Lebensdaten
1899 – 1973
Geburtsort
Kirchhain (Hessen)
Sterbeort
Annapolis (Maryland, USA)
Beruf/Funktion
Philosoph
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118833901 | OGND | VIAF: 14777054
Namensvarianten
  • Strauss, Leo
  • Lie ao Shi te lao si
  • Lieao-Shitelaosi
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Strauss, Leo, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118833901.html [23.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hugo (1869–1942), Kaufm., S d. Meyer;
    M Jenny David (1873–1919;
    Schw Bettina (1901–42, Paul Kraus, 1900–44, jüd., aus Prag, Arabist in Berlin, Paris u. Kairo);
    Paris 1933 Mirjam (Marie) Bernsohn (1900–85, 1] Walther Petry, 1900–30, Schriftst.); N u. Adoptiv-S Thomas (* 1930), Schausp., N u. Adoptiv-T Jenny Clay (* 1942), Prof. of Classics an d. Univ. of Virginia, Charlottesville (USA).

  • Biographie

    S. besuchte 1912–17 das Philippinum in Marburg. Seit 1917 studierte er – unterbrochen von knapp eineinhalb Jahren Kriegsdienst – Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften in Marburg, Frankfurt/M., Berlin und Hamburg. Nachdem er 1921 von Ernst Cassirer mit der Dissertation „Das Erkenntnisproblem in der philosophischen Lehre Fr. H. Jacobis“ promoviert worden war, setzte er seine Studien bei Edmund Husserl und Martin Heidegger in Freiburg (Br.) fort. Bis zu seinem 30. Lebensjahr trat S. publizistisch für die Sache des politischen Zionismus ein, dem er sich als Gymnasiast zugewandt hatte. Während seiner Zeit als Mitarbeiter der Akademie für die Wissenschaft des Judentums in Berlin 1925–32 entstanden die Monographie „Die Religionskritik Spinozas als Grundlage seiner Bibelwissenschaft“ (1930) und Editionen im Rahmen der Moses Mendelssohn Jubiläumsausgabe. Ein Rockefeller Fellowship führte ihn 1932 nach Paris, 1934 nach London und später Cambridge, wo er seine Studien zur arab. und hebr. Philosophie des Mittelalters sowie zu Hobbes vertiefte (Philos. u. Gesetz, 1935; Hobbes’ pol. Wiss., engl. 1936, dt. Orig. 1965).

    Nach seiner Übersiedlung in die USA unterrichtete S. 1938–48 an der New School for Social Research in New York (US-Staatsbürger 1944). 1949 erhielt er einen Ruf als Professor für Politische Philosophie an die Univ. Chicago (Robert M. Hutchins Distinguished Service Professor seit 1959), die während seiner Lehr- und Forschungstätigkeit zum wichtigsten Ort der Neubelebung der Politischen Philosophie wurde. S. nahm Gastprofessuren u. a. an den Universitäten Jerusalem (1954/55) und Stanford (1960) wahr. Nach der Emeritierung 1967 unterrichtete er am Claremont Men’ s College und von 1969 bis zu seinem Tod am St. John’ s College in Annapolis. S. unterhielt eine ausgedehnte philosophische Korrespondenz u. a. mit Hans-Georg Gadamer, Jacob Klein, Alexandre Kojève, Paul Kraus, Gerhard Krüger, Karl Löwith und Gershom Scholem sowie mit Seth Benardete, Allan Bloom und Joseph Cropsey, die bei ihm studierten. Er rief eine weitverzweigte und einflußreiche hermeneutische Schule ins Leben und gehört zu den weltweit am stärksten rezipierten Philosophen des 20. Jh.|Im Zentrum von S.s Œuvre steht die Neubegründung der Politischen Philosophie im Rückgang auf deren Sokratischen Ursprung. S. führte den Begriff der Politischen Philosophie in die philosophische Debatte ein, um zur Geltung zu bringen, daß die Philosophie eine Lebensweise ist, die ihr Recht und ihre Notwendigkeit in der Auseinandersetzung mit den autoritativen Meinungen des politischen Gemeinwesens zu erweisen hat. Politische Philosophie in diesem Sinne bezeichnet nicht nur die Materie, der sich die Philosophie zuwenden muß, wenn sie ihrem eigenen Wahrheitsanspruch genügen will – die politischen oder die menschlichen Dinge im Ganzen –, sondern verweist ebenso auf den Modus, dessen sie zur Sicherung ihrer Existenzgrundlagen bedarf. Sie hat die doppelte Aufgabe der politischen Verteidigung und der rationalen Begründung der Philosophie in der Prüfung ihrer mächtigsten Antagonisten, der theologischen und der politischen Alternative zur philosophischen Lebensweise. Die Auseinandersetzung mit dem „theologisch-politischen Problem“, von dem S. 1964 sagte, es sei das Thema aller seiner Untersuchungen geblieben, ist das Herzstück der Politischen Philosophie.

    S. bestimmte das Verhältnis der Philosophie zur Politik in weitausgreifenden, von Heidegger bis zu den Vorsokratikern zurückreichenden Studien (Natural Right and History, 1953; What Is Political Philosophy?, 1959) und in exemplarischen Auslegungen etwa von Rousseaus „Premier Discours“, Xenophons „Hieron“ oder Platons „Politeia“ (On the Intention of Rousseau, 1947; On Tyranny, 1948; The City and Man, 1964). Der politischen Präsentation, dem exoterisch-esoterischen Doppelgesicht philosophischer Werke, ging er in schulbildenden Arbeiten zur „Kunst des sorgfältigen Schreibens“ nach (Persecution and the Art of Writing, 1952). Der Kommentar war der bevorzugte Modus, in dem S. seinen Dialog mit Platon und Rousseau, Maimonides und Alfarabi, Machiavelli und Xenophon, Aristoteles und Hobbes über die Streitsachen der Philosophiegeschichte führte, v. a. über den Streit der Alten und der Neueren und den Streit der Aufklärung mit dem Offenbarungsglauben. Höhepunkte eines solchen Dialogs sind S.s Hauptwerke „Thoughts on Machiavelli“ (1958) und „The Argument and the Action of Plato’s Laws“ (1975). S.s Unterfangen der Neubegründung der Politischen Philosophie, sein Aufsuchen des Horizonts, in dem die Philosophie als Problem sichtbar wird, ist getragen von der lebenslangen Auseinandersetzung mit Nietzsche und hat seinen Fluchtpunkt in Sokrates. In „Socrates and Aristophanes“ (1966), „Xenophon’s Socratic Discourse“ (1970) und „Xenophon’s Socrates“ (1972) stellte S. das Problem des Sokrates radikal neu und untersuchte die Sokratische Wende noch einmal als Antwort auf die theologisch-politische Herausforderung.

  • Werke

    Weitere W Jerusalem and Athens, 1967;
    Liberalism Ancient and Modern, 1968;
    Studies in Platonic Political Philosophy, 1983;
    On Plato`s Symposium, hg. v. S. Benardete, 2001;
    Gesammelte Schrr., hg. v. H. Meier, bislang 3 Bde., 1996–2001, ³2008 (P);
    Nachlaß:
    Univ. Chicago, Regenstein Library;
    Bibliogr.:
    Internetseiten d. L. S. Center d. Univ. of Chicago (seit 2008).

  • Literatur

    V. Gourevitch, Philosophy and Politics, in: Review of Metaphysics 22, 1968, S. 58–84 u. 281–328;
    C. Bruell, S. on Xenophon`s Socrates, in: Political Science Reviewer 14, 1984, S. 263–318;
    N. Tarcov u. T. Pangle, Epilogue, L. S. and the History of Political Philosophy, in: L. S. u. J. Cropsey (Hg.), History of Political Philosophy, ³1987, S. 907–38;
    H. Meier, Carl Schmitt, L. S. u. „Der Begriff d. Politischen“, Zu e. Dialog unter Abwesenden, 1988, ²1998 (P);
    ders., Die Denkbewegung v. L. S., 1996 (W, L, P);
    ders., Das theol.-pol. Problem, Zum Thema v. L. S., 2003;
    ders., L. S. and the Theologico-Political Problem, 2006;
    S. B. Drury, The Political Ideas of L. S., 1988, ²2005 (W, L);
    A. Udoff (Hg.), L. S.`s Thought, Toward a Critical Engagement, 1991;
    L. Lampert, L. S. and Nietzsche, 1996;
    C. Kauffmann, L. S. z. Einf., 1997;
    D. Tanguay, L. S., Une biographie intellectuelle, 2003;
    D. Janssens, Between Athens and Jerusalem, 2008;
    St. B. Smith (Hg.), The Cambridge Companion to L. S., 2009;
    BBKL 32;
    ANB.

  • Autor/in

    Heinrich Meier
  • Zitierweise

    Meier, Heinrich, "Strauss, Leo" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 512-513 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118833901.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA