Lebensdaten
1877 – 1965
Geburtsort
Mülheim/Ruhr
Sterbeort
Puchhof bei Straubing
Beruf/Funktion
Stifterin
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 139426817 | OGND | VIAF: 101168309
Namensvarianten
  • Zurhelle, Amélie (geborene)
  • Zur Helle, Amélie
  • Thyssen, Amélie (verheiratete)
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Zitierweise

Thyssen, Amélie (verheiratete), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd139426817.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Louis Zurhelle (auch: zur Helle) (1850–1932), Wollkaufm. in A., dann in Mülheim/Rhein, Anteilseigner d. Gewerkschaft Schwarzwälder Erzbergwerke zu Köln, S d. Johann Carl Theodor (1824–87), Kaufm. in A., u. d. Amalie Hövel (1828–1915);
    M Anna Maria Soherr (1853–1932);
    B Theodor Zurhelle (1874–1901), Kaufm. in A., Carl Zurhelle (1876–1937), Lt., Schw Anna Zurhelle (1882–1963, Hermann v. Petersdorff, 1877–1920, preuß. Rittmeister, S d. Fritz v. Petersdorff, 1834–1926, Fideikommißherr auf Großenhagen, Lütkenhagen, Puddenzig, Burow u. Kamelsberg, preuß. Gen.lt.), zuletzt in Rhöndorf b. Bonn;
    Düsseldorf 1900 Fritz (s. 2), S d. August (s. 1);
    1 T Anna (Anita) Gfn. Zichy zu Zich u. Vásonkeö (1909–90).

  • Biographie

    Über T.s Schulbildung ist nichts bekannt. Als 19jährige lernte sie Fritz Thyssen kennen, der sich sogleich mit ihr verlobte und sie nach mehrjähriger Verlobungszeit gegen den Willen seines Vaters heiratete. Ihre Tochter Anita erkrankte an Kinderlähmung und blieb zeitlebens behindert. Über großbürgerlich-familiäre Repräsentationsverpflichtungen hinaus scheint T. politisches Interesse entwickelt und die Hinwendung ihres Mannes zur NSDAP unterstützt zu haben, denn bereits zwei Jahre vor ihm trat sie dieser Partei am 1. 3. 1931 bei. Sie bekräftigte 1939 jedoch auch den Bruch ihres Mannes mit dem NS-Regime und trug die Folgen mit: Enteignung und Ausbürgerung nach der gemeinsamen Flucht in die Schweiz, Verhaftung und Auslieferung durch die Vichy-Regierung im Dez. 1940. In der Zeit der Inhaftierung des Ehepaars – Jan. 1941 – Mai 1943 in der psychiatrischen Abteilung eines Privatsanatoriums, dann bis Febr. 1945 als „Sonderhäftlinge“ im KZ Sachsenhausen, anschließend über Buchenwald und Dachau nach Südtirol verschleppt – wirkte sie für ihren kränklichen Mann als stabilisierende Stütze. Dies gilt auch für die Zeit seines Arrests durch die US-amerik. Militärregierung und seines Entnazifizierungsverfahrens (1945–48).

    Nach dem Tod Fritz Thyssens erbten Witwe und Tochter sein Vermögen je zur Hälfte. Für T.s Erbteil wurde 1954 eine Holding („Fritz Thyssen Vermögensverwaltung AG“) gegründet, die die Aktienmehrheit der „Rheinische Röhrenwerke AG“ hielt und Beteiligungen an der „Hüttenwerke Phoenix AG“ und der „August Thyssen-Hütte AG“ besaß. T. entwickelte keine eigene unternehmerische Initiative, hatte jedoch eine glückliche Hand bei der Wahl ihrer Berater und Spitzenmanager wie Robert Ellscheid (1901–85) und Hans-Günther Sohl (1906–89), dessen Machtkampf mit Fritz-Aurel Goergen (1909–86) sie 1957 zu Sohls Gunsten entschied. Als Hüterin der Familientradition und Inhaberin strategisch wichtiger Eigentumsrechte unterstützte sie die Verflechtung der Thyssengruppe, mit der ihre Unternehmenslenker die alliierten Entflechtungsmaßnahmen der Besatzungsjahre großenteils revidierten. Nach der Fusion der Rhein. Röhrenwerke mit den Hüttenwerken Phoenix zur „Phoenix-Rheinrohr AG“ (1955) betrieb die August Thyssen-Hütte eine Strategie des Beteiligungserwerbs (an d. „Niederrheinische Hütte AG“ 1956, d. „Dt. Edelstahlwerke AG“ 1957 u. d. „Phoenix-Rheinrohr AG“ 1964), mit der sie an die Spitze der europ. Stahlproduktion gelangte.

    Im Juli 1959 gründete T. mit ihrer Tochter die „Fritz Thyssen Stiftung“ zur Förderung der Wissenschaft mit Sitz in Köln. Das Stiftungskapital umfaßte Aktien zum Nominalwert von 100 Mio. DM bei dreifach höherem Kurswert. Dies war die erste große, private wissenschaftsfördernde Stiftung in der Geschichte der Bundesrepublik. Bei der Stiftungsgründung folgte T. den Vorschlägen eines Beraterkreises (Ellscheid, Sohl, Robert Pferdmenges,|Kurt Birrenbach) und Empfehlungen Konrad Adenauers, den sie seit Jahrzehnten persönlich kannte. Die Motive der Beteiligten waren nicht deckungsgleich. T.s Hauptmotiv lag darin, den Namen ihres Mannes mit einer ehrenden Memoria vom Makel des „I paid Hitler“ abzuheben.

    1940 ausgebürgert, stellte T. nach 1945 keinen Antrag auf Rückbürgerung, sondern blieb staatenlos. Seit 1953 residierte sie in zunehmend herrschaftlichem Stil auf dem familieneigenen Gut Puchhof bei Straubing, betreut von dem Exilpolen Julian Baron v. Godlewski (1903–83). Ihr Wunsch, daß die Familientradition in der Unternehmensführung von den Enkelsöhnen fortgesetzt werde, erfüllte sich nicht.

  • Auszeichnungen

    A Dr. iur. h. c. (Köln 1960);
    Gr. BVK mit Stern u. Schulterband (1960);
    A. T.-Auditorium im Haus d. Fritz Thyssen Stiftung, Köln (2012).

  • Literatur

    L 25 J. Fritz Thyssen Stiftung, in: Fritz Thyssen Stiftung, Jber. 1982/83, 1984;
    Th. Kielinger, in: Die gr. Stifter, hg. v. J. Fest, 1997, S. 381–406 (P);
    H. O. Eglau, Fritz Thyssen, Hitlers Gönner u. Geisel, 2003;
    E. Kraus, in: Gesichter d. Zeitgesch., hg. v. ders. u. a., 2009, S. 195–209 (P);
    J. Gramlich, Die T.s als Kunstsammler, Investition u. symbol. Kapital (1900 –1970), 2015 (P);
    S. Derix, Die T.s, Fam. u. Vermögen, 2015 (P);
    J. Bähr, T. in d. Adenauerzeit, Konzernbildung u. Fam.kapitalismus (im Druck); – Qu Tagebuchähnl. Aufzeichnungen (1897/98, 1908, 1945/46), vereinzelte Korr. u. Presseausschnittslg. im ThyssenKrupp Konzernarchiv, Duisburg.

  • Autor/in

    Hans Günter Hockerts
  • Zitierweise

    Hockerts, Hans Günter, "Thyssen, Amélie" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 245-246 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139426817.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA