Lebensdaten
erwähnt 18. – 20. Jahrhundert
Beruf/Funktion
Unternehmer
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Voith

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Zitierweise

Voith, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz137378.html [26.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Johann Matthäus (1803–74), Sohn von Schlossermeister Johannes (1773–1825) und Anna Ursula Moser (1770–1833), ging 1821 auf Wanderschaft mit Stationen in Stuttgart, Berlin und Guben. 1825 übernahm er die Schlosserei des Vaters mit fünf Gesellen. Neben dem klassischen Schlossergeschäft begann er unter dem Namen „Mechanicus Voith“ Maschinen weiterzuentwickeln und neue zu konstruieren, darunter Spinnmaschinen, eine Kunstwollmaschine, Reißwölfe und Druckmaschinen. 1830 baute er mit Johann Widmann (1799–1876) eine Papiermaschine, seit 1848 auch Maschinen zur Papierherstellung in Zusammenarbeit mit dem Heidenheimer Papierfabrikanten Heinrich Voelter (1817–87). 1855 erhielt er als einer von fünf württ. Schlossern von der „Württ. Zentralstelle für Gewerbe und Handel“ ein Reisestipendium zur Weltausstellung in Paris, wo er wichtige unternehmerische und technologische Impulse erhielt. 1859 entwickelte er eine auf dem Verfahren von Friedrich Gottlob Keller (1816–95) basierende Holzschleifmaschine, die einen Feinschliff des Holzes und damit eine qualitativ hochwertige und kostengünstige Papierherstellung ermöglichte. Johann Matthäus heiratete 1833 Johanna Catharina Mundigel (1813–66), Tochter eines Metzgermeisters aus Heidenheim; das Paar hatte vier Kinder. Die älteste Tochter Johanna Katharina (1834–57) heiratete 1856 den Papierfabrikanten Albert Julius Niethammer (1833–1908, s. NDB 19) in Kriebstein (Sachsen).

    Johann Matthäus’ Sohn Friedrich (1840–1913) besuchte die Vereinigte Latein- und Realschule in Heidenheim. Es folgte seit 1853 eine Ausbildung in der Schlosserei des Vaters und 1855–59 das Studium am Polytechnikum in Stuttgart. Hier lernte er Gottlieb Daimler (1834–1900) kennen, mit dem er zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb. Seit 1859 arbeitete Friedrich bei „Escher, Wyss & Cie.“ in Ravensburg, 1861 in Voelters Papierfabrik in Heidenheim, 1863 bei „Henschel & Sohn“ in Kassel. 1864 trat er in den Betrieb des Vaters ein und übernahm 1867 die väterliche Maschinenfabrik, jetzt „J. M. Voith“, mit 35 Beschäftigten. Dieses Jahr gilt als offizielles Gründungsjahr des Voith-Konzerns. Friedrich war in erster Ehe verheiratet mit Adelheid Clara Sophie (1847–68), einer Tochter des Heidenheimer Textilfabrikanten Paul Hartmann (1812–84), aus der zweiten, 1871 geschlossenen Ehe mit Helene Margarethe Crusius (1848–1932) aus Kötzschenbroda (Sachsen) hatte er sieben Kinder.

    1869 erhielt Friedrich das erste Patent der Firmengeschichte für den 1859 von Johann Matthäus entwickelten Holzschleifer, für den die Firma 1873 auf der Weltausstellung in Wien die Fortschrittsmedaille bekam. Seit 1870 fertigte er Henschel-Jonval-Turbinen, seit 1873 Francis-Turbinen, 1879 entwickelte er den ersten Turbinenregler. 1881 wurde die erste komplette Voith-Papiermaschine ausgeliefert. 1903 beschäftigte die Firma in Heidenheim ca. 1000 Arbeiter. Im selben Jahr gründete Friedrich die erste Auslandsniederlassung in St. Pölten (Niederösterr.) und erhielt von der kanad. „Hamilton Cataract Power Light & Traction Co.“ den Auftrag über die Lieferung von zwölf Francis-Zwillingsturbinen für ein Wasserkraftwerk an den Niagarafällen, die mit je 12000 PS die leistungsstärksten ihrer Zeit waren. 1906 schloß die Firma einen Vertrag über die Lieferung von Turbinen für das erste chin. Wasserkraftwerk Shi Long Ba (Prov. Yunnan). Mit dem Bau einer modernen Turbinenversuchsanstalt in der Brunnenmühle (Heidenheim) 1908 verstärkte Friedrich Forschung und Entwicklung. Damit entstand hier das erste Pumpspeicherwerk Deutschlands. 1910 gründete Friedrich die erste Lehrwerkstatt von Voith. 1912 wandelte er das Unternehmen in eine OHG um und übertrug Geschäftsanteile an seine beiden älteren Söhne.

    Nach dem Tod Friedrichs übernahmen seine drei Söhne Walther (1874–1947), Hermann (1878–1942) und Hanns (Johann Matthäus) (1885–1971) gemeinsam die Leitung des Unternehmens mit inzwischen 3000 Mitarbeitern.

    Walther studierte an der TH Stuttgart Maschinenbau (Dr.-Ing.), arbeitete als Ingenieur bei AEG in Berlin und den USA und übernahm|1903 das Zweigwerk in St. Pölten, das er bis 1944 leitete. Er nahm Basistechnologien wie die Kaplan-Turbine (1922), den Schiffsantrieb Voith Schneider Propeller (1927), der eine Weiterentwicklung der Erfindung von Ernst Schneider (1894–1975) darstellte, sowie weiterentwickelte Turbogetriebe nach dem Prinzip von Hermann Föttinger (1877–1945) für Schienenfahrzeuge (1929) in das Voith-Portfolio auf. Walther (NSDAP-Mitgl. 1938) war mit der Dt.-Amerikanerin Thea Charlotte Adelheid Meurer (1893–1964) verheiratet.

    Hermann studierte in Tübingen, Straßburg, Kiel und Heidelberg Rechtswissenschaften (1903 Dr. iur. in Heidelberg). Seit 1906 in der Geschäftsführung des väterlichen Unternehmens, übernahm er 1913 die kaufmännische Leitung der Firma (NSDAP-Mitgl. 1941). Er war verheiratet mit der Belgierin Maria Franc¸oise Plisnier (1893–1967).

    Hanns besuchte die Lateinschule in Heidenheim, seit 1899 das Realgymnasium in Stuttgart und absolvierte ein Ingenieurstudium an den TH Dresden und Karlsruhe. Seit 1913 war er dritter Teilhaber und technischer Leiter der Firma.

    Mit Kriegsbeginn 1939 kam das Auslandsgeschäft zum Erliegen, die Gesamtproduktion, v. a. beim Papiermaschinenbau, verringerte sich drastisch, die Kernprodukte wurden jedoch weiter hergestellt. Die Firma war Teil der NS-Kriegswirtschaft. Nach dem Tod Hermanns übernahm Hanns 1942 die Gesamtleitung des Heidenheimer Werks, nach dem Tod Walthers 1947 die alleinige Leitung des gesamten Unternehmens. 1950 wandelte er „J. M. Voith“ in eine GmbH um und beschäftigte nach wenigen Jahren wieder 4000 Mitarbeiter. Seit 1952 wurde das Unternehmen durch die Entwicklung der Drei-Wandler-Getriebe für mehrteilige Ferntriebwagen und des Diwabus-Getriebes sowie weitere Neuerungen wie hydrodynamische Bremsen (Retarder) wieder technisch führend. 1953 erreichte die Entwicklung und Konstruktion von Papiermaschinen einen neuen Höhepunkt: Für die „Feldmühle AG“ produzierte „J. M. Voith“ die schnellste Zeitungsdruck-Papiermaschine Europas, die mit einer Geschwindigkeit von 600 m/ min die Produktionsleistung von 200 t Zeitungspapier pro Tag erreichte, 1966 wurde die damals größte Zeitungsdruckpapiermaschine der Welt in Schweden aufgestellt.

    1956 eröffnete „J. M. Voith“ ein Zweigwerk in Crailsheim und produzierte dort Turbokupplungen, im selben Jahr wurden erstmals Turbogetriebe in die USA exportiert. 1957 wurde Hugo Rupf (1908–2000) erster familienfremder Geschäftsführer neben Hanns. Auf der Weltausstellung in Brüssel erhielt „J. M. Voith“ 1958 eine Goldmedaille für die ersten Turbogetriebe für dieselhydraulische Lokomotiven der Dt. Bundesbahn. 1963 wurde in Garching bei München ein Zweigwerk und 1964 in São Paulo (Brasilien) die erste Niederlassung in Übersee errichtet. „J. M. Voith“ gehörte zu den Pionieren des Papier-Recyclings und entwickelte zusammen mit den Papierfabriken Palm und Haindl 1960 ein neues Flotations-Deinking-Verfahren zur Gewinnung von Papierfaserstoff aus Altpapier. Hanns gründete direkt nach dem 2. Weltkrieg mit seiner Frau Lore die Freie Waldorfschule in Heidenheim und 1963 die „Hanns-Voith-Stiftung“ zur finanziellen Unterstützung bedürftiger Studenten. Nach seinem Tod 1971 lenkte Hugo Rupf das Unternehmen, bis 1973 als Vorsitzender der Geschäftsführung, 1973–83 als Vorsitzender des Aufsichtsrats. Anfang der 1990er Jahre führten Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Familie über die Entwicklung des Unternehmens zu dessen Teilung. Die Erben Hermanns erhielten den Großteil der Finanzbeteiligungen und den Unternehmensbereich Werkzeugmaschinenbau „Dörries Scharmann“, die Erben von Hanns behielten in der „Voith GmbH“ die Stammgeschäfte Papiermaschinen, Antriebstechnik, Turbinen- und Schiffstechnik.

    Heute bedient der Voith-Konzern mit führenden Technologien und Dienstleistungen die Märkte Energie, Öl und Gas, Papier, Rohstoffe, Transport und Automotive, ist zu 100 % im Besitz der Familie von Hanns und beschäftigt in 50 Ländern mehr als 40000 Mitarbeiter.

  • Auszeichnungen

    |zu Friedrich: Mitgl. d. Bürgerausschusses (1885–1908) u. d. Handelskammer Heidenheim;
    württ. KR (1890), GKR (1905);
    Ehrenbürger d. Stadt Heidenheim (1908);
    Dr.-Ing. E. h. (TH Berlin-Charlottenburg 1906);
    Kommandeurskreuz d. österr. Franz-Joseph-Ordens (1909);
    Rr.kreuz (1910) u. Ehrenkreuz (1913) mit persönl. Adel d. Ordens d. württ. Krone;
    zu Walther: Dr.-Ing. E. h. (TH Darmstadt 1922);
    zu Hanns: Dr.-Ing. E. h. (TH Stuttgart 1929);
    Dr. rer. pol. h. c. (TH Darmstadt);
    Ehrenbürger d. TH Stuttgart (1953);
    BVK u. Gr. BVK mit Stern (1960);
    Ehrenbürger d. Stadt Heidenheim.

  • Werke

    |zu Hanns: Im Gang d. Zeiten, 1980 (Autobiogr.);
    Qu Wirtsch.archiv Baden-Württ.

  • Literatur

    |P. Gehring, Johann Matthäus V. (1803–1874) u. Friedrich V. (1840–1913), in: Lb. Schwaben V, 1950, S. 293–313 (Qu, L, P);
    M. Krüger, Heidenheim, Die Stadt u. ihre Ind. im 19. Jh., 1984;
    B. Jürgens u. W. Fork, Faszination Voith-Schneider-Propeller, 2002;
    A. Nieberding, Untern.kultur im Ks.reich, Die Gießerei J. M. Voith u. d. Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., 2003;
    Voith (Hg.), Die Voith Gesch., 2013 (P).

  • Autor/in

    Maria Schimke
  • Zitierweise

    Schimke, Maria, "Voith" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 77-79 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz137378.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA