Lebensdaten
1866 – 1934
Geburtsort
Troppau (Opava, Österreichisch Schlesien)
Sterbeort
Luzern
Beruf/Funktion
Jurist ; Vorstand der Präsidialkanzlei in Wien ; Finanzexperte ; Gouverneur der Boden-Credit-Anstalt
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 117364452 | OGND | VIAF: 25377850
Namensvarianten
  • Singer, Rudolf (bis 1895)
  • Sieghart, Rudolf
  • Singer, Rudolf (bis 1895)
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Zitierweise

Sieghart, Rudolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117364452.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Leopold Singer ( um 1879), Rabbiner, Rel.lehrer in T.;
    M Ernestine Schweinburg;
    1894 Mathilde (* 1872), T d. Carl Samuel Grünhut (1844–1929), o. Prof. f. Handels- u. Wechselrecht in Wien (s. NDB VIII), u. d. Julia Meisels (1846–1910);
    2 T Margarethe Alexander-S. (1895–1973), Dr. iur., in Großbritannien, Marie (* 1898, Alfred Becker, * 1884,Dr. iur., Präs. d. Landesfinanzdirektion f. Wien, Niederösterr. u. d. Burgenland, s. Teichl).

  • Biographie

    S. besuchte noch unter dem Familiennamen seines Vaters das Obergymnasium in Troppau, maturierte dort 1883 und trat danach als Einjährig-Freiwilliger in die ksl. Armee ein. Er studierte bis 1887 an der Univ. Wien Rechts- und Staatswissenschaften und war seit 1884 auch im Partei- und Presse-Büro der „Vereinigten deutschen Linken“ tätig, 1891 als dessen Leiter. 1890 Leutnant der Reserve, wurde er 1892 zum Dr. iur. promoviert, 1895 erfolgte mit seiner Konversion zum Katholizismus der Namenswechsel von Singer auf S. 1894 war er kurz in der niederösterr. Finanzlandesdirektion und dann im Finanzministerium tätig. 1900 habilitierte er sich mit der Studie „Die öffentlichen Glücksspiele“. Ministerpräsident Ernest v. Koerber (1850–1919), der S. bereits als Parlamentsjournalist gekannt hatte, ermöglichte ihm einen raschen Aufstieg mit der Berufung ins Ministerratspräsidium. Dort wurde S. 1902 Vorstand der Präsidialkanzlei und 1904 Sektionschef, wo er großen Einfluß ausübte, indem er Gratifikationen, Orden und Auszeichnungen inflationär verteilte, seine Verbindungen zur Presse nutzte und auf Gegenleistung aufbauende Macht virtuos einzusetzen verstand. Er wirkte auch an der Wahlrechtsreform und am Ausgleich Österreich-Ungarns von 1907 mit. 1910 schied er aus dem Staatsdienst aus, Ks. Franz Joseph I. bestellte ihn trotz Bedenken in Fachkreisen, v. a. des Barons Albert Rothschild, zum Gouverneur der „Boden-Credit-Anstalt“, die auch das Privatvermögen des Kaiserhauses verwaltete. S.s Expansionspolitik durch Kauf bedeutender Industrieunternehmen, wie der „Österr. Waffenfabriks-Gesellschaft“ oder der „Ringhoffer Werke AG“, führte zu einer bedenklichen Immobilität der Bank. 1916 auf Befehl Ks. Karls zur Demission gezwungen, wurde er 1919 – diesmal vom Verwaltungsrat – zum Präsidenten dieses Kreditinstituts gewählt. Um seinen Einfluß zu steigern, kaufte S. Anfang der 1920er Jahre den Steyrermühl-Verlag und damit vier Tageszeitungen: Das „Neue Wiener Tagblatt“, die „Große Volkszeitung“, die „Kleine Volkszeitung“ und das „Sport Tagblatt“, mit denen er publizistisch die Heimwehren unterstützte. Ohne die verringerten Möglichkeiten|Österreichs nach 1918 zu berücksichtigen, versuchte S. das Geschäft mit den Nachfolgestaaten auszubauen – mit nachteiligen Folgen für die Bank. Probleme mit den Tochterunternehmen, wie der Steyr AG, und 1927 die Übernahme der angeschlagenen Unionbank und der Allgemeinen Verkehrsbank belasteten das Kreditinstitut, ebenso aus Prestigegründen ausgeschüttete überhöhte Dividenden und zu hohe Gehälter für das Management. 1929 wurde die „Boden-Credit-Anstalt“ zahlungsunfähig und unter Druck des Bundeskanzlers Johannes Schober (1874–1932) mit der „Oesterreichischen Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe“ fusioniert. Noch 1933 prüfte die Bundesregierung, wieweit S. zur Wiedergutmachung des Schadens, den man ihm anlastete, herangezogen werden sollte, etwa für die unberechtigte Ausschüttung von Tantiemen.

    S., bedenkenlos bei der Durchsetzung seiner Ziele, hatte die „Boden-Credit-Anstalt“ schon vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise in die Katastrophe geführt und damit zum Zusammenbruch der größten österr. Bank, der Credit-Anstalt, 1931 unter Auswirkungen auf die gesamte österr. Wirtschaft wesentlich beigetragen.

  • Auszeichnungen

    Präs. u. a. d. Verw.räte d. Österr.-Ungar. Staats-Eisenbahnges., d. Wiener Lokomotivfabriks-AG u. d. Veitscher Magnesitwerke;
    Geh. Rat (1907);
    Großkreuz d. Franz-Joseph-Ordens (1908);
    Mitgl. d. Herrenhauses (1912–18);
    Rr. d. Ordens d. Eisernen Krone I. Kl. (1915);
    Rr. d. preuß. Roten Adler-Ordens.

  • Werke

    Gesch. u. Statistik d. Zalenlottos in Österr., 1898;
    Die öff. Glücksspiele, 1899;
    Zolltrennung u. Zolleinheit, 1915;
    Die letzten J.zehnte e. Großmacht, 1932.

  • Literatur

    Compass, Kal. u. Jb. f. Handel, Gewerbe u. Ind. in Österr., hg. v. G. Fromme, 1916, 3. Bd., S. 411;
    Neue Freie Presse v. 5. 8. u. 9. 8. 1934;
    A. Spitzmüller, „. . . und hat auch Ursach es zu lieben“, 1955;
    K. Ausch, Als d. Banken fielen, 1968;
    B. Michel, Banques et banquiers en Autriche au debut du 20e siecle, 1970;
    M. Wagner u. P. Tomanek, Bankiers u. Beamte, 100 J. Österr. Postsparkasse, 1983, S. 146 u. 233;
    J. Nautz (Hg.), Unterhändler d. Vertrauens, Aus d. nachgelassenen Schrr. v. Sektionschef Richard Schüller, 1990, S. 89;
    P. Berger, Ökonom. Macht u. Pol., in: E. Tálos u. a. (Hg.), Hdb. d. pol. Systems Österr., Erste Rep. 1918–1933, 1995, S. 355 f.;
    A. Bucnik, Grazer Banken, Geschäft u. Pol. im ersten J.zehnt d. Ersten Rep., Diss. Graz 1999, S. 68, 209, 223 u. 236;
    Protokolle d. Ministerrats d. Ersten Rep., VI/1, 1988, S. 247, VIII/1, 1980, S. 435 u. 449, VIII/2, 1982, S. 303 u. 309 f.;
    H. Rumpler u. P. Urbanitsch (Hg.), Die Habsburgermonarchie, VII/1, 2000, S. 857 f. u. 1200;
    G. Strejcek, R. S. u. d. „Zalenlotto“ in: ders. (Hg.), Lotto u. andere Glücksspiele, 2003;
    Wiener Ztg. v. 8. 8. 2003;
    P. Melichar, Bankiers in d. Krise, Der österr. Privatbankensektor 1928–1938, in: P. Eigner u. I. Köhler (Hg.), Privatbankiers in Mitteleuropa zw. d. Weltkriegen, 2005, S. 138;
    Jb. d. Wiener Ges., 1929;
    Biogr. Lex. Böhmen;
    Österr. Personenlex. d. ersten u. zweiten Rep., 1992 (P);
    Personenlex. Österr.;
    ÖBL;
    Qu
    Öster. StA, Kriegsarchiv;
    Isr. Kultusgde., Wien.

  • Autor/in

    Josef Mentschl
  • Zitierweise

    Mentschl, Josef, "Sieghart, Rudolf" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 353-354 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117364452.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA