Lebensdaten
1718 – 1786
Geburtsort
Sankt Johann-Saarbrücken
Sterbeort
Kaiserslautern
Beruf/Funktion
Bankier ; Tuchfabrikant ; Kaufmann
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 136061915 | OGND | VIAF: 80469872
Namensvarianten
  • Karcher, Heinrich
  • Carcher, Heinrich

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Zitierweise

Karcher, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd136061915.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joh. Jacob (1688–1764), Metzger u. Handelsmann in St. J., S d. Joh. Jacob, Metzger u. Gastwirt in St. J., u. d. Eva Elis. Bindtel;
    M Anna Dor. Mühlhaus (1692–1765) aus St. Johann;
    Ov Joh. Nicolaus (1695–1777), Gastwirt u. Posthalter in Saarbrücken (s. Einl.);
    - Kaiserslautern 1744 Maria Katharina (1728–1808), T d. Joh. Gideon Rettig (um 1690–1756), Gasthalter, Gutsbes. u. Ratsbgm. in K., u. d. Maria Magdalena Krämer aus Alsenborn;
    9 S, 3 T, u. a. Joh. Jacob ( 1832, Dorothea Margarete, T d. Kaufm. Georg Röchling, 1741–1816), Carl (1756–1812, Maria Sophie, T d. KR Joh. Nikolaus Karcher, 1764), Kaufleute in St. J., Gesellschafter d. Saarbrücker Kranengesellschaft, beteiligt an d. Anfängen d. Chemieindustrie (Alaun, Bittersalz), Friedrich Jakob (1771-1830), Tabakfabr., Franz Daniel (1759–1818);
    E Friedrich Albrecht (1814–55), Kaufm., Heimatdichter (s. L).

  • Biographie

    K. siedelte in jungen Jahren nach Kaiserslautern über, erwarb dort das Bürgerrecht und stieg zu verschiedenen Ehrenämtern auf (1750 Stadtgelderheber, 1759 Ratsherr, 1761 Bürgermeister, Zunftherr der Kaufleute, Kirchenvorsteher, 1781 nochmals Bürgermeister). Als die 1769 gegründete „Kurpfälzische physikalischökonomische Gesellschaft zu Lautern“ 1771, physiokratischen Lehren folgend, die Errichtung einer Leinwand-, Halbleinwand- und Siamoise-Manufaktur beschloß, wurde K. in deren Leitung berufen. Zweck der Gründung war einerseits die Verarbeitung heimischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie Flachs, Hanf und Wolle, um damit den Absatz der westpfälz. Landwirtschaft zu verbessern, andererseits der Landbevölkerung während der langen Winterarbeitslosigkeit einen Neben-Verdienst zu verschaffen. Bedeutende Privilegien wurden der Manufaktur für die Dauer von 10 Jahren verliehen. Die Physikalischökonomische Gesellschaft ließ 1774 die Errichtung der Kameralschule (seit 1777 Kameral Hohe Schule) zu Lautern folgen, in deren Lehrprogramm unter maßgeblichem Einfluß von Jung-Stilling die Manufaktur als Studienobjekt für die Vorlesungen diente. Das Studium der Kameralwissenschaften nach dem „Lauterer System“ wurde Vorbild für andere neugegründete Kameralfakultäten. Dabei stand die Manufaktur nicht im Eigentum der Hochschule und wurde nicht als Regiebetrieb, sondern in der Form einer Aktiengesellschaft geführt. Bei über dreißig Aktionären wurde die Verbindung mit der Hochschule durch deren Vertretung in der Kommission hergestellt, in der K. der einzige Kaufmann war und daher von Anfang an maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung des Unternehmens hatte. Die Überlegungen, die zur Gründung geführt hatten, fanden in der günstigen Entwicklung „am idealen Standort“ ihre Bestätigung; nach wenigen Jahren gab der Betrieb, eine Kombination von Manufaktur- und Verlagssystem, mit Spinnerei und Weberei rund 2 000 Menschen Arbeit, überwiegend in Form von Heimarbeit. Neben der Verarbeitung heimischer Faserpflanzen gewann die überseeische Baumwolle für die Halbleinen- und Siamoise-Fabrikation immer mehr Bedeutung. K. wurde 1781 als Direktor der Siamoise-Manufaktur bestellt.

    Als die Kameral Hohe Schule 1784 ihren Sitz nach Heidelberg verlegte, um dort der Universität als staatswissenschaftliche Fakultät angegliedert zu werden, und mit ihr|auch die Physikalisch-ökonomische Gesellschaft nach Heidelberg abwanderte, wurden ihre Verbindungen mit der Siamoise-Manufaktur gelöst. K. erwarb die Aktien, indem er die übrigen Aktionäre mit 740 % ihrer ursprünglichen Einlage auszahlte, eine Bestätigung für die ungewöhnlich erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens. Noch im gleichen Jahr ging K. an die Errichtung einer Wolltuchmanufaktur, deren Wollbedarf teilweise von eigenen Schafherden gedeckt wurde, wofür er wiederum kurfürstlich Privilegien erhielt. Beide Unternehmen wurden nach seinem Tod zunächst unverändert unter der Firma „Wittib Karcher et Comp.“ weitergeführt. Sie waren 1792 der größte Gewerbebetrieb der Kurpfalz mit zusammen rd. 1 500 Beschäftigten.

    Die folgenden Kriegsjahre fügten den Manufakturen erhebliche Schäden zu. Erst unter dem Schutz der Kontinentalsperre setzte eine Erholung ein, die aber mit dem Ende der französischen Herrschaft abbrach. Die Angliederung der Rheinpfalz an Bayern als Zoll-Ausland (1816) führte zu einer allmählichen Auszehrung der von ihren früheren Absatzgebieten getrennten Unternehmen. Von den Söhnen K.s, die sich in die Leitung der Manufakturen teilten, wurde die Siamoise-Fabrik 1818, die Wolltuchfabrik wenige Jahre später stillgelegt. Söhne und Enkel K.s, die meist in Kaiserslautern tätig waren, wandten sich neben den traditionellen Handels- und Bankgeschäften, bei denen Holz- und Kohlenhandel zunehmende Bedeutung gewannen, anderen Zweigen der landwirtschaftlichen Verarbeitungswirtschaft zu; sie wurden zu Begründern der Rübenzuckerfabrikation und der Tabakindustrie in Kaiserslautern. Die von K.s Sohn Franz Daniel kurz vor seinem Tode gegründete Fabrik für Rübenzucker wurde von seinen Neffen Franz und Carl Karcher unter der Firma „Gesellschaft für Zuckerfabrikation“ weitergeführt, nach dem Erwerb einer kleineren Zuckerfabrik in Frankenthal (1847) stillgelegt und das Unternehmen ganz nach Frankenthal verlegt.

  • Literatur

    A. Munzinger, Die Entwicklung d. Industrie v. Kaiserslautern, 1921;
    H. Webler, Die Kameral Hohe Schule zu Lautern (1774–84), 1927;
    K. Orth, Die Orth u. d. Krämer, Gesch. zweier Kurpfälzer Familien (1934);
    G. A. Bergmann, Der Pfälzer Ast d. Karcher, in: NSZ-Rheinfront v. 18.11.1941 (Wiederabdr. aus: Saar, Heimat u. Sippenkde. 24);
    Ein Handelsmann aus St. Johann, K. u. d. Siamoise-Manufaktur, in: Pfälz. Volksztg., Beil. Pfälzer Sonntag, 1952, Nr. 17;
    W. Freitag, Die Entwicklung d. Kaiserslauterer Textilindustrie seit d. 18. Jh., 1962;
    Dt.GB 58. - Zu E Frdr. Albrecht:
    L. Weinkauff, F. A. Karcher, Ein vergessener Pfälzer Dichter, in: NSZ-Rheinfront v. 14.2.1939. -
    E. Christmann u. H. Friedel, Kaiserslautern einst u. jetzt, ²1976.

  • Autor/in

    Fritz Hellwig
  • Zitierweise

    Hellwig, Fritz, "Karcher, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 145-146 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd136061915.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA