Lebensdaten
1900 – 1988
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Berlin (Ost)
Beruf/Funktion
Philosoph ; Philologe ; Professor in Berlin
Konfession
konfessionslos
Normdaten
GND: 118815539 | OGND | VIAF: 22169297
Namensvarianten
  • Schottlaender, Rudolf Julius
  • Schottlaender, Rudolf
  • Schottlaender, Rudolf Julius
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Zitierweise

Schottlaender, Rudolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118815539.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Leopold (1860–1919), aus Bromberg (Bydgoszcz), Textilkaufm., Hg. d. Branchenfachbl. „Der Konfektionär“, S d. Julius (1821–67), aus Exin;
    M Rosa (1867–1922), aus Hamburg, T d. Moritz Stern (1807–87), aus Wollmannshausen, u. d. Mathilde Spiro (1830–89), aus Elmshorn;
    B Hans (1901–46), Textileinzelhändler;
    1) Berlin 1922 1927 Hilde (1900–61, 2) Hans Marchwitza, 1890–1965, Schriftst., während d. Span. Bürgerkriegs Offz. d. Internat. Brigaden, emigrierte 1941 in d. USA, seit 1946 in Stuttgart, dann in Potsdam, stellv. Vors. d. Schriftst.verbandes d. DDR, Nat.-preis d. DDR, Dr. h. c. [HU Berlin]; s. NDB 16; Munzinger; BHdE II), T d. William Stern (1871–1938), Prof. d. Psychol. in Hamburg (s. BHdE II; Munzinger), u. d. Clara Josephy (1877–1945), Psychol., beide Vf. v.Psychol. d. frühen Kindheit“, 2) Berlin 1927 1945 Wally Damm, 3) Berlin 1946 Edith Theuser (* 1915), Verkäuferin;
    1 S aus 1) Michael (seit 1941 Michael Scott) (1924–1989, jüd.), Reklamefachmann, 1 T aus 1) Hannah (* 1925, Karl Obermann, 1905–87, Hist. in B.), beide seit 1946 in B., 2 S aus 2) Stefan (1928–91), o. Prof. f. Reine u. Angew. Math. an d. TU Clausthal (s. Kürschner, Gel.-Kal. 1992), Wolfgang (1932–50), 1 S aus 3) Rainer (* 1949), Dipl.physiker, wurde 1971 b. e. Fluchtversuch gefaßt u. n. 18monatiger Haft in den Westen in d. BRD abgeschoben, 1 T aus 3) Irene (* 1947), Romanistin, Übersetzerin, Konferenzdolmetscherin;
    E Peter Obermann (seit 1981 Honigmann) (* 1952, jüd., Barbara Honigmann, * 1949, Schriftst., s. Munzinger; Killy), Archivar, seit 1981 in Straßburg, Hans Obermann (* 1955), Archivassistent; Schwager Günther Stern (Ps. Günther Anders) (1902–92, Elisabeth Freundlich, 1902–2001, Schriftst.), Philos., Schriftst. (s. Munzinger; BHdE II; Killy; Kosch, Lit.-Lex.³; Metzler Autorenlex.).

  • Biographie

    S. wuchs in einer wohlhabenden assimilierten jüd. Familie in Berlin auf. Früh durch die Schriften Spinozas beeinflußt, studierte er 1918-23 Philosophie und Klassische Philologie in Berlin, Heidelberg, Marburg und Freiburg (Br.). Im Mai 1923 wurde er in Heidelberg bei Ernst Hoffmann über die Nikomachische Ethik des Aristoteles promoviert. 1924 übersiedelte er nach Berlin-Heiligensee und bestritt seinen Lebensunterhalt durch geringe Mieteinnahmen, altsprachigen Unterricht sowie philosophisch-wissenschaftliche Publikationen und Übertragungen. S. übersetzte als erster Marcel Proust ins Deutsche (Der Weg zu Swann, 2 Bde., 1926) und erhielt hierfür Anerkennung u. a. von Hermann Hesse, Thomas Mann, Alfred Kerr und Theodor W. Adorno. Als „Volljude“ war S. im Dritten Reich rassischer Diskriminierung ausgesetzt, seine Ehe mit einer Nichtjüdin schützte ihn aber vor der Deportation. Um nicht Zwangsarbeit verrichten zu müssen, nahm er eine Stelle als Hilfspfleger im orth.Israelit. Krankenheim“ und später in einem jüd. Privathaushalt in Stuttgart an. 1942 verdingte er sich als Munitionsarbeiter in einer Berliner Pulverfabrik.

    Nach 1945 war S. kurzzeitig Helfer der sowjet. Besatzungsmacht, gab Volkshochschulkurse in Philosophie und wurde Lateinlehrer. 1947 erhielt er auf Empfehlung seiner akademischen Lehrer Karl Jaspers und Ernst Hoffmann eine Philosophieprofessur in Dresden. Da er sich nicht zum Marxismus bekannte, wurde er nach einer diffamierenden Kampagne 1949 seines Amtes enthoben. S. zog nach Westberlin und arbeitete wieder als Lehrer. Pazifistisch gesinnt und von der Notwendigkeit einer dt. Wiedervereinigung überzeugt, betätigte er sich seit 1950 in Gustav Heinemanns „Notgemeinschaft für den Frieden Europas“. Mit dem Journalisten Manfred|Röhling gründete S. im Sept. 1951 das Wochenblatt „SOS, Zeitung für weltweite Verständigung“ (8 Jgg. bis 1958). Wiederholte Stellungnahmen im Unterricht für Verhandlungen mit der DDR brachten ihm eine Verwarnung und die Versetzung an eine andere Schule ein. S.s Ideal einer „produktiven Neutralität“ und seine auf der Vermittlung und Schlichtung zwischen Gruppen basierende ethisch-politische „Theorie des Vertrauens“ (1957) stieß in der ideologisch überhitzten Atmosphäre der Zeit auf schroffe Ablehnung. Als Gegner der Wiederbewaffnung wurde er 1959 vom Dienst suspendiert und mit Berufsverbot belegt; der Status des politisch-rassisch Verfolgten wurde ihm zeitweise aberkannt.

    1960 nahm S. eine o. Professur für Klassische Philologie an der Humboldt Universität in Ostberlin an, wohin er nach dem Bau der Berliner Mauer übersiedelte. Neben seiner Lehrtätigkeit übersetzte er zahlreiche antike Theaterstücke und brachte sie an Studentenbühnen zur Aufführung. Seine Dokumentation über verfolgte Wissenschaftler in Berlin während der NS-Zeit, die er 1962 abschloß, erhielt in der DDR Publikationsverbot und konnte erst 1988 in der Bundesrepublik erscheinen (Verfolgte Berliner Wissenschaft, Ein Gedenkwerk, Mit e. Nachwort v. G. Aly). Nach seiner Emeritierung 1965 übte S. öffentlich Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR und publizierte ohne offizielle Erlaubnis im Westen. Trotz divergierender politischer Ansichten setzte er sich seit den 1960er Jahren für Robert Havemann ein und verwandte sich 1979 ebenfalls öffentlich für eine Amnestierung der inhaftierten Rudolf Bahro und Nico Hübner.

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Berliner Ges. f. Christl.-Jüd. Zus.arbeit (seit 1951).

  • Werke

    Der phil. Heilsbegriff, Ein Btr. z. Überwindung d. Krise d. Ethik in d. Wiss., 1952;
    Röm. Ges.denken, Die Zivilisierung e. Nation in d. Sicht ihrer Schriftst., 1969;
    Plutarch, Lebensklugheit u. Charakter, Aus d. „Moralia“, 1979;
    Trotz allem e. Deutscher, Mein Lebensweg seit Jh.beginn, Autobiogr., 1986;|

  • Quellen

    Qu: Landesarchiv Berlin: Magistrat v. Berlin, Abt. VVN u. Akten d. Senatskanzlei;|

  • Nachlass

    Nachlaß: Staatsbibl. Berlin.

  • Literatur

    G. Aly, Gegen Gedankenunterschlagung u. Großgruppenhaß, Zum Tod d. Ostberliner Philosophen R. S., in: die tageszeitung v. 15.1.1988;
    ders., in: Berliner Ztg. v. 5.8.2000;
    ders., „Von d. tragenden Volkskräften isoliert“, zum 100. Geb.tag v. R. S., in: Jb. f. Univ.gesch. 6, 2003, S. 197;
    ders., Rasse u. Klasse, Nachforsch. z. dt. Wesen, 2003;
    K. Hammacher, in: Studia Spinozana 4, 1988, S. 243-45, 247-62;
    E. Mensching, Nugae z. Philol.-Gesch., III, 1990, S. 117 f.;
    S. Reimertz, „Dieser Proust war e. seltener Genuß“, Aber niemand gedenkt seines ersten dt. Übersetzers, Ein Plädoyer f. R. S., in: FAZ v. 18.1.1995 (P);
    G. Schuppener (Hg.), Jüd. Intellektuelle in d. DDR, Pol. Strukturen u. Biogrr., 1999;
    D. Lücke, Gelebte Autorität, Systemkritik in beide Richtungen, Zum 100. Geb.tag d. Philosophen R. S., in: Freitag 32 v. 4.8.2000;
    S. Prokop, „Freiheit ist e. Selberwollen“, R. S. (1900-1988) z. 100. Geb.tag, in: Hochschule Ost, Leipziger Btrr. zu Hochschule & Wiss. 10/1, 2001, 157-70;
    Wer war wer in d. DDR;
    Biogr. Hdb. d. SBZ/DDR;
    Kürschner, Gel.-Kal. 1992, Nekr.

  • Autor/in

    Karin Hartewig
  • Zitierweise

    Hartewig, Karin, "Schottlaender, Rudolf" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 502-503 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118815539.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA