
    Über gesunde u. kranke Nerven, 1885;
    Psychopathia sexualis mit bes. Berücksichtigung d. conträren Sexualempfindung, 1886, 16/171924 (engl., franz., ital.);
    Eine experimentelle Studie auf d. Gebiete d. Hypnotismus, 1888, ³1893 (engl.);
    Die Entwicklung u. Bedeutung d. Psychiatrie als klin. Wiss., in: Wiener Klin. Wschr. 2, 1889, H. 43 f. (Antrittsvorlesung 1889);
    Neue Forschungen auf d. Gebiete d. Psychopathia sexualis, 1890, ²1891;
    Der klin. Unterricht in d. Psychiatrie, Eine Studie, 1890;
    Hypnot. Experimente, 1893, ²1893;
    Das Conträrsexuale vor d. Strafrichter, 1894, ²1895;
    Die progressive allg. Paralyse, in: Hdb. d. speciellen Pathol. u. Therapie, hrsg. v. H. Nothnagel, IX, 3, 1901, S. 1-104;
    Nervosität u. Neurasthen. Zustände, ebd. XII, 2, S. 1-210;
    Zur Gesch. d. Pest in Wien, 1899;
    Psychosis menstrualis, 1902. - W-Verz.:
    Wiener klin. Rdsch. 17, 1902, S. 264 ff., 281 ff.

  • Literatur

    H. Schüle, in: Allg. Zs. f. Psychiatrie 60, 1903, S. 305-29;
    J. Wagner v. Jauregg, in: Wiener med. Wschr. 58, 1903, S. 2305-11;
    A. Fuchs, in: Th. Kirchhoff, Dt. Irrenärzte II, 1924, S. 173-83 (P);
    E. Lesky, Die Wiener Med. Schule im 19. Jh., 1965, S. 381-86;
    ÖBL (W, L);
    Fischer (P).

  • Porträts

    Büste v. R. Kauffungen, 1908 (Wien, Arkadenhof d. Univ.).

  • Autor/in

    Hildburg Kindt
  • Zitierweise

    Kindt, Hildburg, "Krafft-Ebing, Richard Freiherr von" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 649-650 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118715399.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA