Dates of Life
1894 – 1956
Place of birth
Groß Lafferde (seit 1971 Lahstedt) bei Peine
Place of death
(West-)Berlin
Occupation
Verlagsbuchhändler
Religious Denomination
evangelisch
Authority Data
GND: 117225290 | OGND | VIAF: 15540726
Alternate Names
  • Steegemann, Paul Friedrich Johann
  • Bock, Gustav (Pseudonym)
  • Schulze, Reiner Maria (Pseudonym)
  • more

Objekt/Werk(nachweise)

Relations

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Places

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Citation

Steegemann, Paul, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117225290.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    V Franz (1852–1927), aus Heegermühle b. Eberswalde (Mark Brandenburg), Schausteller, Jahrmarktsphotograph, später Gasometerkontrolleur in Hannover;
    M Alwilda Bergenhagen (1859–1926), aus Kopenhagen;
    1) Hannover 1919 1924 Käthe Schmidt, Graphikerin, 2) 1924 1943 erneut Berlin 1947 Charlotte Ella Katharina (Carla) Bos (* 1904), aus Hannover; wohl 2 K aus 1), 1 T aus 2) Christiane Doukas (* 1925), Dr. med., in B.

  • Biographical Presentation

    Nach Bürgerschule (1901–09) und Buchhändlerlehre bei „Adolf Sponholtz Nachf.“ in Hannover (1909–11) arbeitete S. 1911–18 als Gehilfe in Rostock, Hamburg, Darmstadt, Aurich, zuletzt wieder in Hannover bei „Schmorl & von Seefeld“. Wegen einer Knieverletzung vom Kriegsdienst befreit, agierte er früh in der jungen Literatur- und Kunstszene, gab 1917 bei Hermann Kruse in Wolgast eine kurzlebige Zeitschrift „Agathon“ heraus und beteiligte sich in Hannover an der Gründung des Verlags von Heinrich Böhme (Mai 1918) und des „Zweemann Verlags“ (April 1919, mit Robert Goldschmidt). Auch an den revolutionären Novemberunruhen nahm er teil und gehörte am 16.11.1918 zu den Unterzeichnern eines Aufrufs des „Rates geistiger Arbeiter“. Im März /April 1919 gründete er in Hannover den eigenen „Paul Steegemann Verlag“.

    S. debütierte mit den 59 Heften und Bänden (153 Nummern) der spätexpressionistischdadaistischen „Silbergäule“ (Okt. 1919–22). Der Reihentitel zitiert Christian Morgensterns „Bundeslied der Galgenbrüder“ („O Greule, Greule, wüste Greule!/Hört ihr den Ruf der Silbergäule?“) und spielt auf das weiße Welfenroß an, das Wappentier der Provinz Hannover; zugleich wird der „Silbergaul“ mit dem Holzpferdchen der Dadaisten (frz. kindersprachl. „dada“) konfrontiert, die den bleibenden Ruhm der Reihe ausmachen: Hans Arp (Die Wolkenpumpe, 1920), Richard Huelsenbeck (En avant dada, 1920), Kurt Schwitters (Anna Blume, 1919, u. Die Kathedrale, 1920), Walter Serner (Letzte Lockerung, 1920, u. Zum blauen Affen, 1921). Andere Autoren- und Künstlernamen bezeugen enge Kontakte zur Hannoverschen Sezession, zum Worpsweder Kreis, zur Berliner Novembergruppe, zu Zeitschriften wie „Aktion“ und „Sturm“, zum Darmstädter Verlag „Die Dachstube“ oder zum „Dresdner Verlag“. Politisch radikale Akzente setzten die kommunistischen Programmschriften von Heinrich Vogeler. Die „Wahllosigkeit“ seines Verlagsprogramms rechtfertigte S. 1921 als „System“, als Ausdruck für „das große Chaos unserer geistigen Struktur“. Parodien von Hans Reimann, Satiren und Grotesken von Mynona (Salomo Friedlaender), Pamphlete von Franz Blei (gegen den Zensurparagraphen 184 StGB) und Kurt Hiller (gegen § 175 StGB) prägten das Gesicht des Verlages ebenso wie die Buchausstattung und Graphik von Schwitters, Christian Schad, Alfred Kubin und George Grosz. Freche Plakataktionen (das Gedicht „An Anna Blume“ von Schwitters neben den Zehn Geboten an allen Litfaßsäulen in Hannover) und erotische Privatdrucke (Beardsley u. Verlaine) brachten S. mit Zensur und reaktionären Buchhändlern in Konflikt. Vor Gericht sprang ihm Thomas Mann bei (Brief an einen Verleger, in: Rede und Antwort, 1922), gegen den Börsenverein Kurt Tucholsky. 1926 zog S. nach Berlin und präsentierte eine siebenbändige Werkausgabe Walter Serners. Gegen Indizierungen der Serner-Titel als „Schund und Schmutz“ halfen ihm noch bis 1933 Gutachten von Döblin, Edschmid oder Max Herrmann-Neisse. In den Streit um Mynonas Satire „Hat Erich Maria Remarque wirklich gelebt?“ (1931) griffen Tucholsky und Robert Neumann ein – diesmal gegen den Verleger. Die Publizität seines Projekts einer Hitler-Parodie „Mein Krampf“ und der Weigerung Reimanns, sie zu schreiben (1931/32), machte S. nach 1933 zur Zielscheibe nationalsozialistischer Angriffe.

    Deshalb verleugnete er mit der Buchreihe „Die Erhebung“ (16 Bde., 1933/34) die Traditionen seines Verlags und präsentierte Parteireden von Hitler, Darré, Frick, Göring und Schacht als „Dokumente zur Zeitgeschichte“. Im Okt. 1934 gründete S. zusammen mit dem Buchdrucker Th. Hopfer den „Schildhorn-Verlag Berlin“. Dies alles konnte ihn 1935 jedoch nicht vor dem Berufsverbot, seine Verlage nicht vor der Liquidation bewahren. Er schlug sich durch als freier Mitarbeiter u. a. des Verlags „Die Heimbücherei“ von John Jahr (1900–91) und zog Ende 1943 ins böhm. Nieder-Rochlitz/Iser um. 1946 /47 mit seiner Familie im Lager Lešany bei Prag interniert, kehrte er am 15. 7. 1947 nach Berlin zurück und erhielt erst am 15. 6. 1949 die US-Lizenz B 256 für einen neuen „Paul Steegemann Verlag“. Mit der Reihe „Die Bank der Spötter“ (1949–53, zunächst im Magazin-Format) – zehn Titeln u. a. von Werner Finck, Wolfgang Kraus, Günter Neumann und aus dem Nachlaß Karl Valentins – gelang ihm kein Neuanfang. Als Initiator des „Amsel Verlags“ führte er im Herbst 1953 noch|die alsbald von der Bundesprüfstelle indizierten Kriminalromane von Mickey Spillane in Deutschland ein; von 1952 bis zu seinem Tod arbeitete er als Vertriebsleiter des Berliner „arani Verlags“.

  • Awards

    A Mitgl. d. Karl Friedrich Flögel-Ges. u. d. Johannisloge „Pythagoras zum flammenden Stern“, Orient Berlin.

  • Works

    Fünf Jahre Verleger, in: Das Stachelschwein 1, 1924, H. 6 (P);
    Kurioser Lebensbeginn, ebd. 2, 1925, H. 1;
    Kuriose Jugend, in: Die Weltbühne, Jg. 23, 1927, S. 1030–34;
    Piston-Solo e. Verlegers, in: U. Kardos, Die Kunst, d. Schicksal zu meistern, 1950, S. 83–87;
    Nachlaß:
    DLA, Marbach.

  • Literature

    H. M. Elster, Die Silbergäule, in: Die Flöte, Jg. 3, 1920/21, S. 116–20;
    H. Reimann, in: Die Weltbühne, Jg. 18, 1922, S. 455–57;
    ders., Mein blaues Wunder, Lebensmosaik e. Humoristen, 1959;
    H. Rischbieter, Der Verlag P. S., in: Die Zwanziger Jahre in Hannover, 1962, S. 90–95;
    P. Raabe, Die Silbergäule, in: ders., Die Zss. u. Slgg. d. lit. Expressionismus, 1964, S. 188–92;
    Ch. Schad, Relative Realitäten, Erinnerungen um Walter Serner, in: W. Serner, Die Tigerin, 1971, S. 211–312;
    Jochen Meyer, Der P. S. Verlag (1919–1935 u. 1949–1960), Gesch., Progr., Bibliogr., 1975, überarb. Ausg. 1994 (P);
    ders., Erfolg ohne Tendenz, Tucholsky im Streit um Remarque, in: ders., Entlaufene Bürger, Kurt Tucholsky u. d. Seinen, 1990, S. 582–603 (P);
    I. Katenhusen, „. . . Dem Deutschen fehlen d. Nerven f. e. nuancierten Individualismus . . .“, Der Verlag d. Freibeuters, P. S. u. d. Lit.szene d. zwanziger Jahre, in: dies., Kunst u. Politik, Hannovers Auseinandersetzungen mit d. Moderne in d. Weimarer Rep., 1998, S. 627–66 (P);
    Kussmaul;
    Hann. Biogr. Lex.;
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ .

  • Portraits

    Ölkreidezeichnung v. L. Meidner, 1919;
    Bleistiftzeichnung v. B. F. Dolbin, um 1930 (beide DLA, Marbach), beide abgeb. in: J. Meyer, 1994 (s. L);
    Foto, um 1920, Abb. in: I. Katenhusen (s. L).

  • Author

    Jochen Meyer
  • Citation

    Meyer, Jochen, "Steegemann, Paul" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 104-105 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117225290.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA