Lebensdaten
1876 – 1964
Geburtsort
Herdorf (Kreis Altenkirchen, Rheinland)
Sterbeort
Köln
Beruf/Funktion
Photograph
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118605364 | OGND | VIAF: 54216083
Namensvarianten
  • Sander, August
  • Zander, August
  • Zander, Avgust

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Zitierweise

Sander, August, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118605364.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V August (1846–1906), aus H., Grubenzimmerhauer, später Berginvalide;
    M Justine Jung (1845–1919), aus Biersdorf-Daaden (Westerwald);
    1902 Anna Seitenmacher (1878–1957);
    3 S (1 früh †) Erich (1903–44), Mitgl. d. KPD, dann d. SAP, seit 1934 pol. Häftling im Zuchthaus Siegburg, arbeitete hier als Gefängnisphotogr., Erich Gunther (1907–87), Photogr. in K., 1 T Sigrid Biow (1911–2001), Künstlerin, Töpferin, zuletzt in Silver Spring b. Washington D. C. (USA);
    E Gerd (* 1940), Kunsthändler, Galerist in Bonn.

  • Biographie

    S. besuchte 1882-90 die Volksschule in seinem Heimatort und arbeitete 1890-96 als Haldenjunge auf einer Grube. Als der Siegener Berufsphotograph Heinrich Schmeck dort wirkte, wurde S.s Interesse am Photographieren geweckt. Während seiner Militärzeit 1897-99 in Trier arbeitete er für den Photographen Georg Jung, 1899-1901 war er als Photographengehilfe in Berlin, Magdeburg, Halle, Leipzig und Dresden tätig, wo er vermutlich als Gasthörer die Kgl. Kunstakademie und die Kunstgewerbeakademie besuchte. 1901 trat S. in Linz/Donau als „1. Operateur“ in die „Photographische Kunstanstalt Greif“ ein, die er 1902-04 zusammen mit Franz Stuckenberg als Atelier „Sander & Stuckenberg“ führte, danach bis zum Verkauf 1909 als „Aug. Sander. Photographische Kunst-Anstalt“. Seit 1903 beteiligte sich S. an Ausstellungen und erhielt erste Auszeichnungen. 1910 übersiedelte er mit seiner Familie nach Köln und richtete sich eine Wohnung mit Atelier ein. Nach kurzer Tätigkeit als Geschäftsführer im Atelier „Blumenberg & Hermann“ eröffnete er ein eigenes Geschäft in Köln-Lindenthal und bereiste, um sich neue Kundenkreise zu erschließen, wie ein Wanderphotograph die Dörfer im Westerwald. Dort entstandene Aufnahmen wurden später als „Stammappe“ mit 12 Bauernbildnissen zum Grundstock für das Lebenswerk „Menschen des 20. Jh.“. 1914-18 war S. zum Landsturm eingezogen; seine Frau führte während dieser Zeit den Geschäftsbetrieb weiter.

    Anfang 1920 befreundete sich S. mit den Malern Franz Wilhelm Seiwert (1894–1933) und Heinrich Hoerle (1895–1936), den führenden Köpfen der politisch links stehenden Künstlergruppe „kölner progressive“, und erhielt durch sie sowie andere in seinem Haus verkehrende Künstler wesentliche Impulse für seine Arbeit. Seit 1922 vergrößerte er seine Porträtaufnahmen ausschließlich auf modernem Photopapier und ließ die weichzeichnerischen Effekte der Kunstphotographie um 1900 hinter sich. Nach der ersten Einzelausstellung 1927 im „Kölnischen Kunstverein“ wurde 1928 der Verleger Kurt Wolff, vermittelt durch C. G. Heise, auf ihn aufmerksam. 1929 erschien in Wolffs Verlag der Auswahlband „Antlitz der Zeit“ mit 60 Bildern und einer Einleitung von Alfred Döblin, der S.s „vergleichende Photographie“ als „eine Art Kulturgeschichte, besser Soziologie, der letzten dreißig Jahre“ beschrieb und damit die Rezeptionsrichtung des Werkes festlegte.

    Das aus dem Nachlaß rekonstruierte Gesamtwerk „Menschen des 20. Jh., Ein Kulturwerk in Lichtbildern“ beginnt mit der „Stammappe“, gefolgt von den Gruppen „Der Handwerker“, „Die Frau“, „Die Stände“, „Der Künstler“, „Die Großstadt“, „Die letzten Menschen“, und umfaßt insgesamt 45 Mappen. Darstellungsweise und Bildsprache reichen von der Studiosituation vor neutralem Hintergrund bis zur Aufnahme am Arbeitsplatz mit berufsspezifischen Utensilien. Die umfangreiche Gruppe der Künstler weist besonders viele ikonographische Elemente der Kunst der 20er Jahre auf. S.s Suche nach dem „Typus“ basiert auf Goethes Vorstellung vom „symbolischen Gegenstand“ und berührt Seiwerts marxistische Auffassung der „Personifikation von ökonomischen Kategorien“.

    Die neuen Machthaber zogen 1934 das Buch „Antlitz der Zeit“ aus dem Handel und vernichteten die Druckstöcke. S. arbeitete zwar weiter an seinem Zyklus (so nahm er die Gruppen der verfolgten Juden und der Nationalsozialisten hinzu), verlegte sich aber zunehmend auf Natur- und Landschaftsphotographie (mehrere Hefte unter den Reihentiteln „Dt. Lande, Dt. Menschen“ u. „Dt. Land, Dt. Volk“, 1933-35). Seit 1939 überführte er sein Archiv in das abgelegene Kuchhausen im Westerwald, wo er 1944 seinen Alterssitz nahm. Dort blieben die wichtigsten Negative (etwa 10 000) erhalten (heute zus. mit Originalabzügen u. d. Nachlaß im August Sander Archiv in Köln, SK Stiftung Kultur). Etwa 30 000 Negative fielen 1944 einem Brand bei der Bombardierung Kölns zum Opfer. 1920-39 entstand der später so benannte Zyklus „Köln wie es war“ (16 Mappen mit insgesamt 412 Vergrößerungen), 1945-46 Aufnahmen vom zerstörten Köln.

    1951 wurden Arbeiten von S. auf der ersten „Photokina“ in Köln gezeigt. Eduard Steichen (1879–1973) nahm drei Bilder in die legendäre Ausstellung „The Family of Man“, die 1955 vom Museum of Modern Art um die Welt geschickt wurde. Breite internationale Anerkennung genoß S. seit den 70er Jahren|mit der Wiederentdeckung der Kunst der Weimarer Republik. Der „Autorenphotograph“ (Klaus Honnef) S. schuf mit seinem Versuch einer Typologie des dt. Menschen (mit eindeutigem Schwerpunkt im Kölner Raum) einen der bedeutendsten Zyklen in der 1. Hälfte des 20. Jh. Die Systematik seines Gesellschaftsporträts, einer „Soziologie in Bildern“ (Döblin), wirkt als photographische Bestandsaufnahme und vergleichende Darstellung bis heute nach und beeinflußte David Attie, Derek Bennett, Nathan Farb, Eva Kroth, Ulrich Mack, Stefan Moses, Beate und Heinz Rose sowie Bernd und Hilla Becher und deren Schüler.|

  • Auszeichnungen

    Gr. BVK (1960);
    Kulturpreis d. Dt. Ges. f. Photogr. (1961).

  • Werke

    in Albuquerque, Univ. of New Mexiko;
    Amsterdam, Stedelijk Mus. of Modern Art;
    Bath, Royal Photographic Society;
    Art Inst. of Chicago;
    Essen, Mus. Folkwang;
    Hamburg, Mus. für Kunst u. Gewerbe;
    Köln, Die Photogr. Slg./SK Stiftung Kultur (vollst. Nachlaß), Agfa Photo-Historama, Mus. Ludwig, Rhein. Bildarchiv, Stadtmus.;
    Leipzig, Mus. d. Bild. Künste;
    London, Victoria and Albert Mus.;
    Los Angeles, The J. Paul Getty Mus.;
    Fotomus. im Münchner Stadtmus.;
    New Orleans Mus. of Art;
    New York, Mus. of Modern Art;
    Ottawa, Nat. Gallery of Canada;
    Paris, Maison européenne de la photo;
    Paris, Mus. Nat. d'Art moderne;
    Rochester, George Eastman House;
    Tokyo, Metropolitan Art Mus.;
    – sechs Vorträge
    zum „Wesen u. Werden d. Photogr.“ im Westdt. Rundfunk, 1931;
    Schrr.:
    Antlitz d. Zeit, 1929, Nachdr. 1983;
    Die Eifel, 1933;
    Bergisches Land, 1933;
    Die Mosel, 1934;
    Das Siebengebirge, 1934;
    Die Saar, 1934;
    Deutschenspiegel, 1962.

  • Literatur

    Gerd Sander (Hg.), A. S., Menschen ohne Maske, 1971 (P);
    A. S., Rheinlandschaften, 1975;
    Gerd Sander (Hg.), A. S., Menschen d. 20. Jh., 1980 (P, Rekonstruktion);
    A. S., Photographs of an Epoch, 1980 (P);
    A. S., Köln-Porträt, 1984;
    A. S., Die Zerstörung Kölns, 1985;
    A. S., Köln wie es war, Ausst.kat. Köln 1988;
    A. S., Köln wie es war, hg. v. Köln. Stadtmus. u. d. A. S.-Archiv, A. S. Werkausgabe Bd. 1, 1995 (P);
    C. G. Philipp, A. S.s Projekt „Menschen d. 20. Jh.“, Diss. Marburg 1986 (Bibliogr.);
    A. S. „In d. Photogr. gibt es keine ungeklärten Schatten!“, 1994 (P);
    Eine Reise nach Sardinien, Ausst.kat. Hannover 1995;
    Zeitgenossen, A. S. u. d. Kunstszene im Rheinland, Ausst.kat. Köln 2000;
    A. S., Menschen d. 20. Jh., Studienbd., hg. v. d. Photograph. Slg., SK Stiftung Kultur, Köln, Konzeption v. S. Lange u. G. Conrath-Scholl, 2001;
    A. S., Menschen d. 20. Jh., Werkausg. in 7 Bdn., hg. v. d. Photograph. Slg., SK Stiftung Kultur, Köln, bearb. u. neu zus.gestellt v. S. Lange, G. Conrath-Scholl u. Gerd Sander, 2002;
    Biogr. Lex. Weimarer Rep.

  • Porträts

    unveröff. Selbstporträts im Nachlaß (SK Stiftung Kultur, Köln);
    Aufnahme v. Chargesheimer (Karl-Heinz Hargesheimer), 1956 (Nachlaß Chargesheimer, Mus. Ludwig, Köln).

  • Autor/in

    Claudia Gabriele Philipp
  • Zitierweise

    Philipp, Claudia Gabriele, "Sander, August" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 417-418 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118605364.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA