Lebensdaten
1921 – 2007
Geburtsort
Villach (Kärnten)
Sterbeort
Palo Alto (Kalifornien, USA)
Beruf/Funktion
Philosoph ; Psychotherapeut ; Kommunikationswissenschaflter
Konfession
katholisch
Namensvarianten
  • Watzlawick, Paul

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Zitierweise

Watzlawick, Paul, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz139189.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Paul (1884–1940), Bankdir., dann Untern. in V., Wien, Klagenfurt u. erneut in V., S d. Franz (1847–1904), Fabrikdir., Bgm. in Berg Reichenstein (Kašperské Hory, Böhmerwald), u. d. Marie Nausch (1854–1922);
    M Emilia (Emy) (1893–1965), aus V., T d. Hektor (Ettore) Casari (1863–1922), aus Ferrara, Holzhändler in V., Amateurdichter, u. d. Maria (Mary) Aloisa Veretti (1861–1937), Schneiderin;
    1) Contra Costa (Kalifornien) 1978 1983 Ellen F. Wright (* 1939), Consultant, 2) San Mateo (Palo Alto, Kalifornien) 2006 Vera S. Bettencourt (* 1927);
    kinderlos;
    Gr-N Andrea Köhler-Ludescher (* 1970), Dr. iur., Kommunikationsexpertin, Journ., Untern.beraterin, Autorin (s. L).

  • Biographie

    Bedingt durch wechselnde Arbeitsorte des Vaters wuchs W. in Villach, Wien und Klagenfurt auf. Nach der Matura am Peraugymnasium in Villach 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und u. a. als Dolmetscher eingesetzt. Seit 1946 studierte W. Linguistik und moderne Sprachen an der Ca’ Foscari in Venedig, wo er 1949 mit der Arbeit „La concezione di Vladimir Solovev“ zum Dr. phil. promoviert wurde. Neben seinem Studium war W. für die Venezia Giulia Police Force (Interpol) des Territorio Libero di Trieste tätig. 1950–54 absolvierte er in Zürich bei Carl Gustav Jung (1875–1961) und in Rom eine Psychoanalytikerausbildung. Reisen führten ihn nach Bombay und durch Deutschland, bevor er seit 1957 als Professor für Psychopathologie und Psychotherapie nach Sigmund Freud an der Univ. San Salvador (El Salvador) eine Anstellung fand. Ende 1960 wechselte W. als Research Fellow an das Mental Research Institute (MRI) in Palo Alto (Kalifornien), wo ihn v. a. der Gründer des MRI, der Psychiater Don D. Jackson (1920–68), der Anthropologe Gregory Bateson (1904–80), der Hypnosespezialist, Psychiater, Psychologe und Psychotherapeut Milton H. Erickson (1901–80) und der aus Wien emigrierte Biophysiker Heinz v. Foerster (1911–2002) prägten. 1976 übernahm er zudem einen Lehrauftrag für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Stanford Univ. Gastprofessuren führten ihn nach Klagenfurt (1983), an das Institut für Betriebswirtschaft der Hochschule St. Gallen (1987) und an die Universidad de Valparaíso (Chile, 1995).

    Am MRI forschte W. zu neuen (aus den New Yorker Macy-Konferenzen 1946–53 hervorgegangenen) kybernetischen Sichtweisen, die ihren kommunikationswissenschaftlichen Niederschlag in seinen Büchern fanden. So formulierte er in „Pragmatics of Human Communication“ (1967, mit J. Beavin-Bavelas u. D. Jackson, dt. u. d. T. Menschl. Kommunikation, Formen, Störungen, Paradoxien, 1969, 122011) eine pragmatische Kommunikationstheorie. Zudem war er 1967 Mitbegründer des systemisch arbeitenden „Brief Therapy Center“ am MRI (Lösungen, Zur Theorie u. Praxis menschl. Wandels, 1974, mit J. Weakland u. R. Fisch, ⁸2013) und gehörte zu den prägenden Gestalten der philosophischen Richtung des „Konstruktivismus“ (Wie wirklich ist d. Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen, 1976, 152014). Im Anschluß an diese Phase wissenschaftlicher Arbeit, die er zunächst auf Familien, dann auch auf Unternehmen und internationale Institutionen anwandte, verfaßte W. seit etwa 1980 populäre,|in zahlreiche Sprachen übersetzte lebensphilosophische Bücher und trat als charismatischer Vortragender für die Verbreitung seiner Ideen auf.

    W.s Leistung liegt in der klaren und praxistauglichen Systematisierung sowie der weiten Verbreitung der Arbeiten der Forschungsgruppen in Palo Alto, die ihn zu einem der wichtigsten Wegbereiter eines radikalen Paradigmenwechsels in der Psychotherapie werden ließen. Aufbauend auf den von ihm formulierten fünf Axiomen der pragmatischen Kommunikation (Axiom 1, auch bekannt als „Watzlawick’s Law“: „Man kann nicht nicht kommunizieren“), war W. führend an der (Weiter-)Entwicklung zahlreicher „Interventionen“ (verhaltenstherapeutische Werkzeuge für die systemische Psychotherapie und Organisationsberatung, wie die „Als-ob“-Methode, Lösungen 2. Ordnung, zirkuläre Fragen, paradoxe Verhaltensvorschreibungen), an dem „Corrective Emotional Experience“ (korrigierendes Gefühlserlebnis als Vehikel von Wandel) und an dem „Complexity Reducer“ (Komplexitätsverminderer als Instrument der Ordnungsgestaltung) beteiligt. Im Anschluß an Einsteins Diktum „It is the theory that decides what can be observed“, vertrat er die Auffassung „In der Therapie ist es die Theorie, die entscheidet, was wir tun können“.

    Als Beitrag zum Konstruktivismus definierte W. die (objektive) Wirklichkeit 1. Ordnung, die sich auf rein physische und daher weitgehend objektiv feststellbare Eigenschaften von Dingen bezieht und die (subjektive) Wirklichkeit 2. Ordnung, die auf der Zuschreibung von Sinn und Wert an diese Dinge und daher auf Kommunikation beruht. Als Beispiel nannte er ein zur Hälfte gefülltes Glas Wasser, das der Optimist als halb voll, der Pessimist als halb leer bezeichnet. Eine „objektive Wahrheit“ gibt es nach W.s Überzeugung nicht. Da sich Menschen ihre Weltbilder mit der rechten Gehirnhälfte erschaffen, erforschte W. links-hemispärische hypnotherapeutische Therapiemethoden, um deren leidschaffende Ausprägungen zu verändern (Die Möglichkeit d. Andersseins, 1977). Ein wichtiges Anliegen war ihm die Praxis der Toleranz, die er in (s)einer konsequenten Anwendung des Konstruktivismus verwirklicht sah. Diesen entwickelte W. auch auf der Basis seiner Zusammenarbeit mit den spirituellen (Zen-)Lehrern Karlfried Gf. Dürckheim (1896–1988) und Jiddu Krishnamurti (1895–1986).

    W.s systemisch-konstruktivistische Arbeit galt Kritikern wie insbesondere Psychoanalytikern als manipulativ, nihilistisch und vulgärpsychologisch. Inzwischen ist sie jedoch durch zahlreiche neurowissenschaftliche Studien bestätigt und wurde dank ihrer hohen Praxistauglichkeit zur unverzichtbaren Basis von Weiterentwicklungen in systemischer (Hypno-)Therapie, Beratung und Management. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde W. durch seinen Bestseller „Anleitung zum Unglücklichsein“ (1983, 262014, als Spielfilm 2012, Regie: S. Hormann), in dem er humorvoll aufbereitete Lebensweisheiten darbot und dessen lebensnahe Beispiele Eingang in das Psychologieverständnis der Alltagswelt fanden.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. American Psychological Ass., d. Internat. Soc. of Hypnosis, d. American Soc. of Clinical Hypnosis, d. San Francisco Ac. of Hypnosis, d. Österr. P.E.N.-Clubs, d. P.E.N.-Clubs Liechtenstein, v. The Authors Guild u. v. The Authors League of America;
    Prix Psyché, Paris (1971);
    Distinguished Achievement Award d. American Family Therapy Ass. (1981);
    Outstanding Teacher Award d. Psychiatric Residency Class d. Stanford-Univ. (1981);
    Paracelsus-Ring d. Stadt Villach (1987);
    Lifetime Achievement Award d. Milton H. Erickson Foundation (1988);
    Distinguished Professional Contribution to Family Therapy Award d. American Ass. for Marriage & Family Therapy (1989);
    Goldenes Ehrenzeichen f. Verdienste um d. Land Wien (1990);
    Dr. h. c. (Liège 1992, Bordeaux 1992, Buenos Aires 1994);
    Gr. Ehrenzeichen d. Landes Kärnten (1993);
    Donauland-Sachbuchpreis, Wien (1993);
    – Associazione Nardone-W.-Onlus, Arezzo (gegr. 2007);
    W.-Ehrenring d. Ärztekammer Wien (seit 2008).

  • Werke

    Weitere W Gebrauchsanweisung f. Amerika, Ein respektloses Reisebrevier, 1978;
    Die erfundene Wirklichkeit, Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben?, 1981 (Hg. u. Mitautor);
    Vom Schlechten des Guten, 1986;
    Münchhausens Zopf oder Psychotherapie u. Wirklichkeit, 1988;
    Vom Unsinn d. Sinns oder v. Sinn d. Unsinns, 1992;
    Irrwege, Umwege u. Auswege (mit G. Nardone, 1994);
    Bibliogr.: Internetangebot d. MRI;
    Nachlaß: Vera S. Bettencourt, Palo Alto.

  • Literatur

    |F. Kreuzer, Die Unsicherheit unserer Wirklichkeit, Ein Gespräch über d. Konstruktivismus, Mit e. Btr. v. P. W., 1988;
    E. Marc u. D. Picard, Bateson, W. u. d. Schule v. Palo Alto, 1991;
    B. Girgensohn-Marchand, Der Mythos W. u. d. Folgen, Eine Streitschr. gegen system. u. konstruktivist. Denken in päd. Zus.hängen, 1992, ²1994;
    C. Hausmann, Von seelenlosen Individuen, sinnleeren Strukturen …, u. grenzfreien Systemen, Zur Theorie menschl. Kommunikation n. W., Beavin u. Jackson, 2009;
    A. Huber u. A. Höschele, P. W., Mensch, einer v. uns beiden ist verrückt, 2014 (P);
    A. Köhler-Ludescher, P. W., Die Biogr., Die Entdeckung d. gegenwärtigen Augenblicks, 2014 (P);
    Metzler Lex. Lit.- u. Kulturtheorie;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Munzinger.

  • Autor/in

    Andrea Köhler-Ludescher
  • Zitierweise

    Köhler-Ludescher, Andrea, "Watzlawick, Paul" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 456-457 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz139189.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA