Lebensdaten
1889 – 1974
Geburtsort
Wien
Sterbeort
ebenda
Beruf/Funktion
Schauspielerin ; Theaterdirektorin ; Regisseurin
Konfession
-
Normdaten
GND: 118757113 | OGND | VIAF: 64803086
Namensvarianten
  • Thimig, Ottilie Helene
  • Kalbeck, Helene (verheiratete)
  • Reinhardt, Helene (verheiratete)
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Zitierweise

Thimig, Helene (geborene), Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118757113.html [04.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hugo (s. 1);
    M Franziska Hummel;
    B Hermann (s. 3), Hans (s. 4);
    1) Berlin (?) 1913 oder 1915 (?) 1918 Paul (1884–1949), Regisseur, Schriftst. (s. ÖBL; BHdE II), S d. Max Kalbeck (Ps. Jeremias Deutlich) (1850–1921), Musikschriftst. u. -kritiker in W. (s. NDB XI), 2) 1935 1943 Max Reinhardt (bis 1890 Goldmann, seit 1904 amtl. Reinhardt) (1873–1943), Regisseur, Schausp., Theaterleiter (s. NDB 21), 1946–71 Anton Edthofer (1883–1971), aus W., Schausp., Max-Reinhardt-Ehrenring 1949, Josef-Kainz-Medaille 1960 (s. Teichl; Kürschners biogr. Theater-Hdb., 1956; Kosch, Theaterlex.; O. M. Fontana, Wiener Schauspieler, 1948; Hist. Lex. Wien); kinderlos.

  • Biographie

    Nach der Volksschule besuchte T. in Wien das Mädchenlyzeum Luithlen, 1907/08 die Handelsschule. Ersten Schauspielunterricht erhielt sie von ihrem Vater, später von der Theater- und Filmschauspielerin Hedwig Bleibtreu (1868–1958), die von ihrer Begabung nicht überzeugt war. Nach einem ersten Auftritt 1906 im Rahmen einer privaten Theatervorstellung (Bühnenjubiläum Ernst Hartmann) debütierte T. am 22. 11. 1907 am Stadttheater Baden b. Wien unter dem Pseudonym Helene Werner (als Marthe, in: Edouard Pailleron, Die Maus); 1908–11 war sie am Hoftheater in Meiningen engagiert (Debüt als Sennerin in: L. Ganghofer, Der Herrgottschnitzer von Ammergau). Auf Empfehlung ihrer Lehrerin Bleibtreu wirkte T. im Sommer 1908 bei den Goethe-Festspielen als Melitta in Grillparzers „Sappho“ in Düsseldorf mit und 1911 in Lauchstedt (heute Bad Lauchstädt) bei der Uraufführung von Hauptmanns „Gabriel Schillings Flucht“ (Lucie Heil). 1911–17 spielte sie am Schauspielhaus Berlin (Antrittsrolle als Georg, in: Goethe, Götz v. Berlichingen), seit 1913 war sie am Dt. Theater Berlin (Reinhardt-Bühnen) zunächst provisorisch, 1917–33 definitiv verpflichtet (Debüt als Elsalil, in: G. Hauptmann, Winterballade); zwischendurch führten sie Gastspiele immer wieder nach Wien.

    In Berlin begann auch T.s künstlerische Zusammenarbeit und enge Freundschaft mit|Max Reinhardt, ihrem späteren Ehemann. 1920/21 trat sie bei den ersten Salzburger Festspielen, die Max Reinhardt, Hugo v. Hofmannsthal und Richard Strauss begründet hatten, in Hofmannsthals „Jedermann“ (Gute Werke) auf; 1927–37 verkörperte sie im selben Stück den „Glauben“, 1922 und 1925 die „Weisheit“ in Hofmannsthals Mysterienspiel „Das Salzburger Große Welttheater“. 1922 wirkte sie in den Reinhardt-Inszenierungen im Wiener Redoutensaal mit. Neben ihrem Vater Hugo und ihrem Bruder Hermann zählte sie zu den Mitbegründern des Theaters in der Josefstadt in Wien (Direktion M. Reinhardt). Hier spielte sie zur Eröffnung 1924 in Carlo Goldonis „Der Diener zweier Herren“ die Smeraldina und in der Folge bis 1937 verschiedenste Rollen. 1927/28 gastierte T. mit den Wiener und Berliner Reinhardt-Bühnen in New York. Seit 1932 auch als Filmschauspielerin tätig (Mensch ohne Namen, 1932, Regie: G. Ucicky), ging sie 1933 mit Reinhardt nach Wien. 1937 folgte sie ihm in die USA (Freundschaft mit Franz Werfel, Thomas Mann) und nahm 1940 die amerik. Staatsbürgerschaft an. 1938–41 unterrichtete sie in Hollywood am – von Reinhardt 1937 gegründeten – „Max Reinhardt Workshop of Stage, Screen and Radio“, einer Theater- und Filmakademie, die vorübergehend auch von ihr geleitet wurde. Zur Sicherung ihres Lebensunterhalts übernahm sie in amerik. Filmen wegen der Sprachbarrieren nur kleine Rollen, meist dt. Frauen, beeindruckte gleichwohl durch ihre Darstellungskunst. 1946 kehrte T. nach Österreich zurück, erhielt 1952 die österr. Staatsbürgerschaft und war 1946–51 und 1963–65 als Schauspielerin, 1947–51 und 1963–68 als Regisseurin bei den Salzburger Festspielen tätig. 1946/47–54 (1956) am Wiener Burgtheater engagiert, übernahm sie 1948–54 die künstlerische Leitung des „Max Reinhardt Seminars“ und die damit verbundene Professur an der Akademie für Musik und darstellende Kunst, an der sie schon in der Vorkriegszeit unterrichtet hatte. Seit 1954 war T. wieder Mitglied des Theaters in der Josefstadt und führte dort auch Regie (Grillparzer, Weh dem, der lügt); 1967 trat sie als Gast am Wiener Burg- und Akademietheater auf und nahm 1967/68 an der Welttournee des Burgtheaters teil. Ihre letzte Rolle im Theater an der Josefstadt war die Charlotta in Anouilhs „Geliebter Antoine“, ihr letzter Bühnenauftritt erfolgte bei den Salzburger Festspielen 1971 (als Baronin in: Hofmannsthal, Der Unbestechliche).

    T. zählt zu den bedeutendsten österr. Schauspielerinnen. Ihr Repertoire war außergewöhnlich vielseitig, sie spielte die großen Rollen der klassischen Bühnenliteratur und auch modernere Stücke wie M. Redgrave „Die beiden Damen Bordereau“ (Miß Bordereau) oder E. O’Neill „Trauer muß Elektra tragen“ (Christine Mannon). In ihrer Schauspielkunst vereinte sie Wiener Tradition mit modernen Darstellungsmitteln Reinhardtscher Prägung. Dank ihrer Persönlichkeit und ihrer Kunst gelang es ihr, die Authentizität der Inszenierungen ihres Mannes zu bewahren und damit das Erbe Reinhardts nach dessen Vorstellungen weiterzuführen. Zu ihren Schülern zählten v. a. Johanna Matz (* 1932), Annemarie Düringer (1925–2014), Lotte Ledl (* 1930), Heinrich Schweiger (1931–2009), Otto Schenk (* 1930), Walter Schmidinger (1933–2013), Michael Heltau (* 1933) und Loek Huisman (* 1926); im Haus der beiden letztgenannten in Wien verbrachte T. ihr letztes Lebensjahr.

  • Auszeichnungen

    A Ehrenring d. Österr. Liga f. d. Vereinten Nationen (1947);
    Kammerschausp. (1950);
    Renner-Preis (1953);
    Max-Reinhardt-Ehrenring (1955);
    Ehrenmedaille d. Bundeshauptstadt Wien in Gold (1959);
    Josef-Kainz-Medaille (1962);
    Salzburger Festspielpreis (1963);
    Gr. Silbernes Ehrenzeichen d. Rep. Österr. (1969);
    Ehrenring d. Landes Salzburg (1969);
    Ehrenring d. Stadt Wien (1969);
    Österr. Ehrenkreuz f. Kunst u. Wiss. 1. Kl.

  • Quellen

    Qu Teilnachlaß (Österr. Theatermus. Wien); Teilnachlaß Max Reinhardt (Wienbibl. im Rathaus); Vorlaß Vincent C. Frank-Steiner (Dt. Exilarchiv Frankfurt/M.); Teilnachlaß Siegfried Trebitsch (Zürich, Zentralbibl.).

  • Werke

    W Bühnenrollen u. a. Klärchen, in: J. W. Goethe, Egmont;
    Iphigenie, in: ders., Iphigenie auf Tauris;
    Stella, in: ders., Stella;
    Gretchen, in: ders., Urfaust;
    Margarethe, in: F. Grillparzer, Kg. Ottokars Glück u. Ende;
    Helene Altenwyl, in: H. v. Hofmannsthal, Der Schwierige;
    Helene Alving, in: H. Ibsen, Gespenster;
    Alte, in: E. Ionesco, Die Stühle;
    Tante Fini, in: M. Mihura, Katzenzungen;
    Johanna, in: F. Schiller, Die Jungfrau v. Orleans;
    Luise Miller, in: ders., Kabale u. Liebe; Elisabeth, in: ders., Maria Stuart; Ophelia, in: W. Shakespeare, Hamlet; Kordelia, in: ders., Kg. Lear; Viola, in: ders., Was ihr wollt; – Filme: u. a. Nebenrollen in USA: The Moon is Down, 1943; The Seventh Cross, 1944; Hotel Berlin, 1945; Cry Wolf, 1947; Der Engel mit d. Posaune, 1948; Das Mädchen v. Pfarrhof, 1955; Die Magd v. Heiligenblut, 1956; – Fernsehrollen: Funken in d. Asche, 1962; Die Teepuppe, 1964; Katzenzungen, 1967; – Schrr.: M. Reinhardt, Ausgew. Briefe, Reden, Schrr. u. Szenen aus Regiebüchern, hg. v. F. Hadamowsky, Vorbem. v. H. T.-Reinhardt, 1963; Wie Max Reinhardt lebte, 1975.

  • Literatur

    L F. Schwiefert, H. T., 1923;
    J. Bab, Schausp. u. Schausp.kunst, 1926;
    A. Kahane, Die Thimigs, Theater als Schicksal e. Fam., 1930 (P);
    O. M. Fontana, Wiener Schausp., 1948;
    Kürschners biogr. Theaterhdb., 1956;
    L. Berger, Theatermenschen, 1962;
    E. Wurm, H. T., Bildnis e. Persönlichkeit, 1969 (P, Bühnenrollen);
    G. Doublier u. F. Fuhrich,|Hermann Thimig, Ein Leben in Dok., 1972;
    E. Fuhrich-Leisler u. G. Prossnitz (Hg.), Die Thimigs, Ihr Leben f. d. Theater, Ausst.kat. d. Max-Reinhardt-Forsch.- u. Gedenkstätte Salzburg, 1977/78 (P);
    M. Bier, Schausp.portraits, 24 Schausp. um Max Reinhardt, 1989;
    G. Hall, Hdb. d. Nachlässe u. Slgg. österr. Autoren, 1995;
    M. Reinhardt, Mss., Briefe, Dok., Kat. d. Slg. Dr. Jürgen Stein mit Auszügen aus unveröff. Schrr., bearb. u. hg. v. H. Wetscherek, 1998 (enth. d. gesamten Briefwechsel M. Reinhardts mit H. T.);
    E. Bakos, Geniale Paare, Künstler zw. Werk u. Leidenschaft, 2002;
    Th. Steininger, Die Exilsituation d. aus d. „Dritten Reich“ geflohenen Künstler am Bsp. v. H. T.s USA-Aufenthalt (1937–1946), Dipl.-Arb. Wien 2004;
    R. Ulrich, Österreicher in Hollywood, 2004 (P);
    Österr. Personenlex.;
    Hist. Lex. Wien (P);
    P. S. Ulrich, Biogr. Verz. f. Theater, Tanz u. Musik, 1997;
    Kosch, Theaterlex.;
    Sucher, Theaterlex. 1999;
    BHdE II; Wedel, Autobiogrr. Frauen.

  • Porträts

    P Büste v. M. Steger, 1927 (Berlin, Dt. Theater), Abb. in: F. Nemitz, Milly Steger, in: Die Kunst f. alle, Malerei, Plastik, Graphik, Architektur, 50, 1934–35, S. 11; Bronzebüste (Wien, Max Reinhardt Seminar), Kopie (Strobl, Salzburger Land).

  • Autor/in

    Christa Harten
  • Zitierweise

    Harten, Christa, "Thimig, Helene" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 147-149 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118757113.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA