Lebensdaten
1874 – 1947
Geburtsort
Friedeberg (Strzelce Krajeńskie, Neumark)
Sterbeort
Paris
Beruf/Funktion
Jurist ; Kunsthistoriker ; Schriftsteller ; Kunstsammler ; Kunsthändler
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 117267716 | OGND | VIAF: 14777632
Namensvarianten
  • Uhde, Wilhelm
  • Uhde, Guilelmus
  • Uhde, M. W.
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Uhde, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117267716.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit 1483 nachweisbarer Fam.;
    V Johannes (1836–1913), Jur., zuletzt Gen.staatsanwalt in Posen, Geh. Oberjustizrat (s. A. Herrmann, Gräber berühmter […] Personen auf d. Wiesbadener Friedhöfen, 1928);
    M Antonie Fehlan (um 1845–um 1921), aus Posen;
    1 B, 2 Schw (1 früh †) Anne Marie (1889–1988), Malerin, seit 1926 ebenfalls in Frankr., seit Juni 1940 (?) im Internierungslager Gurs, später in St. Lary (Dpt. Gers), verwaltete U.s Nachlaß (s. W);
    1908 1910 Sonia Terk (bis 1890 Sarah Stern) (1885–1979, 2] 1910 Robert Delaunay, 1885–1941, Maler, P), 1903–05 in Karlsruhe ausgebildet, Malerin, Designerin, Offz. d. franz. Ehrenlegion (s. AKL; Munzinger), T d. Elie Stern, Nagelfabr. in Gradiesk (Ukraine), u. d. Anne Terk, Adoptiv-T u. N d. Henri Terk, RA in St. Petersburg; 1919 (?) Helmut (Ps. Helmut vom Hügel) (1899–1931), Maler, Lithograph (s. Vollmer; W, P), S d. Wilhelm Kolle (1868–1935), o. Prof. f. Hygiene u. Bakteriol. in Berlin (s. NDB XII).

  • Biographie

    Nach dem Besuch der Gymnasien in Lüneburg u. Altona studierte U. seit 1894 Jura in Lausanne, Göttingen, Heidelberg, Greifswald|und Berlin. Auf Drängen des Vaters trat er nach dem Studienabschluß in Berlin 1898 in den preuß. Staatsdienst ein, verließ ihn jedoch nach wenigen Tagen wieder und reiste nach Florenz, wo er die Kunst der Renaissance für sich entdeckte. Skeptisch gegenüber dem streng wissenschaftlichen Zugang zur Kunst – er forderte eine subjektive, emotional-sinnliche Annäherung –, studierte U. seit 1899 Kunstgeschichte in München, Florenz und in Breslau bei Richard Muther (1860–1909), ohne einen akademischen Abschluß zu erwerben. Um der geistigen Enge des wilhelminischen Deutschlands zu entkommen, zog U. 1904 nach Paris. Hier verkehrte er in der dt.sprachigen Kolonie im Café du Dôme, u. a. mit seinem Freund aus dem Muther-Kreis, dem Maler und Kunsthistoriker Erich Klossowski (1875–1949), und mit Alfred Lichtwark (1852–1914), dem Direktor der Hamburger Kunsthalle. 1905 erwarb U. ein erstes Werk von Picasso, dem neben Georges Braque lebenslang seine besondere Wertschätzung galt. Als einer der ersten erkannte er die Bedeutung der naiven Kunst von Henri Rousseau (1844–1910), organisierte 1908 dessen erste – erfolglose – Ausstellung in seiner eigenen, nur kurze Zeit bestehenden kleinen Galerie und widmete ihm 1911 die erste Monographie; ein Jahr später entdeckte er die Autodidaktin Séraphine Louis (1864–1942). Im Gegensatz zu den professionellen Händlern blieb U. stets der kunstliebende Amateur, der aus seiner eigenen Sammlung verkaufte, v. a. aber versuchte, die von ihm für bedeutend erachteten Künstler durchzusetzen. Unermüdlich warb er für die Kunst der Avantgarde durch Bücher, Aufsätze, Vorträge (in dt. u. franz. Sprache) und Ausstellungsgestaltungen (Sonderbundausst. Köln 1912 mit 13 kubistischen Picasso-Gemälden). Wie Julius Meier-Graefe (1867–1935), Harry Gf. Kessler (1868–1937), Daniel-Henry Kahnweiler (1884–1979) oder Alfred Flechtheim (1878–1937) entwickelte er sich zu einem der Wegbereiter der Modernen Kunst in Deutschland. Sein Maßstab für wahre Kunst war die Authentizität des Kunstwerks, die er in der toskan. Renaissance ebenso wie in der Avantgarde verwirklicht sah.

    Nach Beginn des 1. Weltkriegs mußte U. Frankreich verlassen; er wurde als Reservist eingezogen, mußte jedoch nicht an die Front. Seine Sammlung mit Werken von Picasso, Braque, Matisse, Rousseau, Laurencin u. a. wurde 1921 von einer nationalistisch gestimmten franz. Öffentlichkeit und Politik als ausländisches Eigentum diskreditiert, als Kriegsentschädigung beschlagnahmt und zwangsversteigert. Bereits gegen Ende 1918 war U. mit seinem Lebensgefährten, dem Maler Helmut Kolle, nach Weimar gezogen, dann auf Burg Lauenstein in Oberfranken. Dort setzte er sich intensiv mit griech. Philosophie, mit dem Denken Friedrich Nietzsches (1844–1900), Oswald Spenglers (1880–1936) und der modernen Physik auseinander; er entwickelte eine politische Utopie und engagierte sich publizistisch für eine Neuorientierung der dt. Jugend. U. erstrebte einen aufgeklärten Humanismus, eine föderalistische Ordnung Deutschlands und ein geeintes Europa. Zusammen mit Kolle publizierte er seine Ideen in der kurzlebigen Zeitschrift „Die Freude“ (1920, nur 1 Bd. ersch.), mußte aber bald erkennen, daß seine Ideen keine Resonanz fanden und sich im Gegenteil der Nationalismus in Europa verstärkte. 1922/23 leitete er ein Jahr lang die Galerie von Wolfgang Gurlitt (1888–1965) in Berlin, ehe er im März 1924 mit Kolle nach Paris zurückkehrte. Hier trat er wieder in Verbindung zu Picasso und Braque; er entdeckte weitere naive Maler wie Louis Vivin und Camille Bombois und konnte Paul Klee (1879–1940) eine erste Ausstellung in Paris verschaffen. Surrealismus hielt er für „Kitsch“, erkannte aber den Rang Max Beckmanns (1884–1950). Von Frankreich aus, das ihm als Heimat und Garant geistiger Werte galt, verfolgte er mit Abscheu den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Nach der Veröffentlichung seiner Erinnerungen „Von Bismarck bis Picasso“ in der Schweiz 1938 wurde ihm die dt. Staatsangehörigkeit aberkannt, fortan war U. staatenlos. Er hielt intensiven Kontakt zur dt. Emigrantenszene in Frankreich und schrieb für das Periodikum „Die Zukunft“ (1938–40) von Willi Münzenberg (1889–1940). Bei Kriegsausbruch floh er nach Châteaumeillant (Dpt. Cher) in das unbesetzte Frankreich, eine Emigration in die USA schlug er als überzeugter Europäer aus. Später lebte er mit seiner Schwester in St. Lary (Dpt. Gers); seine Sammlung in Paris ging ein zweites Mal verloren. 1944 kehrte U. nach Paris zurück, wo er noch zwei Ausstellungen für Séraphine Louis und für Helmut Kolle organisieren und deren Anerkennung erleben konnte.

  • Werke

    W u. a. Am Grabe d. Mediceer, Florentiner Briefe über dt. Kultur, 1899;
    Paris, Eine Impression, 1904;
    Henri Rousseau, 1914;
    Die Freundschaften Fortunats, 1920 (Roman);
    Leitgedanken z. Neugestaltung student. Lebens, [1920];
    Das flammende Reich, Ein Bekenntnis z. heiml. Dtld., 1921;
    Picasso et la tradition française, 1926; Der Maler Helmut Kolle, [um 1932]; Vincent van Gogh, 1936; Impressionisten, 1937; Von Bismarck bis Picasso, Erinnerungen u. Bekenntnisse, 1938 (P), franz. 2002, Nachdr. 2010|(mit e. Essay v. B. Roeck, P); Fünf primitive Meister, 1947; Aufzeichnungen aus d. Kriegsjahren, mit e. Nachw. v. Anne-Marie Uhde, ed. in: M. Flügge, Paris ist schwer, s. L
    , S. 58–104 (P);
    Edouard Manet, Gem. u. Zeichnungen, 1959 (postum, mit e. Einl. v. W. U.).

  • Literatur

    L K. Mann, Rez. d. Erinnerungen „Von Bismarck bis Picasso“, in: Die neue Weltbühne, Jg. 34, Nr. 25, S. 784–87, Wiederabdr. in: ders., Woher wir kommen u. wohin wir müssen, 1980, S. 142–47;
    G. Stein, Autobiogr. of Alice B. Toklas, 1933;
    L. Meffre, Daniel-Henry Kahnweiler et W. U., le marchand et l’amateur, in: Daniel-Henry Kahnweiler, Ausst.kat. Centre Pompidou Paris, 1984, S. 77–84, dt. 1986;
    W. Rubin, Picasso u. Braque, Die Geburt d. Kubismus, 1990;
    H. Thiel, W. U. – ein offener engagierter Marchand-Amateur in Paris vor d. Ersten Weltkrieg, in: H. Junge (Hg.), Avantgarde u. Publikum, 1992, S. 307–20;
    M. Flügge,“Was unser Dasein in die Ferne trägt …“, Ein dt. Kunsthändler in Paris: W. U., in: ders., Paris ist schwer, Dt. Ll. in Frankr., 1992, S. 41–58 (P);
    Ch. Geelhaar, Picasso, Wegbereiter u. Förderer seines Aufstiegs 1899–1939, 1994;
    A. Gautherie-Kampka, Les allemands du Dôme, 1995;
    H. D. Junker, Picassos Kunsthändlerporträts v. 1910, in: D. Grünewald (Hg.), „Was sind wir Menschen doch! …“, 1995, S. 41–50;
    P. Daix, Die Slg. Kahnweiler, als ‚Feindesgut‘ versteigert (1921–1923), in: K. Schmidt u. H. Fischer (Hg.), Ein Haus f. d. Kubismus, 1998, S. 25–32;
    B. Roeck, Wahrmund, e. kl. Gel., in: FAZ v. 12. 9. 2001 (P);
    Th. Bauer-Friedrich u. a., Helmut Kolle, e. Dt. in Paris, 2010;
    Dict. of Art;
    W. Sternfeld u. E. Tiedemann, Dt. Exil-Lit. 1933–1945, ²1970, S. 509;
    Hamburg. Biogr. II;
    Wi. 1912;
    Kosch, Lit.-Lex;
    Film: Séraphine, Spielfilm v. M. Provost, 2008;
    Nachlaß: u. a. Musée d’Art et d’Archéologie, Senlis;
    Musée Maillol, Paris; DLA Marbach.

  • Porträts

    P Öl/Lwd. v. R. Delaunay, 1907 (Verbleib unbek.); Kreidezeichnung (wohl Vorstudie z. Ölgem.) v. dems., 1907 (Bibl. nat. de France, Fonds Delaunay); Öl/Lwd. v. P. Picasso, 1910 (St. Louis, Collection Pulitzer); Zeichnung v. R. Grossmann, um 1905/10 (Privatbes.); Öl/Lwd. v. H. Kolle, 1929/30 (Privatbes.); Öl/Lwd. v. dems., 1925/26 (Grenoble, Musée de peinture et de sculpture); Photogr., 1913, in: M. Flügge, (s. L), S. 40

  • Autor/in

    Eva Chrambach
  • Zitierweise

    Chrambach, Eva, "Uhde, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 531-533 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117267716.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA