Lebensdaten
1647 – 1717
Geburtsort
Frankfurt/Main
Sterbeort
Amsterdam
Beruf/Funktion
Blumen- und Insektenmalerin ; Entomologin ; Zoologin
Konfession
reformiert?
Normdaten
GND: 118581082 | OGND | VIAF: 106967757
Namensvarianten
  • Moreel, Maria Sibylla (Name des Stiefvaters)
  • Graf, Maria Sibylla (verheiratete)
  • Merian, Maria Sibylla
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Zitierweise

Merian, Maria Sibylla, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118581082.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Matthaeus d. Ä. (s. 1);
    M Johanna Sibylla Heim (s. Gen. 1);
    Stief-V (seit 1651) Jacob Marrell (1614–81), Blumen- u. Stillebenmaler in Frankfurt/Main u. Utrecht (s. ThB);
    Frankfurt/M. 1665 ( 1692) Johannes Andreas Graff (1637–1701), Maler u. Verleger in Nürnberg (s. ThB);
    2 T Johanna Helena (1668–n. 1717, Jacob Hendrik Herolt, 1660–n. 1717, Überseekaufm. aus Bacharach), Blumenmalerin, Dorothea Maria (1678–1743, 1] Philip Hendriks, 1701, Chirurg, 2] Georg Gsell, 1673–1740, Maler, s. ThB), Blumenmalerin (beide s. ADB 21);
    E Salome Abigail Gsell (1723–n. 1790, Leonhard Euler, 1707–83, Mathematiker, s. NDB IV).

  • Biographie

    Das Leben M.s ist durch den Umstand, daß sie als erste Frau in Übersee wissenschaftliche Forschungen betrieb und diese in selbst verfaßten, illustrierten und verlegten Kupferstichwerken veröffentlichte, seit jeher bewundert und vielfach beschrieben worden. M. wurde von ihrem Stiefvater Jacob Marrell, erzogen. Von ihm dürfte sie das Malen von Blumen und Tieren sowie das Kupferstechen erlernt haben. Sie betrieb das Studium der Blumen und Insekten von sich aus auch auf wissenschaftliche Weise und erlernte dazu die lat. Sprache. 1670 zog sie mit ihrem Ehemann nach dessen Vaterstadt Nürnberg. Auch im Ehestand blieb sie meist beim väterlichen Namen und zehrte so vom Ruhm ihres Vaters.

    Leider ist das Jugendwerk M.s unbekannt, die ersten überlieferten Arbeiten stammen von 1668: ein Stilleben und ein Bild mit Frosch und Libelle (beide Basel, Privatbes.). 1670 malte sie einen Blumenkranz ins Buch der Frankfurter Goldschmiede, 1675 erschien bereits der erste Teil des ihren Ruf begründenden „Blumenbuchs“. Von den für ihre Zeichenschülerinnen aus gutem Hause bestimmten Musterheften mit 12 losen Bildtafeln sind nur noch drei lückenlose Exemplare nachzuweisen. 1677 fügte sie dem ersten Heft ein zweites und 1680 ein drittes von gleichem Umfang hinzu, zugleich vereinigte sie die drei Teile zum in sich geschlossenen „Neuen Blumenbuch“ (Faks.-Ausg. mit Kommentar, 1966). Als Verleger setzte sie ihren Mann ein. Bei einigen Darstellungen hielt sie sich an fremde Vorlagen, so an das 1655 in Rom erschienene Werk „Variae ac Multiformes Florum Species“ von Nicolaus Robert, das meiste aber leistete sie eigenständig. Parallel zu den Blumenstudien befaßte sie sich mit der Metamorphose der Schmetterlinge und Käfer, erstmals nachweisbar 1674. Diese Untersuchungen führten sie 1679 zur Publikation eines „Raupenbuchs“ mit 50 Stichen, dem sie 1683 einen zweiten Teil folgen ließ und das die jüngere Tochter kurz nach M.s Tod durch einen dritten zum Abschluß brachte. Die vielen Vorzeichnungen dazu kamen schließlich durch dieselbe Tochter in andere Hände (heute z. T. in St. Petersburg und London, Brit. Mus.). Im Raupenbuch gibt sich die Autorin zu gleichen Teilen als Künstlerin und Forscherin zu erkennen, indem sie die behandelten Insekten simultan in ihren drei Entwicklungsstufen und mit der von ihnen bevorzugten Futterpflanze wiedergibt.

    1682 ging die Familie nach Frankfurt zurück, drei Jahre später verließ M. ihren Mann und zog mit den beiden Töchtern ihrem Halbbruder Kaspar Merian nach, der sich der religiösen Gemeinschaft der Labadisten in Westfriesland angeschlossen hatte. Mit dieser pietistischen Sekte, die sich am Urchristentum orientierte, lebte sie mehrere Jahre auf Schloß Walta-State. Bei den Labadisten dürfte M. erstmals Kenntnis von der tropischen Insektenwelt erlangt haben. Kurz vor der Auflösung der Labadisten-Gemeinschaft ging sie 1691 nach Amsterdam, wo sie ihre insektenkundlichen Studien intensivierte und mit Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft in Beziehung trat, die an ihren Forschungen Anteil nahmen und sie möglicherweise unterstützten. Kurze Zeit später begab sich ihre ältere Tochter mit ihrem Mann nach Surinam zur dortigen Labadistengemeinde Providentia. Um die tropischen Schmetterlinge und die übrigen Insekten selbst beobachten und sammeln zu können, trat M. im Juli 1699 zusammen mit ihrer jüngeren Tochter die weite Seereise dorthin an. Sie hielt sich 24 Monate lang in Surinam auf, wo sie täglich mit Sammeln und Zeichnen beschäftigt war. Aus gesundheitlichen Gründen mußte sie im Sommer 1701 vorzeitig nach Amsterdam zurückkehren, wo sie das von ihr zusammengetragene Material zu Reinzeichnungen (heute z. T. in St. Petersburg und in der Royal Library in Windsor Castle) verarbeitete. Das Resultat bildet der Foliant „Metamorphosis Insectorum Surinamensium“, der 1705 in Amsterdam erschienen ist. Er setzt sich aus 60 Kupfertafeln zusammen, die mehrheitlich von zwei in M.s Auftrag arbeitenden Stechern stammen, von ihr aber selbst koloriert wurden. Hatte sie schon die Reise nach Guayana wohl selbst finanziert, so gab sie auch dieses Prachtwerk auf eigene Kosten auf dem Subskriptionswege sowohl in einer holländ. als auch einer lat. Ausgabe heraus. Geplante Erweiterungen konnte sie nicht mehr verwirklichen. In den kurz nach ihrem Tode von Johannes Osterwijk 1719 (Faks.-Ausg. mit dt. Text, 1975) wiederum in Latein und Holländisch veranlaßten Parallelausgaben finden sich 12 zusätzliche Kupfer. Die 72 Tafeln zeigen, wie schon im Raupenbuch, den Zweig einer Pflanze (lat. bezeichnet vom Botaniker Caspar Commelin) und ein Insekt als Raupe, Puppe und Schmetterling. In der Beschreibung M.s werden die exakten Daten der Metamorphose angegeben, öfters auch die Pflanzennamen im Idiom der Eingeborenen. Eine naturwissenschaftliche Bestimmung der Insekten ist erst später vorgenommen worden. Nicht nur mit ihrem Buch, sondern auch mit den aus Surinam mitgebrachten Insekten und in Spiritus eingelegten Reptilien trieb M. Handel und bezog auch weiterhin die für naturwissenschaftliche Raritätenkabinette begehrten Stücke aus Übersee, so durch ihre ältere Tochter, die in Surinam lebte. In der gelehrten Welt ihrer Zeit war M. hoch geachtet. Eigenständigkeit, Zuverlässigkeit in Aussage und Darstellung sowie eine prätentionslose, sachliche und sympathisch persönliche Art der Darstellung zeichnen ihr Werk aus.

  • Werke

    Weitere W Ausgg. v. Originalzeichnungen: Leningrader Stud.buch. hrsg. v. W.-D. Beer, 2 Bde. (Faks. d. Aquarelle;
    Faks. u. Transliteration d. Handschrift), 1976;
    Leningrader Aquarelle, hrsg. v. E. u. H. Ullmann, W.-D. Beer, B. V. Lukin, 1974;
    Metamorphosis Insectorum Surinamensium, Faks.-Ausg. nach d. Aquarellen in d. Royal Library, Windsor Castle, Kommentar v. E. Rücker u. W. T. Stearn, 1980/82;
    Das Insektenbuch, Übertragung d. niederländ. Fassung ins Deutsche, Begleittext v. H. Dekkert, 1991.

  • Literatur

    ADB 21;
    D. Burckhardt-Werthemann, Des alten Merian Kinder u. Enkel, in: Basler Kunstver., Berichterstattung üb. d. J. 1908, 1909, S. 208-24;
    M. A. Pfeiffer, Die Werke d. M. S. M. bibliograph. zus.-gestellt, 1931;
    ders., Das „Neue Blumenbuch“ d. M. S. M., in: Philobiblon 9, 1936, H. 3, S. 97-102;
    W. K. Zülch, Frankfurter Künstler 1223-1700, 1935, S. 568 f.;
    W. u. H. Treue, Maria Sibylla, Biograph. Roman, 1942;
    J. Stuldreher-Nienhuis, Verborgen Paradijzen, Het leven en de werken van M. S. M., 1944, ²1945;
    M. Pfister-Burkhalter, in: Basler Jb. 1948, S. 55-68;
    dies., M. S. M., Leben u. Werk, 1980;
    G. Lendorff, M. S. M., Ihr Leben u. ihr Werk, 1955;
    E. Rücker, in: Fränk. Lb. I, 1967, S. 221-54 (P);
    dies., M. S. M., German. Nat.mus. Nürnberg, Ausst.kat. 1967;
    dies., in: Nachbarn 24, 1980;
    F. Thöne, M. S. M., Ms. im Schweizer. Landesmus. Zürich, um 1968;
    T. J. Saxby, The Quest for the New Jerusalem, Jean de Labadie and the Labadists, 1610–1744, in: Archives internationales d'histoire des idées 115, 1987, S. 264 ff.;
    SKL;
    ThB;
    Schweizer Lex.

  • Porträts

    Gem. auf Leinwand, anonym, 1679 (Basel, Kunstmus.);
    Kupf. v. J. Houbraken, nach e. Zeichnung v. G. Gsell, Amsterdam um 1716 (Vorlage f. zahlr. spätere Stiche). - Fälschliches P
    Stich v. G. D. Heumann, 1727 (stellt dar Wwe v. J. v. Sandrart).

  • Autor/in

    Lucas Wüthrich
  • Zitierweise

    Wüthrich, Lucas, "Merian, Maria Sibylla" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 138-139 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118581082.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA