Dates of Life
1761 – 1850
Place of birth
Gemünda/Kreck bei Seßlach (Oberfranken)
Place of death
Gorkau (Niederschlesien)
Occupation
evangelischer Theologe ; Schulmann ; Kirchenrat
Religious Denomination
evangelisch
Authority Data
GND: 118798723 | OGND | VIAF: 54944625
Alternate Names
  • Stephani, Heinrich Erhard Karl
  • Freimund, Christoph (Pseudonym)
  • Stephani, Heinrich
  • more

Objekt/Werk(nachweise)

Relations

The links to other persons were taken from the printed Index of NDB and ADB and additionally extracted by computational analysis and identification. The articles are linked in full-text version where possible. Otherwise the digital image is linked instead.

Places

Map Icons
Marker Geburtsort Place of birth
Marker Wirkungsort Place of activity
Marker Sterbeort Place of death
Marker Begräbnisort Place of interment

Localized places could be overlay each other depending on the zoo m level. In this case the shadow of the symbol is darker and the individual place symbols will fold up by clicking upon. A click on an individual place symbol opens a popup providing a link to search for other references to this place in the database.

Citation

Stephani, Heinrich, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118798723.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    V Johann (Georg?) Leonhard Adam (1721–98), aus Wilhermsdorf, Pfarrer mit orthodox-kirchl. Ausrichtung, 1752 in Gemünda, 1765 in Untermerzbach, S d. Johann Christoph (1682–1744), aus Tauberzell, 1725 Pfarrer in Frankenheim, 1733 in Kupferzell (beide s. L), u. d. Maria Barbara Groß († 1737), Pfarrer-T aus Marktbergel;
    M Elisabeth (* 1722), mit pietist. Ausrichtung, T d. Johann Christoph Steigleder (1682–1744, Kastenmeister in Kupferzell;
    Ur-Gvv Georg Christoph (um 1647–94), aus Preßburg, Mag.;
    7 Geschw,u. a. 2 ältere B,1 jüngere Schw überlebend;
    Castell (Franken) 1795 Karoline Auguste Wilhelmine Amalie (1773–1819), T d. N. N. Günther, aus Kahla, Dr., sachsen-coburg. HR;
    4 T u. a. Adelheid (1797–1825, Fr. Breyer, Dr.), Franziska (1803–1902, 1] N. N. v. Petersdorff, 2] Wilhelm Frhr. v. Lüttwitz, 1809–92, auf Gorkau).

  • Biographical Presentation

    Durch den Vater und das Erlernen der hebr. Sprache bei Rabbi Jona in Gemünda wurde S. auf das Theologiestudium in Erlangen (1771–81; 1787 Promotion zum D. theol.) vorbereitet. Hier prägten die Rationalisten Georg Friedrich Seiler, Johann Georg Rosenmüller und Caspar Jakob Huth den Lutheraner S. nachhaltig. Im Haus seines Verwandten Johann Heinrich Groß (1736–91), dem Herausgeber der „Real-Zeitung“, erhielt er Einblick in das Verlagswesen. 1782 übernahm er als Hofmeister in Castell die Erziehung der Grafen Albrecht Friedrich Carl (1766–1810) und Christian Friedrich von Castell (1772–1850). 1784 zog S. mit den verwaisten Grafen nach Nürnberg zu Friedrich Adolf v. Zwanziger (1745–1800), dem Leiter der Castellschen Regierung. Seit 1787 lebte er mit Gf. Christian Friedrich und Heinrich, dem jüngsten Sohn v. Zwanzigers, in dem von Abt Friedrich Gabriel Resewitz (1729–1806) geleiteten Internat „Klosterbergen“ (b. Magdeburg). S. erkundete das Bildungswesen im „aufgeklärten Preußen“ kritisch, besuchte die Philanthropine Schnepfenthal, Schulpforta und Dessau und setzte sich mit den neuen pädagogischen Ideen von Johann Bernhard Basedow und Christian Gotthilf Salzmann auseinander. 1791 begleitete er Gf. Christian Friedrich an die Univ. Jena, wo er mit Fichte, Schiller und Goethe zusammenkam. S. beschäftigte sich mit der Philosophie Kants, besuchte jur. Vorlesungen, hielt eigene über „Moralpolitik und sittliche Prinzipien der Staatslehre“ und entwarf Pläne gegen die „Kathedersteifigkeit“ und das „Duellunwesen“. 1793 traf er bei einer Bildungsreise durch die Schweiz Füssli, Fichte, Lavater und den von ihm hoch geschätzten Pestalozzi.

    1794–1808 leitete S. (seit 1797 als Konsistorialrat, seit 1806 zugleich 1. Hofprediger) das Schul- und Kirchenwesen der Gfsch. Castell. In seinem Reformprogramm „Grundriss der Staats-Erziehungswissenschaft“ (1797, seit 1805 u. d. T. „System d. öff. Erziehung“) forderte er, die „Schul-Pädagogik“ als eigenständige Wissenschaft zu installieren. S. richtete freie „Leseanstalten“ (Erwachsenenbildung) und Musterschulen ein und schuf die Castellsche Studienanstalt mit Lehrerbildungsseminar, die von Schülern beider Geschlechter aus Adel und Bürgertum besucht wurde. Mit diesen Institutionen waren Neuerungen verbunden, wie die Zertifizierung von Schulen (1791), die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Lehrern, die Einführung einer wissenschaftlich ausgebildeten Fachlehrerschaft, Leistungszulagen, altersübergreifende Leistungskurse, geregelte Unterrichts- und Ferienzeiten und curriculare Lehrpläne. Außerdem förderte S. einen berufsorientierten Fächerkanon und führte 1802 das benotete Abitur ein. Sein Prinzip der „bildenden Methode“ wies Lehrern eine „Hebammenfunktion“ zu, nach der sie unter Beachtung physischer und psychosozialer Unterscheide bei den Schülern deren individuelles Lernen fördern sollten.

    Als bayer. Kirchen- und Kreisschulrat (seit 1809 Kreiskirchenrat) wirkte S. 1808 in Augsburg und 1811 in Eichstätt und Ansbach, wo er die Gelehrten Schulen Bayerns nach Plänen Friedrich Immanuel Niethammers umgestaltete, Fortbildungsanstalten für Volksschullehrer gründete und durch die Umwandlung von Mädchen- in Höhere Töchterschulen die weibliche Bildung förderte. Nachhaltigen Erfolg hatte er mit der von ihm weiterentwickelten, systematisierten Lautier- und genetischen Schreibmethode. Nach dem Erstarken der pietistischen Widerstände (Erweckungsbewegung) gegen den Rationalismus wuchs die Kritik an S., der 1817 nach einem Disziplinarverfahren wegen angeblicher Bestechlichkeit seinen Dienst quittierte. 1818 nahm er eine Stelle als Pfarrer und Dekan in Gunzenhausen an. 1819–26 war er Abgeordneter der Ständekammer in München. 1830 kulminierte der Streit um S.s rationalistische Haltung nach der Veröffentlichung eines Katechismus und führte 1834 zur Amtsenthebung. Seinen Ruhestand in Gunzenhausen und Gorkau nutzte S. zur Abfassung theol. und päd. Lehrbücher (Hdb. d. Unterrichtskunst, 1835; Hdb. d. Erziehungskunst, 1836), mit denen er seine Position untermauerte. Viele seiner Ideen findet man in der heutigen Pädagogik wieder.

  • Awards

    A Ehrenrr. d. bayer. Hausordens v. Hl. Michael (1811);
    Orden v. Hl. Michael (1817);
    Mitgl. mehrerer gel. Ges.;
    – Gedenktafeln in Gemünda u. Ansbach.

  • Works

    Lebensbeschreibung d. kgl. Bayer. Kirchenrates Dr. H. S., 1829 (P, Autobiogr.);
    Dr. Martin Luthers kl. Katechismus, 1830;
    H. S.s Gesch. seiner Amtssuspension als Dekan u. Stadtpfarrer zu Gunzenhausen in Baiern, 1835 (P);
    Hg.:
    Der baier. Schulfreund, seit 1811 (seit 1833/34 u. d. T. Neuer Schulfreund);
    Qu
    Fürstl. Castell`sches Archiv, Castell;
    Bibliogr.
    I. Düppe, 2001 (s. L)

  • Literature

    | ADB 36;
    K. Kreitmair, Die Willensbildung b. H. S. im Lichte seiner Weltanschauung, Diss. München 1922;
    K. Langenfaß, H. S. in seiner Bedeutung f. d. dt. Bildungswesen, Diss. Erlangen 1922;
    W. Sperl, H. S., Schul- u. Kirchenrat, dann Dekan in Gunzenhausen, d. Führer d. Rationalismus in Bayern, 1940;
    Zur Schulpol. u. Päd., ausgew., eingel. u. erl. v. G. Ulbricht, 1961;
    R. Eichelsbacher, H. S. als Schulreformer in d. unterfränk. Gfsch. Castell, 1967;
    M. Liedtke, in: Fränk. Lb. XII, 1986, S. 218–33 (P);
    ders. (Hg.), Hdb. d. Gesch. d. Bayer. Bildungswesens, 2 Bde., 1991/93;
    G. Ulbricht, H. S. (1761–1850), e. gr. Päd. d. Aufklärung in Bayern, 1998 (W, L);
    I. Düppe, H. S. (1761–1850), e. christl. Schulpäd. mit demokrat. Bildungsvorstellungen, 2001 (W, L, P);
    H. Hoffmann, H. S. (1761–1850), e. Schulreformer in d. Gfsch. Castell, in: Der Steigerwald 26, 2006, H. 3, S. 171–74 (P);
    Lex. Päd.;
    zur Fam.:
    W. Dannheimer u. a., Rr.schaftl. Pfarrerbuch Franken, bearb. v. G. Kuhr, 1979, S. 322 (auch zu Johann Leonhard Adam u;
    Johann Christoph)

  • Portraits

    | Kupf. v. Ch. W. Bock n. Zeichnungen v. C. Burker, u. a. 1791 (Wolfenbüttel, Hzg. August Bibl.;
    Kunstslgg. d. Veste Coburg, Abb. in: Fränk. Lb. XII, n. S. 224);
    Kupf. v. Gottschick n. Zeichnung v. Baumann (Wolfenbüttel, Hzg. August Bibl.).

  • Author

    Ingrid Düppe
  • Citation

    Düppe, Ingrid, "Stephani, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 260-261 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118798723.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographical Presentation

    Stephani: Heinrich St., geboren am 1. April 1761 in Gemünd an der Greck (Bisthum Würzburg), am 24. December 1850 in Gorkau am Zobten (Schlesien); merkwürdig als typischer Vertreter des Rationalismus in theologischer, namentlich aber in pädagogischer Hinsicht und als Urheber der Lautirmethode im ersten Leseunterrichte. St. wurde im väterlichen Pfarrhause zu Merzbach im Itzgrunde, wohin sein Vater 1763 versetzt war, streng nach dem kirchlichen Lehrbegriff erzogen und mit Hülse von Hauslehrern für die Universität Erlangen vorbereitet, die er 1778 bezog, um dort fünf Jahre im Hause seines Oheims, Hofraths Groß, zu verweilen. Sein reger Wissensdrang warf sich zuerst hauptsächlich auf die semitischen Sprachen, für die ihn früh der Unterricht des Rabbi Jona in seinem Heimathdorfe gewonnen und während der Studienzeit der Verkehr mit dem verwandten Pfarrer Bodenschatz zu Frauenaurach noch mehr begeistert hatte. Doch entsagte er dem Plane, die akademische Laufbahn zu verfolgen, und blieb ein Jahr als Candidat, mit weiteren Studien und pfarramtlicher Aushülfe beschäftigt, bei seinem Vater. Er war inzwischen durch seine Studien dem kirchlichen Lehrbegriff entfremdet und ganz ins rationalistische Lager hinübergetreten. Ehe er im Bisthume die verheißene Anstellung fand, berief ihn die Reichsgräfin Hedwig von Castell zum Hofmeister ihrer beiden Söhne, die er nach der Mutter baldigem Tode im Hause und unter Aufsicht des Geheimen Rathes v. Zwanziger in Nürnberg vier Jahre lang unterrichtete. Hier im Mittelpunkte des fränkischen Reichskreises und im freundschaftlichen Verkehre mit Zwanziger lernte er die sog. große Welt kennen, die Welthändel auch vom juristischen und politischen Standpunkte aus beurtheilen. Den vier Nürnberger Jahren folgten vier weitere Jahre mit dem jüngeren Grafen Castell und einem Sohne Zwanziger's in Kloster Bergen bei Magdeburg, wo St. zu dem Abte Resewitz, zu Gurlitt u. a. in freundliches Verhältniß trat und sich mehr und mehr in die Pädagogik vertiefte. Er unterrichtete dort auch selbst zeitweilig und benutzte öftere Ausflüge mit seinen beiden Zöglingen zur Anknüpfung interessanter Bekanntschaften im Kreise des hohen Reichsadels wie der gelehrten Welt Norddeutschlands. Bevorzugt durch seine gesellschaftliche Stellung, lebte er von 1791 an zwei Jahre mit seinem gräflichen Zöglinge auf der Universität Jena in vertrautem Verkehre mit Schiller, Reinhold, Paulus, Schütz, Hufeland, Döderlein, Griesbach u. a. „Alle Sonntage speiste eine ausgesuchte Gesellschaft von Gelehrten bei seinem Zöglinge und alle Abende wurde für einige geistreiche Freunde mitgedeckt.“ Er benutzte die Zeit, um Jura zu studiren; nach seinem Selbstzeugnisse, auf das wir angewiesen sind, war er aber dort keineswegs nur empfangend, sondern übte eine weitgehende Wirksamkeit auf jüngere Docenten und Studenten, so daß z. B. infolge eines von ihm angeregten Ehrengerichtes in Jena während eines ganzen Jahres kein Duell vorgekommen sein soll. Auch las er in einem engeren Zirkel über Moralpolitik oder die auf sittliche Principien gegründete Staatslehre. Der Jenaer Studienzeit folgte eine längere Reise in die Schweiz, wo er Fichte wiederfand, Matthisson, Lavater u. a. kennen lernte, und ein nochmaliger, fast zweijähriger Aufenthalt in Erlangen. Im J. 1795 ward St. Consistorialrath zu Castell und begann mit seinem Präsidenten v. Zwanziger eine völlige Reformation des Kirchen- und Schulwesens in der Grafschaft nach den Ansprüchen zeitgemäßer Aufklärung, geleitet von der, auch litterarisch vertretenen, Ansicht der „absoluten Einheit der Kirche und des Staates“. Abgesehen von dem grundsätzlich Bedenklichen solches rücksichtslosen Aufräumens mit geschichtlich begründeten, wenngleich im einzelnen reformbedürftigen, Ueberlieferungen hat St. damals wie später in methodischer und didaktischer Hinsicht, nicht minder für äußere Hebung und bessere Bildung des geistlichen und des Lehrerstandes manches Rühmliche in rastloser Thätigkeit geleistet. Durch den Tod des Präsidenten v. Zwanziger der kräftigsten Stütze beraubt, zog St. sich auf die ländliche Pfarre Rüdenhausen zurück, von wo ihn der Ruf des Königs von Baiern als Kreisschul- und Kirchenrath nach Augsburg (1808), von da nach Eichstädt (1810) und zuletzt nach Ansbach (1811) verpflanzte. In diesem Amte war St. nach allen Seiten hin thätig. Gymnasien, Volksschulen, Lehrerbildung, Mädchenschulen, Stipendienwesen und Schulverwaltung in Nürnberg: alles griff er mit gleichem Eifer an, der ihm das Ehrenritterkreuz des bairischen Hausordens vom heiligen Michael und nach seiner eigenen Andeutung Gelegenheit zum Eintritt in die centrale Schulleitung in München, bald aber auch in steigendem Maaße Ungunst und Feindschaft einbrachte. Geradezu verhaßt machte sich St. durch die selbstzufriedene und hoffärtige Art, mit der er die nach seiner Ansicht abergläubischen religiösen Vorurtheile der Altgläubigen befehdete, bei diesen, deren Einfluß in jener Zeit schon wieder erstarkte. Eine Schrift über die „Einsetzung und den wahren Sinn des heiligen Abendmahles mit einem Titelkupfer von Salvator Rosa“ wurde sogar obrigkeitlich verboten und eingezogen. Der Ungnade an höchster Stelle wich St. aus durch den Antrag auf Rücktritt in den geistlichen Stand. Ein vorangegangenes dienstgerichtliches Verfahren hatte zwar nicht zur eigentlichen Bestrafung, aber zu einem Schlusse geführt, der ihm „das Verschulden des Rufes der Bestechlichkeit, Unregelmäßigkeiten bei der Beförderung von Lehrern etc.“ zur Last legte und im Interesse der Würde und Ehre des Landescollegiums seinen Austritt aus diesem für erwünscht erklärte. Er ward als Decan und Pfarrer nach Gunzenhausen mit dem Charakter als Kirchenrath versetzt (1817) und wirkte dort als eifriger Volks- und Jugendfreund wie als fanatischer Aufklärer noch siebzehn Jahre weiter. Wiederholt vertrat er den dortigen Wahlkreis in der Ständeversammlung und scheint in seiner Umgegend großen Anhang gefunden zu haben. Fortgesetzte Reibungen mit den theologischen Gegnern und der auf deren Seite tretenden kirchlichen Behörde, die St. selbst wesentlich auf die Ränke eines jüngeren Geistlichen Schneider ( 1868 als Pfarrer in Großhaslach) zurückführt, endeten 1834 mit Enthebung des rüstigen Greises vom Amte, die mit seinen gehässigen Angriffen gegen Kirchenlehre und Kirchenordnung begründet ward. Unter Fortbezug seines Gehaltes trat er nun in Ruhestand, den er zunächst benutzte, um die „Geschichte seiner Amtssuspension als Decan und Stadtpfarrer von Gunzenhausen in Bayern, ein Seitenstück zu der jüngsten mystischen Spukgeschichte zu Halle in Preußen“ (Hildburghausen 1835) herauszugeben. Hiewider erschienen amtlich: „Actenstücke zur Berichtigung und Ergänzung“, auf die St.|mit einem „Nachtrage zu Dr. H. Stephani's Geschichte seiner Amtssuspension“ (1836) antwortete. Im J. 1842 zog St. zu seiner einzigen noch lebenden Tochter, einer Frau v. Lüttwitz, nach Gorkau am Zobten, wo er 1850 fast neunzigjährig nach einem glücklichen Greisenalter starb. Lehrer der Umgegend trugen ihn in dankbarer Verehrung zu Grabe.

    Ruhige Kritik kann die leidenschaftliche Einseitigkeit und Unduldsamkeit Stephani's im Kampfe für die Verstandesaufklärung seiner Zeit nicht übersehen und ihn überhaupt nicht so hoch stellen, wie er selbst in seiner, nur in der Schlußwendung bescheidenen, Autobiographie sich schützt. Aber auch die wegwerfende Geringschätzung seiner Gegner ist nicht frei von gehässiger Unbill. Wer Stephani's zahlreiche Schriften und Aufsätze unbefangen betrachtet, findet darin neben manchem Banalen und Platten auch viele gute und glückliche Gedanken, welche die schroffe Engherzigkeit seines rationalistischen Standpunktes doppelt bedauern lassen. Namentlich der höhere nationale und staatsmännische Gesichtspunkt, von dem aus er das Ganze des Erziehungswesens auffaßt und systematisch gliedert, verdient neben seinen unleugbaren Verdiensten um die Methodik des ersten Jugendunterrichtes im Lesen, Rechnen etc. rühmend hervorgehoben zu werden.

    Als Schriftsteller war St. fruchtbar und in der Zeit seiner Blüthe erfolgreich, wenngleich er selbst geneigt ist, seinen Antheil an der öffentlichen, theologischen wie philosophischen und pädagogischen, Meinung seiner Zeit zu überschätzen. Als Student schrieb er einen Roman, als junger Candidat „Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion“, die beide nicht gedruckt sind. In der Nürnberger Zeit erschienen „Geschichte der Entstehung und Ausbildung der Idee von einem Messias" und „Lehrbuch der Religion für die Jugend der höheren Stände". In Klosterbergen begründete er mit mehreren anderen die Zeitschrift „Archiv der Erziehungskunde für Teutschland", die er bis zum vierten Jahrgange herausgab und dann zu Gunsten der „Pädagogischen Bibliothek" seines Freundes Guts Muths eingehen ließ. Der Jenaer Aufenthalt zeitigte „Grundlinien der Rechtswissenschaft" (1797), „Anmerkungen zu Kant's metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre" (1795) und die Schrift „Ueber die absolute Einheit der Kirche und des Staates“ (1795). Der „Grundriß der Staatserziehungswissenschaft“ (Weißenfels 1797) wurde auf Antrieb des preußischen Ministers v. Massow ausgearbeitet zum „System der öffentlichen Erziehung" (Erlangen 1805; II. Aufl. 1813). Die Lautirmethode empfahl St. in den Schriften: „Kurzer Unterricht in der leichtesten und kürzesten Methode Kindern das Lesen zu lehren" (Erlangen 1803) und „Ausführliche Beschreibung einer einfachen Lesemethode" (daselbst 1814). Dazu kamen: „Ausführliche Beschreibung der genetischen Schreibmethode“ (daselbst 1815) und „Ausführliche Anweisung zum Rechenunterrichte“ (Nürnberg 1815). Am meisten Widerspruch fanden: „Leitfaden zum Religionsunterricht für Confirmanden“ (Erlangen 1806) und „Winke zur Vervollkommnung des Confirmandenunterrichtes“ (daselbst 1810). In Baiern verboten ward außer der schon genannten Schrift über das Abendmahl die „Ueber die constitutiven Grundsätze der protestantischen Kirche für Lehre, Cultus und Kirchenregiment nach den Bestimmungen der symbolischen Bücher“ (daselbst 1822). St. ließ daher sein „Allgemeines kanonisches Recht der protestantischen Kirche“ (Tübingen 1825) im Auslande drucken. An Zeitschriften gab außer dem obigen Archive St. noch heraus den „Baierischen Schulfreund" (Erlangen seit 1809), den er seit 1818 als „Schulfreund für die deutschen Bundesstaaten“ bezeichnete, und der viele, theilweise werthvolle, Arbeiten von ihm selbst enthält, sowie die „Neue Kirchenzeitung“ (1826—28). — Seine Autobiographie erschien in Schuderoff's Journal für Prediger und in der Aachener Allgem. Wochenschrift (1829), aus beiden in wenig verschiedener Form auch als Sonderabdruck. — Vgl. auch Klemm in|Schmid-Schrader's Encyklopädie des Erziehungs- und Unterrichtswesens Bd. IX (2. Aufl. 1887).

  • Author

    Sander.
  • Citation

    Sander, "Stephani, Heinrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 36 (1893), S. 90-93 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118798723.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA