Lebensdaten
erwähnt 12. – 20. Jahrhundert
Beruf/Funktion
Adelsfamilie in Tirol, Böhmen und Mähren
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 121312240 | OGND | VIAF: 47614851
Namensvarianten
  • Thun und Hohenstein, Grafen von (seit 1629)
  • Thun-Hohenstein, Grafen von (seit 1629)
  • Thunn
  • mehr

Quellen(nachweise)

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Thun, Freiherren von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd121312240.html [26.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Die im Namensstamm (Thun, Thunn, Ton, Tono, Thuno) seit dem späten 12. Jh. nachweisbare Familie stammt aus dem (Süd-)Tiroler Nonstal. Als niedere Ministerialen bzw. Dienst- und Lehensleute der (reichsunmittelbaren) Trientiner Bischöfe erlangten ihre Angehörigen durch geglückte Heiratspolitik zunächst lokale Bedeutung. Damit waren sie in die bewegte hoch- und spätmittelalterliche Phase der Tiroler Landwerdung involviert, zumeist an der Seite der die Trientiner Vogtei innehabenden Grafen von Tirol.

    Die Übertragung des Landesfürstentitels an das Haus Österreich 1363 steigerte die Bedeutung der T. beinahe schlagartig: Sie stellten seitdem zahlreiche bischöflich-trientinische Amtsträger, die gemäß der „Tridentiner Kompaktate“ von 1363/65 im Einvernehmen mit dem Landesfürsten bestellt wurden. Zunehmend finden sich mehr und mehr T. in immer wichtigeren landesfürstlichen und später auch kaiserlichen Ämtern: Mit den Erhebungen in das Trientiner bzw. Brixener Mundschenkenamt (1448 bzw. 1558), der Teilnahme am Tiroler Landtag (etwa seit 1475) und der Ernennung des kinderlosen Sebastian ( 1497) in den erblichen Reichspanierherrenstand (1495) erreichte die durch Heiratsverbindungen fest im Tiroler Adel integrierte Familie erste Höhepunkte.

    1522 teilte sich die Familie im Namensstamm in drei Äste, von denen „Castell Thunn“ und „Castell Bragher/Brughier“ bis heute bestehen. Letzterem entsprangen wiederum vier Tiroler Äste (von denen „Castelfondo“ noch besteht) und die für die Neuzeit bedeutende böhm. Linie. Alle Linien blieben lange Zeit formell und v. a. informell miteinander verbunden und korrespondierten miteinander in ital. Sprache.

    Zu Beginn des 15. Jh. finden sich Vigil (1335/39–1408/18), Simeon IV. ( 1418/20), Jakob I. ( 1424), Balthasar (um 1381–v. 1529) und Erasmus ( 1451) unter den Angehörigen des 1407 gebildeten Tiroler Ständebundes an der Etsch (Falkenbund). Teilweise waren T.s an der Niederschlagung der Bauernaufstände im frühen 16. Jh. aktiv beteiligt, so der Hauptmann von Trient, Christof (1469–1528), und dessen Bruder Bernhard (Bernardin) (1466–1539).

    Seit dem 16. Jh. legten die T. zunehmend Wert auf gelehrte Bildung. Entsprechend findet man sie als Hörer in verschiedenen europ. Universitäten und auf Karrierewegen, die weit|über den Tiroler Wirkungskreis hinausführten. Die streng kath. und dem Haus Österreich verbundenen T. fanden sich bald (bis ins 19. Jh.) unter den ksl. Feldherren, Gesandten und sonstigen hohen Amtsträgern; als hohe und höchste geistliche Würdenträger auch innerhalb der Reichskirche festigten und steigerten sie das Ansehen und auch die materielle Stellung der Familie. Entscheidend war der Zeitraum seit dem späten 16. Jh.: Der Jurist Sigmund (1487–1569), der es zum ksl. Geheimen Rat und Kämmerer brachte, wirkte als ksl. Orator beim Konzil zu Trient. Der mit den männlichen Angehörigen aller Familienäste 1604 in den erblichen Reichsfreiherrenstand und 1629 in den erblichen Reichsgrafenstand erhobene Christoph Simon (1582–1635) erwarb sich im „langen Türkenkrieg“ militärische Verdienste und kämpfte auch im 30jährigen Krieg auf ksl. Seite, bis er den Folgen einer in der Schlacht von Nördlingen erlittenen Verletzung erlag. Als Geheimer Rat, Kämmerer und Obersthofmeister Kg. Ferdinands III. sowie als Großprior des Johanniterordens in Ungarn häufte er ein enormes Vermögen an, aus dem er u. a. den Jesuiten testamentarisch erhebliche Beträge vermachte. Zwischen 1623 und 1630 erwarb er aus den ehemaligen Besitzungen böhm. adeliger Exulanten umfangreiche Herrschaften in Nordböhmen, aus denen die drei Familienfideikommisse Klösterle, Tetschen und Choltic gestiftet wurden, die bis ins 18. Jh. in einer Hand vereinigt blieben. Dazu kam die Linie „Ronsperg-Benatek“. Pfandweise erwarb Christoph Simon zudem von Ks. Ferdinand II. 1628 die Reichsgfsch. Hohenstein in Thüringen und den damit verbundenen Grafentitel. Die Herrschaft selbst konnte allerdings nicht angetreten werden und ging den T. bis auf den zugehörigen Titel verloren.

    Alle Erwerbungen vermachte der als Malteser Großprior unverheiratet Gebliebene zu gleichen Teilen seinem älteren Bruder Georg Sigmund (1573–1651) und dem Sohn des bereits in Böhmen verstorbenen ältesten Bruders Johann Cyprian (1569–1630), Johann Siegmund (1594–1646). Ergebnis des hieraus resultierenden langjährigen Erbschaftsprozesses war die Spaltung der Linie Castell Bragher/Brughier in einen Tiroler und einen böhm. Ast, wobei alle Äste die Namenserweiterung „Thun und (bzw. -)Hohenstein“ übernahmen.

    Die Verankerung der Familie in der Reichskirche (und die damit verbundenen Präbenden) mit insgesamt elf Fürsterzbischöfen und einer großen Anzahl von Zugehörigkeiten zu Domkapiteln (sowie einer Reihe von sonstigen Bischofswürden) trug entscheidend zur Festigung der Stellung und des Ansehens der T. bei: Die Linie Castell Thunn konnte seit der Mitte des 16. Jh. eine große Anzahl von Angehörigen auf diese Weise (bzw. auch durch Eintritt in Klöster) standesgemäß versorgen und stellte mit Sigmund Alfons (1621–77, s. Gatz II) erstmals 1663 bzw. 1668 den (kumulierten) Fürstbischof von Brixen und Trient. Die Trientiner Bischofswürde erhielten 1730 bzw. 1776 auch Anton Dominik(us) (1686–1758, s. Gatz II) bzw. Peter Michael Vigil (1724–1800, s. Gatz II). Die Linie stellte mit Thomas Johann (1737–96, s. Gatz II) 1795 noch einen Passauer Kirchenfürsten, dem 1796 mit Leopold Leon(h)ard Raimund Josef (1748–1826, s. NDB 14; Gatz I) ein Angehöriger der böhm. Linie im Amt nachfolgte. Für diese hatte die Verankerung in der Reichskirche eine ganz besondere Bedeutung, zumal ihre Fortexistenz am Ende des 30jährigen Krieges überaus bedroht schien. Sie stellte u. a. mit Guidobald (1616–68, s. Gatz II) und Johann Ernst (1643–1709, s. Gatz II) ab 1654 bzw. 1687 zwei Salzburger Fürsterzbischöfe und mit Wenzel (1629–73, s. Gatz II) und Leopold ab 1664 bzw. 1796 zwei Passauer Fürstbischöfe. Ihnen sind noch Josef Maria (1713–63, s. NDB X; Gatz II) und Emanuel Maria (1763–1818, s. Gatz I) aus der Linie Castell Bragher hinzuzufügen, die 1761 bzw. 1800 die Passauer bzw. Trientiner Bischofswürde übertragen bekamen.

    Die Zugehörigkeit vieler T. zum Sternkreuzorden bzw. – als Profeßritter – zum Malteser- und zum Johanniter-Ritterorden, sowie die nahezu allen männlichen T. übertragene Kämmererwürde und die große Anzahl von Stiftsdamen unterstreichen ihre enge Integration in den österr. Hofadel bzw. die Hocharistokratie, die auch durch ein engmaschiges Geflecht entsprechender Heiratsverbindungen zum Ausdruck kommt.

    Bereits im 17. Jh. stellten die T. drei böhm. Statthalter, nach 1848 folgten mit Leopold (Leo) (s. 1) und Franz (s. 2) als böhm. und einem mähr. Statthalter, sowie zwei Landespräsidenten von Salzburg weitere höchste landesfürstliche und ksl. Amtsträger. Die beiden Genannten spielten als Kultusminister bzw. Ministerpräsident eine wichtige Rolle. Einzelne T. bewährten sich als Gesandte und Diplomaten, u. a. der Botschafter Friedrich Franz Josef (1810–81). Zu erwähnen ist auch die Übertragung einzelner höfischer bzw. landständischer Ämter. Einige T. gehörten den ständischen und den „modernen“ Landtagen sowie dem Abgeordneten- als auch dem Herrenhaus an und standen sich z. T. in führender Stellung in gegnerischen Parteien|einander gegenüber (um 1900: konservativer und verfassungstreuer Großgrundbesitz vertreten durch Franz, 1847–1916, und durch Josef Oswald, 1849–1913).

    Von größter Bedeutung war für die T., besonders nach der Mediatisierung der Reichskirche, das Militär. Einzelne stiegen als Offiziere in höchste Ränge und Funktionen auf: Franz Josef (1826–88) befehligte das österr. Freikorps bei Ks. Maximilian in Mexiko und war danach als Feldzeugmeister kommandierender General in Tirol und Vorarlberg. Karl (1803–76) avancierte zum Feldmarschalleutnant und zum kommandierenden General von Nieder- und Oberösterreich, Salzburg und Steiermark. Der Großteil dieser Offiziere gehörte zudem dem Malteser-Ritterorden an. 1702 wurde der die päpstl. Flotte kommandierende Admiral Franz Sigmund (1639–1702) zum Malteser-Großprior von Böhmen und Österreich erhoben, 1887 Guidobald Josef Anton (1823–1904) zum Fürstgroßprior, Frá Galeazzo Maria (1850–1931) avancierte 1905 zum 75. Großmeister.

    Besonders in Salzburg und Böhmen kam den T. als Bauherren sowie Kunstmäzenen eine große kulturgeschichtliche Bedeutung zu. Franz de Paula Anton (1809–70) erwarb sich große Verdienste sowohl um die bildende Kunst als auch um die Restaurierung historischer Bauten in Böhmen.

  • Quellen

    Qu Státní oblastní archiv, Litoměřice (Staatl. Bez.archiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen, Fam.archiv T.-Hohenstein).

  • Literatur

    L L. Glückselig, Denkwürdigkeiten d. Grafenhauses T.-Hohenstein, 1866;
    J. Ladurner, Btr. z. Gesch. d. gr. Bauern-Rebelles im J. 1525, in: Archiv f. Gesch. u. Alterthumskde. Tirols 4, 1867, S. 85–179;
    E. Langer, Mittelalterl. Hausgesch. d. edlen Fam. T., 7 Hh., 1904–10;
    P. Hersche, Die dt. Domkap. im 17. u. 18. Jh., 3 Bde., 1984;
    Jaroslav Thun u. Hohenstein, Btrr. zu unserer Fam.gesch., 1925;
    H. Ramisch, Drei Fürstbischöfe aus d. Hause T.-Hohenstein als Mäzene barocker Kunst, Guidobald, Ebf. v. Salzburg (1654–1668), Wenzeslaus, Bf. v. Passau (1664–1674) u. Johann Ernst, Ebf. v. Salzburg (1687– 1709), in: Ehrenheft Franz Wagner z. 70. Geb.tag, Slg. Rossacher, hg. v. Salzburger Barockmus., 2001, S. 30–41;
    W. D. Godsey jr., Die Säkularisationen um 1800 u. d. österr. Hocharistokratie, in: Le secolarizzazioni nel Sacro Romano Impero e negli antichi Stati italiani/Säkularisationsprozesse im Alten Reich u. in Italien, hg. v. Cl. Donati u. H. Flachenecker, 2005, S. 253–68;
    R. Juffinger, Fürstebf. Guidobald Gf. v. T., Ebf. Guidobald Gf. v. T. 1654–1668, 2008;
    Wurzbach;
    Gatz I-II;
    Personenlex. z. Österr. Denkmalpflege (1850–1990), 2001;
    ÖML;
    Dict. of Art;
    GHdA 131, Adelslex. 14, 2003; ÖBL.

  • Autor/in

    Hans Peter Hye
  • Familienmitglieder

  • Zitierweise

    Hye, Hans-Peter; Melville, Ralph, "Thun, Freiherren von" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 220-226 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd121312240.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA