Lebensdaten
1847 – 1916
Geburtsort
Tetschen (Děčín)
Sterbeort
Tetschen (Děčín)
Beruf/Funktion
österreichischer Politiker
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 117626651 | OGND | VIAF: 45085168
Namensvarianten
  • Thun-Hohenstein, Franz Graf von (bis 1911)
  • Thun-Hohenstein, Franz Anton Fürst von (seit 1911)
  • Thun-Hohenstein, Franz de Paula Josef Friedrich Graf von (bis 1911)
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Thun, Franz Graf von (bis 1911), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117626651.html [24.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich Gf. (1810–81), k. k. Dipl., 1843 Geschäftsträger in Turin, 1847 in Stockholm, 1849 in München, 1850–52 Gesandter b. BT in Frankfurt/M., 1852 ao. Gesandter in Berlin, 1857–63 Gesandter u. bevollmächtigter Min. in St. Petersburg, 1879 erbl. Mitgl. d. österr. Herrenhauses, 1877 Fideikommißherr auf T., Herr d. Herrschaften Peruc mit Slavětin u. Vrbičan sowie Groß-Zdikau, 1879 erbl. Mitgl. d. Herrenhauses (s. Wurzbach; Meyers Konversationslex., 1909; Kosch, Staatshdb.; NDB 14*), S d. Franz de Paula Anton (I) (1786–1873, beide s. Gen. 1), u. d. Therese Gfn. Brühl (1784–1844);
    M Leopoldine (1825–1902), k. k. Palast- u. Sternkreuzordensdame (s. L), T d. Eduard Gf. Lamberg (1800–25), u. d. Caroline Gfn. Sternberg (1804–81);
    1 B Jaroslav (1864–1929, Maria Pia Gfn. Chotek, 1863–1935, Schw d. Sophie, 1868–1914, Gemahlin d. Thronfolgers Ehzg. Franz Ferdinand), 2. Fürst,|Hist., Geneal. (s. L);
    1) Prag 1874 Anna Marie (1854–98), k. k. Palast- u. Sternkreuzordensdame, T d. Karl III., Fürst zu Schwarzenberg (1824–1904), k. k. Major, 1861 Mitgl. d. böhm. LT, bis 1872 Präs. d. patriot.-ökonom. Ges. u. 1880–90 d. Landeskulturrats f. Böhmen, Anführer d. böhm. kons. Adels, 1883 GR, 1895 Mitgl. d. Böhm. Ak. d. Wiss., Litteratur u. Kunst (s. ÖBL; Biogr. Lex. Böhmen; NDB 24, Fam.art.), u. d. Wilhelmine Prn. Oettingen-Wallerstein (1833–1904), 2) Prag 1901 Ernestine Gabriele (1858–1948, 1] Eugen Gf. Wratislaw v. Mitrowitz, 1855–97, Fideikommißherr auf Dirna, k. k. Kämmerer), k. k. Palast- u. Sternkreuzordensdame, T d. Josef Oswald Gf. Thun-Hohenstein-Salm-Reifferschei(d)t (1817–83), aus d. Linie Klösterle, u. d. Johanna Gfn. Salm-Reifferschei(d)t (1834–1915);
    1 T aus 2) Anna Maria (1903–43, 1] 1921 1936 Wolfgang Frhr. v. Thienen-Adlerflycht, 1896–1942, 2] 1936 Anton Josef Margelitz, 1893–1973);
    E Conrad Christoph Frhr. v. Thienen-Adlerflycht (1924–2010), Dr. phil., Hist., Publ.

  • Biographie

    T. erhielt Hausunterricht und seit 1856 eine gymnasiale Ausbildung als Privatschüler in Verona, St. Petersburg, Böhm. Leipa, Kremsier und am Akademischen Gymnasium in Wien. Nach der Matura 1864 nahm er ein Studium der Rechtswissenschaften in Wien auf (1. Examen 1869). 1872 studierte er Bodenkultur an der Univ. Halle, verwaltete seit diesem Jahr mit seinem Vater die Herrschaft Tetschen und wurde 1882 Fideikommißherr. Als Nachfolger des Vaters war er Protektor und Kuratoriumspräsident der 1850 auf Mitbetreiben des Großvaters gegründeten landwirtschaftlichen Landeslehranstalt in Tetschen-Liebwerd. Gleichzeitig machte T. Karriere beim Militär. Nach einjährig-freiwilligem Dienst beim 14. Dragoner-Regiment 1869 und Reserveoffiziersprüfung absolvierte er zahlreiche Waffenübungen und Herbstmanöver, u. a. als Ordonnanzoffizier Feldmarschalls Ehzg. Albrecht (1891 Major d. Reserve).

    Der talentierte Redner T. trat bereits in den 1870er Jahren bei Versammlungen kath.-politischer Vereine in Böhmen vehement gegen die (liberalen) konfessionellen Gesetze und für die Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes ein. 1873 gehörte er zu einer von Alfred Fürst Liechtenstein geführten Deputation des kath. europ. Hochadels bei Papst Pius IX. 1874 heiratete er die Tochter Karl Fürst Schwarzenbergs, des Anführers des böhm. konservativen Adels. Seit 1883 stand er als konservativer Abgeordneter des fideikommissarischen Großgrundbesitzes zum böhm. Landtag in Konfrontation mit den Dt.liberalen. Mit seiner Forderung nach der böhm. Königskrönung stellte er die Verfassung in Frage und empörte 1888 die gesamte politische Elite bis hinauf zum Kaiser. Dennoch wurde er 1889 als Reaktion auf die erdrutschartigen Mandatgewinne der Jungtschechen bei den Landtagswahlen zum böhm. Statthalter ernannt. 1890 machte er sich den zwischen Vertretern der dt. Parteien und der Alttschechen ausgehandelten böhm. Ausgleich („Wiener Punktationen“) zu eigen und versuchte, auch gegen den Widerstand des konservativen böhm. Adels, die landesgesetzliche Umsetzung des Ausgleichs in Verhandlungen zu fördern. Damit wurde er zum propagandistischen Feindbild sich radikalisierender Jungtschechen, die ihn in der Eröffnungssitzung des neu gewählten Landtags Ende Dez. 1895 nicht mehr zu Wort kommen ließen. T.s sofortiges Demissionsgesuch wurde Anfang 1896 angenommen.

    1898 wurde T. als Nachfolger Paul Frhr. Gautsch v. Frankenthurns (1851–1918) zum Ministerpräsident ernannt und stand vor der Aufgabe, das in Folge der Badenischen Sprachenverordnungen für Böhmen und Mähren durch die Obstruktion der dt. Parteien lahmgelegte Abgeordnetenhaus wieder arbeitsfähig zu machen, um dringend anstehende Gesetze auf verfassungsmäßigem Wege zustandezubringen. Die Einbeziehung der antagonistischen dt. und (jung)tschech. Parteien in die Regierung sollte der „Verständigung“ dienen. T. kündigte zudem an, die Sprachverordnungen durch ein formelles, auf dem Verfassungsweg zu beschließendes Sprachgesetz abzulösen. Er bemühte sich, durch Ausgleichs- und Verständigungskonferenzen das wechselseitige Vertrauen herzustellen. Die Ergebnisse der mit der ungar. Regierung geführten wirtschaftlichen Ausgleichsverhandlungen konnten nur mit dem „Notverordnungsparagraphen“ 14 in Kraft gesetzt werden, ebenso die Erhöhung der Zuckersteuer, die im Sommer 1899 v. a. in den nordböhm. Städten einen Proteststurm entfachte, der z. T. mit militärischen Mitteln niedergeworfen wurde. Bereits 1898 hatte sich das Verhältnis zum Dt. Reich empfindlich getrübt, als T. in Beantwortung einer Interpellation wegen erfolgter Ausweisung slaw. sprechender Österreicher aus Preußen reziproke Maßnahmen angedroht hatte.

    Mit seinem Programm gescheitert, demissionierte T. 1899, allerdings steigerte sich sein politischer Einfluß danach durch sein Wirken als erbliches Mitglied im Herrenhaus. Der von der Rechten 1900 zum Obmann gewählte T. wurde zur Galionsfigur des kath.konservativen Großgrundbesitzes. Das allgemeine und gleiche Männerwahlrecht für das Abgeordnetenhaus (1907), das er leidenschaftlich bekämpfte, vermochte er nicht zu verhindern. Nach 1909 war T. wieder in Verhandlungen zwischen Vertretern beider nationaler Parteilager in Böhmen involviert, erwarb deren Vertrauen, wurde 1911 zum böhm. „Ausgleichstatthalter“ bestellt und bald darauf in den Fürstenstand erhoben. Nachdem zahlreiche Verhandlungen und Gespräche ergebnislos geblieben waren, wurde das Kgr. Böhmen 1913 mit dem „Annenpatent“ bis zur Wahl eines neuen Landesausschusses durch den Landtag unter die Verwaltung einer vom Kaiser zu ernennenden Landesverwaltungskommission gestellt. Hierfür wurden die Verhandlungen bis Ende Juni 1914 weiter geführt, dann aber nach dem Attentat von Sarajevo, der Julikrise und dem Kriegsausbruch aufgeschoben. Gesundheitlich angeschlagen und wohl auch zermürbt von den regelmäßigen Unterstellungen seitens des Militärs, sein Beharren auf rechtstaatlichem Vorgehen würde tschech.-subversives Handeln begünstigen, räumte T. 1915 seinen Posten zugunsten von Gf. Maximilian v. Coudenhove (1865–1928).

  • Auszeichnungen

    A Rr. d. Ordens v. Goldenen Vlies (1896);
    Gr.kreuz d. kgl. ungar. Ordens v. Hl. Stephan (1899) mit Brillanten (1915);
    Gr.kreuz d. österr. Leopoldsordens (1890);
    Zivil-, Mil.jubil.erinnerungs- u. Albrechtsmedaille;
    Gr.kreuz u. Ehrenbailli d. souveränen Malteserordens (1899);
    Gr.kreuz d. Piusordens u. d. Ordens v. Hl. Grabe;
    Gr.kreuz mit Kollane d. span. Ordens Karl III.

  • Werke

    W Eine Orientreise, 1891;
    Qu Österr. StA, Wien;
    Allg. Verw.archiv, Adel, Wien, Hofadelsakten 1600–1918;
    Kriegsarchiv Qualifikations-Liste Fasc. 2986.

  • Literatur

    L G. Kolmer, Das Herrenhaus d. österr. Reichsrats, 1907, S. 328–38;
    H. Hanel, Persönliches über Fürst F. T.-H., in: Neues Wiener Journ. 12, Nov. 1916, S. 7;
    dies., Die Gesch. meiner Jugend, 1930, S. 94–99;
    A. Czedik, Zur Gesch. d. k. k. österr. Ministerien 1861–1916, 1917, Bd. 2, S. 169–289;
    A. Skedl, Der pol. Nachlaß d. Gf. Eduard Taaffe, 1922, S. 449–664;
    Jaroslav Thun, Btrr. zu unserer Fam.gesch., 2 Bde., 1925/26;
    Gfn. Leopoldine Thun, Erinnerungen aus meinem Leben, ³1926;
    K. F. v. Frank, AltÖsterr. Adels-Lex., 1928, S. 533;
    F. Gf. Lanjus, Die erbl. Reichratsswürde in Österr., 1939;
    U. Naschold, F. Gf. v. T. u. H. u. d. Zeit seiner Min.präs. schaft (1898–99), Diss. Wien 1959;
    E. Gf. Kielmannsegg, Ks.haus, Staatsmänner u. Pol., 1966, S. 271–86;
    B. Svatoš, Fürst F. v. T. u. H. u. d. Situation in Böhmen zu Beginn d. Ersten Weltkrieges unter bes. Berücksichtigung d. Nationalitätenfrage, Diss. Wien 1972;
    E. Rutkowski (Hg.), Briefe u. Dok. z. Gesch. d. österr.-ungar. Monarchie, 3 T., 1983–2011;
    K. Kazbunda, Otázka česko-německá v předvečer velké války, 1995;
    A. Ableitinger, Badeni, T., Clary-Aldringen, Eulenburg, Das österr. Reg.system in d. Krise d. J. 1897–1899, in: G. P. Obersteiner (Hg.), FS Gerhard Pferschy z. 70. Geb.tag, 2000, S. 327–49; J. Galandauer, František Kníže Thun, Místodržící českého království, 2007, dt. 2013 (P).

  • Porträts

    P Ölgem. v. S. L’Allemand, 1893 (Oblastní muzeum Děčín), u. v. J. Duba, Statthalter Gf. T. besichtigt auf e. Zille d. Hochwasser in d. Prager Josefstadt 1890 (Muzeum hlavního města Prahy), beide Abb. in: J. Galandauer, 2007 (s. L)

  • Autor/in

    Hans-Peter Hye
  • Zitierweise

    Hye, Hans-Peter, "Thun, Franz Graf von" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 224-226 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117626651.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA