Dates of Life
1699 – 1783
Place of birth
Bergedorf bei Hamburg
Place of death
Venedig
Occupation
Komponist ; Sänger ; Kapellmeister
Religious Denomination
mehrkonfessionell
Authority Data
GND: 118546651 | OGND | VIAF: 2656283
Alternate Names
  • Hasse, Johann Adolf Peter
  • Hasse, Johann Adolf
  • Hasse, Johann Adolf Peter
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Relations

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Citation

Hasse, Johann Adolf, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118546651.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    V Peter (um 1668–1737), Organist in B., S d. Friedrich (1635–88), Organist in Neuengamme u. B., u. d. Anna Marg. Palenius;
    M Abel Christina (1676–1741), T d. Bertram Kiessing ( 1699), Amtsschreiber in Trittau, Bgm. in B., u. d. Magdalene Petersen;
    Ur-Gvv Peter (um 1585–1640), Organist an St. Marien in Lübeck;
    Groß-Ov Nikolaus (um 1617–72?), Organist an St. Marien in Rostock, Hinrich (um 1630–96), Organist an St. Petri in Lübeck;
    Ov Peter (1659–1708), Organist an St. Jakobi in Lübeck (f. alle s. MGG V);
    - Venedig 1730 Faustina (1700–81), Sängerin (s. L), T d. Paolo Bordoni in Venedig;
    1 S, 2 T.

  • Biographical Presentation

    Aus der Jugend- und Ausbildungszeit H.s liegen nur wenige Nachrichten vor. Der Tradition einer alten Organistenfamilie verbunden, übernahm der Vater H.s musikalische Erziehung. Schon früh sang der mit einer schönen Stimme begabte Knabe im Kirchenchor. Seit seinem 10. Lebensjahr sicherten Stipendien seine Ausbildung – ab 1714 in Hamburg –, ehe J. U. König ihn 1718 als „Tenorist“ an die dortige Oper empfahl. Seine Mitwirkung in G. C. Schürmanns „Telemachus und Calypso“ 1720 in Braunschweig belegt die baldige Übersiedlung, und 1721 debütierte der „Cammer-Musico“ des Herzogs zu Braunschweig hier mit seiner Oper „Antioco“ als Komponist. Obwohl noch 1728 als „Maestro di Capella“ in Braunschweig apostrophiert, war H. schon 1722 in Neapel N. Porporas, dann A. Scarlattis Schüler und hatte hier 1723 mit „Il Tigrane“ und den Intermezzi „La serva scaltra“ die ersten seiner 15 bis 1730 für Neapel geschriebenen Opern (darunter 7 Intermezzi und ein Melodram) zur Aufführung gebracht. 1727 erfolgte seine Berufung als Kapellmeister an das Conservatorio degli Incurabili in Venedig. 1730 vermählte er sich hier mit Faustina Bordoni. – Von A. M. Gasparini und B. Marcello gebildet, hatte Faustina 16jährig als „Serva attuale, e Virtuosa di Camera del Serenissimo Elettore Palatino“ in C. F. Pollarolos „Ariodante“ ihre Karriere begonnen. Stürmische Erfolge in Italien (Venedig, Florenz 1717; Venedig 1718–20; Bologna, Neapel, Venedig 1721–23) begründeten ihren europäischen Ruf, der sie nach München (1723 und 1724) sowie zu glänzenden Bedingungen nach Wien (1725–26) und London (1726–28) an die Oper G. F. Händeis führte, wo es 1727 in G. B. Bononcinis „Astianatte“ zu Tätlichkeiten mit ihrer Rivalin F. Cuzzoni kam. Über Frankreich und Mailand, hier als „decima musa italiana“ begrüßt, kehrte Faustina nach Venedig zurück, nahm wiederholt Aufenthalt in München (1729) und trat 1730 in Venedig erstmals in einer Oper H.s („Dalisa“) auf. – 1731 weilten die Gatten am Dresdener Hof. In H.s „Cleofide“ wurden sie begeistert gefeiert und der Komponist mit dem Titel Königlich Polnische und Kurfürstlich Sächsische Kapellmeister ausgezeichnet. Vor ihrer definitiven Bindung an Dresden (H. als Kapellmeister und Faustina als Primadonna erhielten jährlich 6000 Taler) festigte das Paar seinen künstlerischen Ruf auf den bedeutendsten Opernbühnen Italiens (Rom, Turin, Venedig, Neapel, Bologna). Beide trafen 1734 in Dresden ein und beherrschten seitdem fast 3 Jahrzehnte nahezu allein die Hofbühne. Begünstigt durch die oft lange währende Residenz des sächsischen Hofes in Warschau, die wahrscheinlich auch H. einige Male dorthin führte, brauchte das Paar auch auf ausgedehnte Tourneen nicht zu verzichten: 1734-37 reiste Faustina nach Venedig, H. folgte über London, wo er mit der Oper „Artaserse“ als Rivale Händels auftrat; Anfang 1738 weilte Faustina noch einmal allein in Venedig, während sich 1738-40, 1744-45, 1746 und 1754 beide Gatten in Italien, vorwiegend in Venedig, aufhielten. 1744 unterbrachen sie ihre Reise in Wien, 1746 in München, um sich jeweils am Hof hören zu lassen, und gingen 1750 „pour les amusements de la Dauphine“ nach Paris. Im folgenden Jahr zog sich Faustina, 1755 H. als Sänger von der Bühne zurück, nachdem er 1750 zum Oberkapellmeister ernannt worden war. Mit besonderer Auszeichnung empfing ihn Friedrich II. 1753 in Berlin, der gelegentlich seines Aufenthaltes in Dresden 1742 H.s „Lucio Papirio“ kennengelernt und seitdem dessen Werken einen bevorzugten Platz im Berliner Spielplan eingeräumt hatte (in Berlin wurden von 1743-77 14 Opern H.s, manche mehrfach, gegeben). In Dresden kam 1756 mit “L'Olimpiade“ H.s letzte für den sächsischen Hof geschriebene Oper zur Aufführung. Seit Ende 1756 weilten Faustina und H. in Italien und Österreich, waren 1758 nur kurz in Dresden und ließen sich, nachdem H. 1760 bei der Beschießung der Stadt sein Haus und die zum Stich vorbereitete Gesamtausgabe seiner Werke verloren hatte, 1761 in Wien nieder. Die Rückkehr des Hofes aus Warschau führte 1763 H. und Frau noch einmal nach Dresden. Am 5.10. starb Friedrich August II., dessen Nachfolger eingedenk der finanziellen Notlage des Hofes Oper und Komödie schlossen. H. und Faustina wurden mit Rescript vom 7.10.1763 ohne Pension entlassen, ihre auf 30 000 Taler geschätzten Gehaltsforderungen durch Zahlung von 12 000 Talern abgegolten. Beide verließen Dresden 1764 und wandten sich nach Wien, wo sie im Kreise um P. Metastasio ehrenvolle Aufnahme fanden, ehe sie 1773 in Venedig ihren letzten Wohnsitz nahmen. – Die Mitte im Schaffen H.s bildet die Oper, deren Formen wie musikalische Diktion seine Instrumentalmusik und – unter Modifikation der Affekte – seine Kirchenmusik gleichermaßen durchdringen. Dem Geist der Aufklärung verbunden, gewann H. früh in den vom rationalistischen Kunstideal geprägten Werken des bewunderten P. Metastasio kongeniale Libretti. Als glänzendster Vertreter der galanten Bel-canto-Oper vollendete er den metastasianischen Szenenaufbau musikalisch, während zugleich sein Bemühen um den Ausbau der accompagnato-Szenen – wider die Besorgnis Metastasios um den Primat des Dramas – seit „Clemcnza di Tito“ (1735) belegt ist. Bei Eleganz und Angemessenheit des Ausdrucks, verbunden mit der Meisterschaft im Erfassen differenzierter Gefühlsäußerungen, wußte er selbst „den Ausdruck des Schmerzes in den tieferen Beiklängen der Zärtlichkeit“ (Kretzschmar) zu fassen. Der Rivale erwuchs H., der sich bereits in Wien im Gegensatz zu den „Reformatoren“ sah, in dem jungen, von ihm geförderten W. A. Mozart („Der junge Mozart ist … ein Wunder und ich liebe ihn wirklich unendlich“); sein Werk versank mit dem Ende der galant-höfischen Gesellschaftsoper.

  • Works

    66 Opern (versch. mehrfach;
    9 sind zweifelhaft) vorwiegend auf Texte v. P. Metastasio (32), G. B. Pallavicini (6) u. A. Zeno (5);
    12 Intermezzi (einige unter versch. Titeln) sowie Einlagen zu 38 Pasticci (spezielle Angaben zu d. Opern H.s bieten: C. Mennicke, s. L;
    A. Loewenberg, Ann. of Opera 1597-1940, 2 Bde., Genf ²1955;
    U. Manferrari, Dizionario Universale delle Opere Melodrammatiche, 3 Bde., Florenz 1955);
    12 Messen (1 zweifelhaft);
    mehrere Messensätze sowie 3 Requiems (u. a. f. d. Exequien Frdr. Christians v. Sachsen am 22.11.1763);
    44 Offertorien;
    14 Oratorien (davon 8 f. Dresden;
    3 zweifelhaft);
    31 Motetten;
    1 geistl. Arie;
    14 weltl. Kantaten. - Die Instrumentalwerke H.s sind noch nicht völlig gesichert. Sie umfassen: Sinfonien;
    Konzerte f. Flöte, Oboe od. Horn, Harpsichord od. Orgel;
    Trios;
    Duos;
    Solos f. Flöte, Flöte od. Violine;
    Solosonaten f. Flöte, Violine u. Cembalo.

  • Literature

    ADB X;
    R. Eitner, J. A. H., in: Mhh. f. Musikgesch. 11, 1879, S. 30-32;
    ders., J. A. H.s Werke auf d. Kgl. Bibl. zu Berlin, ebd., S. 81, 95, 103, 119;
    E. Polko, Faustina H., 2 Bde., 1860;
    G. M. U. de Gheltof, La „Nuova Sirena“ e il „Caro Sassone“ note biografiche, Venedig 1890;
    C. Mennicke, J. A. H., e. Biogr. Skizze, in: Sammelbd. d. Internat. Musik-Ges. V, 1903/04, S. 230-44, 469-75;
    ders., H. u. d. Brüder Graun als Symphoniker, 1906;
    M. Seiffert, Zur Biogr. J. A. H.s, in: Sammelbd. d. Internat. Musik-Ges. VII, 1905-06, S. 129-31;
    O. Sonneck, Die 3 Fassungen d. H.-schen Artaserse, ebd. XIV, 1912-13, S. 226-42;
    H. Kretzschmar, H. üb. Mozart, in: Zs. d. Internat. Musik-Ges., 1905-07, S. 263-65;
    W. Müller, J. A. H. als Kirchenkomp., in: Publ. d. Internat. Musik-Ges., Beihh. II, 9, 1911;
    B. Zeller, Das Recitativo accompagnato in den Opern J. A. H.s, Diss. Halle 1911;
    L. Kamienski, Die Oratorien v. J. A. H., 1912;
    R. Gerber, Der Operntypus J. A. H.s u. s. textl. Grundlagen, 1925;
    M. Högg, Die Gesangskunst d. Faustina H. u. d. Sängerinnenwesen ihrer Zeit in Dtld., Diss. Berlin 1931;
    Eitner (W-Verz.);
    A. A. Abert, in: MGG V, Sp. 1771-88 (W-Verz., L, P auch f. Ehefrau).

  • Portraits

    s. Singer I, 37 010-20.

  • Author

    Horst Heussner
  • Citation

    Heussner, Horst, "Hasse, Johann Adolf" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 41-43 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118546651.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographical Presentation

    Hasse: Johann Adolf Peter H. und feine Frau Faustina, geborene Bordoni. Alles, was die Welt an Ruhm, Ehre, Glück, Reichthum und körperlicher Schönheit besitzt, hat sich einst auf dieses Ehepaar vereinigt, und zwar nicht in vorübergehender Laune, sondern stetig, bis zur ihrem Lebensende. Johann Adolf H., wie er sich gewöhnlich schrieb, auch „il Sassone“ genannt, war am 25. März 1699 in Bergedorf bei Hamburg geboren und erhielt seine erste musikalische Ausbildung in Hamburg. Der bekannte Hamburger Libretto-Dichter, Joh. Ulrich König, wurde zuerst auf die musikalische Begabung des Jünglings aufmerksam und brachte ihn 1718 als Tenoristen auf die Hamburger Opernbühne. Gerber und die späteren Verfasser von Musik-Lexica sind der Meinung, daß H. hier unter Reinhard Keiser's Direction dessen Opern einstudirte und sang und daß er Keiser noch bis ins späte Alter als denjenigen schildere, von dem er am meisten gelernt habe. Wenn man das Letztere auch nicht unbedingt in Abrede stellen kann, obgleich Keiser in deutscher und H. in italienischer Manier schrieben, so ist durch neuere Forschungen definitiv festgestellt, daß weder eine Oper Keiser's während der Jahre 1718—21 in Hamburg gegeben wurde, noch Keiser selbst sich damals um das Hamburger Theater irgendwie bekümmert hat, da er in diesen Jahren meistentheils in Kopenhagen lebte. Schon vor 1721 (siehe Chrysander's erstes Jahrb. f. musik. Wissenschaft, 1863, p. 271) war er als Hofopernsänger in Braunschweig angestellt und ebendort ist Seite 272 Nr. 157 seine erste Oper „Antioco. Drama per musica ... Antiochus, in einer Oper vorgestellet auf dem großen Braunschweigischen Theatro in der Sommermesse Anno 1721“ angezeigt. Gerber's und Fürstenau's Angaben bedürfen hiernach der Verbesserung. In dem italienisch-deutschen Textbuche heißt es über den Componisten „La Musica è fatta dal Sign. A. F. (sic?) Hassen, Virtuoso di S. A. S. il Duca regnante di Braunsuiga-Luneburgo“. Aus dem Personenverzeichniß ist zu ersehen, daß H. den Antiochus sang. Schon vom J. 1722|an fehlt der Name Hasse's in dem Personenverzeichniß der Sänger und man wird daher annehmen müssen, daß er jetzt schon nach Italien wanderte, dem damals gelobten Lande der Musiker. Wir treffen ihn in Neapel als fleißigen Schüler Porpora's, dann Alessandro Scarlatti's, der im Clavierspielen und in Compositionen sich die Gunst der Kunstgenossen und des Publicums zu erwerben sucht und bereits im J. 1726 den Namen „il caro Sassone“ trägt. Eine Oper, für das königl. Theater in Neapel geschrieben, begründete vollends sein Glück. Im J. 1727 erhielt er am Conservatorio dell' Incurabili in Venedig die Capellmeisterstelle und damit Gelegenheit Compositionen für die Kirche zu schreiben. Es wird besonders ein Miserere für 2 Soprane, 2 Alte, 2 Violinen, Viola und Baß erwähnt, welches lange Zeit hindurch in der Charwoche aufgeführt und noch vom Pater Martini eine „wundervolle Composition“ genannt wurde. 1730 componirte er für ein Theater in Venedig die Oper „Artaserse“ (im Textbuche dieser Oper nennt sich H. „Maestro sopranumerario della Real Capella di Napoli“, d. h. überzähliger Kapellmeister der königl. Kapelle in Neapel) und hier war es auch, wo er die Faustina Bordoni kennen lernte und er von ihr geheirathet wurde. Etwas älter als er, stand sie auf der Höhe ihres Ruhmes und die üppige Fülle ihrer Schönheit war wol im Stande, den sechs Jahre jüngeren Mann zu berücken. Ob er es später bereut hat? der Nachwelt ist davon nichts bekannt geworden, doch die Zeit in Dresden mag ihm manche schwere Stunde bereitet haben. Wieder andererseits könnte man bezweifeln, ob H. jemals zu der hervorragenden Stellung gelangt wäre, wenn er nicht in der Faustina eine so vorzügliche Darstellerin seiner Schöpfungen gefunden, die sich so eng an ihn gekettet hatte. Schon im nächsten Jahre wurden beide durch den Einfluß des Kronprinzen von Sachsen nach Dresden berufen. H. erhielt die Capellmeisterstelle und seine Frau war Primadonna. Die „Dresdner Merkwürdigkeiten“ vom Juli 1731 melden: „Den 7. Juli ist der Königl. Pohln. und Churf. Sächf. Capellmeister, Mons. H., mit seiner neuen Eheliebsten, der bekannten Sängerin Faustina, die ihres gleichen wenig haben soll, aus Venedig allhier angelanget, und hat Tags darauf bei Ihro Maj. dem Könige dieselbe die erste Probe ihrer Geschicklichkeit im Singen zu vollkommenen Contentement hören lassen“. Am 13. September wurde bereits die von dem „famosissimo Signor Giovanni Adolfo Hasse, detto il Sassone“ (so heißt es im Textbuche) componirte Oper „Cleofide“ gegeben. Ein Berichterstatter der „Curiosa Saxonica“ (1731, 34. u. 35. Probe) spricht sich über H. und seine Frau aus: „Dieses ungemeine Ehepaar kann wohl itziger Zeit vor die größeste Virtuosen in der Music vor gantz Europa passiren, indem der berühmte H. in der Composition, die unvergleichliche Madame Hassin aber im Singen und in der Action ihres gleichen nirgends haben.“ Die „Cleofide“, sagt Fürstenau, bezeichnet in musikalischer Beziehung im Allgemeinen den Standpunkt, welchen damals die italienische Oper, ja die italienische Schule überhaupt einnahm: Reichthum und Lieblichkeit in der Melodieerfindung, Einfachheit in der Form, Harmonie und Instrumentation, Streben nach dem richtigen Ausdrucke den Text musikalisch wiederzugeben und eine meisterhafte Behandlung der menschlichen Stimme. H. hat diese Grenzen in keiner seiner späteren Opern überschritten und daher vom geschichtlichen Standpunkte aus sich in keiner Weise vor denen seiner Fachgenossen ausgezeichnet, da er es aber verstand, dem Geschmacke seiner Zeit so ganz gerecht zu werden, so wurde er nicht nur der populärste, sondern auch der gesuchteste und gefeierteste Künstler seiner Zeit. In Folge der Gleichförmigkeit in Erfindung und Form, der Leere in der Harmonie, des Mangels an tiefer Empfindung und der geringen dramatischen Gestaltungskraft, die sich in seinen Opern kund gibt, haben sie das 18. Jahrhundert nicht überlebt; dennoch müssen|wir ihnen noch heute das Prädicat „anmuthig“ ertheilen und können uns wol vorstellen, daß unsere Voreltern ein halbes Jahrhundert lang und darüber dafür geschwärmt haben. Hasse's und seiner Frau Einfluß in Dresden dauerte fast 30 Jahre. Der Hof, der Adel, das größere Publikum, welche Sinn für Kunst beseelte, huldigten den Talenten dieses Ehepaares. Dresden war damals nichts weniger als eine deutsche Stadt, sie erschien weit mehr als eine vorgeschobene Stätte für den Luxus, die Geselligkeit und die Künste des südlichen Europas, wie Fürstenau sagt. H., so wie besonders seine in Italien geborene Frau, fanden hier den Geschmack und die Musik Italiens wieder und wirkten wie dort in gleicher Weise fort. H. fand ausreichend Anregung und Gelegenheit an dem glänzenden Hofe Friedrich August II. das Theater mit seinen Prachtvorstellungen mit neuen Opern zu versorgen und das Glanz und Ruhm liebende Gemüth seiner Gattin durch immer neue Partien zu befriedigen. Außer der Verpflichtung, jährlich zwei neue Opern zu liefern, gaben die nie versiegenden Festlichkeiten am Hofe stets Gelegenheit, das Talent Beider in Anspruch zu nehmen, doch nicht genug, auch noch für auswärtige Theater lieferte er neue Opern. Metastasio, ein damals berühmter Librettodichter, hat.14 starke Octavbände Operntexte hinterlassen, H. componirte sie alle, außer dem „Themistocles“, manche sogar zwei Mal, außerdem aber noch viele von Zeno, Lalli, Pallavicini, Pasquini und Migliavacca. Fürstenau gibt im zweiten Bande seiner Geschichte der Musik am sächsischen Hofe (Dresden 1862, S. 376) ein Verzeichniß von 43 Opern, welche sich auf den Bibliotheken in Dresden befinden, Gerber fügt diesen 9 hinzu, Fétis verzeichnet 62, doch ist das immer nur ein Theil derselben, denn im J. 1760 verlor er seine ganze Habe, darunter auch seine Manuscripte, durch den Brand des Hauses, worin er wohnte. Nicht minder productiv war er in anderen Fächern der Musik; so verzeichnet Fétis 10 Oratorien, unzählbare und nur zum kleinsten Theile bekannte Compositionen für die Kirche, wie Messen, Magnificat, Psalmen, Litaneien, Miserere u. a., ferner weltliche Cantaten und Instrumentalwerke, wie Concerte, Sonaten, Sinfonien u. a. H. ging fast jährlich, sobald es die Abwesenheit des Hofes von Dresden gestattete, mit seiner Frau nach Italien und wurden dort immer von neuem Triumphe gefeiert; auch in München hielten sie sich im Jahre 1746 einige Zeit auf und wurden vom Kurfürst mit größter Aufmerksamkeit behandelt. Einen gleichen Empfang genossen sie im J. 1750 bei einem Besuche in Paris. Nach dem Tode Friedrich August II. wurde H. und seine Frau am 7. October 1763 ohne Pension entlassen, doch behielt H. den Titel eines kurfürstl. Obercapellmeisters. Er ging mit Faustina nach Wien und 1773 nach Venedig, wo er den 16. December 1783 starb. Burney schildert ihn als einen großen und sehr beleibten Mann. Bis zum J. 1755 besaß er eine schöne Tenorstimme, die er aber plötzlich durch eine Erkältung verlor und dermaßen an Heiserkeit litt, daß man ihn nur schwer verstand. Er schildert ihn ferner als einen Mann von seinem Anstande und vornehmen Manieren, rühmt seine Unterhaltung als lebendig und geistreich, frei von aller Pedanterie, Stolz und Vorurtheil. In Dresden nannte man ihn „den Musikvater“, ein Beweis seiner freundlichen und liebenswürdigen Umgangsform. Als Mozart's Oper, „Ascanio in Alba“, 1771 in Mailand den Hasse’schen „Ruggiero“ schlug, soll H. ausgerufen haben: „Der Jüngling wird Alle vergessen machen!“ — Faustina H., geborene Bordoni, muß um 1693 in Venedig geboren sein, obgleich stets das J. 1700 verzeichnet wird, denn Burney sagt: sie ist 1783, neunzig Jahre alt, in Venedig gestorben. Chrysander macht noch in seinem „Händel“ (II. 142) darauf aufmerksam, daß sie in London von ihrer Rivalin, der Cuzzoni, bei einem heftigen Auftritte zwischen ihnen, „alt und abgetakelt“ gescholten wurde. Das war im J. 1727 oder 28. Benedetto Marcello und besonders Francesco Gasparini waren ihre Lehrer im Gesange und in der Declamation. Von 1716 ab war sie eine der gefeiertesten Sängerinnen in Italien. In der Anzeige eines Concertes, welches der Violinspieler Pietro Castrucci aus Rom 1719 in London gab, wird ausdrücklich gesagt: „Auch werden darin verschiedene Gesänge vorgetragen, welche die berühmte Faustina in Venedig sang“ (Chrysander II. 142). Der alte Sangmeister Tosi sagt über sie: Faustina steht unvergleichbar da in ihrer Begabung zum Singen, in der unerhörten Leichtigkeit ihrer Ausführung, mit welcher sie die Welt in Erstaunen setzt, in ihrem brillanten Vortrage (man weiß nicht, ob durch Natur oder Kunst erlangt), der Alles hinreißt. Mit der deutlichsten Articulation, der markigsten, geläufigsten Aussprache verband Faustina große körperliche Reize mehr derber als zarter Art, und ausdrucksvollste Lebendigkeit in allen ihren Mienen und Bewegungen, so daß Jedermann sagte, sie sei zum Singen und Spielen geboren. Ein so schnelles Wiederholen desselben Tones hatte man bisher bei der Singstimme nie für möglich gehalten. Im Gegensatze dazu wußte sie einen einzelnen Ton unendlich auszuhalten. Aber wenn von Ohrenzeugen nun weiter berichtet wird (Chrysander II. 143), daß sie mehr des stürmischen und rauschenden, als des natürlich einfachen, tiefen und schmerzvollen Ausdruckes mächtig war; wenn ihr besonders Händel überall da, wo er auf den wahren Pfaden der Natur so kunstvoll in die Tiefen weiblicher Empfindung hinabsteigt, unfaßbar und lästig wurde: wer sieht da nicht, daß die Sirene mit ihrer erstaunlichen Begabung Sänger, Componisten und Publicum an eine gefährliche Küste lockte? 1724 war sie in Wien engagirt, 1726—28 in London unter Händel's Leitung der Oper auf dem Haymarket. Von hier ging sie nach Venedig und lebte einige Jahre ohne Engagement, bis sie H. kennen lernte und sich mit ihm im J. 1730 verheirathete. Von hier ab fließen die beiden Lebensläufe in einen zusammen; es war, als wenn sie die Natur für einander geschaffen hätte und was dem Einen abging, ersetzte das Andere durch sein Talent. Fürstenau bemüht sich, und vielleicht mit Recht, ihr äußeres Leben in Betreff ihrer Frauentugend in ein gutes Licht zu setzen und erreicht wenigstens soviel, daß er den Nachweis führt: von keiner Seite aus irgend etwas Nachtheiliges über ihren Ruf ausgesprochen zu finden. Das gegenseitige Interesse an ihrer Stellung in Dresden mag Vieles dazu beigetragen haben, das eheliche Bündniß auch vom praktischen Standpunkte aus zu befestigen und daß H. ein schlauer und speculativer Kopf war, leuchtet aus manchen kleinen Begebenheiten, die sich am Hofe Dresdens vollzogen und von Fürstenau mitgetheilt werden, zu deutlich hervor. Gesegnet war ihr Thun und Treiben, gesegnet ihre Familie, und wer sein Alter in solcher Weise bis 90 Jahre bringt, kann wol mit Befriedigung darauf zurückschauen.

  • Author

    Rob. Eitner.
  • Citation

    Eitner, Robert, "Hasse, Johann Adolf" in: Allgemeine Deutsche Biographie 10 (1879), S. 755-758 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118546651.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA