Lebensdaten
1890 – 1980
Geburtsort
Innsbruck
Sterbeort
Innsbruck
Beruf/Funktion
Jurist ; Völkerrechtler ; Rechtsphilosoph
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11862654X | OGND | VIAF: 108580972
Namensvarianten
  • Verdross, Alfred von (1911-1919)
  • Verdross Edler von Drossberg, Alfred
  • Verdross-Drossberg, Alfred von
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Verdross, Alfred (bis 1911 und seit 1919), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11862654X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus Fam. in Mals (Vinschgau), d. 1681 e. Wappenbrief erhielt;
    V Ignaz (1851–1931, österr. Adel 1911 mit Prädikat „Edler v. Drossberg“), Gen. d. Inf., Kdt. d. 8. Inf.truppendiv. (seit 1917 Ks.jäger) u. d. 14. Armeecorps (s. L);
    M Edda Schleicher, T e. Arztes in Wien;
    B u. a. Ernst (* 1892), Magistratsdir. in Hall (Tirol), HR;
    1) 1917 Elisabeth Maurocordato (1896–1952), 2) 1953 Gertrude Eder, geb. Kren;
    3 T aus 1) Christl (* 1918), Lucia (Taufname: Dorothea) (* 1921), Dr. phil., Benediktinerin, Sprachlehrerin, Übers. (s. L), Edith (* 1934, N. N. Kaufmann, Arzt in I.); Verwandte Josef Anton V. (1759–1828), österr. Hptm., Weinschreiber in Laatsch (Vinschgau), Nikolaus Thomas V., 1809 Pulver- u. Bleilieferant in Meran, Anton Dominik V., 1781–83 Bgm. v. Meran, Josef V. (1810–77), österr. Hptm.

  • Biographie

    V. besuchte Gymnasien in Rovereto und Brixen (Abitur 1908) und studierte dann Rechtswissenschaften in Wien, wo er 1913 zum Doktor der Rechts- und Staatswissenschaften promoviert wurde und auch Hans Kelsen (1881–1973) hörte. 1916 legte er die Richteramtsprüfung ab und versah in der Folge seinen Kriegsdienst als Oberleutnant-Auditor am Obersten Militärgerichtshof in Wien. Noch vor Kriegsende wechselte er in die staats- und völkerrechtliche Abteilung des Außenministeriums. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Monarchie wurde er als Legationssekretär an die österr. Gesandtschaft in Berlin versetzt und war dort bis Ende 1920 tätig; er nahm als Sachverständiger an den Beratungen zur Ausarbeitung der dt. Reichsverfassung 1918/19 teil. Anschließend nach Wien zurückgekehrt, arbeitete V. in der Rechtssektion des Außenministeriums.

    1921 habilitierte sich V. an der Wiener Juristischen Fakultät mit der Arbeit „Die völkerrechtswidrige Kriegshandlung und der Strafanspruch der Staaten“ (1920) für Völkerrecht, unterrichtete in der Folge aber auch Rechtsphilosophie und Internationales Privatrecht. Seit 1922 war er als nebenberuflicher Professor an der Konsularakademie in Wien tätig, 1924 wurde er an der Univ. Wien zum ao., 1925 zum o. Professor ernannt (Dekan 1931–33, 1946/47, 1958/59, Rektor 1951/53, em. 1960). 1926–29 war V. Ersatzmitglied des österr. Verfassungsgerichtshofs. Zwischen 1927 und 1935 hielt er vier Vorlesungen an der Haager Akademie für Internationales Recht, deren Kuratorium er 1931–38 als Nachfolger Leo Strisowers (1857–1931) angehörte. 1928 wurde V. Mitherausgeber der „Oesterreichischen Zeitschrift für öffentliches Recht“. Den Ruf auf den Lehrstuhl für Völkerrecht in München 1932 lehnte er ebenso ab wie das Angebot Engelbert Dollfuß’, nach dem Staatsstreich vom 4. 3. 1933 das österr. Justizministerium zu übernehmen.

    Im Juni 1938 wurde V. durch die nationalsozialistischen Machthaber von seiner Lehrtätigkeit suspendiert, 1939 in das Lehramt für Völkerrecht wiedereingesetzt, während ihm die Lehrbefugnis für Rechtsphilosophie entzogen blieb. Während des 2. Weltkriegs wurde V. zum Dienst als Ersatzrichter am Oberprisenhof Berlin verpflichtet. Nach 1945 nahm er seine Lehre, auch der Rechtsphilosophie, an der Univ. Wien wieder auf. Seit 1950 war er Mitglied der Schweizer.-Luxemburg., seit 1951 der Österr.-Schweizer. und seit 1955 der Belg.-Schwed. Vergleichskommission, 1957 wurde er zum Mitglied des Ständigen Haager Schiedshofs, 1958 zum Richter am Europ. Gerichtshof für Menschenrechte ernannt (bis 1976). Das Angebot, als Kandidat der ÖVP und FPÖ für die Wahl des österr. Bundespräsidenten 1957 aufgestellt zu werden, lehnte er ab. 1957–66 war V. Mitglied der International Law Commission der Vereinten Nationen. 1961 hatte er den Vorsitz|der Wiener Konferenz über das Recht der diplomatischen Beziehungen inne; 1969–72 den Vorsitz in einem dt.-österr. Schiedsverfahren zum Bad Kreuznacher Abkommen, dem 1962 geschlossenen Vertrag zwischen Österreich und Deutschland zur Regelung von Schäden der Vertriebenen, Umsiedler und Verfolgten.

    V. darf als der bedeutendste österr. Völkerrechtsgelehrte des 20. Jh. gelten. Ursprünglich von der positivistischen Rechtsphilosophie Kelsens beeinflußt, wandte er sich als einer der Hauptvertreter der „Wiener Schule der Rechtstheorie“ (neben Kelsen u. Adolf Merkl) in seinen rechtsphilosophischen Schriften bald einer materialen Konzeption des Rechts zu, nämlich der kath. Naturrechtslehre, v. a. in deren Ausprägung durch die Spätscholastik (Schule v. Salamanca, Francisco de Vitoria, Franzisco Suárez). Während dieser naturrechtlich geprägten Rechtsphilosophie größere Anerkennung versagt blieb, gelang es V., auf dieser Grundlage und geprägt von der theoretischen Klarheit der „Wiener Schule“, ein geschlossenes System des positiven, einerseits in seinem Wertedenken, andererseits in der Staatenpraxis verankerten Völkerrechts aufzubauen, das bis heute weltweite Anerkennung erfährt (Völkerrecht, 1937, ⁵1964, span. 1969, russ. 1969). Schüler V.s waren u. a. Stephan Verosta (1909–98) und Karl Zemanek (* 1929).

  • Auszeichnungen

    A Mitgl. d. Inst. de droit internat. (1928, Präs. 1959–61);
    Komturkreuz d. griech. Phönixordens (1935);
    Mitgl. d. Österr. Ak. d. Wiss. (korr. 1937, o. 1950);
    Ehrenmitgl. d. American Soc. of Internat. Law (1953);
    Gr. Silbernes Ehrenzeichen d. Rep. Österr. (1954);
    Großkreuz d. päpstl. Rr.ordens d. hl. Gregor d. Gr. (1958);
    Österr. Ehrenzeichen f. Wiss. u. Kunst (1959);
    Ehrenring d. Stadt Wien (1960);
    Preis d. Stadt Wien f. Geisteswiss. (1967);
    Mitgl. d. Ac. mexicana del Derecho Internacional (1967);
    Gr. BVK mit Stern (1969);
    Goldenes Komturkreuz d. Ehrenzeichens f. Verdienste um d. Bundesland Niederösterr. (1975);
    Internat. Antonio-Feltrinelli-Preis (1975);
    Gr. Goldenes Ehrenzeichen mit d. Stern f. Verdienste um d. Rep. Österr. (1980);
    Ehrendoktorwürden österr., u. a. Dr. phil. h. c. (Salzburg 1967), u. ausländ. Univ.

  • Werke

    W Reichsrecht u. internat. Recht, Eine Lanze f. Art. 3 d. Reg.entwurfes d. dt. Vfg., in: DJZ 24, 1919, S. 291–93;
    Die Einheit d. rechtl. Weltbildes auf d. Grundlage d. Völkerrechtsvfg., 1923;
    Die Vfg. d. Völkerrechtsgemeinschaft, 1926;
    Le fondement du droit internat., in: Recueil des Cours de l’-Ac. de droit internat. 16, 1927 I, S. 251–323;
    Les règles générales du droit internat. de la paix, ebd. 30, 1929 V, S. 275–517;
    Les règles internat. concernant le traitement des étrangers, ebd. 37, 1931 III, S. 327–412;
    Les principes généraux du droit dans la jurisprudence internat., ebd. 52, 1935 II, S. 195–251;
    Les principes généraux de droit comme source du droit des gens, in: Annuaire de l’-Inst. de droit internat. 37, 1932, S. 283–98 u. 320–28;
    Anfechtbare u. nichtige Staatsverträge, in: Zs. f. öff. Recht 15, 1935, S. 289–99;
    Forbidden Treaties in Internat. Law, in: American Journ. of Internat. Law 31, 1937, S. 571–77;
    Jus Dispositivum and Jus Cogens in Internat. Law, ebd. 60, 1966, S. 55–63;
    Territoriale Souveränität u. Gebietshoheit, in: Jus Gentium 1, 1949, S. 247–53;
    Die Wertgrundlagen d. Völkerrechts, in: Archiv d. Völkerrechts 4, 1953, S. 129–39;
    Zum Problem d. völkerrechtl. Grundnorm, in: Rechtsfragen d. internat. Organisation, FS f. Hans Wehberg z. seinem 70. Geb.tag, hg. v. W. Schätzel u. H. J. Schlochauer, 1956, S. 385–94;
    Abendländ. Rechtsphilos., Ihre Grundlagen u. Hauptprobleme in geschichtl. Schau, 1958, ²1963;
    Die normative Verknüpfung v. Völkerrecht u. staatl. Recht, in: M. Imboden u. a. (Hg.), FS f. Adolf Merkl, 1970, S. 425–38;
    Statisches u. dynam. Naturrecht, 1971;
    Die Qu. d. universellen Völkerrechts, 1973;
    Universelles Völkerrecht, Theorie u. Praxis, 1976, ³1984 (mit B. Simma); vollst. W-Verz. in: Europ. Journ. of Internat. Law 6, 1995, S. 104–15; autobiograph. Skizze in: N. Grass (Hg.), Österr. Rechts- u. Staatswiss. d. Gegenwart in Selbstdarst., 1952, S. 201 ff.

  • Literatur

    L S. Verosta, in F. A. Frhr. v. d. Heydte u. a. (Hg.), Völkerrecht u. rechtl. Weltbild, FS f. A. V., 1960, S. 5–30;
    E. Mock, Die Erschließung d. materialen Rechtsphilos. durch A. V., in: H. Miehsler u. a. (Hg.), Ius Humanitatis, FS z. 90. Geb.tag v. A. V., 1980, S. 9–22 (W, P);
    B. Simma, Der Btr. v. A. V. z. Entwicklung d. Völkerrechtswiss., ebd., S. 23–53;
    H. F. Köck, Leben u. Werk d. österr. Rechtsgel. A. V., in: Zs. f. öff. Recht 42, 1991, S. 31–57;
    ders., A. V., Ein österr. Rechtsgel. v. internat. Bedeutung, 1991;
    B. Simma, A. V. (1890–1980), Biogr. Note with Bibliogr., in: Europ. Journ. of Internat. Law 6, 1995, S. 103–15;
    ders., in: Staatsrechtslehrer 20. Jh., S. 338–50 (W, P);
    I. Seidl-Hohenveldern, Recollections of A. V., ebd., S. 98–102;
    M. Stolleis, Gesch. d. öff. Rechts in Dtld., Bd. 3, 1999, bes. S. 399;
    A. Brodherr, A. V.s Theorie d. gemäßigten Monismus, 2005;
    J. Busch, V. im Gefüge d. Wiener Völkerrechtswiss. vor u. n. 1938, in: F.-S. Meissel u. a. (Hg.), Vertriebenes Recht, Vertreibendes Recht, Zur Gesch. d. Wiener Rechts- u. Staatswiss. Fak. zw. 1938 u. 1945, 2012, S. 139–69;
    zu Ignaz: J. Seelos, Gen. V., 1957 (P); – zu Lucia: Bibliogr. d. dt.sprachigen Benediktiner 1880–1980, 1985–87.

  • Autor/in

    Bruno Simma
  • Zitierweise

    Simma, Bruno, "Verdross, Alfred" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 757-758 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11862654X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA