Lebensdaten
1898 – 1967
Geburtsort
Reick bei Dresden
Sterbeort
Seeheim bei Darmstadt
Beruf/Funktion
Mathematiker ; Professor in Darmstadt
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 11713161X | OGND | VIAF: 20449358
Namensvarianten
  • Walther, Oswald Alwin
  • Walther, Alwin
  • Walther, Oswald Alwin
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Zitierweise

Walther, Alwin, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11713161X.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Karl Oswald (1864–1912), aus Burkhardswalda b. Weesenstein, Oberlehrer in R., S d. Karl Gottfried ( n. 1894), Kirchschullehrer in Osslingen, u. d. Ernestine Auguste Krebs ( v. 1894), zuletzt in Lohsa b. Hoyerswerda;
    M Pauline Alwine (1861–1946), T d. Johann Christoph Küchler (1824–82), Ziegelmeister in R., u. d. Johanne Rosine Gebhart (1821–78);
    1 B Karl Johannes (* 1895), 2 Schw;
    1924 Gertrud (1896–1970), aus D., T d. Bernhard Philipp (1861–1928), Schuldir., u. d. Lina Guhr;
    2 S Hans Erhard (* 1925), Med., wanderte n. Kanada aus, Jost Bernhard (* 1929), Prof. f. Biol. in Ulm.

  • Biographie

    Nach dem Abitur am Gymnasium zum Hl. Kreuz (Kreuzschule) in Dresden immatrikulierte sich W. 1916 an der TH Dresden, wurde aber bald zum Kriegsdienst eingezogen. 1919 nahm er an der TH Dresden das Studium der Mathematik und Physik wieder auf und publizierte bereits 1921 erste mathematische Artikel. Nach bestandener Lehramtsprüfung 1921 wurde W. 1922 hier mit „Beiträge zur Funktionentheorie“ bei Gerhard Kowalewski (1876–1950) zum Dr. rer. tech. promoviert. Mit einem Stipendium der Stadt Dresden setzte er sein Studium an der Univ. Göttingen|fort, wurde im Aug. 1922 Assistent bei Richard Courant (1888–1972), dann bei Carl Runge (1856–1927) und betreute seit 1923 die Sammlung mathematischer Instrumente und Modelle mit. Im selben Jahr ging er auf Anregung Courants nach Kopenhagen, wo er Niels Nørlund (1885–1981) bei der Ausarbeitung von dessen Buch über Differenzenrechnung unterstützte. 1924 habilitierte sich W. in Göttingen und war 1926 / 27 als Rockefeller-Stipendiat wiederum bei Nørlund.

    Nach Ablehnung eines Rufs an die Bergakademie Freiberg wurde er 1928 Professor für darstellende Geometrie und Methoden der angewandten Mathematik an der TH Darmstadt, wo er sich auf numerische, graphische und instrumentelle Methoden der Mathematik konzentrierte, was 1933 zu der von ihm initiierten Umbenennung seiner Professur in Lehrstuhl für Praktische Mathematik führte. In der mathematischen Ausbildung der Ingenieurstudenten setzte W. auf die selbständige Lösung praxisbezogener mathematischer Aufgaben und die Einübung numerischer und instrumenteller Methoden sowie auf eine anschauliche Interpretation mathematischer Theorien und Zusammenhänge, für die er auch spezielle Modelle und Demonstrationsapparate entwickelte. Daraus leitete sich die zentrale Forschungsagenda des von W. Mitte der 1930er Jahre begründeten Instituts für Praktische Mathematik (IPM) ab, wobei W. eng mit der Instrumentenbaufirma „Mathematisch-Mechanisches Institut A. Ott“ in Kempten kooperierte. Große Bekanntheit und Verbreitung erreichte der um 1934 von W. entwickelte Rechenschieber „System Darmstadt“.

    Seit 1940 wurde das IPM ausgebaut und entwickelte sich zur größten „Rechenfabrik“ des „Dritten Reichs“, an der 90 Mitarbeiter und Rechnerinnen für die Rüstungsforschung arbeiteten. Ausgangspunkt für diese Entwicklung war, daß W. zu einer Gruppe von Professoren an der TH Darmstadt gehörte, die seit Sept. 1939 an dem von Wernher v. Braun (1912–77) geleiteten Raketenprojekt in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde mitarbeiteten. Das IPM übernahm u. a. die mathematischen Arbeiten zu Flugbahnbestimmung und Abschalttheorie der V2-Rakete sowie die Entwicklung einer Integrieranlage IPM-Ott in Kooperation mit der Firma A. Ott für die Lösung von Differentialgleichungen nach dem Vorbild des von Vannevar Bush (1890–1974) entwickelten Differential Analyzer am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA). Daneben führte das IPM bis zur weitgehenden Zerstörung im Sept. 1944 Forschungs- und Rechenaufträge für zahlreiche militärische Institutionen und Rüstungsfirmen im NS-Staat aus, z. B. für das Oberkommando der Kriegsmarine.

    Obwohl sich W. von der NSDAP und ihren Gliederungen fernhielt und nur Mitglied in einigen Verbänden wie dem NS-Altherrenbund war, hatte er durch seine enge Einbindung in die Kriegsforschung die einflußreiche Position als Außenstellenleiter des Reichsforschungsrats an der TH Darmstadt inne. Im Verlauf des Kriegs wurde W. zum führenden Spezialisten des „Dritten Reichs“ für mathematische Instrumente und Maschinen, der das Speersche Rüstungsministerium und andere Akteure des NS beriet.

    Da W. von der Entnazifizierung nicht betroffen war, konnte er im Juni 1945 seine Lehr- und Forschungstätigkeit fortsetzen. Es gelang ihm, das zerstörte IPM wiederzuerrichten und es in den 1950er Jahren zu einem führenden Institut für instrumentelle und praktische Mathematik auszubauen, wobei W. erfolgreich die Nutzung von Analog- und Digitalrechnern in den Ingenieurwissenschaften und in der Unternehmensforschung propagierte und praktizierte. Die 1941 begonnene elektromechanische Integrieranlage IPM-Ott wurde bis 1948 fertiggestellt und bis 1956 als eine genaue, aber auch relativ langsame Anlage v. a. für ingenieur- und naturwissenschaftliche Anwendungen genutzt. Das IPM fungierte auch als Dienstleistungsinstitut für die dt. Industrie und Wirtschaft.

    Durch seine internationalen Kontakte gewann W. in den Nachkriegsjahren als einer der ersten dt. Wissenschaftler Einblicke in die Entwicklung elektronischer Digitalrechner in England und den USA. In der Folge gehörte das IPM zu den drei wissenschaftlichen Instituten in der Bundesrepublik, an denen seit etwa 1950 mit dem Bau elektronischer, programmgesteuerter Rechenanlagen nach anglo-amerik. Vorbild begonnen wurde. Der am IPM mit Unterstützung der DFG entwickelte Röhrenrechner DERA (Darmstädter Elektronischer Rechenautomat) war allerdings bei seiner Fertigstellung 1959 technologisch schon veraltet. Obwohl W. später kaum noch mit wissenschaftlichen Beiträgen zur Computerentwicklung sowie zu der sich seit den späten 1950er Jahren langsam herausbildenden Informatik hervortrat, spielte er durch sein organisatorisches wie öffentliches Wirken eine wichtige Rolle bei der Adaption des Computers als neuer Forschungstechnologie im dt. Wissenschaftssystem. Neben seiner Tätigkeit in der „Kommission für Rechenanlagen“ der DFG und als Vorsitzender des vorbereitenden Ausschusses des Internationalen Rechenzentrums in Rom hatten v. a. seine Leistungen als Organisator von für die Computerentwicklung in Europa zentralen Tagungen, wie der „Fachtagung Elektronische Rechenmaschinen und Informationsverarbeitung“ 1955 in Darmstadt, große Bedeutung.

    W. hatte in der sich herausbildenden internationalen Fachgemeinschaft der Informatiker wichtige Ämter inne und avancierte so zu einem international bekannten dt. Repräsentanten der Computerwissenschaft. In den 1960er Jahren verlor W. mehr und mehr den Anschluß an die rasante Entwicklung der Informatik; so scheiterte sein Versuch, das IPM erneut zum zentralen dt. „Recheninstitut“ zu machen und sein Bestreben, das mit Unterstützung der DFG errichtete Dt. Rechenzentrum in Darmstadt zu einem nationalen Spitzenrechenzentrum zu formen. Das IPM wurde nach W.s 1966 erfolgter Emeritierung aufgelöst.

    W. promovierte mehr als zwei Dutzend Doktoranden, darunter Karl Hessenberg (1904–59), Rudolf Zurmühl (1904–66), Wilfried de Beauclair (* 1912), Johannes Dörr (* 1912), Heinz Unger (1914–2007), Hermann Bottenbruch (* 1928), Wolfgang Händler (1920–98) und Wilhelm Barth.

  • Auszeichnungen

    |E. K. II u. I;
    Verwundetenabzeichen;
    Kriegsverdienstkreuz 2. Kl. (1942);
    Mitgl. d. Ver. dt. Ingenieure, d. Dt. Mathematiker-Vereinigung, d. Ges. f. angew. Math. u. Mechanik (Vors. 1952–55), d. Ges. f. techn. Physik, d. Ges. dt. Naturforscher u. Ärzte, d. Ass. for Computing Machinery (Vorstandsmitgl. 1958) u. d. Dt. Arb.gemeinschaft f. Rechenanlagen (Vizepräs.);
    Silberne Medaille d. Stadt Paris (1959);
    Vizepräs. d. Internat. Federation for Information Processing (IFIP) (1959–62);
    Präs. d. IFIP-Kongresses in München (1962);
    Silberne Verdienst-Plakette d. Stadt Darmstadt (1963);
    Dr. rer. nat. h. c. (TH Dresden 1965);
    Vors. d. wiss. Rats d. Dt. Rechenzentrum in Darmstadt u. d. wiss. Prüfungsamts f. d. Lehramt an höheren Schulen;
    – A.-W.-Medaille d. TU Darmstadt (1997–2010).

  • Werke

    |Numer. Unterss. z. Riemannschen Zetafunktion, 1924 (Habil.schr.);
    Zur numer. Integration, in: Skandinavisk Aktuarietidskrift 8, 1925, S. 148–62;
    Anschauliches z. Riemannschen Zetafunktion, in: Acta Mathematica 48, 1926, S. 393–400;
    Fastperiod. Folgen u. Potenzreihen mit fastperiod. Koeffizienten, in: Abhh. aus d. Math. Seminar d. Univ. Hamburg 6, 1928, S. 217–34;
    Einf. in d. math. Behandlung naturwiss. Fragen, Bd. 1, 1928;
    Fastperiod. Folgen u. ihre Fouriersche Analyse, in: Atti del Congresso Internazionale dei Matematici Bologna 3 –10 settembre 1928, Bd. 2, 1930, S. 289–98;
    Die Integrieranlage IPM-Ott f. gewöhnl. Differentialgleichungen, in: Die Naturwissenschaften 36, 1949, S. 199–206;
    Grundzüge u. Besonderheiten d. Darmstädter Rechenautomaten-Entwicklung, in: L. Biermann (Hg.), Vortrr. über Rechenanlagen gehalten in Göttingen, 19.–21. März 1953, MPI f. Physik, 1953, S. 1–7 (mit H.-J. Dreyer);
    Naturforsch. u. Med. in Dtld. 1939–1946, Bd. 3 u. 4: Angew. Math., 1953 (Hg.);
    Nomogr. u. Rechenschieber, ebd., S. 119–28 (mit H.-J. Dreyer);
    Math. Maschinen u. Instrumente, Instrumentelle Verfahren, ebd. S. 129–66 (mit dems.);
    Math. Zahlentafeln, Numer. Unters. spezieller Funktionen, ebd., S. 167–83 (mit H. Unger);
    Math. Berechnung f. Temperaturverteilung in d. Glasschmelze mit Berücksichtigung v. Wärmeleitung u. Wärmestrahlung, in: Glastechn. Berr. 26, 1953, S. 133–40 (mit J. Dörr u. E. Eller);
    Gleitlagerberechnungen, 1954 (mit H. Sassenfeld);
    Gen. Report on the Numerical Treatment of Integral and Integro-Differential Equations, in: Symposium on the Numerical Treatment of Ordinary Differential Equations, Integral and Integro-Differential Equations, Rome, 1960, S. 645–71 (mit B. Dejon);
    Tabellen d. Bruchteilfunktionen z. Planckschen Strahlungsgesetz, 1961 (mit M. Czerny).

  • Literatur

    |L. Collatz, in: Zs. f. angew. Math u. Mechanik 47, 1967, S. 213–15 (P);
    W. Barth, A. W., Prakt. Math. u. Computer an d. THD, in: TH Darmstadt, Jb. 1978 / 79, 1979, S. 29–34;
    W. de Beauclair, Prof. A. W. u. d. IPM d. TH Darmstadt u. d. Entwicklung d. Rechentechnik in Dtld. 1930–1945, in: F. Gebhardt (Hg.), Skizzen aus d. Anfängen d. Datenverarbeitung, 1983, S. 53–90 (P);
    H. Petzold, Rechnende Maschinen, e. hist. Unters. ihrer Herstellung u. Anwendung v. Ks.reich bis z. Bundesrep., 1985;
    ders., Eine Informatiktagung v. d. Gründung d. Informatik, die Darmstädter Konf. v. 1955, in: R. Seising, M. Folkerts u. U. Hashagen (Hg.), Form, Zahl, Ordnung, Stud. z. Wiss.- u. Technikgesch., 2004, S. 759–82;
    H. Unger, Inst. f. Prakt. Math. (IPM), A. W. 1928–1966, Forsch., wiss. Entwicklung, 1985;
    F. L. Bauer, A. W. im Urteil seiner Zeitgenossen, in: Hist. Notizen z. Informatik, hg. v. F. L. Bauer 2009, S. 156–60;
    J. Fischer, Zur Rolle v. Heinz Adler zw. Ludwig Albert Ott u. A. O. W., in: U. Hashagen u. H. D. Hellige (Hg.), Rechnende Maschinen im Wandel, Math., Technik, Ges., 2011, S. 33–110;
    M. Hanel, Normalität unter Ausnahmebedingungen, Die TH Darmstadt im NS, 2014;
    I. Schmidt, Nach d. NS, Die TH Darmstadt zw. Vergangenheitspol. u. Zukunftsmanagement, 1945–1960, 2015;
    W. Voss u. A. Musiol, Biogr. Lex. d. frühen Promovenden d. TU Dresden (1900–1945) (P) (Internet);
    Pogg. VI– VII a (W);
    Qu Archive d. Univ. Göttingen, d. TU Dresden u. d. TU Darmstadt.

  • Autor/in

    Ulf Hashagen
  • Zitierweise

    Hashagen, Ulf, "Walther, Alwin" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 371-373 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11713161X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA