Lebensdaten
1941 – 2014
Geburtsort
Schanghai
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Schauspieler
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Voss, Peter Gert
  • Voss, Gert
  • Voss, Peter Gert
  • mehr

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Zitierweise

Voss, Gert, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz137759.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (1908–67), aus Itzehoe, Außenhandelskaufm., etwa ab 1927 f. d. Carl Zeiss-Werke in China, ab 1954 in Oberkochen, S d. Christian ( um 1915), Lehrer, u. d. Elisabeth Krüger;
    M Marion (1913–94), aus Mukden (heute Shenyang, China), n. Internatszeit in Salem Chefsekr. in Dtld. u. ab etwa 1940 / 41 in China, T d. Julius Scheinhütte (um 1892-um 1954 / 55), aus Neuruppin, Physiker, Geol., seit 1918 f. d. Kölner Fa. Otto Wolff in China, n. d. 2. Weltkrieg bis 1952 in sibir. Lager inhaftiert, danach in Hamburg, u. d. Ida Bösken (um 1896–1976), aus Wesel, n. d. 2. Weltkrieg bis etwa 1950 / 51 in e. chin. Lager inhaftiert, danach ebenfalls in Hamburg;
    Lindau/ Bodensee 1967 Ursula (1947–2014), aus Weingarten, studierte Germanistik, Philos. u. Theaterwiss. in Stuttgart, danach freie Lektorin, 1987–90 Dramaturgin an George Taboris „Theater Der Kreis“ in W., ebd. ab 1987 verschiedentlich Produktionsdramaturgin am Burgtheater (s. L), T d. Josef Sessler (1924–2006), Berufssoldat, u. d. Melitta Hartnegg (1925–2013);
    1 T Grischka (* 1969), Schausp., Autorin u. Regisseurin, Gründerin d. Bernhard-Ensemble in W.

  • Biographie

    Die ersten Lebensjahre verbrachte V. in Schanghai, wo sich seine Eltern aus beruflichen Gründen niedergelassen hatten, bis infolge des Weltkriegs die Familie 1947 / 48 von den Amerikanern repatriiert wurde, um nach einigen Zwischenstationen ihre endgültige Bleibe in Wasserburg/ Bodensee zu finden. Von Natur eher schüchtern und ängstlich, suchte V. schon als Schüler Schutz in der Rolle des allseits geschätzten Entertainers, mit dem Erfolg, daß man ihn bald ins Kirchenkabarett seines Heimatortes holte. Nach dem Abitur 1961 studierte er in Tübingen Germanistik, Anglistik, Romanistik, Philosophie und Publizistik, brach jedoch 1964 ab und ging nach München zu Ellen Mahlke (* 1914), um bei ihr zwei Jahre lang Schauspielunterricht zu nehmen. 1966 debütierte V. am Stadttheater Konstanz in der Rolle des Eugene Marchbanks in „Candida“ von George Bernard Shaw. 1968 wechselte er an das Staatstheater Braunschweig, wo er erstmals auf die Regisseure Claus Peymann (* 1937) (Der junge Bauer, in: „Mutter Courage und ihre Kinder“ v. B. Brecht) und Niels-Peter Rudolph (* 1940) traf. Die Spielzeit 1971 / 72 verbrachte V. am Residenztheater in München, stand die folgenden sieben Jahre aber am Staatstheater Stuttgart unter Vertrag. Dort arbeitete er wiederholt mit Alfred Kirchner (* 1937) (zuerst als Benvolio, in: „Romeo und Julia“ v. W. Shakespeare, 1972). Künstlerische Differenzen offenbarte die Wiederbegegnung mit Peymann (Karl, in: „Die Räuber“ v. F. Schiller, 1975), der seit 1974 das Stuttgarter Schauspiel leitete und V. daraufhin nurmehr in Nebenrollen beschäftigte. 1979 zog V. trotzdem mit Peymann ans Schauspielhaus Bochum um und erspielte sich 1982 als Hermann in Peymanns Inszenierung der „Hermannschlacht“ (v. H. v. Kleist) Starruhm. Es folgten Einladungen von Jürgen Flimm (* 1941) und Peter Zadek (1926–2009) zu Gastspielen am Schauspiel Köln (Leonid Andrejewitsch Gajew, in: „Der Kirschgarten“ v. A. Tschechow, 1983) sowie am Hamburger Dt. Schauspielhaus (Ferdinand, in: „Die Herzogin von Malfi“ v. J. Webster, 1985). Für die Spielzeit 1985 / 86 ließ sich V. von Ivan Nagel (1931–2012) erneut an das Staatstheater Stuttgart verpflichten. Nach der triumphalen Uraufführung des u. a. ihm gewidmeten Stücks „Ritter, Dene, Voss“ von Thomas Bernhard (1931–89) bei den Salzburger Festspielen 1986 (Rolle des Ludwig, Regie: Peymann) gehörte V. 1986–93 unter der Intendanz von Peymann dem Wiener Burgtheater an (Burgtheater-Debüt in d. Titelrolle v. „Richard III.“ v. W. Shakespeare, R: Peymann, 1987). 1992 gastierte V. bei den Salzburger Festspielen als Marc Anton in „Julius Caesar“ von William Shakespeare (R: Peter Stein), 1994 mit dem Berliner Ensemble bei den Wiener Festwochen als Antonius in „Antonius und Cleopatra“ von William Shakespeare (R: Zadek) und 1995 an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz als Paul Dufresne in „Der Illusionist“ von Sacha Guitry (R: Luc Bondy). 1995–98 gestaltete er bei den Salzburger Festspielen die Titelrolle in „Jedermann“ von Hugo v. Hofmannsthal, um danach an das Burgtheater zurückzukehren. Zu seiner letzten Rolle an dieser Bühne wurde 2013 der Orgon in Molières „Tartuffe“. Seit seiner Kindheit filmbegeistert, wirkte V. ab 1988 verschiedentlich auch in Filmen mit; zuletzt übernahm er die Rolle des Generalstaatsanwalts Fritz Bauer (1903–68) in „Im Labyrinth des Schweigens“ (2014, R: Giulio Ricciarelli).

    Unter den dt.sprachigen Schauspielern seiner Zeit erregte V. die meiste Bewunderung. Keiner wurde öfter als Schauspieler des Jahres geehrt, beherrschte er doch den Zauber der Verwandlung in seiner ganzen Vielseitigkeit und Virtuosität. Durch beharrlich analytisch-reflektierendes Fragen suchte er die Triebkräfte seiner Figuren zu durchdringen und erreichte darin größte Wahrhaftigkeit. Ein besessener Perfektionist, legte V. Wert auf Stimmigkeit bis ins kleinste Detail. Besonders eindrücklich geriet ihm diesbezüglich der Othello (Wien, Ak.theater 1990) in der Maske des Mohren. Für neue Interpretationsweisen aufgeschlossen, gestaltete er unter Zadek den Shylock äußerlich als assimilierten Geschäftsmann, der sich gegen die Zumutungen der Christen zur Wehr setzt (Wien, Burgtheater 1988), und ließ seinen Jedermann als Skeptiker ins Grab steigen. V. bevorzugte gebrochene Figurencharaktere, denen er ihr Geheimnis ließ. Eine enge Zusammenarbeit verband ihn mit George Tabori (1914–2007), der ihm Rollen auf den Leib schrieb, wie u. a. den Alfons Morgenstern in „Die Ballade vom Wiener Schnitzel“ (Wien, Ak.theater 1996).

    V. war aber auch ein großer Komiker. Beispielhaft hierfür kann seine Karikatur des Redakteurs in „Furcht und Hoffnung der BRD“ von Franz Xaver Kroetz (* 1946) (Bochum, Schauspielhaus 1984) stehen, ebenso sein Willi Krak in der Komödie „Die Sunshine Boys“ von Neil Simon (Wien, Ak.theater 2003), in der er selbst Regie führte. Den Mephistopheles in Goethes „Faust“ (Wien, Burgtheater 2009) spielte V. als bösen Clown.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Dt. Ak. d. Darstellenden Künste (1981), d. Bayer. Ak. d. Schönen Künste (1991) u. d. Ak. d. Künste Berlin (1994);
    Gertrud-Eysoldt-Ring (1988);
    Kainz-Medaille (1988);
    BVK 1. Kl. (1989);
    Fritz-Kortner-Preis (1992);
    Preis d. internat. Theaterinst. (1997);
    Kammerschausp. (1998);
    Nestroy-Preis (2000);
    Goldenes Ehrenzeichen f. Verdienste um d. Land Wien (2001 / 02);
    Ehrenmitgl. d. Burgtheaters (2009);
    Ehrenring d. Burgtheaters (2011);
    Gr. Verdienstzeichen d. Landes Salzburg (2011);
    Schausp. d. Jahres (Theater heute) (1983 Hermann, 1987 Richard III., 1990 Othello u. Ivanov, 1992 Mr. Jay, 1998 Hamm, 2001 Johannes Rosmer).

  • Werke

    Weitere Rollen u. a. Woyzeck, Jude (G. Büchner, Woyzeck, 1976);
    Dorfrichter Adam (H. v. Kleist, Der zerbrochene Krug, 1979);
    Angelo (W. Shakespeare, Maß für Maß, 1979);
    Prospero (W. Shakespeare, Der Sturm, 1988);
    Hermann Geßler (F. Schiller, Wilhelm Tell, 1989);
    Nikolaj Alexejewitsch Ivanov (A. Tschechow, Ivanov, 1990);
    Mr. Jay (G. Tabori, Goldberg-Variationen, UA Ak.theater 1991);
    Macbeth (W. Shakespeare, Macbeth, 1992);
    Heinrich Zucker (G. Tabori, Requiem f. e. Spion, UA Ak.theater 1993);
    der Mann (P. Turrini, Endlich Schluß!, UA Ak.theater 1997);
    Pablo Vega (P. Handke, Zurüstungen f. d. Unsterblichkeit, UA Burgtheater 1997);
    Hamm (S. Beckett, Fin de Partie, 1998);
    Krapp (S. Beckett, Das letzte Band, 1999);
    Claire (J. Genet, Die Zofen, 2000);
    Boris Alexejewitsch Trigorin (A. Tschechow, Die Möwe, 2000);
    Johannes Rosmer (H. Ibsen, Rosmersholm, 2000);
    Herrenstein (Th. Bernhard, Elisabeth II., 2002);
    Halvard Solness (H. Ibsen, Baumeister Solness, 2004);
    Big Daddy (T. Williams, Die Katze auf d. heißen Blechdach, 2004);
    Hauptmann Edgar (A. Strindberg, Der Totentanz, 2005);
    Lear (W. Shakespeare, Kg. Lear, 2007);
    Wallenstein (F. Schiller, Wallenstein, 2007);
    Er, ein alter Schauspieler (Th. Bernhard, Einfach kompliziert, 2011);
    Herzog (W. Shakespeare, Maß f. Maß, 2011);
    Prof. Serebrjakow (A. Tschechow, Onkel Wanja, 2012);
    Fernseh-/ Filme: Arbeitersaga 1 – April 1945, Das Plakat (Major Strachow, Regie: Dieter Berner, 1990);
    Radetzkymarsch (Graf Chojnicki, R: Axel Corti/ Gernot Roll, 1995);
    Der Kopf d. Mohren (Georg Hartmann, R: Paulus Manker, 1996);
    Dr. Knock (Dr. Knock, R: Dominik Graf, 1997);
    Anwalt Abel – Die Spur e. Mädchenmörders (Viktor Henninger, R: Marc Rothemund, 1998);
    Endlich Schluß (Der Mann, R: Dieter Berner, 1999);
    Balzac, Ein Leben voller Leidenschaft (Victor Hugo, R: Josée Dayan, 1999);
    Mitte Ende August (Bo, Hannas Vater, R: Sebastian Schipper, 2009);
    Zettl (Alexander Skirkidis, R: Helmut Dietl, 2012);
    Autobiogr.: „Ich bin kein Papagei“, G. V., e. Theaterreise, aufgezeichnet v. Ursula Voss, 2011 (Abb., P);
    Nachlaß: Ak. d. Künste, Berlin.

  • Literatur

    |K. Dermutz, Das Theater ist e. Piratenschiff, Ein Gespräch mit d. Schauspielkünstler G. V., in: Die Zeit v. 12. 9. 1991, S. 61 f.;
    P. v. Becker, „Willst du mich e. Virtuosen schimpfen?“, Die Schausp. d. Jahres, G. V. u. Ignaz Kirchner, in: Theater heute, Jb. 1992, S. 38–51;
    ders., „Ich liebe alle Leute, die keinen Stil haben!“, Ein Gespräch mit d. Schausp. G. V., ebd., 1996, S. 82–90;
    G. V., Sich leidenschaftlich verwickeln in e. fremdes Stück Leben, in: P. Iden (Hg.), Meine liebste Rolle, 1993, S. 21–30;
    H.-D. Schütt (Hg.), G. V., „Ich würd’ gern wissen, wie man ein Geheimnis spielt“, 1997 (Abb., P);
    O. Hruschka, Magie u. Handwerk, Reden v. Theaterpraktikern über d. Schauspielkunst, 2005, S. 115–35;
    K. Dermutz, Die Verwandlungen d. G. V., Gespräche über d. Schauspielkunst, 2001, bearb. u. erg. Aufl. 2006 (Rollenverz., Abb., P);
    P. Kümmel, Claus Peymann u. G. V., Einfach kompliziert!, in: Die Zeit v. 17. 03. 2011;
    Schausp. G. V., in: B. Rett, KulturWerk, außergewöhnl. Gespräche mit außergewöhnl. Persönlichkeiten, 2011, S. 120–27;
    G. Stadelmaier, Zum Tod v. G. V., Der Dompteur d. Dämonen, in: FAZ v. 14. 07. 2014;
    M. Merschmeier, Ein Za. wird beerdigt, Zum Tod v. G. V., in: Theater heute, 55. Jg., Okt. 2014, S. 28–33;
    Ursula Voss (Hg.), G. V. auf d. Bühne, 2014 (Rollenverz., Abb., P).

  • Porträts

    |A. Heine (Hg.), Oliver Mark, Portraits, 2007, S. 146;
    Dokumentationen: u. a. Der König, der Jude, der Zauberer, der Mohr (ZDF 1991, R: Norbert Beilharz);
    V. u. d. Suche nach d. Zeit (ORF 2002, R: Rose Kern);
    Abgeschminkt, G. V. (ZDF 2004, Theaterkanal, R: Johanna Schickentanz);
    G. V., Der Verwandlungskünstler (ORF 2011, R: Susanna Schwarzer).

  • Autor/in

    Ralph-Günther Patocka
  • Zitierweise

    Patocka, Ralph-Günther, "Voss, Gert" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 131-132 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz137759.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA