Lebensdaten
1876 – 1951
Geburtsort
Delitzsch (Sachsen)
Sterbeort
Leipzig
Beruf/Funktion
Typograph ; Buchkünstler ; Maler ; Autor
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 117378445 | OGND | VIAF: 98260532
Namensvarianten
  • Tiemann, Walter
  • Tiemann, W.
  • W. T.
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Zitierweise

Tiemann, Walter, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117378445.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Gustav (* 1837), Kaufm.;
    M Albertine Marie Offenhauer (* 1847);
    Susanne (1892–1952), Schausp., T d. Georg Wildhagen (1857–n. 1935), aus Hannover, Dr. iur., 1897 RA b. Reichsger. in L., GJR (s. Wi. 1935), u. d. Else Friedrich;
    1 S Johann Christian (1923–45 ⚔);
    Gvv d. Ehefrau Ludwig Wildhagen, Verw. d. städt. Brauerei in Hannover, Gvm d. Ehefrau Friedrich Friedrich (1828–90), Dr. phil., Schriftst. (s. ADB 49; Kosch, Lit.-Lex.³ ); Schwager Max Wildhagen (* 1888), Dr.-Ing., Obering. d. I. G. Farbenind.|

  • Biographie

    Nach dem Besuch des kgl. Gymnasiums in Leipzig 1886–93 studierte T. 1893–95 an der Kunstakademie und Kunstgewerbeschule in Leipzig, anschließend weitere zwei Jahre an der Kunstakademie in Dresden. Eine Auszeichnung im Plakat-Wettbewerb anläßlich der Sächs.-Thür. Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 in Leipzig ermöglichte ihm einen Studienaufenthalt in Paris. 1903 begann T. seine Lehrtätigkeit an der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig mit einem Sommerkurs für Lithographen, 1907 trat er die Nachfolge von Erhard Winterstein (1841–1919) als Lehrer für Zeichnen an und führte seit 1914 eine Klasse für das „Gesamtgebiet des Buchgewerbes, der Illustration, der freien und angewandten Grafik“ (Prof. 1909). 1920–40 leitete er die Akademie als Direktor (1941 Ende d. Lehrtätigkeit); sein Name stand auf der sog. „Gottbegnadeten-Liste“. 1945–46 war T. nochmals kommissarisch als Direktor tätig.

    Erste lobende Kritiken erhielt T. für seine Illustrationen zu „Till Eulenspiegel“ und „Zwerg Nase“, die 1902 und 1903 im Verlag Hermann Seemann Nachf. erschienen. Seine Zeichnungen und Ornamente entsprechen dem vom Jugendstil geprägten Zeitgeschmack, die Einbände weisen eine subtile Kombination von Schrift und Bild auf. 1903 begann seine lang anhaltende Zusammenarbeit mit dem Insel Verlag. Als Buchgestalter arbeitete er in Folge für zahlreiche Verlagshäuser, u. a. 1904–12 für den Julius Zeitler Verlag, seit 1905 für den S. Fischer Verlag, seit 1906 u. a. für die Verlage Hans von Weber, Albert Langen, Kurt Wolff und Rütten & Loening. Für mehrere dieser Verlage entwarf T. die Verlagssignets. 1904 wurde ihm die buchkünstlerische Ausstattung und Einbandgestaltung des Katalogs „Das Buchgewerbe im Deutschen Reich“ zur Weltausstellung in St. Louis, 1910 die buchkünstlerische Ausstattung des amtlichen Katalogs des Dt. Reichs zur Weltausstellung in Brüssel übertragen. Jahresgaben des Leipziger Bibliophilen Abends und der Weimarer Bibliophilen Gesellschaft gehörten ebenso zu seinen typographischen Arbeiten wie die Titelzeichnungen für Zeitschriften, u. a. für das „Archiv für Buchgewerbe“ (1903), „Hyperion“ (1908), „Bauen und Wohnen“ (1913), „Die Form“ (1922) und für die „Zeitschrift für Bildende Kunst“ (1924). Besonders hervorzuheben ist die von ihm und Carl Ernst Poeschel 1907 begründete „Janus-Presse“, die erste dt. Privatpresse, die ästhetisch dem Vorbild der engl. Doves-Press von Thomas Cobden-Sanderson folgte. Mit der Arbeit an den Büchern der Janus-Presse vollzog T. eine Hinwendung zur typographisch klaren Form; zugleich markierte sie den Beginn seiner Tätigkeit als Schriftkünstler. Aus der Janus-Pressen-Schrift, die auf einer Renaissance-Antiqua basierte, entwickelte er die „Tiemann Mediaeval“, die 1909 in der Schriftgießerei Gebrüder Klingspor in Offenbach/Main erschien. Es folgten weitere Schriften wie z. B. „Peter Schlemihl“ 1914, „Tiemann-Fraktur“ 1914, „Narziß“ 1921, „Tiemann-Antiqua“ 1923, „Orpheus“ 1928. T. war einer der produktivsten dt. Schriftentwickler in der ersten Hälfte des 20. Jh. Die „Tiemann-Antiqua“ wird bis heute als Auszeichnungsschrift in der Wochenzeitung „Die Zeit“ verwendet.

    Neben seinen buchkünstlerischen Arbeiten widmete sich T. lebenslang der Zeichnung und Malerei, wobei er einen impressionistisch-realistischen Stil bevorzugte. Als Autor befaßte er sich mit Fragen des Geschmacks, der künstlerischen Begabung sowie allgemeinen Themen zur Buch- und Schriftgestaltung.

    Unter T.s Leitung erreichte die Staatliche Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe eine internationale Ausstrahlung. Besonders die im Mittelpunkt der Ausbildung stehende Verbindung von künstlerischem Entwurf und technischer Umsetzung in hervorragend ausgestatteten Akademiewerkstätten wurde zum Qualitätskriterium der Lehre in Leipzig. Zu den bedeutendsten Schülern T.s zählte Jan Tschichold (1902–74), der als ein Begründer der Neuen Typografie gilt.

    Eine lebenslange Freundschaft verband ihn mit dem Typographen Carl Ernst Poeschel (1874–1944), dem Maler Paul Horst-Schulze (1876–1937) und dem Anglisten Levin Ludwig Schücking (1878–1964). Eng vertraut waren ihm Leipziger Persönlichkeiten wie der Autor und Verleger Julius Zeitler (1874–1943), der Organist und Thomaskantor Günter Ramin (1898–1956), der Graphiker und Illustrator Hans Alexander Müller (1888–1962), der Verleger Anton Kippenberg (1874–1950), der Leipziger Bürgermeister Carl Friedrich Goerdeler (1884–1945), der Musikverleger Max Brockhaus (1867–1957) und der Buchbinder Ignatz Wiemeler (1895–1952).

  • Auszeichnungen

    A Gründungsmitgl. d. Ver. Dt. Buchkünstler (1909, Vors. 1909–25) u. d. Rotary Clubs Leipzig (1929);
    Dr. h. c. (Leipzig 1926);
    – W.-T.-Preis d. Ver. z. Förderung v. Grafik u. Buchkunst Leipzig (seit 1992).

  • Werke

    Weitere W u. a. offizielles Ausst.plakat f. d. Internat. Ausst. f. Buchgewerbe u. Graphik (BUGRA) 1914 in Leipzig (dessen Motiv auf allen Drucksachen wie|Marken, Eintrittskarten, Anzeigen u. a.);
    künstler. Berater d. Buchbinderei E. A. Enders in Leipzig;
    Ölgem. u. Graphik: Porträts v. Kollegen u. Freunden, u. a. v. Paul Horst-Schulze u. Levin L. Schücking sowie Landschaften, u. a. Nieuwpoort in Belgien (Privatbes.);
    Schrr.: Kunst u. Geschmack, 1931;
    Vom Erlernbaren in d. Kunst, 1947;
    Probleme d. Begabung, Sonderabdr. aus d. FS z. Dr. Karl Klingspors 80. Geb.tag, 1948 [o. S.];
    Teilnachlaß: Entwürfe in d. Dt. Nat.bibl., Dt. Buch- u. Schriftmus. Leipzig.

  • Literatur

    L E. Göpel, W. T., 1936;
    J. Zeitler, W. T., Dt. Drucker Nr. 496, 42. Jg., H. 4, Jan. 1936 (Sonderh.);
    A. Windisch, Prof. Dr. h. c. W. T., 1953;
    J. Rodenberg, W. T., Der Meister d. gezeichneten Schr., 1906–1914, in: In d. Schmiede d. Schrift, Karl Klingspor u. sein Werk, 1940, S. 81–88;
    A. Hübscher, W. T., in: Traditionen Leipziger Buchkunst, 1989, S. 66–113;
    J. Seuss, W. T., Der „Grieche“ unter Dtlds. Buchkünstlern, in: Vom Ornament z. Linie, Der frühe Insel-Verl. 1899–1924, ein Btr. z. Buchästhetik im frühen 20. Jh., hg. v. J. D. Brinks u. gestaltet v. J. Seuss, 2000, S. 117–26;
    R. Stark, Klassik zw. Jugendstil u. neuer Sachlichkeit, W. T. u. seine Buchgestaltung im Insel-Verl., ebd., S. 165–84;
    ders., W. T. u. Julius Zeitler – eine Lebensfreundschaft mit späten Schatten, in: Leipziger Jb. z. Buchgesch. 10, 2000, S. 81–114;
    M. Haas, Die ‚Gottbegnadeten-Liste‘ (BArch R 55/20252a), in: Eine Institution zw. Repräsentation u. Macht, Die Univ. f. Musik u. darstellende Kunst Wien im Kulturleben d. NS, 2014, S. 252;
    Mitteldt. Jb. f. Kultur u. Gesch. 8, 2001, S. 222–24 (P);
    Rhdb. (P);
    Kulturlex. Drittes Reich;
    Wer war wer DDR;
    Lex. Künstler DDR; Lex. Buchstadt Leipzig.

  • Porträts

    P Photogr. v. F. E. Smith, in: W. T., Zum 29. Jan. 1926, 1926; Photogrr., 3 Motive (Prints um 1940), anonym (Archiv d. Hochschule f. Grafik u. Buchkunst Leipzig); Bromöldr. v. H. Erfurth, 1912 (Kupf. kab. d. Staatl. Kunstslgg. Dresden), Abb. in: Hugo Erfurth, 1874–1948, Ausst.kat. Köln 1992, S. 256, u. Ölpigmentdr. v. dems., 1912 (Mus. f. Kunst u. Gewerbe Hamburg), Abb. ebd., S. 257.

  • Autor/in

    Julia Blume
  • Zitierweise

    Blume, Julia, "Tiemann, Walter" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 266-268 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117378445.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA