Lebensdaten
1896 – 1981
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
Mathematiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 119045583 | OGND | VIAF: 61612750
Namensvarianten
  • Siegel, Carl L.
  • Siegel, Carl Ludwig
  • Siegel, Carl
  • mehr

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Zitierweise

Siegel, Carl, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119045583.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Peter, Briefträger;
    M N. N.; ledig.

  • Biographie

    S. begann 1915 das Studium der Astronomie, Mathematik und theoretischen Physik in Berlin, konzentrierte sich aber bald ganz auf die Mathematik. Schon am Ende seines ersten Semesters erhielt S. auf Vorschlag seines Lehrers Georg Frobenius (1849–1917) den Eisenstein-Preis der Univ. Berlin. Zu S.s Lehrern zählten auch Issai Schur (1875–1941) und Edmund Landau (1877–1938) in Göttingen, wohin S. 1919 wechselte. 1920 wurde er bei Landau über ein Thema zur „schlechten Approximierbarkeit“ algebraischer Zahlen (später bekannt als „Satz von Thue, Siegel u. Roth“) promoviert. Ein Lehrauftrag führte S. nach Hamburg zu Erich Hecke (1887–1947), anschließend wurde er Assistent bei Richard Courant (1888–1972) in Göttingen, wo er sich|1921 mit einer Arbeit zur „Additiven Theorie der algebraischen Zahlkörper“ habilitierte. 1922 wurde er als Nachfolger von Arthur Schoenflies o. Professor für Mathematik an der Univ. Frankfurt/M., wo er, mit Unterbrechung durch eine Gastprofessur 1935 in Princeton (USA), bis 1937 blieb. Anfang 1938 übernahm S. den Lehrstuhl für Mathematik in Göttingen. Mit seinen jüd. Kollegen Max Dehn, Ernst Hellinger, Otto Szäsz und Paul Epstein verband S. eine enge Freundschaft; mit den beiden erstgenannten führte er Seminare zur Geschichte der Mathematik durch. Für den Pazifisten S. wurden die politischen Verhältnisse nach dem Regierungsantritt der Nationalsozialisten 1933 zunehmend unerträglich und er emigrierte im Frühjahr 1940 über Norwegen in die USA. Zunächst erhielt er ein Stipendium am Institute for Advanced Study in Princeton, 1945–51 war er dort im Rang eines o. Professors in fester Stellung. 1951 kehrte S. nach Göttingen zurück (em. 1959). Zu seinen Schülern gehörten u. a. Helene Braun, Ulrich Christian, Erhard Gottschling, Helmut Klingen, Kurt Mahler, Wilhelm Maier, Christian Pommerenke, Helmut Rüssmann und Theodor Schneider.

    S.s wiss. Arbeit begann auf dem Gebiet der Zahlentheorie (analyt. Zahlentheorie in algebr. Zahlkörpern, diophant. Approximationen, quadrat. Formen); später folgten wichtige Beiträge zur Theorie der Funktionen komplexer Variabler (auch von mehreren Veränderlichen; „Siegel’sche Modulfunktionen“, diskontinuierl. Gruppen, symplekt. Geometrie) und zur Himmelsmechanik. 1921 bewies er eine erhebliche Verschärfung eines Satzes von Thue, wonach algebraische Zahlen durch rationale Zahlen „schlecht“ approximierbar sind; als Konsequenz ergaben sich Endlichkeitsaussagen für die Anzahl der Lösungen gewisser diophantischer Gleichungen (Approximation algebr. Zahlen, in: Math. Zs. 10, S. 173–213). 1955 brachte Klaus F. Roth den seither sog. „Satz von Thue-Siegel-Roth“ in eine bestmögliche Form. In einer Reihe von Arbeiten zur additiven Theorie der Zahlkörper (u. a. in: Math. Ann. 87, 1922, S. 1–35, ebd. 88, 1923, S. 184–210, American Journal of Mathematics 66, 1944, S. 122–36) vermochte S. die Hardy-Littlewoodsche „Kreismethode“, eine der wirksamsten Methoden der additiven Zahlentheorie, auch auf entsprechende Probleme in algebraischen Zahlkörpern auszudehnen. Eine fundamentale Schwierigkeit bestand darin, ein Analogon der Farey-Zerschneidung des Einheitskreises in algebraischen Zahlkörpern zu entwickeln. Dies gelang S. mit Methoden aus der „Geometrie der Zahlen“. Die Abhandlung „Über die Classenzahl quadratischer Zahlkörper“ (Acta Arithmetica 1, 1935, S. 83–86) ist u. a. grundlegend für den Beweis des „Primzahlsatzes von Page, S. und Walfisz“, der wiederum einer der tragenden Pfeiler für die Lösung des „Ternären Goldbachproblems“ 1937 durch Ivan M. Vinogradow wurde.

    Die umfangreiche Arbeit „Über einige Anwendungen diophantischer Approximationen“ (Abhh. d. Preuß. Ak. d. Wiss., Math.Naturwiss. Kl., 1929) befaßt sich mit der Transzendenz und algebraischen Unabhängigkeit von Werten von Zylinderfunktionen und deren Ableitungen und gibt auch „Transzendenzmaße“; der zweite Teil zeigt, daß diophantische Polynom-Gleichungen f (x, y) = 0 höchstens endlich viele ganzzahlige Lösungen besitzen, wenn das „Geschlecht“ g der dargestellten Kurve größer als Null ist. „Über Riemanns Nachlaß zur analytischen Zahlentheorie“ (Quellen u. Studien z. Gesch. d. Math., Astronomie u. Physik 2, 1932, S. 45–80), wurde besonders wichtig im Zusammenhang mit numerischen Berechnungen der Zeta-Funktion mit Hilfe einer semikonvergenten Entwicklung; auf Basis dieser Untersuchungen konnten (nach Vorarbeiten u. a. v. D. H. Lehmer, J. B. Rosser u. R. P. Brent) J. van der Lune, H. J. J. te Riele und D. T. Winter 1986 zeigen, daß die ersten 1,5 Mia. Nullstellen der Zeta-Funktion exakt auf der kritischen Geraden liegen. Eine Reihe von Arbeiten über quadratische Formen brachte völlig neue analytische Methoden in die Theorie dieser Formen (Annals of Mathematics 36, 1935, S. 527–606, ebd. 38, 1937, S. 212–91, ebd. 45, 1944, S. 577–622). Für die Anzahl der Darstellungen einer Form S durch eine andere Form T wird eine analytische Klassenzahlformel gegeben, die die Einführung der „Siegelschen Modulfunktionen“ zur Folge hatte. Diese wurden von S. auch in weiteren Publikationen untersucht. Auf dem Gebiet der Himmelsmechanik befaßte er sich mit Lösungen von Systemen von partiellen Differentialgleichungen und verwendete auch dabei zahlentheoretische Methoden (Problem der „kleinen Nenner“).

    S.s Vorlesungen zeichneten sich durch Klarheit und Übersichtlichkeit aus; seine daraus hervorgegangenen Skripten bzw. Monographien erfreuten sich international großer Beliebtheit. Das Tata Institute in Bombay veröffentlichte S.s dortige Vorlesungen als Lecture Notes (On Quadratic Forms 1957; On Advanced Analytic Number Theory 1961; On Riemann Matrices 1963; On Singularities of the Three Body Problem 1967). Das Institute for Advanced Study in Princeton veröffentlichte ebenfalls mehrere Bände mit den Arbeiten S.s (Analytic Functions of Several Complex Variables, 1948/49; Lectures on the Analytic Theory of Quadratic Forms, 1935, 1949, 1963). S. zählt zu den bedeutendsten und einflußreichsten Mathematikern des 20. Jh.

  • Auszeichnungen

    Dr. h. c. (Basel, Chicago, Frankfurt/M. 1964, Nancy, New York, Wien, Zürich);
    korr. Mitgl. d. Göttinger Ak. d. Wiss. (1949, o. 1951), d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1958), d. Dän. Ak. d. Wiss., Kopenhagen, d. Norweg. Ak. d. Wiss., Oslo, d. Schwed. Ak. d. Wiss., Stockholm, d. Ac. des Sciences, Paris, u. d. Acc. dei Lincei, Rom;
    Ehrenmitgl. d. London Mathematical Soc. (1956);
    Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1963);
    Gr. BVK mit Stern (1964);
    erster Preisträger d. Wolf Foundation (1978, mit I. M. Gelfand).

  • Werke

    Ges. Abhh., 4 Bde., 1966–79 (P).

  • Literatur

    L M. Deuring, in: Acta Arithmetica 45, 1985, S. 92–115 (W-Verz.);
    J. Dieudonné, in: Comptes Rendus de l'Académie des sciences, Paris, Vie Acad. 296, 1983, Suppl. 16, S. 63–75;
    E. Hlawka, in: Internat. Math. Nachrr. 129, 1981, S. 7–9;
    ders., in: Jb. Überblicke Math. 1982, S. 159–68;
    T. Schneider, Das Werk C. L. S.s in d. Zahlentheorie, in: Jber. d. Dt. Mathematiker-Vereinigung 85, 1983, S. 147–57;
    H. Klingen, Das Werk C. L. S.s in d. Funktionentheorie, ebd., S. 158–73;
    H. Rüßmann, Das Werk C. L. S.s in d. Himmelsmechanik, ebd., S. 174–200;
    B. H. Yandell, The Honors Class, Hilbert's Problems and Their Solvers, 2002 (P);
    W. Schwarz u. J. Wolfart, Zur Gesch. d. Math. Seminars d. Univ. Frankfurt/M. 1914 bis heute, in: Schrr. d. Univ.archivs, Nr. 1, 2005, S. 8–133 (P);
    S. Gottwald, H.-J. Ilgauds u. K.-H. Schlote, Lex. bed. Mathematiker, 1988;
    Pogg. V–VII a;
    The New Enc. Britannica, 151979;
    BHdE II;
    Die Juden d. Frankfurter Univ., hg. v. R. Heuer u. S. Wolf, 1997 (Qu, W, L, P);
    DSB 17;
    Tobies, Biogr. Lex. Math.;
    Göttinger Gel. II, S. 554 f. (P);
    Qu
    Archiv d. Univ. Frankfurt/M.

  • Autor/in

    Wolfgang Schwarz
  • Zitierweise

    Schwarz, Wolfgang, "Siegel, Carl" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 339-341 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119045583.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA