Lebensdaten
1725 – 1805
Geburtsort
Hamburg
Sterbeort
Hamburg
Beruf/Funktion
Hebraist ; Aufklärer ; Schriftsteller
Konfession
jüdisch
Namensvarianten
  • Wessely, Napthali Herz
  • Wessely, Napthali Hirz
  • Wessely, Naphtali Hartwig
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Zitierweise

Wessely, Naphtali, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz140961.html [27.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus ursprüngl. in Bar (Podolien) ansässiger Fam.;
    V Issachar Ber (Behrend) ( 1767), Großkaufm., Bürger in Kopenhagen, S d. Moses Joseph Reis-Wesel (um 1656–1736), aus Amsterdam, Kaufm., Gewehrfabr. in Glückstadt, u. d. Judith Gutle (s. Einl.);
    M Herz Beer;
    Ur-Gvv Joseph Hayyim Reis (um 1621–1702), aus Bar (Podolien), später in Dtld. u. in Amsterdam;
    Gvv Issachar Beer Rindskopf, aus Frankfurt/M. (s. Einl.);
    B Moses Behrend (s. 2), Aaron Behrend (um 1740–1812), Seiden- u. Tapetenfabr. in Berlin, Joseph;
    Kopenhagen 1768 Sara Gockisch ( 1785), T d. Mendel Pollak (Gockisch);
    S Emanuel (1774–1823), Schriftst., Zeichen- u. Sprachlehrer in Glückstadt, H. u. A., übersetzte Teile d. „Mosaide“ v. W. ins Deutsche (s. W, L), T Est(h)er (um 1774–1856, Eugène Gershon Schayé, um 1768, aus Brody, Galizien, später in Paris), Rachel ( 1804 Moses Meier [Maier], Dr., in H.).

  • Biographie

    W. erhielt eine säkulare und traditionelle jüd. Ausbildung. Er studierte in Kopenhagen Talmud an der Yeshiva des späteren Altonaer Oberrabbiners Jonathan Eybeschütz (1690–1764) und Hebräisch bei dem Wandergelehrten Salomon Hanau (1687–1746). 1755 war er als Buchhalter für das Berliner Geschäftshaus von Ephraim Veitel Ephraim (1729–1803) in Amsterdam tätig. Hier lernte W. die Welt der Portugiesen kennen, zu denen er sich zeitlebens besonders hingezogen fühlte. In Amsterdam verkehrte er v. a. mit den Portugiesen David Franco-Mendes (1713–92), Isaac Cohen Belinfante (1720–80) und den Aschkenasen David Wagenaar und Salomo Dubno (1738–1813). Wie groß sein Ansehen bei den Portugiesen und den Aschkenasen in Amsterdam war, zeigen die Approbationen, die die Oberrabbiner Saul Lowenstam (1717–90) und Salomo b. Jechiel Salem (um 1718–81) für seine hebr. Übersetzung der apokryphen Schrift „Hokhmat Shelomoh“ (Weisheit Salomos, Berlin 1780) verfaßten. Die Ets Haim Bibliothek in Amsterdam verwahrt ein Lobgedicht von Jacob Vita Israel auf W. (EH 47 C 08), und die portugies.-span. Gemeinde von London bot W. mehrfach den Posten eines Oberrabbiners an. Auf Veranlassung seines Vaters kehrte W. 1760 nach Kopenhagen zurück.

    W.s ausschließlich in hebr. Sprache verfaßtes Werk umfaßt poetische, sprachwissenschaftliche und exegetische Schriften, daneben zahlreiche Gelegenheitsgedichte. Seine ersten Arbeiten erschienen in Amsterdam. In seinem Werk „Gan Na’ul“ (Verschlossener Garten) (2 Bde., 1765 / 66) beschäftigte er sich mit der hebr. Sprache und der Auslegung einiger Bibelstellen.

    Nach dem Verlust seines Vermögens 1773 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten seiner Handelspartner arbeitete W. erneut in Berlin und in leitender Funktion für das Bankhaus Joseph Ephraims (1731–86), einem Bruder seines bisherigen Arbeitgebers Benjamin Veitel Ephraim (1742–1811). In Berlin schloß er sich dem Kreis der Maskilim (Aufklärer) um Moses Mendelssohn (1729–86), Daniel Itzig (1722–99), Marcus Herz (1747–1803), Marcus Elieser Bloch (1723–99) und David Friedländer (1775–1834) an. Nach dem Ausscheiden|Salomo Dubnos unterstützte W. den von ihm bewunderten Mendelssohn bei der Übersetzung der fünf Bücher Mose mit einem Kommentar zum dritten Buch und entwarf Konzepte für die 1778 in Berlin gegründete Jüd. Freischule, deren Lehrplan neben religiösen auch säkulare Fächer beinhaltete.

    In Berlin verfaßte W. mit seinem Pamphlet bzw. Sendschreiben „Divre shalom ve-Emet“ (Worte d. Wahrheit u. d. Friedens) (1782) die erste systematische Abhandlung über die moderne jüd. Erziehung, die 1782 von Friedländer ins Deutsche und 1783 von seinem „Freund und Gefährten“, dem ital. Rabbiner und Schriftsteller Elia (Eliyahu) Hayyim Morpurgo (um 1731 / 40–1830) teilweise übersetzt wurde (Discorsi ebraici di tolleranza e felicità). Diese Schrift, die erste ausführliche aufklärerische Reformschrift zur jüd. Erziehung, wurde von zahlreichen Rabbinern heftig bekämpft und als häretisch gebrandmarkt. Sie ist eine Antwort auf das 1781 verkündete Toleranzpatent Ks. Josephs II. (1741–90), mit dem dieser die gesetzliche Schulpflicht für jüd. Kinder, neben dem Unterricht in der Landessprache auch für weltliche Fächer wie Naturwissenschaften, Geschichte und Geographie, verbindlich einführte. W. vertrat zeitlebens die Auffassung, daß man das Kind zuerst zu einem guten Menschen erziehen solle, bevor man es im Religionsunterricht zur Frömmigkeit anleiten könne. In drei weiteren Sendschreiben (1782–84) verteidigte er seine Thesen gegen seine Kritiker. In seinem Kommentar „Jen Levanon“ (Wein d. Libanon) (Amsterdam 1759) konzipierte W. seine späteren Erziehungsvorstellungen.

    Um die „tote“ hebr. Sprache wieder aufleben zu lassen, forderte W. deren Lehre und Erforschung. Als Mitarbeiter der von dem Aufklärer Isaak Abraham Euchel (1756–1804) herausgegebenen Zeitschrift „Me’assef“ (Der Sammler) unterstützte er die Aufklärungsbewegungen im dt. und österr. Judentum. W., neben Moses Mendelssohn der bekannteste Maskil der ersten Phase der Haskala (Aufklärung), war aber trotz seiner aufklärerischen Hinwendung ein zutiefst religiöser Jude.

    Als W.s Hauptwerk gilt trotz literarischer Schwächen seine hebr. Schrift „Die Mosaide“ (1789), ein Heldenepos nach dem Vorbild der Psalmenparaphrase des Abraham ha-Kohen über das Leben des biblischen Moses. Es wurde zu einem Bestseller der hebr. Dichtung, brachte ihm aber auch den Spottnamen „hebr. Klopstock“ ein. Dieses Werk, das von Wilhelm Friedrich Hufnagel (1754–1830), Johann Joachim Spalding (1714–1804) und W.s Sohn Emanuel in Auszügen übersetzt wurde (2 Hh., 1806), subskribierten zahlreiche Hamburger Portugiesen. 1804 übersiedelte W. mit seiner Tochter Rachel anläßlich ihrer Heirat mit Dr. Moses Maier nach Hamburg. Bei W.s Beerdigung hielt Abraham Meldola (1754–1826) eine Trauerrede zur Erinnerung an die „hervorragenden Talente des Verstorbenen“ (Protokollbuch d. Portugies. Gde.). Das hebr. Grabgedicht auf seinen Grabstein stammt aus einem Lobgedicht von Joseph Franco Serrano (1652–92) für den Amsterdamer Rabbiner Isaac Uziel ( 1622).

  • Werke

    Weitere W Masechet avot’im perush jen Levanon, 1775;
    Sefer Hokhmat Shelomoh, 1780;
    Sefer haMidot, 1786;
    Shire Tiferet, 6 T., 1789–1829;
    Olelot Naftali, hg. v. Salomon Naphtali Wessely, 1842.

  • Literatur

    L A. Meldola, Trauerrede auf N. H. W. (hebr.-dt.), 1805;
    M. Bondi, Btr. z. Gesch. d. Herkunft d. Gelehrten H. W., in: Sulamith 5, 1827, H. 1, S. 94–99;
    E. Carmoly, W. et ses écrits, 1829;
    W. A. Meisel, Leben u. Wirken N. H. W.s, 1841;
    Ch. L. Ozer, N. H. W., A Study of the Educator and Poet, 1944;
    A. Yaari, Studies in Hebrew Booklore, 1958, S. 250 f.;
    J. Allerhand, H. W., Das Portrait e. hebr. Aufklärers, in: Kairos 14, 1972, S. 98–109;
    M. Pelli, N. H. W., Moderation in Transition, in: Hebrew Studies 19, 1978, S. 43–55;
    B. L. Behm, Moses Mendelssohn d. Transformation d. jüd. Erziehung in Berlin, 2002;
    M. Kümper, Interkulturelle Begegnung u. innerjüd. Diskurs in d. Epoche d. „Haskala“ am Bsp. N. H. W.s (1725–1805) päd. Manifest „Divrei Shalom veEmet“ (1782), in: Y. Schwartz u. V. Krech (Hg.), Religious Apologetics, 2004, S. 439–58;
    A. Schatz, Sprache in d. Zerstreuung, Die Säkularisierung d. Hebräischen im 18. Jh., 2007;
    D. Sadowski, „Ha-Me’assef“, in: Enz. Jüd. Gesch. u. Kultur, hg. v. D. Diner, Bd. 2, 2012, S. 532–34;
    Sh. Feiner, „Haskala“, ebd., S. 544–54;
    I. Lohmann u. a. (Hg.), N. H. W., „Worte d. Friedens u. d. Wahrheit“, 2014.

  • Porträts

    P Kupf. v. G. D. Berger, 1791 (Österr. Nat.bibl., Bildarchiv Austria).

  • Zitierweise

    Studemund-Halévy, Michael, "Wessely, Naphtali" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 887-888 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz140961.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA