Lebensdaten
1826 – 1894
Geburtsort
Ratibor (Oberschlesien)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Chemiker ; Weinhändler
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118760734 | OGND | VIAF: 37711950
Namensvarianten
  • Traube, Moritz
  • Traube, Mauritius

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Traube, Moritz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118760734.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    B Ludwig (s. 1);
    1855 Bertha Moll (1834/35–1907), T e. KR in Posen;
    2 S Hermann (1860–1913), Dr. phil., Mineral. in Kiel u. B., 1905 ao. Prof. f. Mineral., chem. Kristallographie u. Petrographie in Greifswald (s. Pogg. IV-V; BJ 18, Tl; W), Wilhelm (s. 4), 3 T Anna (⚭ Julius Moll, 1904, 1872 Dr. phil. in Rostock, Weinhändler in Breslau u. B., KR), Sophie (⚭ Max Conrat [bis 1882 Moise Cohn], 1848–1911, Dr. iur., o. Prof. f. Röm. Recht in Zürich u. Amsterdam, s. NDB III), Martha (1870–1940, Gustav Pringsheim, 1856–99, Dr. phil., Geol., Oberbergrat in Breslau, s. Pogg. IV, N d. Nathanael Pringsheim, 1823–94, Dr. phil., Prof. d. Botanik in Jena u. B., s. NDB 20);
    N Albert Fraenkel (1848–|1916), Dr. med., Internist, 1884 ao. Prof., 1890 Leiter d. Inneren Abt. u. Dir. d. Krankenhauses Am Urban in B., 1891 Mitgl. d. Leopoldina (s. NDB V), Ottomar Rosenbach (1851–1907), Dr. med., Internist in Breslau u. B., 1888 ao. Prof., 1890 Mitgl. d. Leopoldina (s. NDB 22), Ludwig (s. 3); Verwandter Arthur (s. 5).

  • Biographie

    T. besuchte 1836–42 das Gymnasium in Ratibor und begann nach dem Abitur, auf Anraten seines Bruders Ludwig in Berlin Naturwissenschaften zu studieren. Hier weckten Eilhard Mitscherlich (1794–1863) und Heinrich Rose (1795–1864) sein Interesse an Chemie, das 1844/45 bei Justus Liebig (1803–73) in Gießen verstärkt wurde, wo er auch August Wilhelm Hofmann (1818–92) kennenlernte. Nach der Promotion 1847 zum Dr. phil. mit der Schrift „De nonnullis chromii connubiis“ (Ueber einige Chromverbindungen, in: Ann. Chem. Pharm. 66, 1848, S. 87–112 u. 165–70) arbeitete er in einer Wollfärberei in Berlin und nahm dort 1848 ein Studium der Medizin auf, das er jedoch bald abbrach, um auf Wunsch des Vaters die Stelle seines verstorbenen Bruders Hermann als designierter Geschäftsnachfolger einzunehmen. 1849 nach Ratibor zurückgekehrt, führte T. die väterliche Weingroßhandlung „W. Traube & Sohn“ erfolgreich weiter und betrieb nebenbei physiologisch-chemische Studien. 1866 verlegte er das Weingeschäft nach Breslau und richtete sich ein gut ausgestattetes chemisches Privatlabor ein, in dem er zeitweilig zwei Assistenten beschäftigte. 1886 trat T. die Geschäftsleitung an seinen Schwiegersohn Julius Moll ab, um sich ganz seinen Forschungen zu widmen, die er auch nach seinem Umzug 1891 nach Berlin, ungeachtet großer gesundheitlicher Probleme, mit Hilfe seines Sohns Wilhelm fortsetzte. Dieser zählt ebenso wie der Physikochemiker Guido Bodländer (1855–1904) zu T.s Schülern.

    T., der als Weinhändler einen ausgezeichneten Ruf besaß und auch Otto v. Bismarck (1815–98) zu seinen Kunden zählte, machte sich v. a. als Privatgelehrter einen Namen. Mit der vorbehaltlosen Anwendung der Chemie auf Pathologie und Physiologie wurde er zum Wegbereiter der Biochemie. Sein Hauptinteresse galt der Chemie des Stoffwechsels, insbesondere der Rolle des Sauerstoffs. Unter dem Eindruck des frühen Todes seines zuckerkranken Bruders Hermann analysierte T. zunächst die Harnzuckerausscheidung eines Diabetikers in Abhängigkeit von der Ernährung. Er fand u. a. einen Einfluß stärkehaltiger Kost und leitete daraus 1852 eine neue, diätetische Therapie und eine bessere, differenziertere Diagnostik ab.

    Chemiker und Physiologen stritten bei der alkoholischen Gärung („Fermentation“) v. a. über die Funktion der Hefe als einen toten schwingungsübertragenden Erreger oder als einen lebenden Träger der Gärung. T. entwickelte eine eigene, vermittelnde „Theorie der Fermentwirkungen“ (1858), wonach der Chemismus des Lebens wie auch die Umwandlung des Traubenzuckers in Alkohol durch Hefe ausnahmslos auf der katalytischen Wirkung von Eiweißkörpern in und außerhalb von Zellen beruht; Eduard Buchner (1860–1917) bewies 1897 diese Vorstellung mit der Entdeckung der zellfreien Alkoholgärung. T. sah in den biologischen Katalysatoren Sauerstoffüberträger, so auch beim Muskelstoffwechsel. 1861 stellte er eine direkte Beziehung der Muskeltätigkeit zur Atmung her, die in den Muskeln selbst ablaufe und eine Oxidation stickstoffreier, d. h. nichteiweißartiger, Substanzen darstelle. Im Gegensatz zu Liebig waren für T. die Zellen, und nicht das Blut, der Ort der biologischen Oxidation; Eduard Pflüger (1829–1910) bestätigte 1875 experimentell diese Vermutung. In Modellversuchen ergründete T. in den 1880er Jahren die Aktivierung des an sich reaktionsträgen Sauerstoffs unter physiologischen Bedingungen.

    Bei Untersuchungen zur Bedeutung des Sauerstoffs für das Pflanzenwachstum hatte T. 1864 die Bildung von künstlichen Niederschlagsmembranen beobachtet, die halbdurchlässige „anorganische Zellen“ bildeten, worauf er 1867 eine physikochemische Theorie der Zellbildung und des Zellwachstums gründete. Die „Traube’schen Zellen“ ermöglichten die späteren Arbeiten von Wilhelm Pfeffer (1845–1920) und Jacobus Henricus van’t Hoff (1852–1911) über Osmose und osmotischen Druck. Gemeinsam mit dem Physiologen Richard Gscheidlen (1842–89) entdeckte T. 1874 in Tierversuchen eine bakterizide Wirkung des Bluts. Er unterschied zwischen chemischen Vergiftungen und bakteriellen Infektionen sowie fäulniserregenden und krankmachenden (pathogenen) Bakterien. In seiner letzten Arbeit entwickelte er ausgehend von der bekannten desinfizierenden Wirkung des Chlorkalks 1894 ein einfaches, preiswertes Verfahren zur Chlorung von Trinkwasser, das später weltweit eingesetzt wurde.

  • Auszeichnungen

    A Dr. med. E. h. (Halle 1867);
    Mitgl. d. Leopoldina (1885);
    korr. Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Wiss. (1886).

  • Werke

    W u. a. Über d. Gesetze d. Zuckerausscheidung im Diabetes mellitus, in: Archiv f. pathol. Anatomie u. Physiol. u. f. klin. Med. 4, 1852, S. 109–47;
    Über d. Beziehung d. Respiration z. Muskelthätigkeit u. d. Bedeutung d. Respiration überhaupt, ebd. 21, 1861,|S. 386–414;
    Theorie d. Fermentwirkungen, 1858;
    Experimente z. Theorie d. Zellenbildung, in: Zbl. f. d. med. Wiss. 2, 1864, S. 609–15;
    Experimente z. Theorie d. Zellenbildung u. Endosmose, in: Archiv f. Anatomie, Physiol. u. wiss. Med., 1867, S. 87–165;
    Über Fäulnis u. Widerstand d. lebenden Organismen gegen dies., in: Jber. d. Schles. Ges. f. vaterländ. Cultur 52, 1874, S. 179 ff. (mit R. Gscheidlen);
    Über Aktivirung d. Sauerstoffs, in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 15, 1882, S. 659–75;
    Einfaches Verfahren Wasser in gr. Mengen keimfrei z. machen, in: Zs. f. Hygiene u. Infectionskrankheiten 16, 1894, S. 149 f.; Hermann Traube u. Wilhelm Traube (Hg.), Gesammelte Abhh. v. M. T., 1899 (P).

  • Literatur

    L F. Cohn, in: Jber. d. Schles. Ges. f. vaterländ. Cultur 72, 1894, Abt. II b, S. 63 f., Nekr. S. 16–19;
    E. Fischer, in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 27, 1894, S. 1795 f.;
    G. Bodländer, ebd. 28, 1895, S. 1085–108 (P, W-Verz.);
    E. v. Meyer, in: Hdwb. d. Naturwiss. 10, 1915, S. 43 f.;
    F. Henrich, ebd., ²1935, S. 38;
    M. Fraenkel, M. T., d. Lb. e. genialen Oberschlesiers, 1931 (P);
    F. Lieben, Gesch. d. physiol. Chemie, 1935, S. 117–21, 235–41;
    T. L. Sourkes, M. T., 1826–94, his Contribution to Biochemistry, in: Journ. of Hist. of Med. 10, 1955, S. 379–91 (P);
    K. Müller, M. T. (1826–94) u. seine Theorie d. Fermente, Diss. Univ. Zürich, 1970;
    A. Greiner, Chemiker über Chemiker, Wahlvorschläge z. Aufnahme v. Chemikern in d. Berliner Ak. 1822–1955, 1986, S. 127–29;
    H. Franke, M. T. (1826–94), Vom Weinkaufm. z. Ak.mitgl., 1998 (P, W-Verz.);
    L. Jaenicke, M. T. (1826–94), Enzymologe avant la lettre, in: Biospektrum 4, 1998, H. 4, S. 49–52 (P);
    World Who’s Who in Science, 1968, S. 1685;
    Lex. bed. Chemiker;
    Pogg. II–V;
    Complete DSB; – Qu Archiv d. HU Berlin.

  • Porträts

    P Gipsbüste v. F. Schaper, 1894 (Berlin, Alte Nat. gal.)

  • Autor/in

    Ekkehard Höxtermann
  • Zitierweise

    Höxtermann, Ekkehard, "Traube, Moritz" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 365-367 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118760734.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA