Lebensdaten
1895 – 1975
Geburtsort
Brieg (Schlesien)
Sterbeort
Berlin(-Ost)
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Kulturfunktionär
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118725564 | OGND | VIAF: 72188960
Namensvarianten
  • Ziegler, Bernhard
  • Röbig, Viktor
  • Bernard, A.
  • mehr

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Weitere Erwähnungen in der NDB-online/NDB/ADB

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Kurella, Alfred, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118725564.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hans (1858–1916, ev.), Dr. med., Psychiater (s. Wi. 1912; DBJ I; Fischer), S d. Alfred Julius Arthur, aus Königsberg (Neumark), preuß. Gouvernements-Auditor u. Justizrat in Mainz, u. d. Mathilde Barleben;
    M Marie Karczewska (1868–1923), aus poln. Adelsfam.; Vorfahre Ernst Gottfried (1725–99), Arzt, Rat d. Ober-Collegium medicum u. d. Ober-Collegium sanitatis in Berlin, bekannt durch d. nach ihm benannte Brustpulver, Freund Lessings, schrieb satir. Pamphlete gegen d. pseudowiss. Praktiken u. d. Korruption unter d. Ärzten u. versuchte, e. materialistische Theorie d. Geisteskrankheiten zu entwickeln, d. sich mit aufklärer. Tendenz gegen klerikales Dunkelmännertum richtete (s. Pogg. I; BLÄ; Altpr. Biogr.); Verwandter Karl Czerny ( 1857), Klavierpäd. u. Komp. (s. NDB III);
    B Heinrich (1905- ca. 1937), Schriftsteller, Redakteur, KPD-Mitgl., Mitarb. d. „Roten Fahne“ u. „Inprekorr“, 1933 in d. Sowjetunion ausgewandert, Mitarbeiter d. Komintern, zeitweise illegal in Dtld. tätig, 1937 nach Sibirien verschickt;
    - 1) 1920 Margret Hahlo, Gymnasiallehrerin, 2) Moskau 1930 Walentina Nikolajewna Sorokoumowskaja, T e. russ. Großkaufm. (Pelzhändler), 3) 1938 Elfriede Cohn-Vossen geb. Ranft ( 1957), Ärztin, 4) 1958 Sonja Matthäus geb. Schwarz;
    5 K, 3 Stief-K.

  • Biographie

    K. wuchs in der musisch-literarisch und humanistisch-weltbürgerlich geprägten Atmosphäre des deutschen Kulturbürgertums um die Jahrhundertwende auf. Kindheit und Jugend verbrachte er im Rheinland, besuchte in Bonn das Gymnasium und schloß sich dem Wandervogel an. Geradlinig verlief der Weg von der demokratisch-liberalen Tradition des Elternhauses zu den Idealen der Jugendbewegung, wie sie 1913 auf dem Hohen Meißner proklamiert wurden. K.s Ausbildung als Maler und Graphiker an der Münchener Kunstgewerbeschule endete im Aug. 1914 mit der freiwilligen Meldung zur Feldartillerie. Aber Chauvinismus und Reaktion unter den Offiziersanwärtern im Rekruten-Depot Koblenz veranlaßten ihn, bereits im Oktober als Kanonier an die Westfront zu gehen. Dort wurde er zum Kriegsgegner. Pazifistische Zeitschriften – wie die „Weißen Blätter“ und „Demain“ – konfrontierten ihn mit linkssozialistischen Ideen, deren Aktualität er im täglichen Kontakt mit Bauern und Arbeitern bestätigt fand. Eine Ausstellung seiner Bilder im Sommer 1916 bot die Gelegenheit zum Heimaturlaub, von dem K. nicht mehr an die Front zurückkehrte. Er stotterte seit seiner Kindheit, war bei Loretto zweimal verschüttet worden und simulierte nun Sprachstörungen. Zeitweilig kriegsuntauglich geschrieben, ging er nach Berlin und fand Anschluß an Angehörige des linken Flügels der Freideutschen Jugend. Zunächst stark vom Pazifismus Gustav Wynekens beeinflußt, wurde K. unter dem Einfluß Kurt Hillers zum Aktivisten. Die illegale Arbeit des „Berliner Kreises“ brachte die Verbindung zur späteren Freien Sozialistischen Jugend (FSJ). Seit 1917 stand er unter Polizeiaufsicht, verließ Berlin und ging – über Leipzig, Dresden und Bensheim – bei Ausbruch der Revolution nach München. Im Nov. 1918 gründete er eine Ortsgruppe der FSJ, trat der Kommunistischen Partei bei und kehrte nach der Ermordung Kurt Eisners nach Berlin zurück. Als Kurier kam er im Frühjahr 1919 nach Moskau. Die Begegnung mit Lenin wurde, wie seine Erinnerungen zeigen, zum Angelpunkt seiner weiteren Entwicklung. Nunmehr stand K. als Parteifunktionär und Schriftsteller ganz im Dienst des Kommunismus, zunächst in der Jugendinternationale (1919 Mitglied des russ. Komsomol, 1920-24 Mitglied des ZK und des Büros des ZK des Komsomol; 1919 Mitbegründer der Kommunistischen Jugendinternationale (KJI) und 1. Sekretär ihres Exekutivkomitees in Berlin, seit 1921 in Moskau), dann in der Komintern (1924 Direktor der Zentralen Parteischule des ZK der französischen KP in Paris; 1926 stellvertretender Leiter der Agitprop-Abteilung|der KJI in Moskau; 1927 Leiter der Abteilung Bildende Kunst im Volkskommissariat für Bildungswesen und zugleich Redakteur für Literatur und Kunst der „Komsomolskaja Prawda“).

    Er kehrte 1929 nach Berlin zurück, unterrichtete bis 1932 an der Marxistischen Arbeiter-Schule (MASCH) und war publizistisch für die „Linkskurve“, „Literatur der Weltrevolution“ und den „Roten Aufbau“ tätig. Im Auftrag der „Arbeiter-Illustrierten-Zeitung“ schrieb er 1931 eine aufsehenerregende Reportage gegen den ital. Faschismus. Die Sammlung der antifaschistischen Kräfte trat nun in den Vordergrund seiner politischen Tätigkeit, in Berlin im „Internationalen Komitee der Freunde der Sowjetunion“ und seit 1932 in Paris als Generalsekretär des von Henri Barbusse und Romain Rolland geleiteten „Internationalen Komitees zum Kampf gegen Krieg und Faschismus“ und als Chefredakteur der Zeitschrift „Monde“. Seit Frühjahr 1934 lebte K. in Moskau, war 1934-35 persönlicher Referent Dimitroffs, 1935-41 Leiter der Bibliographischen Abteilung der Staatsbibliothek für Auslandsliteratur und schrieb für die „Deutsche Zentral-Zeitung“, die „Internationale Literatur“, „Das Wort“ und „Der Kämpfer“. Durch die Machtergreifung Hitlers war er 1933 zum Emigranten geworden und erwarb 1941 die sowjetische Staatsangehörigkeit. 1941-45 war er Oberredakteur in der VII. Abteilung der Politischen Hauptverwaltung der Roten Armee und seit 1943 stellvertretender Chefredakteur der Zeitung des „Nationalkomitee Freies Deutschland“. Er lebte 1946-49 im abchasischen Bergdorf Pskhu, wo er sich neben eigenen literarischen Arbeiten vor allem mit Übersetzungen beschäftigte, danach wieder in Moskau. Im Februar 1954 kehrte K. nach Deutschland zurück und war seitdem als Kulturfunktionär der DDR maßgeblich an der Ausarbeitung der sozialistischen Kulturpolitik (Bitterfelder Konferenz) beteiligt. 1955 war er Mitbegründer und bis 1957 Direktor des Instituts für Literatur „Johannes R. Becher“ in Leipzig. Er wurde Vorstandsmitglied des Schriftstellerverbandes und Mitglied der Akademie der Künste. 1957-63 war er Sekretär der Kulturkommission beim Politbüro der SED und damit oberster Kulturfunktionär der DDR, seit 1963 Mitglied des ZK der SED, 1958-63 Kandidat des Politbüros des ZK der SED und seit 1958 Abgeordneter der Volkskammer. 1965 erhielt er das Amt des Vizepräsidenten der Akademie der Künste und promovierte noch 1968 an der Univ. Jena zum Dr. phil.

    Bis zu seiner Begegnung mit Lenin war K.s Lebenslauf typisch für jenen Teil der deutschen Jugend, der aus der humanistisch gebildeten Welt des Bürgertums über Jugendbewegung und Pazifismus zum Sozialismus kam. K. legte die bürgerlich-jugendbewegte Vergangenheit nie ganz ab, und noch seine späten Essays über kulturelle Probleme sind stark von ihr geprägt. In der russ. Revolution sah er seine Vorstellung von einer neuen Gesellschaft verwirklicht, und die Jahre als Bildungsfunktionär des internationalen Kommunismus führten zur theoretischen Herausbildung des „Sozialistischen Humanismus“, den er als Kulturpolitiker der DDR forderte. K.s belletristisches Schaffen begann in der Auseinandersetzung mit dem Faschismus. In beiden Romanen „Die Gronauer Akten“ (1954) und „Kleiner Stein im großen Spiel“ (1961) setzte er sich mit dem politischen Verhalten der deutschen Intelligenz, ihrem Versagen gegenüber dem Nationalsozialismus, auseinander. Die Gründe sah er in der Dekadenz des Bürgertums; er forderte eine stärkere Integration des Politischen in das Menschliche. Auch seine scharfen Stellungnahmen gegen den deutschen Expressionismus sind unter diesem Aspekt zu sehen. Erstaunlicherweise kehrte K. 1945 noch nicht nach Deutschland zurück, sondern widmete sich in kaukasischer Bergeinsamkeit den Übersetzungen philosophischer Schriften russischer revolutionär-demokratischer Schriftsteller wie Herzen, Belinski, Tschernyschewski, Dobroljubow. Hier sah er eine Möglichkeit, die sozialistische Kulturentwicklung in Teilbereichen nachzuvollziehen, was ihm später als Kulturpolitiker teilweise auch gelang. Aber sein politischer Weg blieb nicht unumstritten, der fast Siebzigjährige mußte sich seit 1963 auf den kulturellen Bereich beschränken, obwohl er stets die Polit-Kultur proklamierte. K. war ein streitbarer marxistischer Theoretiker, wäre aber im Grunde seines Herzens viel lieber ein jugendbewegt-überschwenglicher Berufsrevolutionär geblieben.|

  • Auszeichnungen

    Vaterländ. Verdienstorden in Gold (1965), Karl-Marx-Orden (1960), Nat.preis (1969), Erich-Weinert-Medaille u. Kunstpreis d. FDGB (1970).

  • Werke

    Weitere W u. a. Prosawerke u. Lyrik: Mussolini ohne Maske, Der erste rote Reporter bereist Italien, 1931, Neuaufl. u. d. T.: Kennst Du das Land…? 1962;
    Wo liegt Madrid? Sieben Erzählungen, 1939, Neuaufl. 1956;
    Ich lebe in Moskau, 1947;
    Der schöne Kaukasus, 1956;
    Die Depesche, Tatsachenber., 1958;
    Dimitroff contra Göring, Nach Berr. Georgi Dimitroffs üb. d. Reichstagsbrandprozeß 1933, 1964;
    Unterwegs zu|Lenin, Erinnerungen, 1967. -
    Btrr. z. Kulturtheorie: Ost u. West, Unsinn, Sinn u. tiefere Bedeutung eines Schlagwortes, 1947;
    Der Mensch als Schöpfer seiner selbst, Btrr. z. Sozialist. Humanismus, 1958;
    Erfahrungen u. Probleme d. Sozialist. Kulturarbeit, 1960;
    Zwischendurch, Verstreute Essays 1934–40, 1961;
    Das Eigene u. d. Fremde, Neue Btrr. z. Sozialist. Humanismus, 1968;
    Der ganze Mensch, Sozialist. Humanismus in Aktion, 1969;
    Wofür haben wir gekämpft? Btrr. z. Kultur- u. Zeitgesch., 1975 (W-Verz);
    - Übersetzungen: L. Aragon, Die Glocken v. Basel, 1936, Neuaufl. 1946;
    W. Belinskij, Ausgew. Phil. Schrr., 1950, Neuaufl. e. Ausw. u. d. T.: Aufsätze z. russ. Lit., 1962;
    N. Dobroljubow, Ausgew. Phil. Schrr., 1949, Neuaufl. e. Ausw. u. d. T.: Ein Lichtstrahl im finsteren Reich, Aufsätze z. Lit., 1962;
    I. Ehrenburg, Die Neunte Woge, 1953;
    M. Gorki, Das Mädchen u. d. Tod, Dt. Nachdichtung, 1961;
    A. Herzen, Ausgew. Phil. Schrr., 1949, Neuaufl. e. Ausw. u. d. T.: Briefe üb. d. Studium d. Natur, 1967;
    A. Malraux, Die Zeit d. Verachtung, 1936;
    N. G. Tschernyschewski, Ausgew. Phil. Schrr., 1953;
    A. Twardowski, Das Wunderland Murawia, 1953, Neuaufl. 1954.

  • Literatur

    Einzelstud.: J. Pischel, Btrr. z. Theorie u. Praxis d. Sozialist. Humanismus, Zur kulturtheoret. Position A. K.s, in: Positionen, Btrr. z. marxist. Lit.theorie in d. DDR, hrsg. v. W. Mittenzwei, 1969, S. 327-77 (W-Verz., L);
    A. Hochmuth, Über d. Dialektik d. Sozialismus u. d. Lit., in: Weimarer Btrr., Sonderh. z. 20. J.tag d. Gründung d. DDR, 15, 1969, S. 41-52;
    H. Baierl, Il Tricheco, in: Sinn u. Form, 1. H., Jan. 1971, S. 12-20;
    G. Zwerenz, Intellektueller u. Revolutionär, Meine Erinnerunggen an A. K., in: Neue Rdsch. 85, 1974, S. 454-62;
    G. Schmolze, Vom Hohen Meißner nach Moskau, in: Frankfurter Allg. Ztg. v. 24.4.1976 (Besprechung v. „Wofür haben wir gekämpft?“). - Biograph, u. bibliograph. Lexika:
    Hammer u. Feder, Dt. Schriftsteller aus ihrem Leben u. Schaffen, 1955;
    Bibliograph. Kal.-bll. d. Berliner Stadtbibl. 2, Folge 5, Mai 1960, S. 1-5, 7, Folge 5, Mai 1965, S. 7-11;
    Veröff. dt. Sozialist. Schriftsteller in d. revolutionären u. demokrat. Presse 1918–45, Bibliogr., 1969, S. 314-23;
    Lex. Sozialist, dt. Lit., 1973, S. 306-10;
    Schriftsteller d. DDR, 1974, S. 326-29.

  • Porträts

    Phot. in: L. v. Balluseck, Dichter im Dienst, 1956.

  • Autor/in

    Evelyn Lacina
  • Zitierweise

    Lacina, Evelyn, "Kurella, Alfred" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 321-323 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118725564.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA