Dates of Life
1771 – 1851
Place of birth
London
Place of death
Hannover
Occupation
König von Hannover
Religious Denomination
lutherisch
Authority Data
GND: 118530925 | OGND | VIAF: 37707871
Alternate Names
  • Ernst August von Hannover
  • Ernst August
  • Ernst August von Hannover
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Relations

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Citation

Ernst August, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118530925.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    V Georg III. ( 1820), Kg. v. Großbritannien, Kf. v. Hannover;
    M Charlotte (1744–1818), T des Hzg. Karl I. v. Meckl.-Strelitz ( 1752);
    B Kg. Georg IV. v. Großbritannien ( 1830), Kg. Wilh. IV. v. Großbritannien ( 1837), Adolf (1774–1850), Hzg. v. Cambridge, Mil.gouverneur v. Hannover 1813,|Gen.statthalter v. Hannover seit 1816, Vizekönig v. Hannover 1831-37 (s. ADB I);
    Neustrelitz 1815 Prn. Friederike v. Meckl.-Strelitz (1778–1841, Cousine), Schwester der Kgn. Luise v. Preußen ( 1810);
    S Kg. Georg V. v. Hannover ( 1878);
    N Kgn. Victoria v. Großbritannien ( 1901).

  • Biographical Presentation

    E. war der Begabteste unter den 7 Söhnen Georgs III. Die deutsche Herkunft des Hauses bewog den Vater, die 3 jüngsten Söhne in Göttingen erziehen zu lassen. Für E. hatten diese Göttinger Studienjahre (1786–91) nur geringe Bedeutung. Die Französische Revolution war das entscheidende Erlebnis seiner Entwicklung. Er wurde Soldat und machte als Reiterführer die Revolutionskriege mit (1791-95). Auffällig war der wilde Fanatismus seiner Kriegsteilnahme. Die Tradition des säkularen englisch-französischen Weltgegensatzes empfand er mit ursprünglicher Kraft. Als Herzog von Cumberland (seit 1799) war er Mitglied des Oberhauses, auf Grund seiner taktischen Geschicklichkeit und ultrakonservativen Gesinnung Führer der Hochtories geworden, durch seinen Rückhalt am Hofe und seinen Einfluß in seiner Partei bald tief im politischen Leben Englands verflochten. Er versuchte, jede Neuerung, jedes Gesetz, das vom Althergebrachten abwich, besonders die Emanzipation der Katholiken zu verhindern. Die Intransigenz seiner ultrakonservativen Politik belud ihn mit der unversöhnlichen Feindschaft seiner wighistischen Gegner, die ihn unter Ausnutzung seiner unpopulären politischen Haltung und verschiedener Skandalaffairen, in die er verwickelt war, zum „most unpopular prince of modern times“ stempelten.

    Mit seiner Heirat wurde Berlin neben London seine zweite Heimat. Er gewann die Freundschaft des späteren Königs von Preußen, Friedrich Wilhelm IV., und entwickelte sich zu einem extremen Parteigänger der hochkonservativen Politiker in der preußischen Hauptstadt, so daß ihm nunmehr seine eigene Parteirichtung in preußisch-deutscher Abwandlung ins Blickfeld rückte.

    Der Engländer, der den größten Teil seiner Lebensjahre als königlicher Prinz und als Toryführer des Oberhauses in der Freiheit und Ungebundenheit englischen Lebens verbracht und in steter Auseinandersetzung mit den Ansprüchen und Existenznotwendigkeiten der britischen Weltmacht gewirkt hatte, beurteilte diese inneren Parteirichtungen in ihren weltweiten Zusammenhängen. Er war gewohnt geworden, die Ideen des Althergebrachten und des Fortschritts im Blickwinkel der europäischen Gegensätze zu sehen. Die Verfassungsreformen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor allem die englische Reformgesetzgebung von 1832, wertete er daher als Früchte einer internationalen Propaganda der Ideen von 1789, als Erfolge französischer Macht in der Welt. Parlament, Regierung und König hatten ihm als Angehörigen des regierenden Hauses die Zustimmung zur Reformbill abgenötigt.

    Nach dieser jahrzehntelangen parteipolitischen Schulung im englischen Staatsleben erwarb E. 1837 im Alter von 66 Jahren den hannoverischen Königsthron, weil in England die Tochter des nächstälteren Bruders Eduard, Viktoria, Königin wurde, in Hannover aber erst dann Frauen zur Regierung gelangen konnten, wenn der ganze Mannesstamm des regierenden Hauses erloschen war. Damit wurde die Personalunion zwischen England und Hannover gelöst, die rund 125 Jahre eine bedeutsame Rolle in der deutschen und europäischen Politik gespielt hatte. Wenige Monate nach Antritt seiner Regierung hob der neue König das Staatsgrundgesetz von 1833, das im Zusammenhang der englischen Reformen von 1832 und in Verbindung mit einer gleichzeitigen Reformgesetzgebung auf agrarpolitischem Gebiet das deutsche Stammland des englischen Königshauses zu einem konstitutionellen Staat ausgestaltet hatte, aus eigener Machtvollkommenheit unter Nichtbeachtung der Rechtslage auf. Nach erbitterten innenpolitischen Kämpfen zwischen den Anhängern des Königs und den Verteidigern des Staatsgrundgesetzes führte er mit anfechtbaren Rechtsmitteln eine neue Landesverfassung ein (1840), die im wesentlichen vom Staatsgrundgesetz abgeschrieben war. Sie ließ das Gesetzgebungsrecht der Ständeversammlung und die agrarpolitischen Neuerungen unangetastet und schränkte lediglich das ständische Budgetrecht ein. Dieser Gewaltakt hatte E. in Hannover die erbitterte Gegnerschaft des Bürger- und Bauerntums seines Landes, vor allem seines bürgerlichen Gegenspielers, des Osnabrücker Bürgermeisters J. B. C. Stüve, zugezogen, in der Nation die sittliche Empörung des geistigen Deutschland erregt, die sich an der mutigen Haltung von 7 Göttinger Professoren entzündete und gegen den englischen Fremdling, der willkürlich geltendes deutsches Staatsrecht beseitigt hatte, in einer deutschen Volksbewegung entlud.

    Die Revolution von 1848, die dem 8jährigen persönlichen Regime des Königs ein Ende, Stüve zum tonangebenden Minister des Landes machte, zwang den 77jährigen Monarchen, während der letzten 2½ Jahre seines Lebens als Vollzugsorgan eines parlamentarischen Regimes zu fungieren. Er setzte|seinen Namen unter die Landesverfassung von 1848, die die freiheitlichste in Deutschland war, er signierte Gesetze über eine neue Justizorganisation, die die Trennung zwischen Justiz und Verwaltung, die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens verfügte, Schwurgerichte bildete. Er verhandelte über eine neue kommunale Verwaltung, die nach dem Grundsatz der Selbstverwaltung eingerichtet war, er gab seine Zustimmung zu einem Neubau seines Staatswesens, der Hannover auf der untersten wie auf der höchsten Ebene von Grund auf im Sinne der Freiheitsideen des Jahrhunderts umgestaltete, Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsformen verwirklichte, die er für rechtswidrig gehalten, Männer und Stände in die Macht hob, die er mit „Dreck des Landes“ bezeichnet hatte und am zweckmäßigsten „mit Pulver und Blei traktiert“ wissen wollte. Er erlaubte, daß im öffentlichen Leben seines Landes bürgerlichem Tätigkeitsdrang, bürgerlichem Wollen, bürgerlicher Anschauungsweise Freiheit, Spielraum und Wirkungsmöglichkeiten gegeben wurden wie in keinem anderen deutschen Staat.

    Seine letzten Lebenskräfte setzte er aber ein, um seinem Hause im Strudel der deutschen Einheitsbewegung Stellung und Zukunft zu sichern. Er wurde ein erbitterter Feind der Paulskirche und der Einheitsbestrebungen Preußens, die die staatliche Existenz Hannovers bedrohten, infolgedessen ein bedingungsloser Parteigänger der Politik Schwarzenbergs. Als der österreichisch-preußische Gegensatz sich 1850 zu einem deutschen Krieg auszuweiten drohte, mußte er sich auch der außenpolitischen Konzeption seines Chefministers beugen, der entschlossen die überparteiliche, neutrale Haltung des norddeutschen Mittelstaates verteidigte, durchsetzte und damit an der friedlichen Lösung des deutschen Konfliktes maßgebend beteiligt war. Die letzte selbständige politische Entscheidung E.s war die Entlassung des Ministeriums Stüve. Der König hatte sich aber vorher verpflichten müssen, dem Nachfolger in der Durchführung der Reformen des Märzministeriums keinen Widerstand entgegenzusetzen. So war der ehemalige Hochtory des englischen. Oberhauses, der sich zum konservativsten deutschen Fürsten entwickelt hatte, in seinen eigenen Regierungshandlungen der letzten Lebensjahre zu dem Bekenntnis genötigt worden, daß sein Kampf gegen die Zeitmächte vergeblich gewesen war. Die hannoverische Bevölkerung beurteilte die Regierungszeit E.s in unmißverständlicher Kritik, indem 1,8 Millionen Einwohner des Landes für das geplante Denkmal E.s auf dem Bahnhofsplatz 446 Reichstaler aufbrachten, die restlichen notwendigen 36.554 Taler schließlich in 5jährigem Bemühen gesammelt wurden.

  • Literature

    ADB VI; W. Rothert, Allg. hannov. Biogr. II, 1914, S. 119 ff. (P);
    H. v. Treitschke, Dt. Gesch. IV, 1927, S. 630 ff.;
    P. Zimmermann, Kg. E. A. v. Hannover, in: N. Görges, F. Spehr, F. Fuhse, Vaterländ. Geschichten u. Denkwürdigkeiten d. Lande Braunschweig u. Hannover III, 1929, S. 336 ff.;
    B. Mühlhan, Hannover u. s. Ministerium Stüve im preuß.-österr. Spiel um d. dritte Dtld. 1849/50, in: Nd.sächs. Jb. 22, 1950, S. 88 ff.; G. M. Willis, Ernest Augustus, London 1954 (L, P).

  • Portraits

    Zahlr. Gem. (Slg. d. Herzogs v. Braunschweig), 2 Gem. (London, Tower).

  • Author

    Bernhard Mühlhan
  • Citation

    Mühlhan, Bernhard, "Ernst August" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 609-611 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118530925.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographical Presentation

    Ernst August, königlicher Prinz von Großbritannien, 1799 Herzog von Cumberland, 1837 König von Hannover, wurde 5. Juni 1771 zu London im Buckinghampalast, dem damals sogenannten Hause der Königin, geboren. Er war das achte Kind, der fünfte Sohn König Georgs III. von England und seiner Gemahlin Sophie Charlotte, Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz. Die Kinder- und Knabenjahre verlebte er gemeinsam mit seinen jüngeren Brüdern August Friedrich, dem spätern Herzog von Sussex (geb. 27. Jan. 1773) und Adolf Friedrich, dem spätern Herzog von Cambridge (geb. 24. Febr. 1774), auf dem Schlosse Kew bei London unter Leitung der beiden Hofmeister Cookson und Dr. Hughes. Ihre Erziehung entsprach den englischen Sitten der Zeit. Mochten die ersten beiden George den Deutschen nicht verleugnet haben, der dritte Georg war ein geborener Engländer, kam in seiner langen Lebens- und Regierungszeit niemals nach Deutschland und handhabte seine Muttersprache nur schwerfällig und fehlerhaft. Die drei Söhne lernten zwar französisch, etwas Latein und machten mit dem Griechischen die ersten Versuche, blieben aber ohne Kenntniß des Deutschen. Daß ihnen ein geregelter und nachdrücklicher Religionsunterricht zu Theil wurde, war eine der eifrigsten Sorgen des Vaters. Die körperlichen Uebungen wurden nicht vernachlässigt, drei Stunden täglich mit Spazierengehen verbracht. Keiner der drei Brüder zeichnete sich durch besondere Gaben aus. „E. hat gewiß das wenigste Nachdenken, August das meiste Faulheit“, sagte der Vater selbst, und wenn er auch dem jüngsten ein besseres Zeugniß ausstellte, so meinte er doch von allen: „an Fleiß hat es sie jederzeit gefehlet.“ Es war das ein Hauptgrund, die Söhne schon in jungen Jahren ins Ausland zu schicken; daneben wünschte er sie dem Einfluß des bösen Beispiels zu entziehen, das von ihrem ältesten Bruder Georg her drohte, der mit 24 Jahren bei den reichsten Einkünften es zu einer Schuldenlast von 150000 Pfd. St. gebracht hatte und nach mancherlei Liebschaften eben im Begriff stand, eine die Gesetze seines Landes wie seines Hauses verletzende Ehe einzugehen. Der oft gerühmte Familiensinn König Georgs III. bewährt sich auch in der liebevollen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, die er dem Studium der Söhne, das in Göttingen betrieben werden sollte, widmete. Am 28. Juni 1786 verließen sie London und begaben sich in Begleitung des Generalmajors Grenville nach Stade, wo sie ihr Bruder Friedrich, Herzog von York und Bischof von Osnabrück, am 1. Juli empfing. Am 6. Juli trafen sie in Göttingen ein und wurden einige Tage darauf unter dem Prorectorat des Professors der Theologie, Gottfried Leß, immatriculirt. Das drittälteste album serenissimorum principum et illustrissimorum comitum des Universitätsarchivs zeigt auf seinem ersten Blatte in schönen festen Zügen die Inscription: Ernest Augustus July 10th, 1786. Göttingen stand damals auf der Höhe seines Ruhmes. Schon mancher deutsche und fremde Prinz hatte hier seine Studienzeit zugebracht. Die Söhne des Landesherrn kamen jetzt zum erstenmale. Man kann sich denken, wie sie gefeiert wurden. Männern wie Pütter waren sie die Krone der gelehrten Mitbürger. Aber auch die Patrioten im Lande begrüßten es als ein freudiges Zeichen, daß Prinzen deutscher Abkunft sich wieder näher mit ihrem ursprünglichen Vaterlande vereinigen sollten. Nach dem Alter, in dem sie standen, und dem Grade der Bildung, die sie mitbrachten, waren es, nicht blos nach dem Maßstabe der Gegenwart, weniger Universitätsals Gymnasialstudien, auf die es zunächst für sie abgesehen war. Lichtenberg, ihr Hausgenosse, unterwies sie in Physik und Mathematik; Heyne und der junge Magister Buhle in lateinischer Sprache und Litteratur; F. L. W. Meyer, später als der Biograph Schröder's bekannt, damals an der Göttinger Bibliothek angestellt, im Deutschen. In Religion und Moral hatten sie Leß und Feder zu Lehrern. Noch im J. 1789 traf sie Alexander v. Humboldt in Leß' Colleg über Moral, das sie vermuthlich aus Wunsch ihres Vaters, dem Unterrichtsgegenstände wie dieser ganz besonders am Herzen lagen, ausarbeiten und vom Vortragenden corrigiren lassen mußten. Da die Prinzen der deutschen Sprache nicht mächtig waren noch das nach deutscher Weise ausgesprochene Latein verstanden, so trugen ihnen die meisten Professoren französisch, Lichtenberg englisch vor. Ein Jahr nach ihrer Ankunft galten sie für fähig, den öffentlichen Vorlesungen zu folgen und nahmen nun an den Collegien Pütter's über Reichsgeschichte und deutsches Staatsrecht, Blumenbach's über Naturgeschichte, Martens' über Völkerrecht Theil. Ein fester Studienplan regelte die Stunden jedes Tages, der Morgens sieben Uhr mit den Reitstunden des beühmten Stallmeisters Ayrer begann, dem der Universitätsbereiter Friedrich Schweppe zur Seite stand. So zahlreiche und mannigfaltige Bekanntschaften der Göttinger Aufenthalt vermittelte, besonders einflußreich scheint doch nur eine Richtung geworden zu sein. Das prinzliche Hauswesen, das seinen Sitz in einem großen dem Buchhändler Dietrich gehörigen Hause nahe der Bibliothek, dem seitdem sogenannten Prinzenhause (Prinzenstraße 2), aufgeschlagen hatte, war ein vorwiegend militärisches. Außer Tatter, dem Sohn des Gartenmeisters zu Montbrillant, der als Repetent den Unterricht der Professoren zu unterstützen bestimmt war, bildeten den täglichen Umgang die Cavaliere Rittmeister v. Linsingen, Lieutenants v. Uslar, v. Hanstein und v. Jonquières. Waren schon damit Beziehungen zu Adelsfamilien des Landes gegeben, so wurden solche auch unter den Studirenden angeknüpft; namentlich geht die Bekanntschaft mit den Osnabrückern Münster und dessen Neffen Schele auf diese Zeit zurück. An der Spitze des ganzen Hauswesens stand der Oberst v. Malortie, ein Gouverneur, wie er kaum besser zu finden war, ein Mann, in dessen Anerkennung nicht blos die Pütter und Feder, sondern auch die Heyne und Lichtenberg einig sind. Leider entsprach er wenig dem Geschmacke des Prinzen E. „Ich glaubte alles besser zu wissen wie mein Lehrer, das Küchlein ist immer klüger als die Henne,“ hat er selbst nach Jahren in Erinnerung an diese Zeiten geäußert und erzählt, wie er in seinem Trotze ein ganzes Jahr lang mit dem Obersten kein Wort gesprochen habe. — Der Aufenthalt in Göttingen währte bis zum 10. Jan. 1791. Den Erfolg darf man nicht zu hoch anschlagen. Ein werthvolleres Zeugniß als die devoten Redensarten von herrlichen Anlagen und täglichen Fortschritten, mit denen der damalige Prorector Pütter den einfachen wohlmeinenden Abschiedsbrief der Prinzen erwiederte, gewährt das Geständniß Ernst Augusts bei einem sechzig Jahr spätern Besuche Göttingens, „wo als junger Mann ich hätte viel können profitiren, aber Jugend hat keine Tugend und statt meine Zeit gut zu benutzen, fürchte ich — ich habe Vieles verloren.“ Daß einer der Hauptzwecke des Göttinger Aufenthalts nicht sonderlich gefördert war, sieht man; der eigene Lehrer, Meyer, drückte das dem Könige Georg gegenüber euphemistisch aus, Prinz E. sei der kühnste unter den Söhnen im Deutschreden. Heyne's Programm zum Prorectoratswechsel, das sich die Abreise der königlichen Prinzen von Göttingen zum Thema genommen hatte, übersetzte A. W. Schlegel ins Deutsche; kürzer und zutreffender hat er die schwungvollen lateinischen Wendungen selbst in der brieflichen Aeußerung wiedergegeben: „Unsere Prinzen sind mit Anfang des Jahres nach Hannover zurück, und wir sind wieder als wir waren. Dort wird denn schon dafür gesorgt werden, daß der eine oder andere gute Eindruck, den sie hier erhielten, wieder verwischt werde.“

    Entsprechend seinem lebhaften Interesse für militärische Dinge wurde Prinz E. für den Soldatenstand bestimmt, und da er für die Cavallerie eine ebenso entschiedene Vorliebe als Abneigung gegen den Infanteriedienst zeigte, so trat er am 17. März 1790, noch während der Göttinger Studienzeit, mit dem Range eines Rittmeisters in das 9. Cavallerieregiment, Königin, leichte Dragoner ein, das in Isernhagen nahe bei Hannover casernirt war und den General, später Feldmarschall, v. Freytag zum Chef hatte. Der Prinz, ein ausgezeichneter Reiter, von erfahrenen Officieren theoretisch und praktisch ausgebildet, war bald im Stande, eine Schwadron zu commandiren, was seinem Vater die Hoffnung gab, daß es „Ihm nicht an Fähigkeit fehlen wird, wo er mit gehörigem Nachdruck sich auflegt“. Bald bot sich Gelegenheit, die militärische Tüchtigkeit im Feld zu erproben. Nachdem das Reich Ende 1792 die Aufstellung einer Armee gegen Frankreich beschlossen, wurde auch das hannoversche Contingent in Bereitschaft gesetzt. Da sich aber in Wahrheit kein Reichsheer bildete und König Georg nur zu diesem und keinem andern seine Hannoveraner stellen wollte, so verwandte er sie bei seiner eigenen in den Niederlanden agirenden Armee als Auxiliarcorps. Gegen Ende März 1793 brach die erste Division auf, mit ihr das 9. Cavallerieregiment, vom Prinzen E. geführt, der 23. März 1792 zum Obersten avancirt war und die vacante Leibcompagnie erhalten hatte. Das 9. und 10. Regiment, als leichte Truppen zu dienen bestimmt, konnten erst auf dem Marsche im Bentheim’schen die nöthige Aenderung in Ausrüstung und Bepackung vornehmen und kamen mit der übrigen Division am 29. April in Tournay an. Das hannoversche Armeecorps, über 13000 Mann stark, vom Feldmarschall v. Freytag, einem kriegserfahrenen zweiundsiebenzigjährigen Mann commandirt, hatte sich dem Oberbefehlshaber der englischen Truppen, dem Herzoge von York, einem achtundzwanzigjährigen, aller kriegerischen Praxis entbehrenden Officier, unterzuordnen. Die unausbleiblichen Mißhelligkeiten nahmen sofort ihren Anfang, als der Herzog, um seinen Bruder E. bei sich zu haben, den leichten Dragonern die Stadt Tournay zum Quartier anwies, während der Feldmarschall sie aus dienstlichen Rücksichten Cantonnements auf dem Lande beziehen ließ. Es ist bekannt, wie außer diesem Gegensatz widrige Umstände verschiedener Art die Thatkraft des Corps lähmten. Trotzdem hat die Geschichte Ehrentage desselben zu verzeichnen, an denen dem Prinzen E. wie seinem Bruder Adolf, seit dem 16. Novbr. 1792 Obersten im Fußgarderegiment, ihr rühmlicher Antheil gebührt. Die erste Schlacht, welche|Prinz E. mitmachte, war die von Famars am 28. Mai 1793. In dem Gefecht von Avesnes le Sec, das die York’sche Colonne am 6. Aug. auf dem Marsche von Valenciennes nach Cambray zu bestehen hatte, zeichnete er sich durch persönliche Bravour besonders aus. Von feindlicher Cavallerie zu Boden geworfen, durch einen Säbelhieb an der rechten Seite des Kopfes verwundet, wurde er durch seine tapfern Dragoner aus augenscheinlicher Lebensgefahr herausgehauen. Im nächsten Jahre, am 6. April, hatte das 9. Regiment unter seinem Commando ein scharfes, von ziemlich beträchtlichen Verlusten begleitetes Vorpostengefecht bei ten Briel zwischen Ypern und Menin. Der Bericht des Generals von dem Bussche über das Treffen bei Cayghem in der Nähe von St. Genois am 10. Mai hebt hervor, daß die Prinzen E. und Adolf sich mit der ihrem erhabenen Hause angeerbten Unerschrockenheit ausgezeichnet haben; während aber hier und in andern amtlichen Notaten nur von einer leichten Verwundung des erstern am linken Arm die Rede ist, verlegen die Biographen alle hieher auch den Verlust des linken Auges, der ihn dann zu einer kurzen Heimkehr nach England nöthigte. Am 18. Aug. 1794 wurde Prinz E. zum Generalmajor befördert, nachdem er schon Ende des Jahres zuvor Chef des 2. Cavallerieregiments (Celle) geworden war. Zur Armee im October 1794 zurückgekehrt, führte er sein Regiment persönlich beim Ausfall aus Nimwegen am 4. Nov. Auf dem Marsche durch Holland befehligte er längere Zeit die Nachhut des hannoverschen Armeecorps. Nachdem das Kurfürstenthum Hannover durch die Demarcationslinie des Basler Friedens neutralisirt worden, kehrte er mit seinem Regiment am 29. Nov. 1795 nach Hannover zurück. Am 2. Februar 1796 begab er sich nach London, während sein Bruder Adolf, der seit Ende 1793 Chef des Garderegiments und unterm 26. August 1794 Generalmajor geworden war, seinen Wohnsitz in Hannover nahm. 1798 wurden beide Prinzen zu Generallieutenants ernannt, aber E. gehörte nur noch nominell der hannoverschen Armee an. Hier schließt die kriegerische Periode in dem Leben des Prinzen; während des Kampfes zwischen England und Frankreich residirte er in England ohne militärische oder civile Charge. Von längerer Dauer und größerer Einwirkung, aber kaum so ehrenreich war die nunmehr beginnende politische Thätigkeit.

    Am 23. April 1799 wurde Prinz E. durch königliches Patent zum Herzog von Cumberland und Tiviotdale und Earl von Armagh ernannt und damit Peer von Großbritannien und Irland. Das Parlament legte ihm eine Apanage von 12000 ₤ bei, die nachmals durch ein Votum von 1806 auf 18000 erhöht wurde. Seine Jungfernrede hielt er am 23. Mai 1800 gelegentlich einer Bill Lord Auckland's, welche die Ehe zwischen einem wegen Ehebruchs Geschiedenen und seinem Mitschuldigen zu verbieten vorschlug. Obschon ein so conservativer Politiker wie Lord Eldon den Antrag unterstützte, trat der Herzog gleich seinem Bruder Clarence für das bisherige Recht ein, da dieses die Frauen schon schwer genug beträfe, als daß man ihnen noch durch diese Neuerung die Aussicht auf eine künftige Heirath entziehen dürfe. Männlicher war seine Haltung, als Lord Pelham am 23. Mai 1803 eine das Vorgehen der Regierung gegen Frankreich anerkennende Adresse vorschlug, und er als der erste sich zur Unterstützung erhob. In einer feurigen Rede wies er darauf hin, wie Frankreich und sein erster Consul, nachdem sie die Nationen eine nach der andern unter die Füße getreten, nun auch die Freiheiten von England anzutasten sich nicht scheuten. Bald war Cumberland tief in das politische Leben verflochten und einer der entschiedensten Anhänger der Tories. Durch sein Verhältniß zum Hofe und zur Partei wußte er ihren Ansichten an höchster Stelle Eingang oder der dort schon herrschenden Stimmung Kraft und Rückhalt zu verschaffen, wie andererseits sein Vater, mochte sein strenger Sinn auch sonst wenig Gefallen an den Unregelmäßigkeiten der Lebensweise dieses wie seiner andern Söhne haben, sich seiner Schlauheit, seines Muthes und Parteieifers bediente, um in den Kampf der politischen Gegensätze einzugreifen. So im Sommer 1804, als es sich um Organisation des zweiten Ministeriums Pitt handelte, nachdem dieser dem Könige das Versprechen gegeben hatte, die Frage der Katholikenemancipation nicht wieder zu berühren. Die Bedingung war ganz im Sinne Cumberland's gestellt. Als im nächsten Jahre (10. Mai) Petitionen der Katholiken um Reform vor das Oberhaus kamen und von Lord Grenville zur Berücksichtigung empfohlen wurden, ergriff er die Gelegenheit, in einer kurzen schneidigen Abwehr sein ganzes politisch-kirchliches Glaubensbekenntniß darzulegen: „Das Haus Braunschweig ist auf den englischen Thron berufen, um die Religion und die Freiheiten dieser Reiche zu schützen. Alles was diesen Principien nur im entferntesten widerstreitet, bin ich als Mitglied der königlichen Familie und des Oberhauses heilig verpflichtet zu bekämpfen. Es sei fern von mir, irgend einen der ehrwürdigen Pfeiler der Verfassung in rascher Neuerung niederzureißen; ich bin bereit alles zu geben, was mit Vernunft und Gewissen vereinbar ist, the constitution J cannot, dare not, will not give. Ich muß mit aller meiner Kraft die Grundeinrichtungen in Kirche und Staat aufrechterhalten und unterstützen, denn sie sind die Staffel, darauf das Haus Braunschweig auf den Thron gestiegen ist.“ Das ist der Ton, auf den alle Reden Cumberland's gestimmt sind. Er hat fast nur in Debatten um politische Fundamentalfragen dieser Art das Wort ergriffen und dann regelmäßig sich mit dieser Gedankenreihe begnügt. Nach Pitt's Tode im J. 1806 sah sich der König gezwungen, ein Whigministerium, das Ministerium aller Talente, anzunehmen. Sobald es aber Neigung zeigte, die Officiersstellen in England auch Katholiken zugänglich zu machen, waren seine Tage gezählt. Cumberland regte die Universität Dublin, deren Kanzler er im J. 1805 geworden war, zu Petitionen gegen die Armee- und Flottenbill an, förderte kräftig das No-Popery-Geschrei im Lande, und am 26. März 1807 sah man ihn mit Lord Melville und Lord Eldon im Oberhause an der Spitze der Ministerbank, um aller Welt kundzuthun, daß er den Wechsel in der Regierung bewirkt habe. Dieser Sturz der Whigs ist Cumberland lange nachgetragen; manche haben darin den vornehmsten Grund der unausgesetzten Anfeindung, welche er von ihnen erfuhr, erblickt. Ein unglückliches Ereigniß der nächsten Zeit trug nicht wenig dazu bei, den schon durch seine politische Parteistellung höchst unpopulären Herzog in den Augen des Publicums noch mehr zu discreditiren und seinen Ruf zu einem Spielball dunkler, die schlimmsten Verbrechen andeutender Gerüchte zu machen. Am Morgen des 31. Mai 1810 wurde der Herzog in seinem Schlafzimmer im St. James Palast mit Wunden an Kopf, Hand, Arm und Schenkel, sein Kammerdiener Sellis in seinem verriegelten Gemache mit abgeschnittenem Halse, ein Rasirmesser in der Hand, gefunden. Nach Aussage des Herzogs waren ihm die Verletzungen von einem mit einem Säbel bewaffneten Manne theils während er im Bette lag, theils während er nach der Thür um Hülfe zu rufen vordrang, beigebracht worden. Die Wunden, 17 an der Zahl, waren zum Theil sehr schwer, namentlich die über den Kopf so tief, daß nach Angabe des herbeigeeilten Arztes Sir Everard Home die Pulsation der Gehirnarterien zu sehen war. Bis Anfang August lag der Herzog, der noch am Abend nach Carlton-House gebracht war, krank darnieder und wurde nur durch seine starke Constitution gerettet. Ueber Sellis saß am 1. Juni eine Jury, die der Todtenbeschauer nicht, wie gesetzlich zulässig, aus dem Hofhalt von St. James, sondern zur Sicherung der vollen Unparteilichkeit aus unabhängigen Gewerbtreibenden des Palastbezirkes erwählt hatte, und erkannte auf Selbstmord (felo de se). So nahe es nun auch lag, in dem Selbstmörder den nächtlichen Angreifer zu suchen, so ließ sich das doch nicht gerichtlich feststellen, und da die|von den Freunden des Herzogs geltend gemachten Motive, Sellis' Haß gegen einen begünstigten Kammerdiener des Herzogs O' Neale, auf den er den Verdacht der Urheberschaft habe hinlenken wollen, oder Rache am Herzoge wegen der Strenge und Sparsamkeit seines Haushalts, nicht überzeugend erscheinen, so ist der Vorgang, den die Partei- und Scandalsucht damals und später nicht müde geworden, auf Kosten des Herzogs auszubeuten, noch immer nicht ganz aufgeklärt. Noch nach 23 Jahren hat der Fall die englischen Gerichte beschäftigt. Der Herzog erlangte damals gegen Josiah Phillips, den Herausgeber einer Geschichte des englischen Hofes in den letzten 70 Jahren, von der Kingsbench, vor der er selbst am 25. Juni 1833 erschien und den Geschwornen die Wunden wies, die er sich selbst beigebracht haben sollte, ein Verdict auf schuldig der Veröffentlichung einer Schmähschrift (libel). Zugleich ließ der Herzog, dessen Rechtsbeistand Sir Charles Wetherell, ein bekannter Tory des Unterhauses, gewesen war, ein authentisches Referat über die gerichtlichen Verhandlungen sammt einem Wiederabdruck des schon 1810 publicirten Berichts der Oeffentlichkeit übergeben (The trial of Jos. Phillips for a libel on the duke of Cumberland, London 1833). Es ist wol nicht ohne Grund vermuthet, der Anfall auf das Leben des Sohnes zusammen mit dem Tode der Tochter Mary Ende des Jahres 1810 habe aufs neue den König in einen Geisteszustand versetzt, der ihn zur weitern Selbstregierung unfähig machte. Die Regentschaft wollte der conservative Lordkanzler den alten Toryprincipien von 1788 getreu dem Prinzen von Wales nur unter Beschränkungen anvertrauen, was das Parlament adoptirte. Die Agnaten des königlichen Hauses antworteten darauf mit einem Protest, in welchem die Maßregel als ein Bruch der Principien, denen das Haus Braunschweig den Thron verdanke, bezeichnet war. In seinem Begleitschreiben an Lord Eldon hoffte Cumberland, sich von ihm, nur dies einzige Mal, trennen zu müssen, denn „if ever one man is sincerely attached to another from having the highest veneration, esteem and, I may add, a sort of filial love, that man is myself“. Aehnlich beklagte er dem Premierminister Perceval gegenüber, sich in irgend einer öffentlichen Frage von den Männern sondern zu müssen, mit denen er nicht blos freundschaftlich, sondern auch trotz aller ausgesprengten Lügen in voller Treue und Aufrichtigkeit gemeinsam gehandelt zu haben glaube. Als der Prinzregent nach der Ermordung Perceval's am 11. Mai 1812 kurze Zeit Miene machte ein Whigministerium zu bilden, sorgte die heimliche Conspiration Lord Eldon's und Cumberland's dafür, daß das Project ebenso schnell wieder verschwand, als es aufgetaucht war.

    Inmitten dieser parlamentarisch-politischen Thätigkeit war der militärische Beruf zwar zurückgetreten, aber nicht vergessen. 1801 war der Herzog Chef des 15. englischen Husarenregiments geworden. Als sich alles zum Schutz gegen die befürchtete französische Landung rüstete, hatte er ein Districtscommando übernommen und sich bei Einübung der in England sich bildenden deutschen Legion betheiligt. Am 26. März 1813 zum Feldmarschall in der brittischen Armee ernannt, suchte er Ende April nach dem Continente zu gelangen, um in den Entscheidungskampf gegen Napoleon einzutreten. Von seinem hannoverschen Oberadjutanten, Rittmeister Poten, zwei englischen Officieren und seinem Privatsecretär begleitet, begab er sich auf der Fregatte „Die Nymphe“ nach Gothenburg, reiste durch Schweden über Stralsund, Strelitz, Berlin in das preußische Hauptquartier in Böhmen und fand noch Gelegenheit, sich an den Gefechten bei Pleißig und Pirna und der Schlacht bei Kulm am 30. August zu betheiligen. Nachher hielt er sich im Hauptquartier des Generals v. Walmoden auf und eilte nach der Schlacht bei Leipzig nach Hannover, wo er am 4. November, in seiner englischen Husarenuniform anfangs nur von Wenigen erkannt, eintraf. In der|hannoverschen Tradition galt er deshalb wol als der erste Bote des Leipziger Sieges, obschon man bereits seit dem 23. October durch den Buchhändler Hahn die ersten sicheren Nachrichten hatte. Ebensowenig ist es gerechtfertigt, wenn er sich selbst als den Befreier Hannovers von der Fremdherrschaft bezeichnete oder von seinem Sohne in öffentlicher Ansprache gefeiert wurde, als sei er an der Spitze der hannoverschen Truppen in die Hauptstadt eingezogen und habe das Land für seinen königlichen Vater wieder in Besitz genommen. Die vaterländischen Truppen, allen voran die Kielmannsegge’schen Jäger, waren schon am 25. und 27. October in die Stadt eingerückt; der Herzog war bei seiner Ankunft nur von seiner Suite begleitet und führte Tages darauf den Kronprinzen von Schweden, Bernadotte, an der Spitze seiner Armee in die Stadt. — Von einem Besitzergreifungs- oder sonstigen Regierungsact des Herzogs wissen die zeitgenössischen Quellen nichts, wenn auch Gerüchte von Wünschen und Versuchen, an die Spitze des Landes zu kommen, gingen. Zunächst beschäftigte ihn die Errichtung eines freiwilligen Husarenregiments und er eröffnete selbst die Liste der Beiträge zu den auf 20000 Thlr. veranschlagten Equipirungskosten mit einer Summe von 1000 ₤. Schon am 13. December konnte er dem Oberst Bloomfield, dem Abgesandten des Prinzregenten, die ersten equipirten Mannschaften des neuen Regiments vorstellen, dessen weitere Geschichte allerdings sehr unrühmlich verlief. Hatte schon die Zusammensetzung des Officiercorps aus lauter Adelichen Mißstimmung erregt, so war dies das Regiment, das unter seinem Oberst v. Hake am Tage von Waterloo versagte und schimpflich das Schlachtfeld verließ. Das Erscheinen des englischen Abgesandten bereitete Cumberland eine arge Enttäuschung. Oberst Bloomfield überbrachte ihm neben einem reichverzierten Marschallsdegen die Nachricht, daß sein Bruder Cambridge zum Statthalter Hannovers bestimmt sei. Am 14. December Abends verließ Cumberland die Stadt auf einem Wege, der ihn des Anblicks der für den Empfang des Bruders getroffenen Vorbereitungen überhob. Am 19. früh zog der neue Generalgouverneur in Begleitung des Grafen Münster unter dem Jubel der Bevölkerung ein. Man wird nicht irre gehen, wenn man dem Einfluß des letzteren die getroffene Wahl zuschreibt; von dem lenkbarern Charakter des Prinzen Adolf, seiner Milde und seinem Wohlwollen war Münster ein besseres Einvernehmen mit der Regierung in England und ein erträglicheres Verhältniß für seine eigene Stellung zu erwarten berechtigt. Ein politischer Fehler, den muthmaßlichen Thronfolger dem Lande fern gehalten zu haben, kann Münster nicht vorgeworfen werden, denn niemand konnte schon damals in Cumberland den künftigen König von Hannover ahnen.

    Ein Ereigniß der nächstfolgenden Zeit entfremdete Cumberland auch seiner englischen Heimath. Es war das seine Verbindung mit der verwittweten Prinzessin Friederike von Solms, Tochter des Herzogs Karl II. von Mecklenburg, den 2. März 1778 in Hannover geboren, wo ihr Vater damals Statthalter war. Ihre erste Ehe mit dem Prinzen Ludwig von Preußen hatte nur wenige Jahre gewährt; am 26. Dec. 1793, zwei Tage nach der Verheirathung ihrer Schwester Louise mit dem Bruder, dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm, geschlossen, wurde sie schon 28. Dec. 1796 durch den Tod des jungen Ehemanns gelöst. Zwei Jahre später hatte sich die Wittwe mit dem Prinzen Friedrich von Solms-Braunfels, der als Officier in Berlin stand, wieder vermählt. Jetzt nach dessen am 13. August 1814 erfolgten Tode verheirathete sie sich zum dritten Male. Am 29. Mai 1815 fand zu Neustrelitz die Trauung mit dem Herzoge von Cumberland statt, die gemäß der in der königlichen Familie herrschenden Uebung am 29. August in Carltonhouse wiederholt wurde. So beglückend die Ehe mit der schönen Fürstin für den Herzog war, seine Stellung im Lande wie in seiner Familie hat sie nur verschlimmert. Die Heirath war zwar entsprechend dem|englischen Gesetz unter Zustimmung des regierenden Herrn geschlossen, bot aber der Mutter des Herzogs, der Königin Charlotte, die zugleich die Vatersschwester der Prinzessin Friederike war, den stärksten Anstoß, zu dem eine vorangehende Verlobung derselben mit dem jüngeren Bruder, dem Herzoge von Cambridge, den Grund gegeben haben soll, so daß während ihres Lebens Cumberland's Gemahlin nie bei Hofe vorgestellt wurde, wie sehr sich auch ihr Schwager, der König von Preußen, bemühte, diese Zurücksetzung zu beseitigen. Die Mißbilligung der Ehe seitens der Königin war der stärkste Rückhalt für die Opposition des Unterhauses, als wenige Tage nach der Heimkehr des Herzogs, am 27. Juni 1815, die Regierung eine Erhöhung seiner Apanage um 6000 ₤ und die Gewährung eines gleichen Wittwengehalts für die Herzogin beantragte. Die große Unpopularität Cumberland's war, wie die Debatte zeigte, offenbar noch gestiegen. In allen Tonarten bis zur gröbsten sprachen die Redner es aus, daß sie sich von persönlichen Gründen leiten lassen wollten, daß ihr Respect vor der königlichen Familie sich nicht auf dies Mitglied erstrecke. Höhnisch fragte man, ob Lord Castlereagh nicht, wie sonst bei solchen Gelegenheiten üblich, eine Gratulationsadresse an die Krone beantragen wolle. Die Vertheidigung hatte einen schweren Stand, da sie die im offenen Parlament behauptete Mißbilligung der Königin weder ableugnen noch, wie verlangt, erörtern konnte. So wurde die Bill, deren Einbringung am 28. Juni mit 17, am nächsten Tage mit 13 Stimmen Majorität zugelassen, die in erster Lesung am 30. Juni noch mit 100 gegen 92 angenommen war, in zweiter am 3. Juli mit 126 gegen 125 verworfen. Mitglieder die wegen des nahen Endes der Parlamentsverhandlungen die Stadt schon verlassen hatten, waren zurückgekehrt, um die Opposition zu verstärken. Männer wie Wilberforce glaubten es den öffentlichen Sitten des Landes schuldig zu sein, mit ihr zu stimmen. Drei Jahre später, als die Regierung eine Erhöhung der Apanagen für die nach dem Tode der Prinzessin Charlotte, des einzigen Kindes des Prinzregenten, heirathenden Herzöge von Clarence, Kent und Cambridge beantragte, nahm sie den Vorschlag für Cumberland wieder auf. Die Unterhausdebatten vom April 1818 zeigten kaum eine Milderung des öffentlichen Urtheils über E. A.; dagegen rühmte man das Betragen seiner Gemahlin seit ihrem Aufenthalt in England. Das Resultat war denn auch, daß das Unterhaus am 15. die Bewilligung für den Herzog mit 143 gegen 136 ablehnte, dagegen das der Herzogin zu gewährende Wittwengehalt genehmigte, ein Arrangement, zu dem sie auf Andringen ihres Gemahls ihre Zustimmung erklärte. Diese Behandlung seitens des Landes, in ihrer innern wie in ihrer materiellen Bedeutung, veranlaßte den Herzog seinen Wohnsitz im J. 1819 nach Berlin zu verlegen. Durch seine Gemahlin, die als preußische Prinzessin eine Apanage vom Könige erhielt, war er in nahe Beziehung zum Hofe Friedrich Wilhelms III. gekommen. Seiner soldatischen Natur sagte der Aufenthalt sehr zu; er gewann große Vorliebe für die preußischen Heereseinrichtungen und hatte die Freude, im Mai 1823 zum General und Chef des preußischen dritten Husarenregiments (Rathenow) ernannt zu werden. Zu seiner Umgebung wählte er vorzugsweise Militärs, Civilisten waren ihm Dintenkleckser, selbst zum Chef seines Hofes, einer durch die Vermögensumstände des Herzogs schwierig gemachten Stellung, nahm er Officiere. Damit zugleich trat er in intimen Verkehr mit der Partei der preußischen Ultras, an deren Spitze sein Schwager, der Herzog Karl von Mecklenburg, Commandeur des Gardecorps und Präsident des Staatsraths, stand. Hier empfing sein Toryismus die militärisch-absolutistische Richtung, die immerhin seiner herrischen Individualität entsprechen mochte, aber von englischem Wesen nichts an sich hatte. Zahlreiche Bekanntschaften mit hochstehenden preußischen Militärs und andern hervorragenden Persönlichkeiten der|Hauptstadt stammen aus dieser Zeit, wie mit dem Grafen von Nostitz, einst Blücher's Adjutant, Fürst Wittgenstein, General v. Müffling, dem Schwager des hannover’schen Scheele. Aber auch zu liberalen Kreisen fanden mancherlei Beziehungen statt, so zu den Brüdern Humboldt, die einst Studiengenossen des Herzogs in Göttingen gewesen waren. Mit Rahel und Varnhagen traf die Herzogin, die Sinn für geistreiche Unterhaltung und gute Lectüre, aber auch Hinneigung zur Frömmelei zeigte, im Badeaufenthalt zu Teplitz freundschaftlich zusammen. „Die Umgebung des Herzogs besteht aus den ehrenwerthesten Personen, sein Benehmen ist untadelhaft und völlig seiner Stellung angemessen, er ist der zärtlichste Vater und voll Freundlichkeit und Rücksicht auf alle um ihn,“ so lautete das Zeugniß, das der englische Gesandte in Berlin, Rose, in einer Debatte des Frühjahrs 1825 ablegte, als die Finanzen und damit im Zusammenhang die Person des Herzogs das Unterhaus aufs neue beschäftigten. Den Anlaß gab eine königliche Botschaft, welche für die Tochter der Herzogin von Kent, die Prinzessin Victoria, und den um drei Tage jüngeren Sohn des Herzogs von Cumberland, den am 27. Mai 1819 in Berlin geborenen Prinzen Georg, einen Erziehungszuschuß von jährlich 6000 ₤ beantragte. Obschon auch jetzt wieder in den Verhandlungen gegen Cumberland nach Canning's Ausdruck Mißtrauen — nein mehr als Mißtrauen, Widerwillen — nein mehr als Widerwillen, verfolgungssüchtiger Abscheu sich geltend machte und insbesondere die Befürchtung laut ward, es solle dem Herzoge die schon zweimal abgelehnte Dotationserhöhung auf diesem Umwege verschafft werden, so gelang es der Regierung doch am 10. Juni, die Bewilligung in dritter Lesung mit ansehnlicher Majorität, 170 gegen 121, durchzubringen, allerdings unter der von den Ministern ertheilten Zusicherung einer englischen Erziehung für den Prinzen, einerlei wo der Vater seinen Wohnsitz nehmen möchte. Das bewog Cumberland, sich wieder der Heimath zu nähern. Trotz aller Vorliebe für das continental-militärische Wesen war ihm jenes Gefühl nicht fremd, dem Canning in der Debatte von 1825 die schönen Worte geliehen hatte: der höchste Stolz seines Herzens würde es gewesen sein, in dem Lande seiner Geburt zu leben. Wurde auch der Hofhalt in Berlin beibehalten, so verweilte doch Cumberland während der Parlamentssessionen von 1828 an regelmäßig wieder in England, nachdem er sich im Jahre zuvor das eine ihm noch übrige Auge durch Gräfe d. Aelt. glücklich hatte operiren lassen. Ihn begleitete sein Sohn, um den Clauseln der Bewilligung gemäß in England erzogen zu werden. In welchem politischen Geiste das verstanden wurde, ersieht man daraus, daß er der im J. 1829 durch Charles Francis zu Ehren des Lordkanzlers begründeten Eldonschule übergeben wurde; und wie die Erfolge den Absichten entsprachen, daß der zwölfjährige Knabe am Geburtstage des Lord Eldon einen Toast auf den Mann ausbrachte, der ihm stets als Muster vorgehalten sei und den er wie seinen eigenen Vater liebe und verehre. Sofort nach seiner Rückkehr hatte sich Cumberland mit voller Energie in die hochgehenden Wogen des politischen Kampfes gestürzt, und die Beziehung zu Lord Eldon war um so enger geworden, als sich eine Spaltung innerhalb der Tories zu bilden im Begriffe stand. Das Parlament beschäftigte damals die von Lord John Russell beantragte Aufhebung der Corporations- und Testacte, Statute, dereinst zum Schutz der Staatskirche errichtet, jetzt so veraltet und zweckwidrig geworden, daß die Bill Anklang bei allen Parteien fand und von der Regierung gut geheißen wurde. Mochten aber auch Glieder der Bischofsbank für die im Oberhause ohne Namensaufruf am 28. April durchgehende Bill gestimmt haben, Cumberland erklärte von der nunmehr 31 Jahre lang eingehaltenen Linie nicht weichen zu können, so leid es ihm auch sei, sich von dem edlen Herzog an der Spitze der Regierung, Wellington, trennen zu müssen, und überreichte mit neun anderen Peers, Lord|Eldon obenan, noch einen ausdrücklichen Protest gegen die Maßregel. Ohne Scheu vor dem Namen eines Frömmlers (bigot) — „nennt mich einen Frömmler, meinethalben einen Mönch“, hatte schon Lord Eldon gesagt — tritt er jedem weiteren Schritt auf dieser Bahn mit schärfster Opposition entgegen, besorgt, für die erwartete Beruhigung Irlands die Beunruhigung Englands eintauschen zu müssen, an der er dann auch nach Kräften mitarbeitete. In der Thronrede des nächsten Jahres (5. Febr. 1829) kündigte die Regierung selbst eine Revision der Gesetze an, welche den katholischen Unterthanen staatsbürgerliche Beschränkungen auferlegten. Als dann der Herzog von Sussex in der Sitzung vom 23. Petitionen zu Gunsten der Katholikenemancipation überreichte, erhob sich Cumberland dagegen mit der ganz im Geiste seines Vaters und seines Bruders York abgegebenen Erklärung, die Zulassung von Katholiken in Staatsämter bedeute soviel als: das Land hört auf ein protestantisches mit einer protestantischen Regierung zu sein und wird ein katholisches, ganz so wie ihm gleich seinem Vater eine Unterscheidung des Krönungseides im Sinne der Legislative und der Executive unverständliche Metaphysik war. Dies Auftreten trug ihm nicht blos eine schneidende Widerlegung Lord Grey's, sondern auch eine derbe Abfertigung seitens seiner Brüder ein. Während Sussex es für ein unredliches und verfassungswidriges Verfahren erklärte, die öffentliche Meinung in solcher Weise aufzuregen, hielt Clarence eine begeisterte Ansprache zur Empfehlung des Antrages, aus der Cumberland nur die Bezeichnungen des Widerstandes als factious — base — infamous — injust heraushörte und auf sich bezog. Sussex erklärte, sie seien zur Charakterisirung der Agitation im Lande gebraucht; wenn sein erlauchter Verwandter sie auf sich beziehe, so sei das Geschmackssache und Clarence selbst fügte hinzu, sein Bruder sei so lange Zeit im Auslande gewesen, daß er vergessen haben möge, was die Freiheit der Debatte in England bedeute. Als diese Scene im Auslande bekannt wurde, schrieb Stein an Gagern: „Der Braunschweiger und Hessische Regent ist doch ein scandalum magnum, armes Deutschland! Die Dreizahl wird durch den Herzog von Cumberland als König von Hannover vollständig.“ Das Auftreten des Herzogs im Parlamente, schroffer denn je, war mehr noch als auf die nächste Zuhörerschaft und das Land auf den König berechnet, der fortwährend schwankte, ob er seine Minister in ihrem Gange unterstützen sollte oder nicht. Cumberland bediente sich seiner Stellung, um Georg IV. bald durch Ermahnungen an die Sinnesweise ihres verstorbenen Vaters, bald mit bittern Sarkasmen über seine Abhängigkeit von Wellington zum Widerstande zu reizen. Der König, zwischen zwei Feuern, fürchtete sich ebensosehr, Cumberland lächerlich zu erscheinen als von Wellington verlassen zu werden, und ließ den Bruder, während Wellington auf seine Entfernung drang, nicht von Windsor fort. Dem Einfluß Cumberland's gelang es dann wol, den Bestand des Ministeriums eines Tages zu erschüttern, aber nur um am nächsten das Königthum der beschämenden Rolle auszusetzen, die bewährten Rathgeber zum Bleiben auffordern zu müssen. In einer Oberhaussitzung benutzte Wellington die Gelegenheit, Cumberland zu zeigen, wie wohl er in ihm den Intriganten und heimlichen Ränkeschmied kenne. Daraus entspann sich dann eine längere Entzweiung zwischen beiden Herzögen. War der Hauptcoup gegen das Ministerium mißglückt, so versuchten Cumberland und seine Anhänger dem Fortgange der Emancipationsbewegung, soviel sie vermochten, Steine in den Weg zu werfen. Am 18. März 1829 überreichte er dem Oberhause eine Gegenadresse der Protestanten von Irland mit 160000 Unterschriften und wünschte den Bittstellern einen beredtern Anwalt, einen eifrigern, festern und entschlossenern Vertheidiger der protestanschen Kirche hätten sie nicht finden können. Nach solchen Reden mußte er sich dann allerdings die Belehrung seines Bruders Sussex gefallen lassen, daß das Princip der englischen Verfassung ebensowenig Ausschließlichkeit als das der|englischen Kirche Verfolgung sei. Der Widerstand der Cumberland faction erwies sich machtlos. Am 4. April wurde im Oberhause the Catholic relief Bill mit 217 gegen 112 Stimmen genehmigt. Sämmtliche königliche Prinzen, auch der in Hannover weilende Cambridge durch Stellvertretung, erklärten sich dafür, nur Cumberland nicht, mit der kurzen Motivirung bei der dritten Lesung: „Ich will nicht eine Maßregel sanctioniren, in der ich einen Bruch der Verfassung erblicke.“ Wie oft der Redner in seinen parlamentarischen Aeußerungen den Verfassungsbruch heraufbeschworen hat! Die unterlegene Partei rächte sich durch allerlei kleine Mittel an den Siegern, insbesondere den ehemaligen Genossen unter ihnen. Wellington figurirte in Cumberland's Stachelreden nicht anders als King Arthur, kaum sonderlich originell, nachdem sein Freund Lord Eldon im Parlament bereits von King O'Connell gesprochen hatte. Der Frau des Lordkanzlers im Ministerium Wellington, Lady Lyndhurst, machte er in ihrem eigenen Hause eine alsbald von der Presse nacherzählte Scene voll Schelte und Vorwürfe über die Haltung ihres Mannes. In der Hoffnung, auf den Bruder zu wirken, verblieb er in England auch nach Schluß der Parlamentssession, eifrig besorgt, Niemanden von der königlichen Familie allein zum Könige zu lassen. — Das Verhältniß änderte sich, als am 26. Juni 1830 Georg IV. starb und sein Bruder Clarence folgte. Der neue König war nichts weniger als befreundet mit Cumberland und wünschte dringend seiner ledig zu sein. Ein deutliches Zeichen der veränderten Lage war es, daß er ihm den goldnen Stab nahm, mittels dessen er allein anstatt der früher abwechselnden drei Commandeurs der Leibgarden den Oberbefehl über die Haustruppen geführt und sich dem Vorgänger unentbehrlich gemacht hatte. Da jetzt auch die von Cumberland geführten Blauen dem Höchstcommandirenden anstatt wie bisher dem König selbst unterstellt wurden, so legte er sein Amt nieder. Erst im Herbst kam die Aussöhnung mit Wellington zu Stande und beide vereinigten sich zu gemeinsamer Opposition gegen die Reformpolitik des Königs und seines Ministeriums. Jetzt wurde über King Grey gespottet, wie das Jahr zuvor über King Arthur. Der Widerstand gegen die Reformbill erwies sich auf die Dauer nicht minder erfolglos als der gegen die Katholikenemancipation. Dem drohenden Peersschub zog die Opposition stillschweigende Unterwerfung vor. Diesmal schloß sich auch der halsstarrige Cumberland an und erwarb sich, indem er seine Anhänger beschwichtigte den ihm durch Grey überbrachten Dank des Königs. Waren auch die Hauptschlachten ungünstig gegen ihn ausgefallen, so harrte er doch auf seinem Posten aus, immer bereit zur Vertheidigung dessen, was er das protestantische Princip nannte. Hielt man ihm vor, allezeit und unter allen Umständen einer Besserung und Ausdehnung der Volksrechte widerstrebt zu haben, so warf er sich in die Brust, nannte sich und seine Parteigenossen eifrige Freunde der Freiheit um in demselben Athem zuzugestehen, er vertheidige die bestehenden Rechte des Königs, der Aristokratie und der Gemeinen. Er durfte sich rühmen, daß wenige Peers so gewissenhaft in der Erfüllung ihrer parlamentarischen Pflichten seien als er. Das galt von seiner Thätigkeit auf wie hinter der politischen Bühne. Als er im Herbst 1833 genöthigt war, mit seinem Sohn nach Berlin zu reisen, um ihn der Cur Gräfe's zu übergeben, verabredete er vorher mit seinen Freunden die nöthigen Anordnungen für den parlamentarischen Feldzug und traf rechtzeitig gemäß seinem Versprechen vor Beginn desselben wieder ein, ebenso wie er vom Festland aus durch eifrige Correspondenz mit seinen Parteigenossen in steter Verbindung blieb und ihnen auf Grund seiner Informationen politische Winke zukommen ließ, immer zum Zusammenstehen und unnachgiebigem Festhalten ermahnend. Noch einmal wurde er in eine Haupt- und Staatsaction verwickelt, die geeignet war, allen Populären Haß auf ihn vor seinem Scheiden aus England|zu versammeln. Nach dem Tode seines Bruders Hort hatte er die Großmeisterschaft der Orangelogen von England und Irland übernommen, einer freimaurerartigen Organisation von Clubs zur Stütze der conservativen Parteipolitik. Seit dem Frühjahr 1835 wurde man im Unterhause auf diese geheime weitverzweigte Gesellschaft, die ihre Mitglieder nach Tausenden zählte und sich von den höchsten bis zu den niedersten Ständen erstreckte, aufmerksam und wies namentlich auf die gravirende Thatsache hin, daß die Logen auch zahlreich Militärs gewonnen hatten, die ohne Beiträge zu zahlen durch Blanquets mit der Namensunterschrift des Herzog-Großmeisters aufgenommen waren. Dieser leugnete zwar, daß solches mit seinem Wissen geschehen sei; aber der niedergesetzte Parlamentsausschuß und sein rührigstes Mitglied, Hume, glaubten bald noch weit compromittirendern Hergängen auf die Spur gekommen zu sein. Man beschuldigte die Logen heimlicher Anzettelungen, um die Thronfolge zu Gunsten ihres Oberhaupts zu ändern. Mögen auch derartige Pläne dem Herzoge selbst fremd geblieben sein, das zusammengebrachte Material genügte, um König und Parlament zu einem Verbot aller derartiger Vereinigungen zu veranlassen. Cumberland zeigte dem Oberhause an (26. Febr. 1836), er habe schon zuvor die Auflösung des Ordens angeordnet, bekannte sich aber, als Lord Melbourne alle ähnlichen Gesellschaften, möchten königliche Prinzen oder Arbeiter an der Spitze stehen, verdammte, zu den Grundsätzen des schmählich verfolgten Ordens, die in dem Worte gipfelten: Fürchte Gott und ehre den König.

    Am 20. Juni 1837 starb Wilhelm IV. Damit war nach deutschem Staatsrecht E. A. König von Hannover geworden. Die Personalunion zwischen England und Hannover hörte nach 123jähriger Dauer von selbst auf, nicht, wie man so oft angibt, weil in Hannover das sogenannte salische Erbrecht gegolten und demgemäß keine Frau hätte succediren können, sondern weil in Hannover nicht, wie in England, Frauen succediren konnten, solange noch erbfähige Individuen vom Mannsstamme vorhanden waren. Diesseit wie jenseit des Meeres freute man sich der Lösung des Bandes. In Hannover, weil man von der Anwesenheit des Herrschers im Lande ein unbestimmtes Glück erwartete; in England, weil man nicht mehr die Thronbesteigung dessen zu fürchten hatte, der „the most unpopular prince of modern times“ genannt wurde. Alle Kreise des englischen Volkes durchzog diese tiefe Abneigung; in- und außerhalb des Parlaments hatte man diesem Gefühl kräftigen Ausdruck gegeben. Lord Brougham sprach von „a rooted dislike throughout the whole country; it was felt by man, woman and child“. Thomas Moore besang the galloping dreary duke und ließ in einem Schreiben des Lord Beelzebub an den Braunschweig-Club Cumberland als seinen Vertreter im Präsidium vorschlagen. Die hartnäckige Opposition, mit der er sich jeder die bestehenden Zustände bessernden Maßregel in den Weg stellte, reicht allein zur Erklärung dieser Unpopularität nicht aus. Auch mit politischer Gegnerschaft pflegt Offenheit und Beharrlichkeit auszusöhnen. Wer so oft das Bedürfniß zu der Erklärung fühlte, er sage seine Meinung kühn, offen und furchtlos, verschmähte neben den offenen auch die verdeckten Wege nicht. Wellington drückte den Vorwurf in den Worten aus, der Herzog sei zwar ein wohlmeinender Mann, liebe es aber die Dinge in seiner eigenen Weise zu thun. Deutlicher hat König Georg IV. die intrigante Natur des Bruders als Grund des allgemeinen Hasses bezeichnet: „There never was a father well with his son, or husband with his wife, or lover with his mistress, or a friend with his friend, that he did not try to make mischief between them.“

    Der letzte politische Act Ernst Augusts in England war, daß er seiner Nichte Victoria am Morgen des 20. Juni im Kensingtonpalast zusammen mit seinem Bruder Sussex, niederknieend und Treue schwörend, die Huldigung leistete.|Am 24. Juni verließ er England. Ein 67jähriger Mann, übernahm er die Aufgabe des Herrschers in einem deutschen Staate, dessen Verhältnisse ihm fremd geblieben oder doch nur einseitig dargestellt waren. Eine lange politische Erfahrung und Uebung hinter sich, hatte er jetzt den schwierigen Uebergang nicht blos aus den englischen in die continentalen Zustände, sondern auch den noch weit schwierigeren aus der Stellung eines extremen Parteiführers in die eines Königs zu finden. In seinem neuen Lande war er wenig bekannt, trotz der wiederholten Besuche, die er seinem Bruder Cambridge bei festlichen Gelegenheiten, größeren Truppenübungen, Jagden oder gelegentlich der Reisen zwischen Berlin und London abgestattet hatte. Seinem scharfen Auge und seiner scharfen Zunge war mancher Uebelstand, mancher Schlendrian, der sich unter einer wohlwollenden, aber bequemen Regierung eingeschlichen hatte, nicht entgangen; und am Hofe sah man seinen Besuchen nicht gerade mit besonderer Freude entgegen. In Land und Stadt hing man mit Verehrung an dem Vicekönige, und die erste öffentliche Aeußerung, die die Nachricht vom Tode Wilhelms IV. hervorrief, war der bewegte Abschied, den die Bürgerschaft der Residenz von dem Herzoge von Cambridge nahm. Von dem Charakter und Leben des neuen Königs wußte man, ungeachtet der Oeffentlichkeit des englischen Staatswesens, wenig; englische Zeitungen kamen nicht ins große Publicum, eine einheimische Presse gab es kaum, die Censur hielt alles Gefährliche fern. Die höhere Staatsdienerschaft, allezeit so besonders einflußreich in diesem Lande, glaubte durch das im J. 1833 vereinbarte Staatsgrundgesetz die Entwicklung des Landes gesichert. Und doch hatte man versäumt, sich der Zustimmung des Thronfolgers zu vergewissern. Ein Accessionsact desselben zum Staatsgrundgesetze war nicht erfolgt. Der ihm wiederholt gestellten Forderung, das Hausgesetz, das 19. Nov. 1836 publicirt wurde, anzuerkennen, war er besonders wegen seines Zusammenhanges mit dem Staatsgrundgesetze ausgewichen. Zuletzt noch im December 1835 während seines Aufenthaltes in Hannover, wo er auf einen von Cabinetsrath v. Falcke gehaltenen Vortrag über das Hausgesetz mündlich und schriftlich seine Zustimmung zu beiden Gesetzen versagt, jedenfalls bis zur besseren Belehrung über seine Bedenken verschoben hatte. Wenn Dahlmann schon im Jahre zuvor durch ein officielles Schreiben des Ministers v. Strahlenheim vom 21. April benachrichtigt war, es sei die Zustimmung der volljährigen durchlauchtigsten königlichen Prinzen zu dem letztgedachten Gesetze erfolgt, so war die Mittheilung in Bezug auf E. A. entweder unrichtig oder nur von einem Consens zu der damals vorhandenen vorläufigen Gestalt des Gesetzentwurfes zu verstehen. Zu der Ständeversammlung hatte er jede Beziehung vermieden und recht absichtlich die Stadt zuletzt noch am 6. Jan. 1837 verlassen, als eben die Kammern zusammentraten. Da übrigens König Wilhelm und seine Regierung die Gültigkeit weder des Haus-, noch des Verfassungsgesetzes durch die agnatische Zustimmung bedingt ansah und E. A. gegen keines der beiden einen ausdrücklichen Protest erhoben hatte, so ließ man das Verhalten des Fürsten auf sich beruhen, theils aus einer gewissen Sorglosigkeit, die sich auf das hohe Lebensalter desselben stützte, theils weil man gegenüber seinen bedenklichen Finanzzuständen das Mittel schließlicher Anerkennung in Händen zu haben glaubte, endlich weil man den Umsturz einer in anerkannter Wirksamkeit stehenden Verfassung für rechtlich und moralisch unmöglich hielt; hatte doch das Staatsgrundgesetz den Beifall aller Gemäßigten und seine Ordnung des ständischen Finanzrechtes sogar die Anerkennung Metternich's und der Wiener Ministerialconferenzen des J. 1834 gefunden. Darüber hatte man versäumt, darauf Acht zu haben, wie seit Jahren die über Ablösung, Verfassung und drohende Aufhebung der Exemtion mißvergnügte Adelsopposition unter Führung des Freiherrn v. Schele und Generalfeldzeugmeisters v. d. Decken immer mehr Fühlung mit dem Herzoge von Cumberland gewann, ihm Gefahr für seine Domänen vorspiegelte und einen Zustand vorbereitete, in dem sie ohne Sorge um Staatsdienerschaft und Grundgesetz das Land in die Gewalt eines rücksichtslosen Machthabers bringen konnte.

    Am Nachmittage des 28. Juni erreichte E. A. seine Residenz. Auf die Anrede des ihn am Kalenbergerthore empfangenden Stadtdirectors Rumann erwiderte er in ziemlich strengem Tone, er werde den Hannoveranern ein gerechter und gnädiger König sein; die ihm überreichten Schlüssel der Stadt behielt er zurück. Auf dem Fürstenhofe, seinem gewöhnlichen Absteigequartier, von seinem Bruder und dem Staatsministerium empfangen, benutzte er den ersten Abend, die Illumination der Stadt unbeachtet lassend, zu einer langen Conferenz mit Schele. Am nächsten Tage gelangte an die Ständeversammlung, für deren Deputation der Erbland marsch all Graf Münster vergebens eine Audienz erbat, statt des vom Gesetz geforderten Patents, worin der König den Antritt seiner Regierung zu verkünden und die unverbrüchliche Festhaltung der Landesverfassung bei seinem königlichen Worte zu versichern hatte, ein Rescript, in welchem er die Stände vertagte. Unter demselben Datum wurde Schele zum Staats- und Cabinetsminister ernannt, und der König strich selbst aus dem Eidesformular die Verpflichtung auf das Staatsgrundgesetz. Nachdem das Militär am 30. Juni gehuldigt und der König das Armeecommando übernommen hatte, erließ er am 5. Juli das von Schele contrasignirte Patent über den Regierungsantritt mit der Erklärung, die Verfassung von 1833 binde ihn weder formell noch materiell und biete keine hinreichende Gewähr für das dauernde Glück der Unterthanen, deren Wohl zu fördern seine ihm von Gott auferlegte Pflicht sei. Doch wurde die definitive Entscheidung aufgeschoben, bis eine commissarische Prüfung ergeben habe, ob mit einer Abänderung des Staatsgrundgesetzes auszukommen oder auf die vor 1833 bestehende, die alte angeerbte Landesverfassung, zurückzugreifen sei. Dem Einzuge der Königin und des Kronprinzen am 15. Juli folgte eine sechswöchentliche Badecur des Königspaares in Karlsbad, während deren vielfacher Verkehr mit Metternich stattfand. Am 17. Sept. erschien E. A. in Göttingen, um sich an dem hundertjährigen Jubiläum zu betheiligen, wie er einst als Student das fünfzigjährige mit gefeiert hatte. Während die öffentliche Stimmung in diesen Monaten noch zwischen Hoffen und Fürchten auf- und abschwankte, ließen kleine Anzeichen, z. B. die Verhandlungen mit der Göttinger philosophischen Facultät über den Stüve beim Jubiläum ertheilten Ehrendoctor, erkennen, mit welcher Aufmerksamkeit der neue König die unscheinbarsten Vorgänge des öffentlichen Lebens begleitete und mit unnachsichtiger Strenge jeder selbständigen Regung in den ihm erreichbaren Kreisen begegnete. Mit Ausgang Octobers erfolgten die vernichtenden Schläge gegen den öffentlichen Rechtszustand des Landes: am 30. wurden die Stände aufgelöst, am 31. die Cabinetsminister außer Schele entlassen und zu Departementsministern degradirt, am 1. Nov. das Staatsgrundgesetz für aufgehoben erklärt. Die Gründe waren die der schamlosesten Sophistik: aus zärtlicher Fürsorge für Wahrung constitutioneller Grundsätze wird an dem vertragsmäßigen Zustandekommen der Verfassung von 1833 gemäkelt; der Artikel 56 der Wiener Schlußacte angerufen, um in demselben Moment zu vergessen, daß er auch rechtsungültig entstandenen Verfassungen Schutz gegen einseitige Abänderung verheißt; dem Könige vortheilhafte Neuerungen werden als im Interesse des Volkes eingeführt dargestellt und zum Schlusse der Köder eines Steuererlasses von 100000 Thalern auszuwerfen nicht verschmäht. Damit glaubte E. A. gesiegt zu haben. Am 13. Nov. schrieb er seinen Freunden nach England: „I have cut the wings of this democracy“ und war in so völliger|Blindheit über das, was in Deutschland und in Hannover Rechtens war, daß er sich rühmte, alles in gesetzmäßiger Weise vollbracht und den Leuten, die das Gegentheil von ihm erwarteten, die Freude verdorben zu haben. In England waren selbst seine Freunde nicht gutmüthig genug, diesen Glauben zu theilen. Während er darauf pochte, den stets verfochtenen Principien treu geblieben zu sein, klagten sie: „He should have thought, who he was in England.“ Bestrebt, sich ihre gute Meinung zu bewahren, sandte er ihnen fortgesetzt vertrauliche Mittheilungen über sein Vorgehen, die ihnen bald ebenso lästig waren, als die ganze Identificirung seiner Politik mit der ihrigen, an der sie bei den Wahlen des Sommers 1837 schwer genug zu tragen hatten. In der That war es für einen Engländer ein unfaßbarer Gedanke, daß ein einzelner Mann sich über das Recht seines Staates stellte, um es nach seinem Gutdünken umzumodeln. Während die Königin Victoria in ihrer ersten Thronrede erklärte, sie werde sich bei allen Gelegenheiten auf die Weisheit des Parlaments und die Liebe ihres Volkes verlassen, hatte hier ein Mann von so notorischer Unwissenheit in den Verhältnissen seines Landes, daß er den Radicalism hier die Herrschaft seit 1830 führen sah und die Staatsdienerschaft von radicalen Gesinnungen erfüllt glaubte, mit einem Federstrich das Landesrecht, weil es dem engen Maßstabe seines starren Kopfes nicht entsprach, beseitigt, um unter der Firma der echten deutschen monarchischen Verfassung die Weisheit des Berliner politischen Wochenblattes an die Stelle zu setzen. Den Verfassungsumsturz zu unternehmen, bedurfte es gefügiger Werkzeuge: er fand sie in der Schwäche der bisherigen Minister und in dem rücksichtslosen Durchgreifen ihres Nachfolgers. Es ist vergebens, auf diesen die Schuld abzuwälzen, so oft es auch zweifelhaft sein mochte, ob E. A., ob Schele die entscheidendere Thätigkeit entwickelte. Wer wie Jener die Verantwortlichkeit der Minister gegen das Land aus der Verfassung beseitigte und geradezu öffentlich erklärte: in allen wichtigen Staats- und Regierungsangelegenheiten sind unsere getreuen Rathgeber die Vollzieher unseres königlichen Willens, hat vor der Geschichte die Thaten seiner Regierung selbst zu vertreten. Daß auch die Durchführung des begonnenen Werkes gelang, hatte der König vor allem seiner eigenen Willenskraft zu danken. Er hatte das suscipere et finire nicht umsonst zum Wahlspruch seines Wappens gemacht. Der erste Widerstand, den er fand, war der Protest der Göttinger Sieben. Ohne Rücksicht auf die Vorschriften der umgestoßenen Verfassung oder die neuen selbstgegebenen entließ er sie allesammt kurzerhand des Dienstes und verwies drei von ihnen des Landes in der nicht getäuschten Hoffnung, durch brutales Vorgehen die feige Menge zu erschrecken und von gleichen Gelüsten abzuhalten. Es folgte der Kampf mit den freisinnigen Corporationen der Städte und Landgemeinden, mit der zweiten Kammer der Ständeversammlung um das Staatsgrundgesetz. Mit unausgesetzter Aufmerksamkeit, mit Anspannung aller Polizeikräfte führt die Regierung ihre Sache; nichts bleibt ungeahndet, im Inlande wie im Auslande. Mit persönlicher Rachsucht werden oppositionelle Deputirte und Wählerschaften verfolgt; durch halsbrecherische Gesetzinterpretationen, Wahlquälereien, Minoritätswahlen gefügige Kammern zusammengebracht. Die eigenen Gesetze werden gebeugt, um verhaßte Gegner, wie den Bürgermeister von Osnabrück, Stüve, der in jener Ständesitzung vom 29. Juni 1837 Zweifel über den rechtmäßigen Regierungsantritt des Königs geäußert hatte und die Seele des Widerstandes geworden war, von den ständischen Berathungen fern zu halten, und trotzdem wird als königlicher Grundsatz verkündet: „Nach den Gesetzen und dem Rechte will ich mein geliebtes Volk regieren, Regierungswillkür war mir von jeher verhaßt.“ Auf Rundreisen durch das Land werden die Loyalitätsbezeugungen politisch ausgebeutet, die Bürgerschaften von ihren Magistraten zu trennen versucht und, da das nicht|gelingt, der Beifall der untersten, abhängigen Kreise nicht verschmäht. Mit persönlicher Unerschrockenheit und Offenheit tritt der König selbst überall dazwischen. Gegen unfreundlichen Straßenempfang brachte er schon aus England den erforderlichen Gleichmuth, jene oft gerühmte Brunswick countenance mit. Wo der Widerstand bis zur bedrohlichsten Nähe aufsteigt und in sich die nöthige Kraft zeigt, weiß er auch nachzugeben, wie an jenem schwülen Julitage des J. 1839, als er der Residenz einen Bürgermeister in der Person eines Oberamtmanns Hagemann zu octroyiren im Begriffe stand. So klar und anerkannt die Rechtsgrundsätze, um die es sich in diesem Kampfe handelte, in der Praxis wie in der Wissenschaft waren, so sehr es eine Lebensfrage für die öffentliche Ordnung aller deutschen Staaten war, den einfachen Rechtssatz nicht verkannt zu sehen, daß der Regierungsnachfolger an die Handlungen des Vorgängers gebunden ist, so siegte dennoch nicht das Recht, sondern die Gewalt. Alle Energie des Königs und aller Eifer seiner Organe hätten das nicht erreicht ohne die Unterstützung der beiden deutschen Großstaaten. Namentlich mit Preußen suchte E. A. beständig in gutem Einvernehmen zu bleiben. Wiederholte Besuche in Berlin dienten zur Befestigung der alten Freundschaft. Der König wie der Kronprinz ließen ihm in der Verfassungssache alle Hülfe angedeihen. Die von ihm verfolgten Göttinger Professoren fanden lange keine Aufnahme in Preußen. So bestärkte man E. A. in der That in der dünkelhaften Einbildung, als handle er durch sein starres unnachgiebiges Vorgehen im Interesse des deutschen Conservatismus überhaupt. Indem man in dem Kampfe zwischen Fürstenwillkür und Landesrecht kurzsichtig jene Partei ergreifen zu müssen meinte, um nur den verhaßten Constitutionalismus im Norden Deutschlands nicht Wurzel fassen zu lassen, schlug man dem Glauben, daß auch in öffentlichen Dingen in Deutschland das Recht zu entscheiden habe, eine Wunde, von der er sich lange nicht erholt hat. Schon Ende August 1839 konnte E. A. frohlocken, daß er seinen Proceß in Frankfurt gewonnen habe. Der Beschluß vom 5. September lehnte es ab, in die hannoversche Verfassungsangelegenheit von Bundeswegen einzugreifen und gab sich der vertrauensvollen Erwartung hin, der König werde mit den dermaligen Ständen zu einer Vereinbarung gelangen. Als dann im Frühjahr 1840 die Kammern sich bereit erklärten, in die Berathung des vorgelegten Verfassungsentwurfes einzutreten, da äußerte er gegen ihre Deputation: „Ich fühle als einen Stein vom Herzen zu hören das, was Sie mir sagen.“ Am 6. August konnte die vereinbarte Verfassung publicirt werden. Wenn auch noch einmal eine auf Grund derselben gewählte Kammer den Rechtsboden zurückzufordern wagte, sofortige Auflösung und Octroyirung einer Bestimmung, welche von jedem Abgeordneten einen die Verfassung von 1840 anerkennenden Revers forderte, schnitt alle weitere Verhandlung ab und beendete den seit 1837 währenden Kampf. Der Friede mit der Residenz war noch nicht gemacht. Erst mit der Entscheidung des Celler Oberappellationsgerichts vom Mai 1843 schloß der Proceß gegen den hannoverschen Magistrat, dessen Mitglieder nicht der Beleidigung der Majestät, sondern nur der Regierung schuldig befunden und zu verhältnißmäßig leichten Geldstrafen verurtheilt wurden. Der König begnadigte sie sämmtlich und übernahm die Pension für den Stadtdirector Rumann, der um seine Entlassung eingekommen war, auf seine Casse. Bald darauf begab er sich, während er den Kronprinzen mit einer beschränkten Regierungsstellvertretung betraute, für längere Zeit nach England. Er war mit seiner Heimath durch lebhaften Briefwechsel in beständigem Verkehr geblieben, wie sie sich fortgesetzt mit ihm beschäftigt hatte. Nicht blos in der Rolle des unbetheiligten Beobachters. Das Parlament war wiederholt um seinetwillen in Berathung: in der ersten Aufwallung hatte man auf seinen hannoverschen Staatsstreich mit der Entziehung|seiner englischen Successionsansprüche zu antworten gedroht, dann war eine Hume’sche Motion wiederholt darauf aus, ihm den Fortbezug seiner Apanage streitig zu machen; in beiderlei Beziehung blieb es bei Versuchen. Er genoß den Jahresgehalt, der seit dem Absterben der Brüder Kent und York die Höhe von 21000 L. St. erreicht hatte, der ursprünglichen Bewilligung gemäß Zeit seines Lebens und verwendete einen großen Theil außer zur Bezahlung von Schulden in England zum Unterhalt von Hauswesen und Dienerschaft in Kew. Mit der königlichen Familie hatte die Frage über Theilung der Kronjuwelen eine längere Differenz zur Folge. Hatten sich in das englische Willkommen noch vernehmbar die Zisch- und Heullaute gemischt, so wurde E. A. bei seiner Rückkehr nach Hannover am 5. September von der Bürgerschaft freundlich und dankbar für die Lösung der städtischen Wirren empfangen. Die kluge zur Versöhnung einlenkende Stimmung machte sich noch stärker geltend, seit Schele im September 1844 gestorben und Falcke dessen Nachfolger geworden war. — Nach Beendigung der Verfassungswirren wurde auf der neu geschaffenen Grundlage mancherlei nützliches in Gesetzgebung und Verwaltung erreicht. Blieb auch jetzt noch Anlaß genug zur Klage: wie die Bevorzugung des Adels, welche die Staatsdienerschaft erbitterte, die Ordnung des Jagdwesens, welche den Bauernstand schädigte, der Polizeidruck, der auf dem ganzen Lande lastete, so beruhigte und befreundete doch die Fürsorge der Regierung für materielle Verbesserung, die Hebung des Wohlstandes, den Eintritt des Landes in die großen Communicationswege, wie er durch die Eisenbahnbauten dieser Jahre erreicht wurde. Da diese auf Rechnung des Staates betrieben wurden, so blieb der Actienhandel fern, ebenso vermied man die Creirung von Papiergeld. Dem Anschluß an den Zollverein leistete die Regierung Widerstand, ließ es darüber zu Differenzen mit Preußen und Braunschweig kommen und hatte bei dieser Politik das Volk auf ihrer Seite. Zusehends hob sich die Hauptstadt. Der Bau des Schlosses, des Theaters, zahlreicher militärischer Etablissements wurde ausgeführt; die Gärten zu Montbrillant und Herrenhausen erweitert und verschönert; im Nordosten der Stadt entstand um den Bahnhof ein neuer glänzender Stadttheil, der nach E. A. zubenannt wurde. Es kam dem Könige nicht etwa blos jene Fiction zu Gute, welche das während einer Regierung Geschaffene als durch den Regenten bewirkt ansieht; es ist durch alle, die ihm nahe gekommen sind, bezeugt, mit welcher Wachsamkeit, Arbeitskraft und Einsicht er alle Regierungshandlungen unter Controlle behielt. Eigenwillig, eine Plage seiner Umgebung in gesunden, umwievielmehr erst in kranken Tagen, hat sein Wesen gemüthliche Züge nicht viel aufzuweisen gehabt. Einen bestimmenden Einfluß hat er Niemandem aus seiner Umgebung eingeräumt. Die Staatsdame v. Grote, die seit 1844 am Hofe lebte, bildete keine Ausnahme. Er ließ kein Günstlingswesen aufkommen und suchte stets ein selbständiges Urtheil zu gewinnen. Er hat es selbst einmal mit seiner nicht ausreichenden Kenntniß der deutschen Sprache motivirt, daß er alles genau prüfen und verstehen müsse, um seinen Namen darunter schreiben zu können. Vorzugsweise mußte sich seine Fürsorge solchen Zweigen des Staatslebens zuwenden, die er aus eigener Berufsthätigkeit kannte. Er nannte sich gern einen alten Soldaten. Man sah ihn selten anders als in der Uniform seines Husarenregiments; so lebt er in der Vorstellung des Volkes und in dem von Albert Wolff geschaffenen ehernen Standbild fort, das ihm im September 1861 in dem neuen Stadttheile errichtet worden ist. Es hat manchen alten Krieger tief bekümmert, als er sofort nach seiner Thronbesteigung alles in der Armee auf preußischen Fuß einrichtete, die glorreichen rothen Uniformen, für deren Abschaffung er schon vergebens Georg IV. zu gewinnen versucht hatte, durch blaue ersetzte, die Artillerie bei Aufstellungen vom rechten auf den linken Flügel verwies. Die Reduction des Armee-Etats, besonders des Officiercorps und der Cavallerie, sowie die Formation, die man 1833 getroffen, hatten schon damals die Mißbilligung Ernst Augusts erfahren. Er ließ es eine seiner ersten Sorgen als König sein, jene Einrichtungen möglichst rückgängig zu machen, und als er für seine noch weitergehende Cavallerieaugmentation die Zustimmung der Stände von 1842 nicht zu erlangen vermochte, bestritt er die Mehrkosten aus Ersparnissen des ordentlichen Militärhaushalts und Zuschüssen der königl. Generalcasse. Die Concentration des 10. Bundesarmeecorps zu Lüneburg im September 1843 war vornehmlich sein Werk und er hatte die Genugthuung, das Jahr darauf in Merseburg aus dem Munde des Königs von Preußen die öffentliche Anerkennung seiner Armee und ihres Führers zu vernehmen. — Abgesehen von seiner Freigebigkeit für den Heeresaufwand, war er in Geldsachen maßvoll. Im königl. Haushalt, der unter der umsichtigen Leitung des noch in den letzten Berliner Jahren angenommenen Hofmarschalls v. Malortie stand, herrschte Sparsamkeit und Ordnung. So bescheiden der König für sich lebte, so großen Werth legte er auf Entfaltung von Pracht, wo diese angemessen war. Die Gastlichkeit seines Hofes, der Glanz der Feste waren berühmt. Zugleich allerdings die Strenge der hier herrschenden Etiquette. Noch von seinem letzten Krankenlager ordnete er Hoftrauer für die Gräfin v. Marne, Marie Therese von Frankreich, die Tochter Ludwigs XVI., an. Sein Verständniß für Kunst und Wissenschaft war gering. Berüchtigt ist sein Ausspruch über deutsche Professoren, den er an seiner eigenen Tafel in Berlin in Gegenwart Alexanders v. Humboldt that. Sein Biograph hält es für nöthig, den vielbesprochenen Vorgang als wirklich vorgekommen zu bezeugen mit dem Bemerken, die anwesenden Hofleute hätten den großen freilich derben Scherz mit ersichtlicher Befriedigung aufgenommen. Es begegnet ihm auch sonst wol, den Witz seines Helden zu rühmen, wo der Leser lediglich die Derbheit zu entdecken vermag. That auch Ernst Augusts Regierung manches für Pflege von Kunst und Wissenschaft, so geschah das um des Glanzes willen, der dadurch auf die Krone zurückstrahlte. Auch das Interesse für die Universität erklärt sich theils daraus, theils aus der Anhänglichkeit an die Stätte, an der der König glückliche Jugendjahre verlebt hatte. Er besuchte die Georgia Augusta noch zweimal, im J. 1845 und wenige Wochen vor seinem Tode, im August 1851, knüpfte an seine alten Erinnerungen an und belobte die Professoren — weil sie sich von Politik fernhielten. Den Männern des Staatsrechts und der Staatswissenschaft stellte er bei dieser und anderen Gelegenheiten gern den Staatsmann gegenüber, den Erfahrung und Menschenkenntniß mache. Daß er selbst diese Eigenschaften besessen, mochte sich gleich in die Menschenkenntniß eine starke Dosis Menschenverachtung mischen und die Erfahrung manchen Grundzug des englischen Lebens vermissen lassen, wer könnte es bestreiten? Und doch, wenn nachhaltige Erfolge den Staatsmann bewähren, wer könnte der Politik von 1837 solche nachrühmen? Die Geschichte der J. 1842—47 bestand darin, daß die Regierung nicht blos mit der zweiten, sondern ebenso sehr mit der ersten Kammer zu kämpfen hatte, daß sie von den Ständen immer abhängiger wurde und grade in Folge von Einrichtungen, die an die Stelle der am heftigsten angegriffenen Vorschriften des Staatsgrundgesetzes getreten waren, um das wahre Wohl der Krone und der Unterthanen zu begründen. Die im Gegensatz der 1834—37 bestehenden Cassenvereinigung mit Eifer erstrebte Trennung der königl. und der Landescasse hatte den Erfolg, daß die erstere am Ende sich vor einem Deficit befand und der Kriegshaushalt, als man seiner bedurfte, spärlich versorgt war. In der königlichen Erklärung vom 21. April 1847, welche das Gesuch der Stände um Oeffentlichkeit beantwortete: „Wir haben unabänderlich beschlossen, eine Oeffentlichkeit der Sitzungen der Kammern unserer getreuen Landstände niemals zu gestatten“, fand die kurzsichtige Staatsweisheit dieser Tage ihren drastischsten Ausdruck, unmittelbar bevor sie von der Höhe ihres eiteln Selbstbewußtseins herabstürzte.

    Dem Anfange der Bewegung des J. 1848 versuchte E. A. mit den alterprobten Mitteln zu begegnen: die in Petitionen und Adressen lautwerdenden Reformwünsche führte eine von ihm selbst verfaßte Proclamation vom 14. März auf den Einfluß Fremder zurück, die überall Unordnungen und Verwirrungen anzuregen sich bemühten; das Verlangen nach einer Volksvertretung am Bunde wurde als mit monarchischer Regierung unvereinbar abgewiesen. Als dann aber am 17. eine Volksdemonstration in der Residenz erfolgte und die Nachrichten von Berlin und Wien eintrafen, wich sofort das ganze bisherige Regierungssystem. Von sich aus kündigte der König am 20. an, er werde Anträge auf Abänderung der Landesverfassung, auf Ministerverantwortlichkeit und auf Cassenvereinigung an die bereits einberufenen Stände richten. Noch am nämlichen Tage traten Falcke und die bisherigen Departementsminister zurück, wurde eine Stafette nach Osnabrück entsandt, um Stüve in einem neuen liberalen Ministerium das Ressort des Innern anzutragen. Mit richtigem Blicke wurde ohne Zögern der bedeutendste, wenn auch der gehaßteste und gefürchtetste unter den Führern der staatsgrundgesetzlichen Opposition berufen und in seine Hand das wichtigste Ministerium gelegt. Diesem entschlossenen Handeln hatte das Land es zu danken, daß es vor Anarchie bewahrt blieb. In das ihm vorgelegte freisinnige Programm der neuen Minister willigte der König unter der einzigen Bedingung, daß alle erforderlichen Umgestaltungen auf verfassungsmäßigem Wege durchgeführt würden, eine Bedingung, in der ihm Alle, Minister und Volksvertretung, beipflichteten. Verhältnißmäßig rasch gelang es zum Ziele zu kommen: am 8. Juli schlossen die Berathungen der Kammer ab, am 5. September sanctionirte E. A. das Verfassungsgesetz. Man war zu den Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes zurückgekehrt oder hatte seine Garantien noch verstärkt. Das Werk von 1837 war vernichtet. Schwieriger war die Frage der deutschen Reform. Der Verwirklichung der deutschen Einheit setzte der König das volle Bewußtsein seiner Souverainetät entgegen. Alles was von Frankfurt ausging, traf auf zähen Widerstand, in dem er von seinem um Wahrung der hannoverschen Selbständigkeit nicht minder besorgten Ministerium lebhaft unterstützt wurde. Die Anerkennung der provisorischen Centralgewalt erfolgte zögernd und widerwillig. Die schon im April geäußerte Drohung des Königs, das Land verlassen und sich nach Kew begeben zu wollen, ähnlich wie sein Vater und sein Bruder in kritischen Lagen ihren Rückzug auf Herrenhausen in Aussicht gestellt hatten, tauchte jetzt von neuem auf. Eine seine Ansichten zum entschiedenen Ausdruck bringende öffentliche Erklärung der Minister stellte den König zufrieden, rief aber eine Scene im Frankfurter Parlament hervor, in der nicht weniger als der Unwille über diese erste offene Auflehnung gegen die geträumte Omnipotenz der ganze vormärzliche Haß gegen E. A. noch einmal aufbrauste. In Hannover verstand man diese Sprache gegen den König schon nicht mehr; selbst liberale Zeitungen gaben die Verhandlungen der Paulskirche vom 14. Juli nur mit Censurstrichen wieder. Der Widerstand steigerte sich, als man von der Theorie zur Praxis überzugehen und von Frankfurt aus Deutschland zu organisiren und zu regieren sich anschickte: die Huldigung des Militärs für den Reichsverweser geschah nicht in der befohlenen Weise; weder die Grundrechte noch die Reichsverfassung fanden in Hannover Anerkennung. Ebenso wenig war man geneigt, sich Preußen anzuschließen. Das Verhalten Friedrich Wilhelms IV. in den Märztagen hatte tief verstimmt. Seitdem witterte man in Hannover hinter der Berliner Politik nur Mediatisirungsgelüste. E. A., der immer für das preußische Heerwesen ein|warmes Herz gezeigt hatte, wies im Mai, als die Ernennung eines Bundesoberfeldherrn beantragt war, seinen Gesandten an, für den König von Würtemberg und für den österreichischen General Graf Nobili als Bundesgenerallieutenant zu stimmen. Tags darauf, am 9. Mai, überbrachte ihm der Generaladjutant Friedrich Wilhelms IV., sein alter Freund Graf v. Nostitz, einen eigenhändigen Glückwunsch des Königs zur 25jährigen Feier seiner preußischen Regimentsinhaberschaft. So wenig vergaß man in Berlin die aufmerksame Behandlung, die man E. A. stets erwies, selbst in jenen sorgenvollen Tagen. Das Zusammenwirken Hannovers mit Preußen in der deutschen Verfassungsangelegenheit seit dem Frühjahr 1849 war keine Umkehr von den frühern Wegen. Den König von Preußen als primus inter pares anzuerkennen und ihm die Truppen unterzuordnen, wurde nur für den Fall ausbrechender Zerwürfnisse zugestanden; den engeren Bundesstaat, das Ziel der deutschen Politik Preußens, verabscheute man nach wie vor; den Beitritt zur Dreikönigsverfassung verstand man in ganz anderem Sinne als Preußen, so daß der König gleichzeitig mit seiner Ratification des Maibündnisses den Herzog von Wellington um Rath fragen konnte, ob er bei der durch die gegenwärtigen Umstände aufgenöthigten Politik verbleiben oder sich freie Hand bis zur Wiedererstarkung Oesterreichs erhalten solle. Die Warnung des Herzogs vor dem strategischen Fehler, sich auf Ungewisses zu stützen, wenn man Sicheres haben könne, verhallte ungehört. Hannover, das Oesterreich höchstens provisorisch entbehren, nie aber auf Baiern oder gar Süddeutschland verzichten wollte, trat im Herbst 1849 vom Bunde zurück. Der Schritt fand im Lande keinen Widerspruch, eher Beifall. Die „Demokraten, die Jungens, sind mich sehr nützlich“, ist ein bekanntes Wort Ernst Augusts aus jenen Tagen. Den Bruch mit Preußen scheute man nicht; war doch die Gefahr vorüber und Oesterreich im Begriff, seinen altherkömmlichen Einfluß wieder geltend zu machen. Je weiter die Beruhigung der Gemüther gedieh, desto mehr neigte sich der König auch im Innern zu einer umkehrenden Politik. Wohin seine politischen Sympathien trotz des J. 1848 und seines Märzministeriums gingen, war unverkennbar: am 28. März 1848 hatte er als preußischer General dem Commandeur der preußischen Garden, v. Prittwitz, seine Anerkennung versprochen; in den Tagen, als die Kammerdebatten über die Grundrechte das Land aufregten, Windischgrätz und Jellachich seine höchsten Orden verliehen; Haynau war bei seiner Durchreise nach London durch ein Hoffest gefeiert worden, und der Abschluß der preußischen Verfassungskämpfe durch die Eidesleistung Friedrich Wilhelms IV. gab ihm Anlaß zu leidenschaftlichen Invectiven über den König in einem Brief nach England. Gegen die Verwirklichung der reactionären Gelüste gab jenes oft wiederholte: „Was ich gesprochen, werde ich auch halten“, ebenso wenig eine Bürgschaft, als einst jene fort und fort in England erneute Betheurung offenen Handelns das Benutzen der Intrigue ausgeschlossen hatte. Das Hinderniß, das sich ihm in seinem Ministerium entgegenstellte, meinte er beseitigen zu können. Wie Stüve aus seiner Stellung zum Könige hohe Achtung vor dessen staatsmännischer Befähigung und Uebung, seiner scharfen Auffassung politischer Verhältnisse gewonnen hatte, so hatte E. A. an dem energischen und festen Wesen seines Ministers Gefallen gefunden. Das einfache Wesen desselben hat ihm wol zu Sticheleien Anlaß gegeben über die Droschke, in der er beim Palais vorfuhr, den geringen Gehalt, den er nahm, sein Meiden der Gesellschaften; er meinte auch wol, trotzdem er ein vortrefflicher Minister de l'Intérieur sei und zwanzigmal mehr wisse als er, ihn in der Politik vollständig zu übersehen. Aber er wußte doch zu gut, welchen Werth Stüve für seine Regierung hatte, und suchte, die oft gerühmte Menschenkenntniß wenig bewährend, ihn von seinen Collegen zu trennen und für seine Pläne zu gewinnen. Als das mißlang, erkaltete das früher gute Einvernehmen sichtbar. Der aufkeimende Gegensatz wurde von den Hofleuten, den frondirenden Rittern der Provinziallandschaften, den Vertretern Oesterreichs, die Stüve das Zurückdrängen zum Bundestage anstatt der ihnen erwünschtern Theilnahme am sogen. Vierkönigsbündniß nicht verzeihen konnten, weidlich ausgenutzt. Man erreichte zunächst soviel, daß der König den großen Organisationen der Justiz und Verwaltung, für deren Vollendung er den Kammern soeben bei ihrer Vertagung im Juli 1850 noch gedankt hatte, die Sanction vorenthielt. Die hessische Frage förderte den Zwiespalt noch. Detmold, der hannoversche Bundestagsgesandte, hatte ohne Instruction des Ministeriums für den Beschluß vom 21. Sept. gestimmt; nach Hannover beschieden, um sich zu rechtfertigen, wurde er vom Könige, dessen Specialbefehl seinem Votum zum Rückhalt gedient haben soll, anstatt desavouirt decorirt. Als dann die Minister, die wiederholt ihre Entlassung nachgesucht und ebenso oft auf Andringen zurückgenommen hatten, in einer festen Erklärung die Bedingungen für ihr Bleiben zusammenfaßten, lehnte der König die Zustimmung ab und das Ministerium Stüve trat am 28. Octbr. 1850 zurück. Seine Nachfolger waren keine Männer des Rückschritts. Daß E. A. politische Gegnerschaften zu vergessen wußte, zeigte er auch hier wieder. In die neue Regierung hatten zwei der getreuesten Anhänger Stüve's, unter ihnen ein Mann Aufnahme gefunden, dem eine königl. Proclamation vom J. 1841 Befangenheit in Parteiansichten, Geringschätzung der materiellen Interessen des Landes, Bestrebungen die untheilbare landesherrliche Gewalt unter ein Mitregiment der Stände zu beugen vorgeworfen hatte. Auch seinen Thaten nach war das Ministerium kein illiberales. Von den zurückgeschobenen Organisationsgesetzen wurden die auf die Justiz bezüglichen vom Könige sanctionirt, die dem Verwaltungsgebiet angehörigen einer Revision unterzogen. Die Städteordnung fand nach erneuter Durchberathung die königliche Genehmigung, für die Landgemeindeordnung, das Gesetz über die Amtsvertretung etc. war das Gleiche nicht zu erlangen. Der König hatte die Gesetzentwürfe an sich genommen und bewahrte sie unter strengstem Verschluß. Um so auffallender war es, daß er das Gesetz über die Provinziallandschaften trotz seiner den Deputationen der Ritterschaften in Schwerin und in Hannover ausgesprochenen Zustimmung zu ihren Principien am 1. Aug. 1851, wenn auch mit schwerem Herzen, unterschrieb. Seine Aeußerung: „Ich konnte Euch nicht helfen, Ihr habt mich im J. 1848 verlassen, dieses sind die Folgen“, ist selbst zu dunkel, als daß sie den Zusammenhang erklärte. Seine Zustimmung zu einem zweiten politischen Schritte des J. 1851, den die Minister in der Hoffnung an Preußen eine Stütze gegen das Drängen der Ritterschaften zu gewinnen anriethen, ist ihm gewiß nicht minder schwer geworden. Am 7. Sept. wurde der Vertrag über den Zutritt Hannovers zum Zollverein abgeschlossen. Seit dem Frühjahr waren wieder freundschaftliche Verhältnisse zu Preußen angeknüpft. Im Mai war E. A. bei seinem Besuch in Schwerin mit dem König zusammengetroffen, auf der Rückreise hatte er in Charlottenburg mehrere Tage verweilt und war vom Hofe mit ausgesuchtester Aufmerksamkeit behandelt worden. Zum 80. Geburtstage, am 5. Juni 1861, erschien neben vielen anderen Fürstlichkeiten Friedrich Wilhelm IV. selbst in Hannover und E. A. brachte seinem Gast zu Ehren einen Toast auf den Frieden, die Einigkeit und die Stärke Deutschlands aus. Waren die Jahre 1848—50 fast ohne Unterbrechung in Hannover verbracht, so unternahm der greise König im J. 1851 noch wiederholte Reisen. Mit Ende September trat ein merkliches Sinken der Kräfte ein; aber noch bis in den November war er fähig, die gewöhnlichen Vorträge entgegen zu nehmen. Am 18. November Morgens gegen 7 Uhr starb der König. Nachdem die Leiche gemäß einer testamentarischen Anordnung von 1842, in die|englische Husarengeneralsuniform gekleidet, im Thronsaale zwei Tage lang öffentlich ausgestellt und Tausende an dem prächtigdüstern Bilde vorübergezogen waren, wurde sie am 26. im Mausoleum zu Herrenhausen neben der am 29. Juni 1841 verewigten Königin Friederike beigesetzt. Noch aus seinem Grabe heraus betheuerte E. A., daß er nie einen andern Zweck oder Wunsch vor Augen gehabt, als zum Glück und zur Wohlfahrt seiner Unterthanen beizutragen, daß er niemals eigenes Interesse verfolgt habe. „But in his own way“ müßte man mit Wellington hinzusetzen, wenn man auf die erste Periode seiner Regierung sieht. Die zweite hatte dann redlich gestrebt, die Fehler der ersten wieder gut zu machen. Und nichts hat mehr zur Umstimmung der öffentlichen Meinung über E. A., nicht blos innerhalb der engen Grenzen seines Landes beigetragen, als sein Verhalten seit 1848. Seine Nachgiebigkeit und seine Festigkeit haben das Land durch die Stürme jener Zeit hindurchgeführt und nach Beseitigung der Gefahr im Genuß seiner Freiheiten erhalten im Gegensatz zu den Nachbarn und dem eigenen Staate unter seinem Nachfolger: ein Vergleich, der überhaupt der geschichtlichen Beurtheilung Ernst Augusts wesentlich zu Gute gekommen ist. So bestimmt er es als sein Regierungsprincip ausgesprochen, daß Staat und Schule von der Kirche ungetrennt bleiben sollten, so war er dem modernen Pietismus durchaus abhold: „Nicht wahr, Herr Generalsuperintendent“, sagte er einst, „der alte Glaube unserer Väter, unserer Jugend, rein von erheuchelter Frömmigkeit, bestehend ohne Tractätchen und Winkelandacht, das war noch ein schöner Glaube.“ Ebenso wenig wußte er etwas von jenem mystischen Welfenthume, wie denn selbst das Wort in jenen Tagen noch wenig gebraucht wurde. Zu den anmuthendsten Zügen seines Wesens gehörte die treue Erinnerung, die er der verstorbenen Gemahlin widmete. Daß zwischen Vater und Sohn je ein vertrauteres Verhältniß bestanden habe, ist nicht bekannt. An der Regierung hat er ihm keinerlei Antheil gewährt. Durch die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes waren die Zweifel an der Regierungsfähigkeit des Sohnes beseitigt; das Landesverfassungsgesetz von 1840 ließ eine Regentschaft außer wegen Minderjährigkeit nur wegen geistiger Unfähigkeit des Nachfolgers zu. Aber erst mit der Geburt eines Enkels am 21. Sept. 1845 sah er seine Dynastie als gesichert im Lande an. Im J. 1848 äußerte er einmal: „Was, die Deutschen glauben, sie können die Einheit machen auf dem Papier; wenn sie wollen haben die Einheit, dann müssen sie gehen durch Blut bis an die Brust.“ Als sich diese Worte erfüllten und seine Dynastie sich der deutschen Einheit in den Weg stellte, fiel sie ihr zum Opfer.

    v. Malortie, König Ernst August, Hannover 1861. — Pauli, Gesch. von England 1 u. 2. Die Memoirenwerke von Colchester, Romilly, Eldon, Greville, Buckingham. Parliamentary History vol. 35 ss. Hanfard vol. 4 ss. — v. Sichart, Gesch. der hannov. Armee 4. — Oppermann, Zur Gesch. Hannovers 1 u. 2. — Lehzen, Staatshaushalt I, 11. Hannov. Portfolio II, 227. — Stüve im Staatswörterb. Bd. IV; desselben Sendschr. an Münden. Preuß. Jahrb. 31 u. 32. Deutsche Memoirenwerke von F. L. W. Meyer. Varnhagen, Humboldt, Bunsen, Duckwitz. — Springer, Dahlmann 1. (Petri) Lebensbilder 1 u. 2. — Times 20. Nov. 1851. Allg. Ztg. 27. Nov. 1851. Zeit 2. Oct. 1861.

  • Author

    F. Frensdorff.
  • Citation

    Frensdorff, Ferdinand, "Ernst August" in: Allgemeine Deutsche Biographie 6 (1877), S. 263-284 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118530925.html#adbcontent

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