Lebensdaten
1884 – 1966
Geburtsort
Bernstadt Kreis Oels (Schlesien)
Sterbeort
Darmstadt
Beruf/Funktion
Maler ; Graphiker ; Schriftsteller
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118732579 | OGND | VIAF: 7603180
Namensvarianten
  • Meidner, Ludwig
  • Meidner, Baruch
  • Meidner, L.
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Zitierweise

Meidner, Ludwig, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118732579.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Georg, Inh. e. Textilkaufhauses in B. (seit Beginn d. 19. Jh. in Fam.bes.);
    M Rosa Glogauer;
    Berlin 1927 Else (1901–87), Malerin (s. BHdE I), T d. Dr. med. Heinrich Meyer in Berlin u. d. Margarethe Fürst;
    1 S.

  • Biographie

    Nach einer Maurerlehre 1901/02 und dem Besuch der Kunstschule in Breslau unter Hans Poelzig 1903-05 arbeitete M. 1905/06 als Modezeichner in Berlin. In den folgenden beiden Jahren hielt er sich in Paris auf und besuchte die Académie Julian und die Académie Córmon, wo er Freundschaft mit Modigliani schloß; anschließend lebte er wieder in Berlin. Aus dem Frühwerk dieser Jahre ist fast nichts erhalten geblieben. Eine eigene künstlerische Handschrift sollte sich M. bis 1910 erwerben, als er mit dem Bild „Bau der Untergrundbahn in Berlin“ (Wallraf-Richartz-Museum, Köln) zu seinem Thema, der Großstadt, fand. Zwei Jahre darauf schuf er die Graphikzyklen „Apokalyptische Landschaften“ und „Brennende Stadt“, mit denen er die ihm eigene Form prismatisch gebrochener und von Grund auf eruptiver Landschafts- und Stadtabbildungen schuf. In H. Waldens achtem „Sturm-Salon“ von 1912 gelang M., der hier zusammen mit R. Janthur und J. Steinhardt unter dem Gruppennamen „Die Pathetiker“ ausstellte, der künstlerische Durchbruch. Er schloß Freundschaft mit den Malern der „Brücke“, Beckmann wurde von seinem Stil angeregt. Im Sommer 1912 malte M. seine apokalyptisch anmutende Sicht der Großstadt, das Ölbild „Apokalyptische Landschaft“ (Privatbes., St. Louis), 1913 entstand „Das Eckhaus“ (Slg. W. Kirste, Recklinghausen) mit den wankend in sich gebrochenen Häuserfassaden sowie das Selbstporträt „Ich und die Stadt“ (Slg. G. Stein, Köln), in dem sich eine vom Futurismus beeinflußte Brechung von Licht und Atmosphäre manifestiert. In diesem seinem wohl bekanntesten Werk ist M.s endzeitliche Sicht der Großstadtlandschaft am deutlichsten ausgeprägt. Ihm steht antithetisch das wohl schon im Vorjahr gemalte, ebenfalls den Maler in den Mittelpunkt setzende Bild „Die Revolution“ (Stiftung Preuß. Kulturbesitz, Berlin) gegenüber. In Paris traf M. 1913 Apollinaire und Delaunay, 1914 zog er vorübergehend nach Dresden, wo er mit E. W. Lotz die Herausgabe einer literarisch-künstlerischen Zeitschrift vorbereitete, die jedoch nicht zustande kam. M. stand dem 1. Weltkrieg von Anfang an ablehnend gegenüber, was etwa aus seiner Federzeichnung „Am Vorabend des|Krieges“ (1914) besonders deutlich wird, in der die von Angst gezeichneten Gesichter der Reservisten vor dem Truppenzug mit der Aufschrift „Ultimo“ in einem konzentrierten Sog zurückgezogen werden. Auch in seiner Schrift „Anleitung zum Malen von Großstadtbildern“ (1914) distanzierte sich M. von der Kriegsverherrlichung der ihm formal vorbildlichen Futuristen. Federzeichnungen wie „Die Kanone“, „Franz. Soldaten“, „Im Schützengraben“ (alle 1914) oder „Die Granate“ (1915) bezeichnen Ms Haltung zum Krieg vor seiner Einberufung 1916. Sein Bild „Jüngster Tag“ (1916, Privatbes. Duisburg) zeigt obdachlose Menschen in unwirtlich karger Landschaft, eine Verknüpfung der biblischen Vorstellung der Wiederauferstehung und des flandrischen Kriegserlebnisses. Nach seiner Entlassung aus dem Kriegsgefangenenlager, in dem er als Dolmetscher gearbeitet hatte, wurde M. 1917 von dem Kunsthändler Paul Cassirer unter Vertrag genommen, der die erste Einzelausstellung veranstaltete. 1919 fand seine expressionistische Phase ihren Abschluß. Die erste ihm gewidmete Monographie wurde von L. Brieger verfaßt. M. nahm an der Anthologie „Die Menschheitsdämmerung“ teil, in der er als der adäquate Pictograph dieser Dichtergeneration auftrat. Ein 1919 gemeinsam mit Pechstein formulierter „Aufruf an alle Künstler, Dichter und Musiker“ drückte noch einmal die Hoffnung aus, expressionistisches Kunstengagement auch politisch umsetzen zu können. Seither wandte sich M. verstärkt alttestamentarischer Überlieferung zu. Bereits 1917 hatte G. F. Hartlaub von M. den ersten religiösen Zyklus großformatiger Federzeichnungen in Mannheim ausgestellt. 1923 stattete M. den von Ludwig Grune inszenierten Spielfilm „Die Straße“ aus. 1924/25 nahm er eine Dozentur am „Studienatelier für Malerei und Plastik“ (Kunstschule Lewin Funke) in Berlin an.

    Neben den kubisch in sich geschlossenen Lithographien und Kohlezeichnungen mit biblischen Themen, Barlachs Form verwandt, entstanden Porträts von großer innerer Ruhe und psychologischer Nuancierung. Stilistisch gesehen ist dies M.s Beitrag zur „Neuen Sachlichkeit“. Unter ihnen ragt das Bildnis „Leo Baeck“ heraus (Bezalel National Museum, Jerusalem, 1931), gemalt im Auftrag der Jüd. Gemeinde Berlin. 1934 kam es zu einer letzten Einzelausstellung im „Jüd. Museum Berlin“. M.s Werke wurden für „entartet“ erklärt, 84 Arbeiten aus deutschen Museen entfernt. Seit 1935 unterrichtete er als Zeichenlehrer an der jüd. Schule „Jawneh“ in Köln. Die Graphikzyklen „Visionen“ (1935) und „Allegorien“ (1938) entstanden. Im August 1939 emigrierte M. mit seiner Frau nach England.

    Zunächst in London ansässig, wurde M. 1940 auf der Isle of Man interniert und kehrte im Folgejahr nach London zurück. 1949 wurde eine Gemeinschaftsausstellung mit seiner Frau in der Ben-Uri-Gallery in London veranstaltet. Eine neue Phase von psychologisch auf das Wesentliche reduzierten Alltagsszenen war in den 30er Jahren durch die Beschäftigung mit William Blake ausgelöst worden, typische Werke sind „Ausgestoßene in der Gesellschaft“ (1933) und „Komposition“ (1932/33). Zeitweilig zeigte sich sogar eine Wendung ins Surrealistische, wie bei der „Komposition“ (1942/43). Diese Aquarelle lassen M. geradezu als Vorläufer eines „Neuen Realismus“ erscheinen. 1951/52 entstand der Zyklus „Ein Totentanz“. – 1952 kehrte M. nach Deutschland zurück. Nach einem kurzen Aufenthalt im jüd. Altersheim in Frankfurt lebte er in Marxheim b. Hofheim im Taunus, von wo er 1963 nach Darmstadt übersiedelte. M. kehrte in seinen Gemälden zur Farbigkeit und Technik seines frühen, von den Fauves beeinflußten Werkes zurück. (Selbstbildnisse 1954, 1962, Stadt Darmstadt). M.s Name ist wesentlich auch mit seiner Tätigkeit als Porträtist des expressionistischen Jahrzehnts verbunden. Er war ein Chronist, dessen ekstatischer Zeichenstil das Gesicht der Epoche gültig festhielt. – Am literarischen Leben des Expressionismus hatte sich M. mit drei Bänden eigener Dichtungen beteiligt. Als Illustrator stattete er Erstausgaben von G. Benn, P. Zech, Mynona (S. Friedländer), W. Hasenclever, J. R. Becher, E. Weiß, R. Leonhard, A. T. Wegner aus, ebenso Klopstocks „Der Tod Adams“ (1924)|

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Ak. d. Künste, Berlin;
    Villa-Romana-Preis;
    Merck-Plakette.

  • Werke

    Weitere W Porträts: Mombert, 1924, verschollen;
    Zierrath, 1914, The Los Angeles County Mus.;
    Hermann-Neiße, 1913, The Art Inst. of Chicago, 1920, Lehmbruck-Mus., Duisburg;
    J. R. Becher, 1916, Ak. d. Künste, Berlin-Ost. – Junger Mann mit Strohhut, 1912, auf d. Rückseite: Apokalypt. Landschaft, 1912, Slg. Küsters, Recklinghausen;
    Die brennende Stadt, 1913, Slg. M. D. May, St. Louis. – Schriften: Mitruf, Die neue dt. Dichtung, 1918;
    Im Nacken d. Sternemer, Prosa, 1918;
    Septemberschrei, Hymnen, Gebete, Lästerungen, 1920;
    Gang in d. Stille, Gedichte u. Prosa, 1929;
    Young Modigliani, in: Burlington Magazine, 1942;
    Hymnen u. Lästerungen (Auswahl), hrsg. v. H. M. Wingler, 1959.

  • Literatur

    L. Brieger, L. M., 1919 (darin: Eine autobiogr. Plauderei), ²1923 (darin: Mein Leben);
    P. Fechter,|Zu d. neuen Arbeiten L. M.s, in: Cicerone 15, 1923, S. 1121-29;
    F. Homeyer, Dt. Juden als Bibliophilen u. Antiquare, 1963 (Verz. d. Illustrationen);
    Th. Grochowiak, Ausst.kat. L. M., Recklinghausen, Berlin, Darmstadt, 1963/64;
    ders., L. M., 1966 (Verz. d. Illustrationen, L, P);
    L. Kunz (Hrsg.), L. M., Dichter, Maler u. Cafés (Texte v. u. üb. L. M.), 1973;
    J. P. Hodin, L. M., s. Kunst, s. Person, s. Zeit, 1973;
    ders. (Hrsg.), Aus d. Erinnerungen v. Else Meidner, 1979;
    H. Tramer, Das Judenproblem im Werk L. M.s, in: Bulletin d. Leo-Baeck-Institutes 16/17, 1977/78;
    P. Raabe u. I. Hamrich-Bode, Die Autoren u. Bücher d. literar. Expressionismus, 1985, S. 325 f.;
    G. Leistner, Idee u. Wirklichkeit, Gehalt u. Bedeutung d. urbanen Expressionismus, dargest. am Werk L. M.s, 1986;
    E. Roters u. B. Schulz (Hrsg.), Ich u. d. Stadt, Mensch u. Großstadt in d. dt. Kunst d. 20. Jh., 1987;
    Expressionismus, Die zweite Generation 1915–25. Ausst.kat 1989;
    L. M., Apokalypt. Landschaften, Ausst.kat. Berlin 1990 (W, L, P);
    ThB;
    Vollmer;
    KML;
    BHdE.

  • Porträts

    Viele Selbstbildnisse, u. a. 1912 (Hess. Landesmus. Darmstadt), 1913 (Privatbes. Köln), 1915 (Gal. d. 20. Jh. Berlin), 1937 (Stadt Darmstadt).

  • Autor/in

    Jörg Deuter
  • Zitierweise

    Deuter, Jörg, "Meidner, Ludwig" in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 640-642 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118732579.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA