Lebensdaten
1887 – 1982
Geburtsort
Thorn (Westpreußen)
Sterbeort
Portland (Oregon, USA)
Beruf/Funktion
Politiker ; Publizist
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118749331 | OGND | VIAF: 109425530
Namensvarianten
  • Rauschning, Hermann
  • Rauschning, H.
  • Rauschning, Herman
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Zitierweise

Rauschning, Hermann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118749331.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit d. 14. Jh. in Preußen nachweisbarer Fam.;
    V Leopold (1861–1938), aus Willgaiten, Landwirt, S d. Adolf u. d. Luise N. N.;
    M Clara (1866–1943), T d. Hugo Dauben (1830–1908 ⚔), Kaufm. in Th., preuß. Offz., kämpfte in e. Artillerie-Rgt. gegen d. Herero in Südwestafrika, u. d. Caroline Drescher (1833–1911);
    Ur-Gvv Ludwig (1788–1859), preuß. Rittmeister, nahm an d. Befreiungskriegen gegen Napoleon teil;
    1915 Anna (1895–1977), T d. Konrad Schwartz (1861–1947) u. d. Gabriele Wisselinek (1873–1964);
    1 S, 4 T (3 weitere K früh †);
    N Dietrich Rauschning (* 1931), o. Prof. f. öff. Recht u. Völkerrecht u. Dir. d. Inst. f. Völkerrecht in Göttingen (s. Kürschner, Gel.-Kal. 2001).

  • Biographie

    R. war Kadett, schlug aber aus gesundheitlichen Gründen nicht die militärische Laufbahn ein, sondern studierte seit 1906 Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft in München und Berlin; 1911 wurde er mit der Dissertation „Geschichte der Musik und Musikpflege in Danzig“ (Neufassung 1931) promoviert. Am 1. Weltkrieg nahm er als Offizier teil, kehrte schwer verwundet zurück und wurde dann Landwirt. Nachdem Westpreußen und Posen durch den Vertrag von Versailles an Polen gefallen waren, war er in verschiedenen dt. Organisationen in Posen tätig und erlebte die ethnische Säuberung der Polen an der dt. Minderheit. 1926 ließ er sich als Landwirt auf dem Gebiet der Freien Stadt Danzig nieder. Jungkonservativen Kreisen zugehörig und Persönlichkeiten wie Moeller van den Bruck nahestehend, trat er 1932 der NSDAP bei, die er für geeignet hielt, den allgemeinen Ordnungsverfall aufzuhalten und v. a. die „außer Rand und Band geratene Nation zu disziplinieren“. Wie viele Konservative erlag R. dem Irrtum, „daß Hitler unter dem Druck der Verantwortung reifen würde“. 1932 wurde er Vorsitzender des Danziger Landbundes. Nachdem die NSDAP bei der Wahl im Mai 1933 38 von 72 Mandaten im Volksrat erhalten hatte, regierte R. seit dem Juni als Senatspräsident mit einem Koalitionskabinett aus NSDAP und Zentrum. Es gelang ihm, die Entschuldung der Danziger Landwirtschaft zu fördern. Ferner brachte er im Herbst 1933 ein Abkommen mit Polen zustande, das der poln. Minderheit weitgehende Rechte zubilligte und Polen zu intensiver Nutzung des Danziger Hafens verpflichtete. Damit kam Danzig auch der taktisch bedingten Entspannungspolitik Hitlers gegenüber Polen entgegen. Als in der Folgezeit der Gauleiter Albert Forster (1902–52) in R.s Kompetenzen eingriff, kam es zum Konflikt, bei dem es auch um das Verhältnis Danzigs zu Polen ging. Als die NSDAP von ihm einen Kurs der Gleichschaltung Danzigs verlangte, brach R. mit ihr; nach dem Tode Hindenburgs und der Vereidigung der Wehrmacht auf Hitler hatte er sich bereits innerlich von ihr abgewandt. Nach einem Mißtrauensvotum im Volksrat am 22.11.1934 trat R. zurück. Wegen „dringenden Verdachts des Landesverrats“ wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Nachdem R. anläßlich der Neuwahlen zum Volksrat im April 1935 gegen die NSDAP Stellung genommen hatte, hielt er sich zeitweilig in Polen auf und floh im Herbst 1936 über Polen in die Schweiz, 1938 nach Frankreich, schließlich nach England. Im Exil stand R. in Verbindung mit Wilhelm Hoegner, Heinrich Brüning, Thomas und Golo Mann, Willy Münzenberg und Gottfried R. Treviranus. 1938/39 wirkte er zusammen mit Carl Spiecker (1888–1953) und Hans Albert Kluthe (1904–70) in der Dt. Freiheitspartei.

    Alsbald entfaltete R. eine intensive publizistische Tätigkeit. 1938 erschien in Zürich sein Hauptwerk „Die Revolution des Nihilismus“ (franz., niederländ., schwed., engl., ital. Überss.), eine Analyse des Machtapparats und Herrschaftssystems sowie der Ideologie des Nationalsozialismus, in der er die Brutalität und den Zynismus des Regimes offenlegte. Wenngleich Golo Mann das Werk als „das Grundbuch des dt. Widerstandes“ bezeichnete, wurde R. von anderer Seite vorgehalten, daß er von überholten sozialen und politischen Vorstellungen ausgegangen sei (W. Ender). Aufsehen erregten seine 1940 erschienenen „Gespräche mit Hitler“ (engl., franz., span., isländ., schwed., hebr., ital.|Überss., Neuausg. 1973), die quellenkritisch umstritten sind, ja sogar als Fälschung bezeichnet wurden. R. hatte nie zu den Vertrauten Hitlers gezählt, war ihm aber zwischen 1932 und 1934 mehrere Male begegnet. Indes verwertete er neben eigenen Erfahrungen auch Mitteilungen aus zweiter Hand. Die „Gespräche“ sind keine authentische Gesprächsniederschrift, vielmehr eine Kampfschrift, die der Welt die Augen über Hitler öffnen sollte.

    1941 emigrierte R. in die USA, wo er zu jenen dt. Exilanten gehörte, die von der amerik. Regierung um Rat gefragt wurden. Als Zeuge der Anklage im Nürnberger Prozeß aufzutreten, lehnte er ab. 1948 ließ er sich in der Nähe von Portland (Oregon) als Farmer nieder. Ein Versuch, nach 1954 in der BRD politisch wieder Fuß zu fassen, mißlang.

  • Werke

    Weitere W Die Entdeutschung Westpreußens u. Posens, 1929;
    Herr Hitler, Ihre Zeit ist um! Offenes Wort u. letzter Appell, 1938;
    Die Periode d. Entscheidungen, 1939;
    Hitler Could Not Stop, 1939;
    Die kons. Rev., Versuch u. Bruch mit Hitler, 1941 (engl., franz., schwed. Überss.);
    The Redemption of Democracy, 1941 (schwed. Übers.);
    The Beast from the Abyss, 1941;
    Hitler Wants the World, 1941;
    Makers of Destruction, 1942 (schwed. Übers.);
    Men of Chaos, 1942;
    Time of Delirium, 1946 (dt. 1947: Die Zeit d. Deliriums;
    franz. Übers.);
    Dtld. zw. Ost u. West, 1951;
    Ist Friede noch möglich?, 1953;
    Die dt. Einheit u. d. Weltfriede, 1954;
    Ruf über die Schwelle, 1955;
    Mut zu e. neuen Pol., 1959;
    Lehrer d. Widerstandes, in: W. O. v. Hentig, Zeugnisse u. Selbstzeugnisse, 1971, S. 129-58.

  • Literatur

    O. Röckh, Die Wahrheit über Danzig, 1935;
    R. Breyer, Das Dt. Reich u. Polen 1932-1937, 1955;
    W. Herzog, Menschen, denen ich begegnete, 1959 (P);
    G. Mann, H. R., „Die Rev. d. Nihilismus“, in: ders., Gesch. u. Geschichten, 1962, S. 26-34;
    ders., Zeiten u. Figuren, 1979, S. 117-31;
    C. M. Kimmich, The Free City Danzig and German Foreign Policy 1919-1934, 1968;
    Th. Schieder, H. R.s „Gespräche mit Hitler“ als Gesch.qu., 1972 (W, L);
    G. R. Treviranus, Für Dtld. im Exil, 1973;
    H. S. Levine, Hitler's Free City, A History of the Nazi Party in Danzig 1925–39, 1973;
    H. Brüning, Briefe u. Gespräche 1934-1945, 1974;
    B.-J. Wendt, Danzig, Ein Bauer auf d. Schachbrett nat.soz. Außenpol., in: M. Funke (Hg.), Hitler, Dtld. u. d. Mächte, 1976, S. 774-94 (L);
    W. Ender, Kons. u. rechtslib. Deuter d. NS 1930-1945, 1984 (W, L);
    W. Hänel, H. R., Gespräche mit Hitler, Eine Gesch.fälschung, 1984 (hierzu: M. Broszat, Enthüllung? Die R.-Kontroverse, in: ders., Nach Hitler, 1986, S. 249-51);
    F. Tobias, Auch Fälschungen haben lange Beine, Des Senatspräs. R.s „Gespräche mit Hitler“, in: K. Corino (Hg.), Gefälscht!, 1988, S. 91-105;
    F. Messerli, in: NZZ v. 17.2.1990;
    J. Hensel u. P. Nordblom (Hg.), H. R., Materialien u. Btrr. zu e. pol. Biogr., 2002 (L, P);
    Das Dt. Führerlex., 1934 (P);
    Ostdt. Gedenktage 1982, S. 83 f.;
    Altpreuß. Biogr. IV, 1989;
    E. Jesse, H. R., der fragwürdige Kronzeuge, in: R. Smelser, E. Syring u. R. Zitelmann (Hg.), Die Braune Elite II, 1999, S. 193-205 (W, L, P);
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    BHdE I;
    Munzinger.

  • Autor/in

    Hans Wolfram von Hentig
  • Zitierweise

    Hentig, Hans Wolfram von, "Rauschning, Hermann" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 212-213 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118749331.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA