Dates of Life
1813 – 1873
Place of birth
Reutlingen
Place of death
Tübingen
Occupation
Schriftsteller ; Übersetzer ; Dichter
Religious Denomination
evangelisch
Authority Data
GND: 118778277 | OGND | VIAF: 74649241
Alternate Names
  • Kurtz, Hermann (eigene Schreibweise der Familie)
  • Kurz, Hermann
  • Kurtz, Hermann (eigene Schreibweise der Familie)
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Citation

Kurz, Hermann, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118778277.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    V David (1783–1826), Handelsmann in R., v. aufklärer.-demokrat. Gesinnung, nahm Partei f. d. Ziele F. Lists, S d. Johannes (1737–1824), Rot- u. Zinngießer, Senator u. Stadtrichter (1791, 1792, 1803) in R., u. d. Stadtpfarrers-T Salome Mann;
    M Christiane (1789–1830), T d. ak. Buchdruckers Wilh. Schramm in T. u. d. Katharina Elisabeth Metz;
    B Ernst (1816–79), Gerichtsnotar in Heilbronn u. Stuttgart, befreundet mit E. Mörike u. D. F. Strauß;
    - Obereßlingen 1851 Maria (1826–1911, kath.), Schriftstellerin (s. W), T d. August Anton v. Brunnow, württ. Kammerherr u. Oberst, u. d. Wilhelmine v. Oettinger;
    4 S, 1 T, u. a. Isolde (s. 2).

  • Biographical Presentation

    Nach Besuch des Lyzeums (seit 1821) bestand K. 1827 das Landexamen, dem das Seminar in Maulbronn und 1831-33 ein Studium der Theologie und Philosophie am Tübinger Stift folgten. Freundschaftliche Beziehungen unterhielt er in diesen Jahren zu Ludwig Seeger, Rudolf Kausler, Adalbert Keller und Berthold Auerbach. 1835 wurde K. wegen Verstößen gegen die Disziplin vom Stift verwiesen. Nach der 1. theologischen Dienstprüfung war er kurze Zeit als Vikar bei einem Verwandten in Ehningen b. Böblingen tätig. K. verließ 1836 den Kirchendienst, ging als freier Schriftsteller nach Stuttgart und half sich kümmerlich als Mitarbeiter von Zeitschriften durch („Der Spiegel“ 1837/38, „Morgenblatt für gebildete Stände“, „Europa“ u. a.). Dazu gesellte sich eine lebhafte Übersetzertätigkeit im Auftrag von Verlagen. Er verband eine ausgedehnte Sprachenkundigkeit mit dem Vermögen stilistischer Einfühlung, die er besonders bei der Übersetzung und Bearbeitung von „Tristan und Isolde“ Gottfrieds von Straßburg (1844, ³1877) bewies, mit dem er sich auch literarhistorisch beschäftigte (in: Germania 15, 1870). Größere materielle Absicherung, aber auch angestrengte journalistische Arbeit ergaben sich für ihn als Redakteur des „Deutschen Familienbuchs zur Belehrung und Unterhaltung“ 1844-47 in|Karlsruhe. K. stand seit seiner Studentenzeit auf der Seite der demokratischen, um Bürgerfreiheit kämpfenden Opposition, wobei die Begegnung mit dem demokratischen Liberalismus in Baden eine Festigung und Klärung seiner politischen Zielsetzungen bewirkt hatte. Sie waren kein Widerspruch gegen seinen partikularen reichsstädtischen Patriotismus, der ihn immer wieder in die Geschichte zurückführte, da er in der alten reichsstädtischen Verfassung die Ideale einer bürgerlichen Republik erblickte, deren Verwirklichung seiner Hoffnung nach mit der Revolution von 1848 beginnen sollte.

    Im selben Jahr wechselte er als Redakteur der demokratischen Zeitung „Der Beobachter“ wiederum nach Stuttgart über, nachdem er auf den Vorschlag, in Mannheim eine liberale Zeitschrift zu gründen, nicht eingegangen war. Seit dem 1.1.1851 zeichnete er, nach der politisch verursachten Flucht des bisherigen Chefredakteurs, als allein verantwortlicher Redakteur. 1850 mußte er wegen zu freisinniger Veröffentlichungen eine dreiwöchige Haft im württ. Staatsgefängnis Hohen-Asperg abbüßen, konnte aber von dort aus die Redaktionsgeschäfte weiter erledigen. 1854 gab er, unter dem politischen Druck resignierend und mit dem Willen zu produktiver literarischer Arbeit, die journalistische Tätigkeit auf. Es begannen für ihn von neuem Jahre einer kärglichen Existenz als freier Schriftsteller. Die literarischen Erfolge blieben aus; Erkrankungen behinderten seine Schaffenskraft; K. fühlte sich verkannt und in der eigenen Heimat im Stich gelassen. Er verließ 1858 Stuttgart und verbarg sich, oft auch für die Familie unzugänglich, durch Freundeshilfe etwas unterstützt, bis 1862 in Obereßlingen, danach in Kirchheim unter Teck. Vergeblich versuchte Paul Heyse, ihm durch einen Aufenthalt in München 1863 neue Impulse zu geben. Seit 1860 half ein bescheidener Ehrensold der Schillerstiftung in Weimar. Eine verspätete württ. Anerkennung bedeutete 1863 die Ernennung zum 2. Unterbibliothekar der Universitätsbibliothek in Tübingen. 1865 ernannte ihn die Univ. Rostock in Würdigung seiner wissenschaftlichen Arbeiten (zu Gottfried von Straßburg, David von Augsburg, Fischart, Grimmelshausen und Shakespeare sowie zum mittelalterlichen Fastnachtsspiel) zum Dr. h. c. Dem noch immer kärglichen Einkommen half Paul Heyse dadurch auf, daß er K. 1869 zum Mitherausgeber des „Deutschen Novellenschatzes“ (21 Bde., 1871–75) wählte.

    Als Lyriker (Gedichte, 1836) fand K. nicht zu individuell-eigenem Stil und Ton. Seine Begabung lag im Erzählen. Er setzte mit kürzeren Formen ein, mit schwankhaften und historischen Stoffen, in denen er Familiengeschichtliches und Heimatgeschichtliches sowie Autobiographisches bevorzugte (z. B. „Familiengeschichten“ in der Novellen-Sammlung „Genzianen“, 1837, „Das Witwenstübchen“ in „Dichtungen“, 1839). Der verengte Stoffkreis erlaubte ihm eine idyllische, humoristische oder emotionale Einstimmung. Der Zeitstil des Biedermeier und dessen Bevorzugung des Kleinstädtisch-Bürgerlichen sind deutlich. Diese Enge war ihm Heimat und Zuflucht, konnte aber auch zu schmerzhaften Reibungen und Widerständen führen, die sein ausgeprägtes Selbstgefühl verwundeten. Er entwarf Zustands- und Porträtbilder, er verweilte bei genrehaftem Schildern in lockeren episodischen Reihungen. Zeittypisch ist das reflexive und subjektive Element, die Neigung zum Deskriptiven und die dialogische Erzählweise. Einen erhöhten novellistischen Kunstanspruch stellte er nicht; er wollte zwanglos beobachtetes Leben getreu wiedergeben, unterhaltend, oft witzig oder sarkastisch plaudernd, er wollte dem Leser Zuneigung abgewinnen, ihn im bekannten Milieu von Landschaft und Gesittung, von historischen oder akademischen Verhältnissen (z. B. „Das Wirtshaus gegenüber“, 1836) sich selbst wiederfinden lassen. Dem entsprach der Typus der Volkserzählung, z. B. in: „Der Weihnachtfund, Ein Seelenbild aus dem schwäb. Volksleben“ (1856). Mit dieser und anderen Erzählungen schloß K. sich der Dorfgeschichten-Mode an. Hauptleistung wurden zwei historisch-regionale Romane: „Heinrich Roller oder Schillers Heimatjahre“ mit dem Zusatz „Vaterländischer Roman“ (1843, ²1856) und „Der Sonnenwirt, Eine schwäb. Volksgeschichte“ (1854, ²1862, wieder 1956 u. 1980). K. griff zum späteren 18. Jh. zurück, um im Vergangenen noch Nahes, Gegenwärtiges durchblicken zu lassen. In der Eingrenzung der Erfindung durch Faktisches, in der Ausfüllung und Verlebendigung des Faktischen durch die Fiktion sah er den Weg zur Einheit von Dichtung und Geschichte, der wahren historischen Poesie. Wesentliche Anregungen entnahm er W. Scott und W. Hauff. In „Schillers Heimatjahre“ ist der Scottsche „mittlere Held“ und dessen nach allen Seiten offene Entwicklungsgeschichte Führungsthema, doch liegt das Hauptgewicht auf der problematischen Figur des Herzogs Carl Eugen und der|Schilderung des Absolutismus mit sozialkritischer Tendenz, wenn K. auch versucht, dem Herzog durch „objektive“ Psychologie gerecht zu werden, um ihn nicht aus dem Gesamtrahmen des „Vaterländischen“ zu verstoßen. Dieser Objektivismus deutet auf den literarischen Realismus voraus, so deutlich auch Einschüsse des vorrealistischen Romans sind: in breit gereihten Episoden des Komischen, Rührenden, Abenteuerlichen, Gespenstisch-Schauerlichen, also in einer romanhaften Zubereitung, die mit kontrastiven Stimmungswechseln und durch erhöhte Sprachlichkeit Wirkungen erwartet. In „Der Sonnenwirt“ zeigen sich Vereinfachung der Sprache, mehr Geschlossenheit der Komposition und Tonlage im Programmsinn des nachmärzlichen Realismus. Die sozialpolitische Zielrichtung ist verstärkt, historisch Faktisches noch mehr eingearbeitet und die psychologische Analyse schärfer geführt. Nicht nur der Stoff gibt diesem Roman eine in der Romangeschichte des 19. Jh. singuläre Position. K. zeigt die Lebensrealität des „kleinen Mannes“ aus dem Volk, der, von einem leidenschaftlichen Lebenswillen beseelt, mit der Härte der bürgerlichen Normen, die ihm einen Entwicklungs- und Glücksraum verwehren, in Konflikt gerät und nach mancherlei Verfehlungen sogar zum Mörder wird; sein Unrecht erweist sich auch als Unrecht der Gesellschaft, insofern die von ihr ausgeübte Gewalt seine Gewalttätigkeit provoziert hat. Ein dritter Romanversuch „Lisardo“ (hrsg. v. H. Kindermann, 1919) blieb Fragment. Resigniert beschränkte sich K., früh gealtert, auf Neuausgaben, Gelegenheits- und wissenschaftliche Arbeiten, unter denen seine Entdeckung der Identität Grimmelshausens (zuerst in „Der Spiegel“, 1836) Dauer bewahrt hat.

  • Works

    Weitere W Fausts Mantelfahrt, Eine kl. Slg. v. Epigrammen, Nebst e. Anhang alter Epigramme d. Owenius, 1834;
    Die Fragen d. Gegenwart u. das freye Wort, Abstimmung e. Poeten in pol. Angelegenheiten, 1845;
    Wenn es euch beliebt: Der Kampf mit d. Drachen, Ein Ritter- u. Zaubermärchen, 1845;
    Dtld. u. seine Bundesvfg., 1848;
    Erzählungen, 3 Bde., 1858/61;
    Erzählungen, Umrisse u. Erinnerungen, 1861;
    Lb. aus d. klass. Altertum, Text v. H. K. = I, 2 d. Bilderatlas z. Weltgesch. 1864 (mit L. Weißer);
    Zu Shakespeares Leben u. Schaffen, Altes u. Neues, 1868;
    Aus d. Tagen d. Schmach, Gesch.bilder aus d. Melacszeit, 1871;
    Falstaff u. s. Gesellen, Mit Schattenbildern v. P. Konewka, 1871;
    Sämtl. Werke, 10 Bde., hrsg. v. P. Heyse, 1874;
    dass., 12 Bde., hrsg. v. H. Fischer, 1904 (P);
    Ges. Kleinere Erzz., hrsg. v. H. Fischer, 1904;
    - Teilslgg.: Innerhalb Etters, hrsg. v. Isolde Kurz, 1926;
    Aus e. alten Reichsstadt, hrsg. v. K. Keim, 1963;
    Die blasse Apollonia, Erz. aus e. alten Reichsstadt, hrsg. v. J. Boeckh, 1971;
    Denk- u. Glaubwürdigkeiten, hrsg. v. G. Fischer, 1973;
    Die beiden Tubus, 1975. -
    Überss.: Ausgew. Poesien v. Lord Byron, Thomas Moore, Walter Scott u. Andern in teutschen Übertragungen, 1832 (H. K. u. a.);
    M. de Cervantes Saavedra, Die vergebl. Tante, 1836;
    Ariost's rasender Roland, 3 Bde., 1840 f.;
    F. R. de Chateaubriand, Ausgew. Werke, 12 Bde., 1844/46;
    Th. Moore, Das Paradies u. d. Peri, Mit e. Anhang Byronscher Lieder, 1844;
    M. de Cervantes-Saavedra, Zwischenspiele (Entremeses), 1868;
    Shakespeare, Die Lustigen Weiber v. Windsor, 1866. -
    Hrsg.: G. R. Widmann, Das ärgerl. Leben u. schreckl. Ende d. viel berüchtigten Erz-Schwarzkünstlers Johannes Faust, 1834;
    Novellenschatz d. Auslandes, 7 Bde., 1872 f. (mit P. Heyse). -
    Briefwechsel: mit Eduard Mörike, hrsg. v. J. Baechthold, 1885, neu hrsg. v. H. Kindermann, 1919;
    Ergg.: E. Mörike, Unveröff. Briefe, hrsg. v. F. Seebaß, ²1945;
    mit Paul Heyse, mitget. v. H. Falkenheim, in: Schwäb. Bund I, 1919/20;
    mit Gustav Schwab, in: Lit. Beil. Staatsanz. f. Württemberg, hrsg. v. H. Fischer, 1/10 u. 42/49;
    H. K. in s. Jugendj., Ungedr. Briefe, hrsg. v. dems., in: Süddt. Monatshh. 3, 1906, S. 52-67, 246-55, 388-402, 499-514;
    Die Wanderj. e. Poeten, hrsg. v. dems., ebd. 5, 1908, S. 571-77;
    mit Johs. G. Rau, hrsg. v. W. Volke, in: Jb. d. Dt. Schillerges. 23, 1979, S. 29-50;
    |

  • Archival Ressources

    Nachlaß: Stuttgart, Württ. Landesbibl. - Zu Ehefrau: Aus Briefen v. Maria K., mitget. v. E. Baetheke, Rechenschaftsber. d. Schwäb. Schillerver. 19, 1914, S. 85-89.

  • Literature

    ADB 17;
    Th. Schön, Gesch. u. Stammreihe d. Reutlinger Bürgergeschi. Kurtz, 1896;
    E. Sulzer-Gebing, K., e. dt. Volksdichter, Charakteristik u. Bibliogr., 1904;
    Isolde Kurz, H. K., Ein Btr. zu s. Lebensgesch., 1906, u. d. T.: Das Leben meines Vaters, ³1929;
    dies., Aus meinem Jugendland, 1918, ²1943;
    dies., Meine Mutter, 1926, ⁴1952;
    W. Heynen, Der Sonnenwirt v. H. K., in: Palaestra 122, 1913;
    D. Stoeß, Die Bearbeitung v. „Verbrecher aus verlorener Ehre“, Mit Benutzung ungedr. Briefe v. u. an H. K., 1913;
    H. Kindermann, K. u. d. dt. Übers.kunst im 19. Jh., 1918;
    ders., H. K. u. s. Balladen, in: Rechenschaftsber. d. Schwäb. Schillerver. 21, 1917/18, S. 32 ff.;
    ders., K. als Lit.historiker, in: Siebs Festschr., German. Abhh. 67, 1933;
    G. Maier, Alt-Reutlinger Familien I, 1922, S. 46-52;
    B. Golz, Zwei Schwäb. Erzähler: M. Meyr u. H. K., 1925;
    E. Müller, Stiftsköpfe, 1938, S. 354-64;
    W. Küstermann, H. K. u. s. Novellen, Diss. Wien 1946 (ungedr.);
    H. K. Schlingloff, H. K., Werk u. Mensch, Diss. Marburg 1949;
    O. Borst, Der Reichsstädter H. K., in: Reutlinger Gesch.bll. NF 50, 1958/59;
    ders., in: Lb. aus Schwaben u. Franken VIII, 1962, S. 212-54 (W, L, P);
    Stadtbücherei Reutlingen, ²1973 (L);
    R. v. Heydebrand, Zur Anordnung d. Gedichtslg. Mörikes, Welchen Anteil hatte H. K.? in: Jb. d. dt. Schillerges. 17.1973, S. 384-94.

  • Portraits

    Büste v. M. Wagmüller (Univ.bibl. Tübingen);
    Ausstellungskat. H. K. 1813-73, Dokumente, Bilder … (Heimatmus. Reutlingen), 1963.

  • Author

    Fritz Martini
  • Citation

    Martini, Fritz, "Kurz, Hermann" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 329-332 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118778277.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographical Presentation

    Kurz: Hermann K. (oder, wie sich seine Familie schrieb, Kurtz), Dichter und Novellist, wurde am 30. Nov. 1813 zu Reutlingen aus bürgerlicher Familie geboren. Zum Studium der protestantischen Theologie bestimmt, trat er 1827 in das niedere theologische Seminar Maulbronn ein, wo u. a. Eduard Zeller sein Mitschüler, D. Fr. Strauß kurze Zeit sein Lehrer war. 1831 ins Tübinger Stift übergetreten, widmete sich K. vorzüglich philosophischen und litterarischen Studien unter der Leitung von Strauß. Uhland, Gustav Pfizer, Moritz Rapp. Er verließ 1835 die Universität und schon 1836 die theologische Laufbahn und lebte als Schriftsteller in Stuttgart. Im Herbst 1843 ging er nach Karlsruhe als Mitarbeiter an dem „Deutschen Familienbuch zur Belehrung und Unterhaltung"; dort nahm er an den vormärzlichen liberalen Bewegungen Antheil. Nach der Februarrevolution 1848 kehrte K. nach Stuttgart zurück und führte daselbst, zuerst mit Adolf (nicht Ludwig) Weisser, dann allein, die Redaction des Oppositionsblattes „Der Beobachter“, die er 1854 niederlegte. Von da an lebte er, vielfach durch häusliche Sorgen und Nervenleiden gedrückt, theils in Stuttgart, theils in ländlichem Aufenthalte zu Obereßlingen, Kirchheim und Weilheim u. T. 1863 erhielt K. die Stelle eines zweiten Bibliothekars an der Universitätsbibliothek Tübingen, die er bis zu seinem Tode am 10. Ott. 1873 inne hatte. An äußeren Ehrenbezeigungen ist ihm nur die philosophische Doctorwüroe honoris causa 1866 von Rostock her zu Theil geworden. — Als Dichter, zumal als Novellist, gehört K. zu den besten seiner Zeit und seines Stammes. Besonders sind seine kleineren Erzählungen öfters vollendet in der prägnanten Zeichnung von Charakteren und Ereignissen. Er bewegt sich mit Vorliebe auf dem Boden seiner Heimath, namentlich seiner Vaterstadt Reutlingen. Hier ist ihm jeder Weg, jeder Stein bekannt. Dazu kommt noch ein eindringliches Studium und eine umfassende Kenntniß der vaterländischen Geschichte, so daß seine vaterländischen Erzählungen in sicherem Treffen des Localtons und mannigfaltiger Belebung durch charakteristische locale Typen ganz vorzüglich zu nennen sind. Ein feiner Humor, dem wir bei K. überhaupt zu begegnen gewohnt sind, kommt zu der Gabe scharfer Beobachtung hinzu, und so verdanken wir dem Erzähler einige wahre Cabinetsstücke treffender humoristischer, fast satirischer Darstellung, unter denen die kleine Erzählung „Die beiden Tubus“ wol unbedingt in erste Linie zu stellen ist. K. selbst hat diese kleineren Erzählungen gesammelt; sie sind von 1858—61 in drei Bänden erschienen, nachdem schon 1837 eine kleinere Sammlung unter dem Titel „Genzianen“ erschienen war. Auch an größeren Romanstoffen aus der württembergischen Geschichte hat sich K. zwei Mal versucht. Zuerst in dem Roman „Schiller's Heimathjahre“, der 1843 erstmals erschien; eine sehr lebendige Schilderung der späteren Regierungszeit des Herzogs Karl, welche von sicherer Stoffbeherrschung und genauester Sachkenntniß zeugt. Psychologisch weitaus tiefer und an manchen Stellen geradezu dämonisch groß ist „Der Sonnenwirth“, 1854 zum ersten Mal erschienen. In diesem Roman, der die Geschichte des durch häusliche Mißhandlungen und Kränkungen schließlich zum Verbrechen gereizten Johann Friedrich Schwan, eines der berüchtigtsten Räuber Süddeutschlands im 18. Jahrhundert, auf Grund amtlicher Quellen sehr eingehend wiedergibt (Schiller hat denselben Stoff im „Verbrecher aus verlorener Ehre“ freier und minder charakteristisch behandelt), zeigt K. tiefe Kenntniß des schwäbischen Volkscharakters; leider bricht die lebensvolle Erzählung in der Mitte ab, um einer zwar gründlichen und verständnißvollen Relation aus den Akten Platz zu machen. Auch die kürzere Erzählung „Der Weihnachtsfund“ (1855) zeugt von derselben Kenntniß der Volkspsychologie. Als lyrischer Dichter ("Gedichte“ zuerst 1836) erinnert K. öfters an den von ihm hoch gefeierten Mörike; auch entstammt manches durch Silchers u. a. Comvosition bekannt gewordene Lied seiner Feder. — Zur vollständigen Kenntniß seiner Dichterthätigkeit gehört aber auch die Betrachtung seiner Uebersetzungen, die er schon 1832 durch eine mit Freunden herausgegebene, gänzlich verschollene Sammlung von englischen Dichtungen eröffnet hat. 1849 erschien seine Nachdichtung von Ariost's rasendem Roland; December 1843 „Thomas Moore's Paradies und die Peri. Mit einem Anhang Byron’scher Lieder"; 1844 das Hauptwerk seiner Uebersetzerkunst, die Uebersetzung und Ergänzung von Gottfrieds von Straßburg Tristan und Isolde; ein geniales Werk, dem man einige Mängel philologischer Akribie gerne nachsieht. Das Werk rief eine bittere Kritik Oswald Marbach's hervor, auf welche K. in dem Schriftchen „Der Kampf mit dem Drachen' (1845) witzig antwortete. Für die Bodenstedtische Shakespeareausgabe übersetzte K. die Lustigen Weiber, für die Sammlung des Hildburghäuser Instituts (1868) die Zwischenspiele des Cervantes. Endlich hat er gemeinsam mit Paul Heyse den „Deutschen Novellenschatz“ (1871 ff) und den „Novellenschatz des Auslands“ (1872 ff.) herausgegeben. — Als Gelehrter hat K. keine gleich umfassende Thätigkeit entwickelt, wie als Dichter. Durch genaues, gewissenhaftes Eindringen in den Gegenstand, sowie durch geistreiche Combinationsgabe zeichnen sich seine wenigen gelehrten Arbeiten aus; daneben mag aber eine gewisse Breite und eine dem Erzähler ganz natürliche Neigung, die Abhandlung durch humoristische Behandlung zu beleben, etwas störend erscheinen. Ich zähle diesen Arbeiten die politischen und historischen Aufsätze bei. 1845 erschien das kleine Schriftchen „Die Fragen der Gegenwart und das freie Wort"; 1871 „Aus den Tagen der Schmach“, zuerst 1859 im Morgenblatt erschienen und die Geschichte Schwabens zur Zeit der französischen Einfälle unter Melac behandelnd; 1864 (in den deutschen Jahrbüchern) ein Aufsatz über den griechischen Bundestag. Wichtiger sind Kurz' litterarhistorische Aufsätze. Mit Gottfried von Straßburg befaßt sich außer der Uebersetzung, der eine sagengeschichtliche Einleitung vorangeht, der Aufsatz über des Dichters Geschlecht und Leben in Bartsch's Germania. 15, 207 ff. In einer Recension der Bülow’schen Bearbeitung des Simplicissimus (in der 1837 und 1838 bei Metzler in Stuttgart erschienenen kritischen Zeitschrift „Der Spiegel“, 1837, Nr. 5 und 6) entdeckte K. den eigentlichen Namen des Verfassers jenes Romans. Mit Shakespeare beschäftigen sich das Buch „Zu Shakespeare's Leben und Schaffen“. München 1868, und mehrere Aufsätze im Shakespeare-Jahrbuch, Bd. IV—VI, auch hat K. den Text zu Konewka's (s. den Art.) Silhouetten „Falstaff und seine Gesellen“ verfaßt. Kurz' poetische Werke sind von Paul Heyfe in einer leider nicht vollständigen Sammlung (bei A. Kröner in Stuttgart! 1874 herausgegeben worden. Im ersten Band hat Heyse eine schöne Biographie des Dichters vorangeschickt, zum Theil auf A. v. Keller's Nekrolog, Germania, 19, 124 bis 126, fußend. Das Bildniß vor Bd. I ist in den Lineamenten des Gesichts sehr gut, im Ausdruck fast etwas zu derb.

  • Author

    Hermann Fischer.
  • Citation

    Fischer, Hermann, "Kurz, Hermann" in: Allgemeine Deutsche Biographie 17 (1883), S. 425-426 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118778277.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA