Lebensdaten
1848 – 1935
Geburtsort
Haarlem
Sterbeort
Lunteren (Niederl.)
Beruf/Funktion
Pflanzenphysiologe ; Botaniker
Konfession
-
Normdaten
GND: 117452122 | OGND | VIAF: 29603419
Namensvarianten
  • Vries, Hugo de
  • De Vries, Hugo
  • DeVries, Hugo
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Vries, Hugo de, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117452122.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus baptist. Kaufmannsfam.;
    V Gerrit Abrahamzoon (1818–90), Jur., lib. Abg. d. Staatsrats, niederl. Min.präs., Justizmin. (s. NNBW), S d. Abraham (1773–1862), bapt. Pastor, Bibl., Buchhist., u. d. Hillegonda van Geuns (1791–1866);
    M Maria Everardina (1823–1914), T d. Caspar Jacob Christiaan Reuvens (1793–1835), Altertumswiss., Papyrol., Prof. f. Alte Gesch. u. Archäol. in Leiden, Gründungsdir. d. Reijksmus. van Oudheden, 1834 korr. Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Wiss. (s. W. R. Dawson u. E. P. Uphill, Who was who in Egyptology, ³1995), u. d. Louise Sophie Blussé (Ps. D. N. Anagrapheus) (1801–96), Schriftst., Red. d. „Gazette de Leyde“ (s. Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland);
    Ov Mathias (1820–92), Philol., Prof. f. niederl. Sprache u. Lit. in Groningen u. Leiden (s. NNBW);
    Haarlem (?) 1879 Elisabeth Louise (1855–1943), T d. Lucas Jacob Egeling (1824–92), Dr. med., Arzt in Haarlem, Gesundheitsreformer (s. NNBW), u. d. Sophia Magdalena Knoblauch (1829–82);
    3 S, 1 T.

  • Biographie

    V. wuchs in Haarlem in einem bürgerlichen, liberal gesinnten Familienumfeld aus Juristen, Kaufleuten und Gelehrten auf. Sein Interesse für Botanik ist bereits 1860 bezeugt, als sein Herbarium von der Maatschappij for Landbouw (Ges. f. Landwirtsch.) ehrenvoll erwähnt wurde. 1862 siedelte die Familie nach Den Haag über, wo V. das Gymnasium absolvierte. Er studierte seit 1866 Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Botanik an der Univ. Leiden und wurde 1870 mit der Arbeit „Über den Einfluß der Temperatur auf die Lebenserscheinungen der Pflanzen“ promoviert. Die Lehren Darwins, mit denen er sich als Student trotz Mißbilligung seiner Universitätslehrer, u. a. des Pflanzengeographen und Kolonialbotanikers Willem Frederik Reinier Suringar (1832–98), bekannt machte, und die er in seinen Disputationsthesen kritisch, aber vehement verteidigte, sowie die experimentelle Physiologie, deren Studium er 1870 / 71 in den Laboratorien von Wilhelm Hofmeister (1824–77) in Heidelberg und Julius v. Sachs (1832–97) in Würzburg vertiefte, beeinflußten V. tiefgreifend. Zwischen seinen Studienaufenthalten in Deutschland unterrichtete V. Naturgeschichte an weiterführenden Schulen in den Niederlanden. 1875 ermöglichte ein Stipendium V. einen zweijährigen Aufenthalt in Sachs’ Labor; im Auftrag des Preuß. Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten widmete er sich Fragestellungen der angewandten Biologie und verfaßte Aufsätze zu landwirtschaftlichen Nutzpflanzen (Btrr. z. speziellen Physiol. landwirtsch. Kulturpflanzen, I. Rother Klee, in: Landwirtsch. Jbb. 6, 1877, S. 465–514 u. 893–956; II. Kartoffeln, ebd. 7, 1878, S. 19–39, 217–49 u. 591–682; III. Zuckerrüben, ebd. 8, 1879, S. 13–35 u. 417–98). Er habilitierte sich 1877. Nach einem Lehrauftrag an der Univ. Halle erhielt V. noch im selben Jahr eine Dozentur für Pflanzenphysiologie an der|Univ. Amsterdam (1878 ao. Prof, 1881 o. Prof. f. Pflanzenphysiol.). 1896 übernahm er den Lehrstuhl für Botanik und wurde Direktor des Amsterdamer botanischen Gartens (em. 1918). Eine Berufung an die Columbia Univ. in New York 1910 schlug er aus.

    In den 1870er und 1880er Jahren befaßte sich V. – angeregt durch seine Forschungen bei Sachs – v. a. mit den osmotischen Vorgängen in Pflanzenzellen und ihrer Beziehung zu Wachstum und Bewegung von Pflanzenorganen. Mit Charles Darwin (1809–82) und dessen Sohn Francis (1848–1925), später Pflanzenphysiologe an der Univ. of Cambridge, die sich zu dieser Zeit mit ähnlichen Fragestellungen befaßten, unterhielt V. gute Beziehungen, obwohl Sachs die Arbeitsweise der beiden Engländer kritisierte. Mit dem Wechsel nach Amsterdam drang V. immer tiefer in die physiko-chemischen Grundlagen der Osmose ein. Seine Arbeiten auf diesem Gebiet, v. a. das Gesetz ganzzahliger, isotonischer Koeffizienten, wurden von Begründern der Physikalischen Chemie wie Jacobus Henricus van’t Hoff (1852–1911) und Svante Arrhenius (1859–1927) rezipiert, behielten aber auch eine dezidiert biologische Stoßrichtung, da V. an der chemischen Zusammensetzung des Zellplasmas spezifischer Pflanzenarten interessiert blieb.

    Aus diesem Grund wandte sich V. zu Beginn der 1890er Jahre Fragen der Evolutionstheorie und Züchtungsforschung zu. Nach einer Artikelserie zu Variation und Vererbung in den 1880er Jahren unternahm V. 1889 mit dem Buch „Intracellulare Pangenesis“ den Versuch, Vererbungsvorstellungen den Entwicklungen der Zellehre des ausgehenden 19. Jh. anzupassen. Die von ihm als Pangene bezeichneten Anlagen betrachtete er als autonome Lebenseinheiten, die im Kern vorgehalten und bei der Zellteilung in ihrer Gesamtheit weitergegeben werden. Entscheidend war für ihn – wie zuvor für Darwin – die freie Mischbarkeit der erblichen Anlagen; eine übergeordnete Ordnung der Erbanlagen, wie sie Carl Nägeli (1817–91) und August Weismann (1834–1914) annahmen, lehnte er ab. Dabei bezog sich V. häufig auf die Arbeit von Züchtern. Außerdem stand er in regelmäßigem Kontakt mit dem Mikrobiologen Martinus Willem Beijerinck, der V. zu experimentellen Untersuchungen über Mutationen anregte und ihn auf Gregor Mendels Aufsatz von 1866 aufmerksam machte. Zu dessen „Wiederentdeckung“ trug V. neben Carl Correns (1864–1933) und Erich v. Tschermak-Seyssenegg (1871–1962) bei.

    1901 und 1903 legte V. sein breit rezipiertes Buch „Die Mutationstheorie“ (2 Bde.) vor, das maßgeblich zur Durchsetzung moderner Vererbungsvorstellungen unter Züchtern und Wissenschaftlern beitrug, aber im Grunde bereits überholt war, da V. – im Gegensatz zu Mendel und den Genetikern, die sich seit 1900 dessen Lehre anschlossen – glaubte, daß die Verhältnisse, in denen sich unterschiedliche Merkmale in Nachkommen von Hybriden durchsetzen, selbst eine erbliche Eigenschaft sind, die in der Natur der Pangene liege. Wichtige Anstöße gab sein Werk jedoch der Mutationsforschung, insbesondere dem Studium von Chromosomenveränderungen. In Deutschland wurde es v. a. von dem Züchtungsforscher und Eugeniker Erwin Baur (1875–1933) rezipiert.

  • Auszeichnungen

    |ausw. Mitgl. d. Royal Soc. (1905);
    korr. Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Wiss. (1913);
    Mitgl. d. Leopoldina (1933).

  • Werke

    |über 700;
    Unterss. über d. mechan. Ursachen d. Zellstreckung, ausgehend v. d. Wirkung v. Salzlösungen auf d. Turgor wachsender Pflanzenzellen, 1877 (Habil.schr.);
    Eine Methode z. Analyse d. Turgorkraft, in: Jbb. f. wiss. Botanik 14, 1884, S. 427–601;
    Osmot. Versuche mit lebenden Membranen, in: Zs. f. physikal. Chemie 2, 1888, S. 415–32;
    Isoton. Koeffizienten einiger Salze, ebd. 3, 1889, S. 103–09;
    Ueber halbe Galtonkurven als Zeichen diskontinuierl. Variation, in: Berr. d. Dt. Botan. Ges. 12, 1894, S. 197–207;
    Das Spaltungsgesetz d. Bastarde, ebd. 18, 1900, S. 83–90;
    Alimentation et sélection, in: Volume jubilaire de la Soc. de Biol. de Paris, 1899, S. 17–38;
    Hybridizing of Monstrosities, in: Journ. of the Royal Horicultural Soc. 24, 1900, S. 69–75;
    Experimenteele evolutie, in: Onze Eeuw 4, 1904, S. 282–309 u. 362–93;
    Species and Varieties, 1905;
    Aeltere u. neuere Selektionsmethoden, in: Botan. Zbl. 26, 1906, S. 385–95;
    Plantbreeding, Comments on the Experiments of Nilsson and Burbank, 1907;
    Afstammingsen mutatieleer, 1907;
    Ges. Aufss. in: Opera e periodicis collata, 7 Bde., 1918–27;
    Nachlaß: Archiv d. Univ. Amsterdam (s. E. J. A. Zevenhuizen, De Wereld van H. d. V., 1996).

  • Literatur

    |I. Jahn, Zur Gesch. d. Wiederentdeckung d. Mendelschen Gesetze, in: Wiss. Zs. d. Friedrich-Schiller Univ. Jena, Math.-naturwiss. R. 7, 1958, S. 215–27;
    G. E. Allen, H. de V. and the Reception of the Mutation Theory, in: Journ. of the Hist. of Biology 2, 1969, S. 55–87;
    L. Darden, Reasoning in Scientific Change, Charles Darwin, H. de V., and the Discovery of Segregation, in: Studies in the Hist. and Philosophy of Science 7, 1976, S. 127–69;
    M. Campbell, Did de V. Discover the Law of Segregation Independently?, in: Annals of Science 37, 1980, S. 639–55;
    O. G. Meijer, H. de V. No Mendelian?, ebd. 42, 1985, S. 189–232;
    B. Theunissen, Closing the Door on H. de V. Mendelism, ebd. 51, 1994, S. 225–48;
    ders., De beheersing van mutaties, H. de V. werdegang van fysioloog tot geneticus, in: Gewina 15, 1992, S. 97–115;
    ders., The Scientific and Social Context of H. de V. Mutationstheorie, in: Acta Botanica Neerlandica 47, 1998, S. 475–89;
    I. H. Stamhuis, O. G. Meijer u. E. J. A. Zevenhuizen, H. de V. on Heredity, 1889–1903, in: Isis 90, 1999, S. 238–67 (P);
    I. H. Stamhuis, The Reactions on H. de V.s Intracellular Pangenesis, The Discussion with August Weismann, in: Journ. of the Hist. of Biology 35, 2002, S. 1–34;
    W. Sohn, in: Darwin & Co., Eine Gesch. d. Biol. in Portraits, Bd. 2, hg. v. I. Jahn u. M. Schmitt, 2001, S. 9–27 (P);
    Forscher u. Erfinder;
    Complete DSB (P);
    BWN.

  • Porträts

    |Gem. v. Th. Schwartze, 1918 (Universiteitsmus. Amsterdam).

  • Autor/in

    Staffan Müller-Wille
  • Zitierweise

    Müller-Wille, Staffan, "Vries, Hugo de" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 142-144 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117452122.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA