Lebensdaten
1868 – 1910
Geburtsort
Johannisburg (Ostpreußen)
Sterbeort
Weimar
Beruf/Funktion
Schriftsteller
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118574698 | OGND | VIAF: 71505160
Namensvarianten
  • Liebhart, Salomo (Pseudonym)
  • Peregrinus, Silvio (Pseudonym)
  • Sylvester (Pseudonym)
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Zitierweise

Lublinski, Samuel, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118574698.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Nathan, Getreide- u. Morchelhändler;
    M N. N.;
    Schw Ida (1862–1942), Ethnologin u. Religionsforscherin (s, W); - ledig.

  • Biographie

    L. kam aus einem assimilierten jüd. Elternhaus, das er selbst ein „aufgeklärt-rationalistisches, ohne Zeremonialgesetz“ genannt hat. Die Schulbildung gab ihm nicht die Grundlage für seine vielfältigen Kenntnisse, die er sich später autodidaktisch erwarb. Erst als Zwölfjähriger kam er auf ein Gymnasium in Königsberg, besuchte dann noch mehrere Gymnasien in der Provinz, erzwang aber den Abgang vor dem Abitur, nachdem er überall durch sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und sein unbändiges Temperament Konflikte mit Lehrern und Mitschülern provoziert hatte.

    Erst 1887, als er in Verona in das Antiquariat von Leo Olschki eingetreten war, das später nach Venedig verlegt wurde, begann er, systematisch gründliche historische und philosophische Studien zu treiben. Auch erste dichterische Arbeiten, die er später vernichtet hat, entstanden in Italien. 1892 kehrte L. nach Deutschland zurück, arbeitete als Buchhändler in Heidelberg, gab aber 1895 seinen Beruf endgültig auf. Er zog nach Berlin und versuchte, sich als Journalist einen Namen zu machen. Schon die ersten Artikel und Rezensionen verrieten die Weite seines Interessengebietes. Er schrieb über politische und sozialpolitische Fragen ebenso wie über Theater und Literatur, seit 1897 trat für einige Jahre die „Judenfrage“ in den Vordergrund. Theodor Herzl war auf ihn aufmerksam geworden und hatte ihn zur Mitarbeit an seinem Organ „Die Welt“ aufgefordert. L. betätigte sich eifrig als zionistischer Agitator, brachte aber von Anfang an eigene Auffassungen in die Debatten ein, drängte vor allem auf kulturpolitische Erneuerung und bekannte schon 1899, daß er nur noch „Philozionist“ sei, aber kein „Vollblutjude“ mehr. Sein erstes Buch, „Jüdische Charaktere bei Grillparzer, Hebbel und Otto Ludwig“ (1899), in dem er aus den dichterischen Deutungen jüdischer Figuren Elemente eines jüdischen Nationalcharakters interpretiert, spiegelt diese zwiespältige Position wider. Der Bruch mit Herzl wurde unausweichlich, und 1901 bekannte sich L. erneut zur Assimilation. Die kurze zionistische Phase ist von großer Wichtigkeit für L.s Gesamtwerk. Seine zahlreichen Artikel haben ihn bei seinen späteren religionsphilosophischen Arbeiten immer wieder angeregt, die Beziehungen zwischen Judentum und Christentum zu analysieren. Daneben behalten sie historischen Wert als Ausdruck der westjüd. Position in diesen Debatten.

    Seine erste große literarhistorische Arbeit „Litteratur und Gesellschaft“ (1899/1900), die in vier Bänden die Entwicklung von der Frühromantik bis zum Ende des 19. Jh. nachzeichnet, gilt als die erste soziologische Literaturbetrachtung der Wissenschaftsgeschichte des deutschen Sprachraums. Seine Methode, die unterschiedlichsten Erscheinungsformen des schöpferischen Bewußtseins auf das gesellschaftliche Sein der Zeit zu beziehen, setzte L. dann in „Die Bilanz der Moderne“ (1904) und „Ausgang der Moderne“ (1909) fort. Beide Bücher mit ihren klaren Analysen und entschiedenen Urteilen gelten mit Recht bis heute als Standardwerke. Die Sicherheit seines Urteils als Literaturkritiker belegt auch seine Rezension der „Buddenbrocks“ (1902), aus der Thomas Mann zitiert: „Dies Buch werde wachsen mit der Zeit und noch von Generationen gelesen werden.“

    Zwischen 1901 und 1910 hat L. sechs Tragödien geschrieben, ohne auch nur die Aufführung einer einzigen zu erleben. Nur die letzte, „Kaiser und Kanzler“ (1910), wurde im Februar 1913 in Heidelberg aufgeführt. Mindestens zur Geschichte der Dramatisierung des Nibelungenstoffs gehört jedoch „Gunther und Brunhild“ als interessanter Versuch, ohne den Verräter Hagen auszukommen und den Konflikt aus der psychologischen Konstellation der Hauptfiguren zu entwickeln und tragisch zu lösen. L.s Rolle bei der Ausbildung einer neoklassizistischen Tragödientheorie, die er mit Paul Ernst, Otto Stößl und Wilhelm v. Scholz diskutierte, ist bis jetzt nicht gewürdigt worden.

    In literarische Fehden war L. oft verstrickt, so als er mit den Studien „Der Polizeileutnant in der Literatur, eine Abwehr gegen Arno Holz“ (1904) und „Holz und Schlaf, Ein zweifelhaftes Kapitel Literaturgeschichte“ (1905) in die unerquicklichen Prioritätsstreitigkeiten der Begründer des „konsequenten Naturalismus“ eingriff oder als er von Theodor Lessing in einer bösen, persönlich diffamierenden Persiflage „Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz“ (1910) angegriffen wurde und sich in Auseinandersetzungen gezogen sah, die seine letzten Lebensmonate überschatteten.

    1906 hatte L. noch einmal in Italien Studien für sein Werk „Der urchristliche Erdkreis und sein Mythus“ (1910) gemacht. Nach seiner Rüdekehr zog er mit seiner Schwester Ida, die großen Anteil an seinen Arbeiten und Plänen hatte, nach Weimar. An einem Drama „Rienzi“ arbeitend und mit Vorstudien zu einem Geschichtswerk beschäftigt, starb er hier plötzlich, ohne die geplante große philosophische Zusammenschau seiner Forschungsarbeiten noch geben zu können.

  • Werke

    Weitere W Essays u. Kulturphil. Schrr.: Neu-Deutschland, Fünf Essays, 1900;
    Multatuli, 1902;
    Die Entstehung d. Judentums, 1903;
    Vom unbek. Gott, 1904;
    Darwin, 1905;
    Schiller, 1905;
    Die Humanität als Mysterium, 1907;
    Shakespeares Problem im Hamlet, 1908;
    Falsche Beweise f. d. Existenz d. Menschen Jesu, 1910;
    Die Entstehung d. Christentums aus d. antiken Kultur, 1910;
    Das werdende Dogma v. Leben Jesu, 1910. -
    Tragödien: Der Imperator, 1901;
    Hannibal, 1902;
    Elisabeth u. Essex, 1903;
    Peter v. Rußland, 1906. -
    Novellen: Gescheitert, Ein Novellenbuch, 1901;
    Theresa u. Wolfgang, 1910. – Nachgelassene Schrr., hrsg. v. Ida Lublinski, 1914;
    Ausgew. Schrr., Die Bilanz d. Moderne, Hrsg. u. Nachwort G. Wunberg, 1974 (Nachdr. d. Ausg. v. 1904);
    Der Ausgang d. Moderne, Ein Buch d. Opposition, 1976 (Nachdr. d. Ausg. v. 1909, W-Verz, L). - Teilnachlaß: Frankfurt/M., Archiv Bibliographia Judaica. -
    Zu Schw Ida: Vom Mutterrecht z. Vaterrecht, 1933;
    Jakob u. Esau, Ein Beitr. z. Erstgeburtsrecht d. Juden, 1927.

  • Literatur

    Else Lasker-Schüler, S. L., in: Kritik d. Kritik 2, 1906/07, S. 226-28;
    F. Alafberg, Der Nachlaß S. L.s, in: Das literar. Echo 16, 1913/14, Sp. 1464-67;
    A. Hugle, S. L., Paul Ernst u. d. neue Drama, 1913;
    Th. Lessing, S. L., in: ders., Lessing, Philosophie als Tat, 1914;
    H. R. Vaget, Th. Mann u. d. Neuklassik, „Der Tod in Venedig“ u. S. L.s Lit.auffassung, in: Jb. d. dt. Schillerges. 17, 1973, S. 432-54;
    G. Wunberg, S. L.s lit.soziolog. Ansatz, in: Naturalismus, hrsg. v. H. Scheuer, 1974, S. 206-34;
    A. Woehrmann, Das Programm d. Neuklassik, Die Konzeption e. modernen Tragödie b. Paul Ernst, Wilhelm v. Scholz u. S. L., 1979;
    Internat. Bibliogr. z. Gesch. d. dt. Lit., II, 2, 1972, IV, 2, 1984;
    Kosch, Lit.-Lex.³

  • Autor/in

    Renate Heuer
  • Zitierweise

    Heuer, Renate, "Lublinski, Samuel" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 266-267 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118574698.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA