Wollny, Ewald
- Dates of Life
- 1846 – 1901
- Place of birth
- Berlin
- Place of death
- München
- Occupation
- Agrarwissenschaftler ; Agrikulturphysiker
- Religious Denomination
- evangelisch
- Alternate Names
-
- Wollny, Martin Ewald
- Wollny, Ewald
- Wollny, Martin Ewald
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Wollny, Martin Ewald
| Agrarwissenschaftler, Agrikulturphysiker, * 20.3.1846 Berlin, † 8.1.1901 München, ⚰ München, Nordfriedhof. (evangelisch)
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Genealogy
V →Rudolph (1816–87), aus B., Geh. Oberfinanzrat im preuß. Finanzmin. in B., S d. →Johann Christian, Geh. Rechnungsrat ebd., u. d. Caroline Auguste Schleich;
M Louise (* um 1816), T d. Carl Christian Neumann, Tischlermeister in Lübbenau (Spreewald);
Ur-Gvv →Johann Ludwig Schleich (1733–1790), Apotheker in Eberswalde;
– ⚭ Breslau 1872 Laura (* 1845), Cousine, T d. →Robert Wollny, Rr.gutsbes. auf Ptakowitz b. Tarnowitz (Oberschlesien);
1 S →Walter (1872–1911), Dr. phil., prakt. Landwirt, Lebermoos-Experte in M. (s. Lex. Bryologen), 1 T Thea Schilling († 1900). -
Biography
W. besuchte das Friedrichs-Gymnasium, die private Grützmacher’sche höhere Knabenschule und seit 1858 die Städtische Gewerbeschule in Berlin, die er 1863 verließ, um auf dem Rittergut Dt. Neudorf bei Prieborn in Schlesien eine landwirtschaftliche Lehre zu machen. Seit 1865 Gutsverwalter in Hohenschönhausen bei Berlin, bezog er 1866 die Landwirtschaftliche Akademie Proskau und legte 1868 die Absolutionsprüfung zum Abitur ab. Alsdann wurde er Inspektor auf der Domäne Wanzleben bei Magdeburg. Der Wunsch, eine akademische Laufbahn einzuschlagen, scheiterte am Einspruch des Vaters, den dieser erst nach Fürsprache des Proskauer Akademiedirektors →Hermann Settegast (1819–1908) aufgab. W. studierte nun ab 1869 Landwirtschaft an den Universitäten Halle/Saale und Leipzig, wo er 1870 mit einer tierphysiologischen Arbeit zum Dr. phil. promoviert und Assistent →Adolf Blomeyers (1830–1889) am neugegründeten Landwirtschaftlichen Institut der Universität wurde. Seit 1871 Lehrer für Landwirtschaft in Proskau, folgte er 1872 einem Ruf als ao. Professor für Landwirtschaft an die neuerrichtete Landwirtschaftliche Abteilung der Polytechnischen Schule (seit 1877 TH) München. Hier vertrat er, seit 1880 als o. Professor, das Gesamtgebiet der Pflanzenproduktionslehre und etablierte eine neue Forschungsrichtung im Pflanzenbau, die Agrikulturphysik.
W. schwankte zu Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere zwischen „Tierzucht“ (Tierhaltung) und Ackerbau und legte 1873 auf beiden Gebieten beachtliche Übersichtsarbeiten vor, wandte sich dann aber ganz dem Pflanzenbau zu, der unter →Justus v. Liebigs (1803–73) Einfluß stark agrikulturchemisch ausgerichtet war. Entgegen dieser einseitigen|Forschungspraxis nahm W. bereits in seinen ersten Feldversuchen in Proskau auch physikalische Vegetationsfaktoren in den Blick und erhob in München die Erforschung physikalischer Standortbedingungen zum Programm. Er untersuchte in mehrjährigen, wegweisenden Versuchsreihen den Einfluß der Witterungsverhältnisse und Bodenbeschaffenheit (Textur, Temperatur, Feuchtigkeit, Durchlüftung u. a.) auf die Ertragsbildung und zeigte, wie die Pflanzendecke und ihre Bearbeitung (durch Beschattung, Behäufelung, Verdichtung, Düngung, Be- und Entwässerung) auf die physikalischen Eigenschaften des Bodens zurückwirken. Die Arbeiten zur Agrarmeteorologie und Physik des Bodens und der Pflanze wurden ab 1878 in einer eigens dafür gegründeten Zeitschrift veröffentlicht. Die „Forschungen auf dem Gebiete der Agrikultur-Physik“ waren eine Fundgrube von Innovationen und Anregungen für praktische Landwirte und wurden von dem finn. Agrikulturchemiker und -physiker Arthur Rindell postum in einem Registerband (1906) erschlossen.
Zu W.s heute als klassisch geltenden Arbeiten gehören die exakten Forschungen über den Wasserhaushalt des Bodens und der Pflanzen mit Empfehlungen für den Landschaftsschutz durch rationelle Bodenkultur.
So plädierte er für Hochwasserschutz durch Ausbau von Wäldern und Pflanzendecken an Hängen und Uferstreifen und Regulierung des Wasserhaushalts in der Kulturlandschaft durch Gräben und Sammelteiche. Zudem warnte er vor einer Verdichtung der Böden durch schwere Landtechnik und einer Überdüngung der Felder mit Mineraldüngern.
Frühe „Untersuchungen über die zweckmäßigste Ausführung der Saat“ (1873, 1876) führten 1885 zu einem vielbeachteten „Handbuch für die Praxis“ des Allgemeinen Pflanzenbaus. 1887 formulierte W. – acht Jahre vor →Georg Liebscher (1853–1896) – ein neues „Grundgesetz der Pflanzenproduktion“, nach dem der Pflanzenertrag bei stetiger Steigerung des das Wachstum begrenzenden Minimumfaktors ein Optimum erreicht und sich nicht beliebig erhöhen läßt. Als Konsequenz forderte W. 1897/98 einen standortspezifischen Pflanzenbau zur effizienten Nutzung und Schonung der Ressourcen. Breiten Raum nahmen mehrjährige Versuchsreihen zur Zersetzung organischer Substanzen und zur Humusbildung im Boden ein. Dabei analysierte W. die Bedeutung „humusbildender“ organischer Düngemittel und niederer Bodenorganismen für die Bodenfruchtbarkeit und empfahl Maßnahmen für eine geregelte Humuswirtschaft. Seine 1897 vorgelegte Monographie über Humushaushalt und Bodenkultur fand weltweit Beachtung und gilt heute als Markstein auf dem Weg zum ökologischen Landbau. W. trug schließlich entscheidend zur Klärung der „Regenwurmfrage“ bei, als er die umstrittene Erhöhung der Ertragsfähigkeit der Böden durch Regenwürmer (1890) erstmals experimentell bestätigte.
Einen Ruf als Direktor des Landwirtschaftlichen Instituts der Univ. Jena (1884) lehnte W. ab. Als Begründer und Hauptvertreter der Agrikulturphysik pflegte er enge Kontakte mit gleichgesinnten Kollegen im In- und Ausland, wie den Bodenkundlern →Louis Grandeau und →Edmond Henry in Nancy (Frankreich) und dem aus der Pfalz stammenden Bodenkundler →Eugene W. Hilgard (1833–1916) in Berkeley (Kalifornien, USA). Die Agrarwissenschaftler →Emil Pott (1851–1913), →Heinrich Puchner (1865–1938) und →Eilhard Alfred Mitscherlich (1874–1956) waren W.s Schüler. Seine Arbeiten zum Wachstumsfaktor Wasser wurden von →Conrad v. Seelhorst (1853–1930) fortgeführt. 1958 wurden seine überzeugenden „Forschungen auf dem Gebiet der Agrikulturphysik“ mit einem engl. Schlagwortverzeichnis quasi wiederentdeckt.
Mit dem Nachdruck der klassischen Werke erlebt W. heute eine Renaissance als Wegbereiter des ökologischen Landbaus und Ressourcenschutzes.
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Awards
|Mitgl. d. Bayer. Landwirtsch.rats (1880);
Goldene Vereinsdenkmünze d. Bayer. Landwirtsch.rats;
korr. Mitgl. d. k. k. Landwirtsch.ges. Wien;
ausw. Mitgl. d. Kgl. Landbauak. Stockholm;
Goldene Liebig-Medaille d. Liebig-Stiftung b. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1892);
Kreuz 3. Kl. d. bayer. Verdienstordens v. Hl. Michael (1898);
W.str., München-Untermenzing (1947). -
Works
|u. a. Über Fett- u. Fleischbildung im thierischen Organismus, 1870 (Diss.);
Ber. über d. wichtigsten Arbb., welche in d. J. 1851–71 auf d. Versuchsfelde d. kgl. landwirtsch. Ak. in Proskau ausgeführt worden sind, in: Landwirtsch. Jbb. 2, 1873, S. 125–88;
Ein Btr. z. Frage d. Einflusses d. Nahrung auf d. Eigenschaften d. Hausthiere, ebd., S. 209–20;
Unterss. über d. zweckmäßigste Ausführung d. Saat, I. Ber. (1870–71), in: Zs. d. landwirtsch. Ver. in Bayern 63, 1873, S. 127–38 u. 175–95;
dass., II. Ber. (1872–75), in: Landwirtsch. Mitt. aus Bayern, 1876, S. 1–89;
Der Einfluß d. Pflanzendecke u. Beschattung auf d. physikal. Eigenschaften u. d. Fruchtbarkeit d. Bodens, 1877, Nachdr. 2009;
Über d. Anwendung d. Elektricität b. d. Pflanzenkultur, 1883;
Über d. Thätigkeit niederer Organismen im Boden, 1883;
Die Hochwasserschäden u. deren Verhütung in Rücksicht auf d. Bodenkultur, in: Forsch. auf d. Gebiete d. Agrikultur-Physik 6, 1883, S. 318–53;
Unterss. über d. Beeinflußung d. Fruchtbarkeit d. Ackerkrume durch d. Thätigkeit d. Regenwürmer, ebd. 13, 1890, S. 381–95;
Unterss. über d. Einfluss d. Wachsthumsfaktoren auf d. Produktionsvermögen|d. Kulturpflanzen, ebd. 20, 1897/98, S. 53–109;
Über d. Thätigkeit niederer Organismen in d. Ackererde (T. I), in: Dt. Landwirtsch. Presse 10, 1883, S. 295–97, 533, 539 f., 553 f. u. 565 f.;
dass. (T. II), ebd. 11, 1884, S. 149 f., 155, 177 f., 183, 191 f. u. 205 f.;
Saat u. Pflege d. landwirthschaftl. Kulturpflanzen, Hdb. f. d. Praxis, 1885;
Die Kultur d. Getreidearten mit Rücksicht auf Erfahrung u. Wiss., 1887, ²1891;
Das Grundgesetz d. Pflanzenproduktion, in: Dr. Neubert’s Dt. Garten-Mag. 40, NF, 1887, S. 232–37, 257–60 u. 290–93;
Bodenphysik, in: O. Lueger (Hg.), Lex. d. gesamten Technik u. ihrer Hilfswiss., Bd. 2, 1895, S. 508–43, ²1904, S. 108–28;
Die Zersetzung d. organ. Stoffe u. d. Humusbildungen, mit Rücksicht auf d. Bodencultur, 1897, Nachdr. 2015, franz. 1902;
Über d. Einfluß d. Pflanzendecken auf d. Wasserführung d. Flüsse, in: Vj.schr. d. Bayer. Landwirtsch.rates 5, 1900, S. 389–445;
– Hg.: Forsch. auf d. Gebiete d. Agrikultur-Physik, 1878–98, Nachdr. seit 2016. -
Literature
|N. N., Prof. Dr. E. W. in München, in: Fühling’s Landwirtsch. Ztg. 41, 1892, S. 85 u. 97 f. (P);
N. N., ebd. 50, 1901, S. 93 f. (P);
E. Pott, in: Ill. Landwirtsch. Ztg. 21, 1901, S. 55–57 (P);
ders., ebd. 24, 1904, S. 137 (P);
F. v. Soxhlet, in: Die landwirtsch. Versuchs-Stationen 55, 1901, S. 396–99;
ders., in: Ber. über d. Kgl. TH z. München f. d. Stud.j. 1900/01, 1901, Beil. 4, S. 1–4;
S. Günther, in: All. Ztg. (München) 104, 1901, Beil. 27, S. 1–3;
O. May, in: Vj.schr. d. Bayer. Landwirtsch.rates 6, 1901, S. 177–79;
B. Seyfert, in: Der Kulturtechniker 4, 1901, S. 48 f.;
Wbl. d. landwirtsch. Ver. in Bayern 91, 1901, S. 33;
Dt. Landwirtsch. Presse 28, 1901, S. 35 (P);
Bll. f. Zuckerrübenbau 8, 1901, S. 30 f.;
Chemiker-Ztg. 25, 1901, S. 59;
Die Gartenlaube 1901, 2. Beil. zu Nr. 4, S. 3 f. (P);
Österr. Landwirtsch. Wbl. 27, 1901, S. 13;
Zs. f. d. landwirtsch. Versuchswesen in Österr. 4, 1901, S. 121–23 (P);
H. H. Hitschmann, in: Wiener Landwirtsch. Ztg. 51, 1901, S. 278 u. 281 (P);
K. v. Fritsch, in: Leopoldina 37, 1901, S. 40 (W-Verz.);
A. Rindell, Forsch. auf d. Gebiete d. Agrikultur-Physik, Reg. z. Bd. 1–20, 1906 (W-Verz.);
V. Ortner, Prof. Dr. E. W.s Stud. über Bodenfeuchtigkeit u. ihre hygien. Bedeutung, 1923;
P. J. Zwerman u. G. R. Blake, An Index to „Forsch. auf d. Gebiete d. Agrikulturphysik“ (1878–98), in: Soil Science 86, 1958, S. 350–54 (W-Verz.);
H. Raum, Die akad. Lehrgestalten d. bayer. Landwirtsch., E. W., in: Bayer. Landwirtsch. Jb. 36, 1959, S. 744 f.;
ders., Aus d. bayer. Landwirtsch. um d. Jh.wende 1900, E. W. u. seine Agrikulturphysik, ebd. 48, 1971, S. 990–92;
O. Graff, Die Regenwurmfrage im 18. u. 19. Jh. u. d. Bedeutung Victor Hensens, in: Zs. f. Agrargesch. u. Agrarsoziol. 27, 1979, S. 232–43;
E. Ehlers, Bodenphysikal. Forsch. in d. BRD, in: Mitt. d. Dt. Bodenkundl. Ges. 38, 1983, S. 5–25;
E. Scheibmayr, Letzte Heimat, Persönlichkeiten in Münchner Friedhöfen 1784–1984, 1985, S. 278;
W. Böhm, E. W., Bahnbrecher f. e. neue Sicht d. Pflanzenbaus, 1996 (W-Verz., P);
Gerber, Persönlichkeiten Land- u. Forstwirtsch.;
Biogr. Hdb. Pflanzenbau;
Pogg. III, IV, VI;
BJ VI, S. 420–23 u. Tl.;
Lex. Naturwiss.;
DBE;
– Qu Archive d. Univ. Leipzig u. d. TU München. -
Author
Ekkehard Höxtermann -
Citation
Höxtermann, Ekkehard, "Wollny, Martin Ewald" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 488-490 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142967.html#ndbcontent