Lebensdaten
1492 – 1564
Geburtsort
Konstanz
Sterbeort
Winterthur
Beruf/Funktion
Reformator
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118663763 | OGND | VIAF: 30330628
Namensvarianten
  • Blarer von Giersberg, Ambrosius
  • Blarer, Ambrosius
  • Blaurer, Ambrosius
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Orte

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Zitierweise

Blarer, Ambros, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118663763.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Augustin ( 1504), Ratsherr von Konstanz;
    M Katharina, T des Rottweiler Patriziers Mässlin von Graneck;
    B Thomas s. (3);
    Schw Margarethe (1493–15.11.1541), humanistisch gebildet, mit M. Butzer und dem Kreis der Straßburger Reformatoren befreundet, unterstützte ihre Brüder bei der Durchführung der Reformation in Konstanz, wirkte bei der Pest 1541 in dem als Spital eingerichteten Inselkloster, bis sie ihr selbst erlag, und erhielt den Beinamen „diaconissa ecclesiae Constantiensis“;
    Konstanz 1533 Katharina Ryf von Blidegg (früher Nonne); 4 K, u. a. Gerwig (ungeraten), die übrigen früh verstorben.

  • Biographie

    B. wurde 1505 in Tübingen immatrikuliert, legte um 1510 Profeß im Benediktinerkloster Alpirsbach ab, wurde 1511 Baccalaureus, 1513 Magister in Tübingen und später Lesemeister in Alpirsbach. Durch seinen in Wittenberg studierenden Bruder Thomas wurde er mit den Schriften Luthers vertraut, geriet in Konflikt mit dem Abt und floh 1522 nach Konstanz. Zu den offenen Vorkämpfern der Reformation gehörte B. erst seit 1525 mit der Übernahme des Predigeramtes und wurde nun bald der theologische Führer des Konstanzer Protestantismus. Enger Verkehr mit Zwingli, dem er jedoch nicht in allem folgte - im Abendmahlstreit suchte er zwischen ihm und Luther zu vermitteln -, hinderte ihn nicht, daran, seinen eigenen Standpunkt zu behalten. Er förderte das politische Bündnis zwischen Konstanz und Zürich (christliches Burgrecht 1527), das freilich nach der Niederlage von Zürich 1531 wieder aufgegeben werden mußte. Seit 1528 wurde er zur Durchführung der Reformation nach den oberschwäbischen Reichsstädten gerufen, wirkte lange in Memmingen, Ulm, Eßlingen und zwischendurch immer wieder in Konstanz. 1534 wurde er von Herzog Ulrich nach Württemberg geholt; zusammen mit dem Lutheraner Schnepf sollte der „Zwinglianer“ B. die Reformation im Herzogtum einführen. Die „Stuttgarter Konkordienformel“ in der Abendmahlsfrage, die er am 3.8.1534 widerstrebend annahm, war ein erster Versuch, zwischen den reformatorischen Richtungen zu vermitteln, erfuhr aber weitgehende Ablehnung. B. war nun intensiv und im allgemeinen erfolgreich im württembergischen Oberland tätig. Er setzte in Fragen der Kirchenbilder auf dem „Götzentag“ zu Urach am 10.9.1537 seinen radikalen Standpunkt durch, wurde aber von den Lutheranern, von denen er sich seinerseits durch Ablehnung der Schmalkaldener Artikel (Februar 1537) distanzierte, immer schärfer bekämpft und im Juni 1538 vom Herzog ungnädig entlassen, ohne Entschädigung für seine großen materiellen Opfer. Auch ein Ruf nach Augsburg (1539) endete durch die lutherische Gegnerschaft schließlich mit unhöflicher Entlassung. B. blieb nun in Konstanz und arbeitete maßgeblich am Konstanzer Gesangbuch sowie am Aufbau des Schulwesens. Nach dem Ende des Schmalkaldischen Krieges wirkte er in völliger Verkennung der Lage auf möglichst langes Ausharren im Widerstand gegen den siegreichen Karl V. Auf ihn ist es weitgehend zurückzuführen, daß schließlich Konstanz allein von den protestantischen Ständen außerhalb des Friedens blieb. Zu spät wurden endlich Verhandlungen eingeleitet (Frühjahr 1548) und in der Hoffnung auf schweizerische und französische Hilfe unglücklich geführt, bis es zu spät war. Die Folge der ausgesprochenen Reichsacht war die Unterwerfung der Stadt, der Verlust der Reichsfreiheit und der völlige Untergang des Konstanzer Protestantismus. Blarer v. Giersberg, der mit seiner Forderung nach Durchhalten sich viele Gegner in der kriegsmüden Stadt geschaffen hatte, verließ sie am 26. August für immer. Seine Berufung nach Bern scheiterte an seinem Standpunkt in der Abendmahlsfrage. 1549 ging er nach Winterthur, 1551-59 als Prediger nach Biel und versah dann von Winterthur aus das Pfarrersamt im thurgauischen Leutmerken.

    B. war eher Vermittler als Mann des scharfen Kampfes; aber er hatte seinen eigenen Kopf und hat z. B. in der Abendmahlsfrage seinen Standpunkt gegen die zwinglianischen Freunde wie gegen die lutherischen Feinde aufrecht erhalten. Auffallend ist sein Versagen in politischen Dingen: Intrigen war er am Hof Herzog Ulrichs ebenso wenig gewachsen wie vor den Ratsregierungen der Reichsstädte, und seine Fehlbeurteilung der Lage 1547/48 war verhängnisvoll. Der große Einfluß, den er auf seine Zeitgenossen ausgeübt hat, ist seiner Persönlichkeit zuzuschreiben: sein klarer Verstand, die gerade Anständigkeit seines Charakters wirkten mehr als Bücher oder Predigten. Er war eine dichterisch beschwingte Natur; seine zahlreichen Kirchenlieder - 22 sind noch erhalten - waren im 16. Jahrhundert weit verbreitet, wurden dann vergessen und erst im 19. Jahrhundert neu entdeckt. Sonst hat er nur Gelegenheitsschriften publiziert. Sein umfangreicher Briefwechsel mit allen großen Geistern der Reformation zeugt von feiner humanistischer Bildung und ist eine der wichtigsten Quellen für die Geistesgeschichte seiner Zeit.

  • Literatur

    ADB II;
    Th. Keim, A. B., der schwäb. Reformator, 1860;
    Th. Pressel, A. B., Leben u. Schrr., 1861 (W);
    T. Schiess. Briefwechsel d. Brüder A. u. Th. B., 3 Bde., 1908–12;
    F. Hindenlang, Die Konstanzer Reformatoren u. ihre Kirchenlieder, 1936;
    HBLS II. - Zu Schw Marg.: T. Schiess, a.a.O.;
    M. Heinsius, Das unsterbl. Wort, 1951, S. 37-67.

  • Porträts

    Stahlstich v. unbek. Künstler (Rosgartenmus. Konstanz);
    G. Habich. Dt. Schaumünzen d. 16. Jh., 1929, I/1.

  • Autor/in

    Otto Feger
  • Zitierweise

    Feger, Otto, "Blarer, Ambros" in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 287-288 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118663763.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Blarer: Ambrosius B., Reformator von Schwaben, geb. 4. April 1492 zu Constanz, zu Winterthur 6. Dec. 1564 (schwäbisch: Blaurer ausgesprochen). Aus adligem Geschlecht der B. von Obergyrsperg im Thurgau, Sohn eines Rathsherrn in Constanz, bezog er wohl vorbereitet die Universität Tübingen, wo er sich, in vertrauter Freundschaft mit Melanchthon, der alten Litteratur widmete und Magister wurde. Ein Besuch im Benedictinerkloster Alpirsbach flößte ihm Lust an fromm beschaulichem Leben ein und 1515 trat er ins Kloster, dessen Prior er nach wenigen Jahren wurde. Neben dem religiösen Dienst trieb er alte Sprachen, correspondirte mit Melanchthon nach Tübingen und Wittenberg, hörte durch seinen Bruder Thomas, der 1520 die Wittenberger Hochschule bezog, viel von Luther, studirte dessen ihm von seinem Bruder übersandte Schriften und machte sowol die Klosterbrüder, als in der Kirche das Volk mit der evangelischen Wahrheit bekannt. Daraufhin des Lesemeisteramts entsetzt, verließ er am 5. Juli 1522 das Kloster. Gegen die ihm in Constanz gemachten Vorwürfe verantwortete er sich in einer eigenen Schrift und wirkte in der Stille für die Sache der Reformation. Von 1525 an predigte er mit entschiedenem Beifall, dichtete Lieder für das Constanzer Gesangbuch und nahm sich (1527) mit seinem Vetter Johann Zwick der Regelung des evangelischen Kirchenwesens an, nachdem er die angesehensten Mitglieder des Rathes für seine Ansichten gewonnen. Der Bischof verließ Constanz und zog nach Mörsburg, das Domcapitel nach Ueberlingen. Sofort wurde die Messe abgeschafft, 1529 Altäre und Bilder aus den Kirchen entfernt und die neue Kirchenordnung eingeführt. Die Stadt gewann an Zucht und Ordnung. Mit Zwingli kam B. seit 1525 in Correspondenz, obwol er dessen Abendmahlslehre nicht billigte, vielmehr, eine vermittelnde Stellung zwischen ihm und Luther einnehmend, behauptete: Christus schenke im Abendmahl seinen Leib, der geistig gegenwärtige Christus sei der Kern im Sacrament. In den gottesdienstlichen Einrichtungen, namentlich Entfernung der Bilder, stimmte er der nüchternen reformirten Anschauung bei. Zwingli's frühen Tod betrauerte er aufrichtig. Schon hatte er begonnen, auch auswärts, wie in Memmingen und im Thurgau, für die Reformation zu wirken, als ihn 1530 die Augsburger vergeblich verlangten, wogegen er in Ulm und von hier aus in Geislingen und vom September 1531 an in Eßlingen das Kirchenwesen einrichtete und der Zucht, Armenfürsorge und Schule seine besondere Aufmerksamkeit widmete. 1532 drohte ihm der damalige österreichische Landesherr von Würtemberg, König Ferdinand, im Betretungsfalle mit dem Tod. Von Eßlingen zurückgekehrt verehlichte er sich, August 1533, wie Luther, mit einer gutbeleumdeten früheren Nonne, Katharine Walther von Blideck, die ihm vier Kinder gebar, von welchen nur ein Sohn ihn überlebte. 1534 eröffnete sich ihm sein größtes Arbeitsfeld im Herzogthum Würtemberg. B. war dem wieder in sein Erbe eingesetzten Herzog Ulrich von verschiedenen Seiten, namentlich den Straßburgern, empfohlen als ein Mann, „ebenso gelehrt und in Anrichtung der Kirchen geschickt, als dem Frieden ergeben und gelind, von beiden Seiten anerkannt“. Da indeß in Würtemberg vom Norden des Landes her (Hall und|Heilbronn) das Lutherthum Boden gefaßt hatte, glaubte Ulrich aus Rücksicht auf Sachsen wie auf den den „Sakramentirern“ ungünstigen Kadaner Vertrag neben B. einen lutherischen Theologen aufstellen zu müssen. Die Wahl fiel auf den Heilbronner Erhard Schnepf, Professor der Theologie in Marburg. Am 30. Juli traf B. in Stuttgart ein; am 2. Aug. vereinigten sich beide vor dem Herzog auf die schon 1529 in Marburg von Bucer angenommene Formel über das heilige Abendmahl: daß aus Vermögen der Worte: das ist mein Leib, der Leib des Herrn wahrhaftig und wesentlich, nicht aber stofflich und örtlich, gegenwärtig sei und ausgetheilt werde. „Es soll eine gute Stunde sein“, rief Ulrich aus, „dabei soll's bleiben!“ In dieser Stuttgarter Concordia sprach sich, wie Ranke (III. 482) bemerkt, zuerst die Einheit der deutsch-evangelischen Kirche aus. Nun wurden die Gebiete vertheilt; B. erhielt das (südliche) Oberland mit dem Sitz in Tübingen, Schnepf das Unterland mit Stuttgart. Blarer's Bezirk umfaßte 62 Städte und 450 Dörfer. Erst wurde gepredigt, dann die Geistlichen verhört und eingeführt; viele mußten von auswärts, besonders der Schweiz, berufen werden. Im Sommer 1536 ließ er seine so lang von ihm getrennte Frau nachkommen, deren „holdseliger Umgang ihn geistig und leiblich stärkte“. Auch für die Universität entwarf er eine neue, später von Melanchthon und 1537 von Brenz vervollständigte Ordnung. Die Ehe- und Kirchenordnung entwarf Schnepf mit Brenz' Beihülfe; B. ließ sie sich gefallen. Gegen die eingerissenen Schwenkfeld’schen Irrthümer trat er kräftig auf, obwol nicht mit gewünschtem Erfolg, da sie in höheren Kreisen viel Anklang fanden. In Verwerfung der Bilder hatte er den Herzog auf seiner Seite; nach dem „Götzentag“ in Urach, Sept. 1537, mußten die Altäre, selbst Bilder von Christus und den Aposteln, aus den Kirchen entfernt werden. Indessen sehnte sich B. dringend nach Constanz zurück. Das Mißtrauen gegen seinen „Zwinglianismus“ vermochte er nicht zu überwinden, auch nachdem er im Februar 1537 zu Schmalkalden die Augsburger Confession und Apologie, freilich zögernd, unterschrieben hatte. Im Juni 1538 wurde er „in gutem Frieden“ verabschiedet, aber mit kargem, seinen großen Opfern keineswegs entsprechendem Lohn; erst Herzog Christoph war es vorbehalten ihn anständig zu entschädigen. Kaum war er nach Constanz zurückgekehrt, kamen wiederholte Rufe von Augsburg: er sollte die dortigen Spaltungen ausgleichen. Endlich im Juni 1539 kam er dahin. Außer größerer Fürsorge für die Armen, für das Volkswohl überhaupt, brachte er indeß wenig zu Stand; das Volk hing ihm mit Verehrung an. Am 6. Dec. zog er ab, stellte unterwegs in Kempten die gestörte Einigkeit her und kam 4. Febr. 1540 zurück in seine Vaterstadt, die er bis zur traurigen Katastrophe nicht mehr auf lange verließ. Er wirkte wesentlich mit bei Herausgabe des Gesangbuchs 1540 und widmete sich eifrig der Seelsorge und Schule; als er die erst verlangte „Regimentsordnung nach dem Wort Gottes“ an dem Widerwillen der Oberen scheitern sah, stieg in ihm die Ahnung des Rückgangs, ja des Untergangs „des Evangeliums“ auf. Im Kreis seiner Familie, im Umgang mit seinem reich begabten, nach Gemüth und Bildung gleich trefflichen Bruder Thomas, als Jurist und Redner eine Zierde der Stadt, fand er sein Glück und seine Erholung. Das Pest- und Sterbejahr 1541, dem auch seine aufopferungstreue Schwester Margarethe fiel, wirkte in ihm lebhafte Todesgedanken. Die Kriegsgedanken Karls V. sah er im December 1545 voraus; sein Wüthen in den Niederlanden gegen die Evangelischen sei das Vorspiel. Er ermunterte den Rath zu tapferem Einstehen für das Evangelium; nach Erstürmung der Ehrenberger Klause stieg seine Hoffnung. Noch im Frühjahr 1547 wies man die Unterhändler ab, erst die Vollziehung der Sperre vom See her machte zur Unterwerfung geneigt. Thomas unterhandelte mit dem Kaiser in Augsburg; nur gegen Annahme des Interims ward|Verzeihung zugesagt. Während dessen ward die Acht gegen Constanz angeschlagen. Oberst Vives rückte mit 3000 Mann gegen die Stadt. Mörderischer Kampf auf der Brücke. Die Bürgerschaft, des Dienstes müde, schrie nach Frieden. Am 11. Oct. 1548 unterwarf sie sich. Ambrosius hatte die Stadt schon am 26. Aug. verlassen, um sie nie wieder zu betreten. Erst im nahen Grießenberg, bei seiner Schwester, wohin auch Thomas gekommen, dann in Winterthur, fand er ein freundliches Exil, ließ seinen Sohn Gerwick in Straßburg Theologie studiren, versah von 1551 noch acht Jahre ein Predigtamt in Biel, von 1559 predigte er, ohne Amt, noch in Winterthur und im Thurgau und 6. Dec. 1564 zu Winterthur im 73. Lebensjahre. Sein Bruder Thomas, mit theologischen und classischen Studien beschäftigt, überlebte ihn noch drei Jahre. Thomas' Söhne kamen in ehrenvolle Stellungen in der Pfalz, in Mecklenburg; Ambrosius' Stamm erlosch in dem übelgerathenen Sohn Gerwick.

    • Literatur

      Keim, Ambrosius B. der schwäbische Reformator. Nach den Quellen, Stuttg. 1860. Th. Pressel, A. B., nach handschr. Quellen, Elberf. 1861. Derselbe, A. B., dessen Leben und Schriften. Mit Blarer's Bilde, Stuttg. 1861.

  • Autor/in

    Hartmann.
  • Zitierweise

    Hartmann, "Blarer, Ambros" in: Allgemeine Deutsche Biographie 2 (1875), S. 691-693 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118663763.html#adbcontent

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