Lebensdaten
1781 – 1840
Geburtsort
Bischofteinitz (Böhmen)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Astronom
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 117085405 | OGND | VIAF: 69698848
Namensvarianten
  • Littrow, Joseph Johann (bis 1836)
  • Littrow, Joseph Johann Edler von
  • Littrow, Joseph Johann (bis 1836)
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Zitierweise

Littrow, Joseph Johann Edler von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117085405.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Anton (1750–1851), Kaufm. in B.;
    M N. N.;
    1808 Caroline (1792–1833), T d. Franz Ullrich v. Ullrichsthal, Kreishauptm. in Galizien;
    12 K, u. a. Carl (1811–77), Astronom, Mitarbeiter L.s, seit 1842 Dir. d. Wiener Sternwarte, deren Neubau er durchsetzte (s. ADB 19; Pogg. I, VII a Suppl.; ÖBL), Heinrich (1820–95), Kapitän z. See, Insp. d. Seebehörde in Fiume, Schriftsteller, Franz (1821–86), General (s. ÖBL);
    Schwieger-T Auguste geb. Bischoff v. Altenstern (Ps. Otto August, 1819–90), Schriftstellerin (s. ÖBL), Auguste geb. Mauthner v. Mauthstein (1833–1918), Frauenrechtlerin (s. ÖBL);
    E Hermann (1858–1931), Techniker u. Eisenbahn-Experte in W. (s. ÖBL).

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Gymnasiums in Prag studiert L. 1798-1803 an allen vier Fakultäten der Prager Universität, allerdings ohne Abschluß. „Geniezeitlich“ geprägt im Verhalten, universalistisch-weltbürgerlich, kurzfristig auch naturphilosophisch orientiert im Denken, gilt sein besonderes Interesse der klassischen Literatur und der Mathematik, aber auch der zeitgenössischen Literatur. Ein wichtiger Lehrer ist der Prager Ästhetiker August Gottlieb Meißner. L. gibt 1800 mit Freunden die Zeitschrift „Die Propyläen“ heraus.

    Erst als Erzieher der Grafen Rénard (seit 1803, teils in Schlesien, teils in Wien) spezialisiert er sich autodidaktisch in Mathematik und Astronomie. Im Nov. 1807 wird er zum Professor der Astronomie in Krakau ernannt. Als die Stadt polnisch wird, nimmt er Ende 1809 einen Ruf an die russ. Univ. Kasan an (vgl. „Bilder aus Rußland“, in: Vermischte Schriften, III, S. 3-89). Er wird Mitglied der Petersburger Akademie und der „großen Schulkommission“ und betreibt eine „Privat-Erziehungs-Anstalt für die Söhne der angesehensten Familien“. Seit Juli 1816 ist L. „Socius“ der neu errichteten Sternwarte in Ofen, seit Sept. 1819 Direktor der Sternwarte und Professor der Astronomie in Wien. 1834/37 hat er in Wien zusätzlich die Lehrkanzel für höhere Mathematik inne. L. wird Mitglied gelehrter Gesellschaften in ganz Europa. 1830-36 nimmt er an den im Wissenschaftsbetrieb der Epoche zentralen „Versammlungen deutscher Naturforscher und Ärzte“ teil, bei deren zehnter in Wien 1832 er 2. Geschäftsführer ist. Zusammen mit dem Umbau der Sternwarte (1825/26), der Modernisierung ihrer Ausstattung und dem Aufbau eines kleinen Mitarbeiter-Stabes verschaffen ihm die Herausgabe der „Annalen der k. k. Sternwarte in Wien“ (Bde. 1-20, 1821-40, NF 1841 ff., hrsg. von seinem Sohn Carl) und vor allem seine Zeitschriften- und Buchveröffentlichungen aus dem Bereich der Astronomie einen hervorragenden Ruf bei den Zeitgenossen. In weiten Kreisen bekannt wird er durch sein Buch „Die Wunder des Himmels“, das die damalige Astronomie allgemeinverständlich darstellt. L. gibt die ersten drei Auflagen heraus (4 Bde., 1834–36), drei weitere werden von seinem Sohn Carl besorgt (1853-78); eine 11. Auflage erscheint 1963 (bearb. v. K. Stumpff). Er kann im historischen Rückblick als einer der bedeutendsten und wohl als der meistgelesene deutschsprachige Astronom des 19. Jh. bezeichnet werden. 1972/73 taucht L.s Name in der Weltpresse in Zusammenhang mit amerikan. und sowjet. Mondflügen wieder auf: Mondfähren landen in der Nähe des Littrow-Kraters (im Gebiet der Taurus-Berge am Rand des Mare serenitatis), nach L. benannt ca. 1836 durch den deutschen Astronomen Mädler. L.s Bedeutung reicht jedoch weit über den Bereich astronomischer Gelehrsamkeit hinaus: Einerseits veröffentlicht er eine Reihe von Büchern, Aufsätzen, Rezensionen außerhalb der Astronomie, andererseits verfolgen beinahe alle seine Veröffentlichungen das Ziel unmittelbarer, gemeinfaßlicher praktischer Anwendung und Umsetzung. Dieses Prinzip reicht von den verschiedenen Versuchen einer „Astronomie für jedermann“ bis hin zur weitgestreuten Verbreitung „nützlichen Wissens“ im beginnenden Industriezeitalter. Erkenntnistheoretisch ein Positivist in der Tradition der frühen Aufklärung – gegen naturphilosophische und christliche Spekulation und idealistischen Subjektivismus –, ist er politisch-ideologisch geprägt sowohl vom traditionellen Wiener Josefinismus als auch vom zukunftsbezogenen Liberalismus. Loyal gegenüber dem Kaiserhaus und dem aufgeklärten Katholizismus, kann|er es sich leisten, für Dinge öffentlich einzutreten, die Metternichs Politik widersprechen, z. B. 1838 mit J. v. Hammer-Purgstall für die Gründung einer Wiener Akademie der Wissenschaften.

  • Werke

    Weitere W u. a. Theoret. u. pract. Astronomie, 3 T., 1821/27;
    Analyt. Geometrie, 1823;
    Höhenmessungen durch d. Barometer, 1823;
    Anleitung z. Berechnung d. Lebensrenten u. Wittwenpensionen ohne Hülfe d. Algebra, 1829;
    Dioptrik, od. Anleitung z. Verfertigung d. Fernröhre, 1830;
    Vorlesungen üb. Astronomie, 2 T., 1830 (dazu Erläuterungen v. L.s S Carl, 1842);
    Vergleichung d. vorzüglichsten Maße, Gewichte u. Münzen mit d. im österr. Kaiserstaate Gebräuchlichen, 1831, ²1844;
    Gnomonik, od. Anleitung z. Verfertigung aller Arten v. Sonnenuhren, 1831, ²1838;
    Kal. f. alle Stände, 1831-41;
    Ueber Lebensversicherungen u. a. Versorgungsanstalten, 1832;
    Über d. gefürchteten Kometen d. J. 1832, 1832, ²1835;
    Anleitung z. höheren Math., 1836;
    Atlas d. gestirnten Himmels, 1839, ⁵u. d. T. Sternatlas, hrsg. v. F. Becker, 1923;
    Vermischte Schrr., 3 Bde., 1846 (P in I).

  • Literatur

    ADB 19;
    C. v. Littrow (S), Ann. d. k. k. Sternwarte in Wien, 1841;
    ders., in: J. J. v. L.s vermischte Schrr. III, 1846, S. 559-647;
    R. Wolf, Gesch. d. Astronomie, 1877;
    J. Steinmayr, Gesch. d. Wiener Sternwarte im 19. Jh. (Ms., Univ.-Sternwarte Wien);
    Österr. Naturforscher u. Techniker, 1951 (P; auch f. S Carl);
    M. v. Casimir, Die „Wunder d. Himmels“, in: Damals 8, 1974;
    S. Lechner, Gel. Kritik u. Restauration, 1977;
    Wurzbach 15;
    ÖBL;
    Pogg. I, VII a Suppl.

  • Porträts

    Lith. v. J. Kriehuber in: J. J. v. L., Wunder d. Himmels, ²1837;
    Stich n. e. Büste v. A. Dietrich in: J. J. v. L., Vermischte Schrr. I, 1846;
    Bronzebüste v. V. Tilgner (Wien, Univ.-Sternwarte);
    Denkmal v. H. Bitterlich (Wien, Arkadenhof d. Univ.).

  • Autor/in

    Silvester Lechner
  • Zitierweise

    Lechner, Silvester, "Littrow, Joseph Johann Edler von" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 712-713 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117085405.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Littrow: Joseph Johann v. L., Astronom, geb. am 13. März 1781 zu Bischofteinitz in Böhmen, am 30. Novbr. 1840 zu Wien. Ihn prädestinirte gewissermaßen schon der Umstand zum Astronomen, daß er in derselben Nacht geboren ward, in welcher William Herschel den Uranus entdeckte. Gleichwol brauchte er längere Zeit, um sich über seine Bestimmung klar zu werden; bald dachte er an das juristische, bald an das theologische Studium, wie er denn sogar nahe daran war, sich in ein Kloster aufnehmen zu lassen, dann wiederum schien er sich der Litteratur zuwenden zu wollen, zu deren Förderung er in Prag mit gleichgesinnten jungen Leuten die Zeitschrift „Propylaeen“ begründete. In Wien, wo er eine Hauslehrerstelle angenommen hatte, ließ er sich von dem Realschuldirector J. Hall endgültig auf die richtige Bahn bringen, so daß er nach rasch absolvirten Studien bereits im J. 1807 einem Rufe als Professor und Sternwartendirector nach Krakau Folge leisten konnte. Allda verheirathete er sich mit Karoline v. Ullrichsthal, der Tochter eines k. k. Kreishauptmanns in Galizien; vier Söhne aus dieser Ehe sind noch am Leben, während ein fünfter, dem ein besonderer biographischer Artikel gewidmet ist, vor noch nicht langer Zeit erst aus demselben schied. Während seines Krakauer Aufenthalts änderte der Vater seinen Familiennamen, der ursprünglich Littroff lautete, in die jetzt gebräuchliche Form um. Das J. 1810 führte ihn als Director der Sternwarte nach Kasan, allein es gelang ihm nie, in den dortigen Verhältnissen recht heimisch zu werden, und so kehrte er denn schon 1816 als Mitdirector der Ofener Sternwarte (neben dem alten Pasquich) nach Oesterreich zurück. Bald darauf starb Triesnecker, der Vorstand der Wiener Sternwarte, und L. folgte ihm 1819 in dieser Eigenschaft nach. Als Beobachter vermochte er freilich in Wien nicht so viel zu leisten, als er gewünscht und vermocht hätte, denn, wie sich ein competenter Beurtheiler ausdrückt, „die Verhältnisse der alten Sternwarte, die, auf dem Dache eines Hauses in der inneren Stadt sich erhebend, rings von Schornsteinen, Kirchen und Thürmen eingeengt und in den Dunstkreis einer stark bevölkerten Stadt gehüllt, der Beobachtung zu Zeiten unüberwindliche Hindernisse entgegenstellte, gestatteten wesentlich nur die Beschäftigung mit jenen Phänomenen, die sich der Observation auch an anderen Punkten darboten“. Um so thätiger war v. L. — der Adel datirt aus der Wiener Periode — als akademischer Lehrer und als Schriftsteller. Wissenschaftlich am werthvollsten, wenigstens als Originalabhandlung betrachtet, ist wol die in Bode's Jahrbuch für 1824 abgedruckte „Neue und genaue Methode, aus den beobachteten Höhen des Polarsternes außer dem Meridiane die Polhöhe zu finden“. In Schumacher's Astron. Nachrichten (1823) stehen von L. mehrere Aufsätze über die Bestimmung von Längendifferenzen mit Hülfe von Signalen. Da derselbe|auch Vorlesungen über reine Mathematik zu halten hatte, so verfaßte er für seine Lehrzwecke mehrere von pädagogischem Tacte zeugende Unterrichtsbücher, von denen wir die „Analytische Geometrie" (1823), die „Elemente der Algebra und Geometrie" (1827) und die „Wahrscheinlichkeitsrechnung" (1832) besonders hervorheben. Die „theoretische und praktische“ Astronomie (3 Bde., 1821—27), sowie die zweibändigen „Vorlesungen über Astronomie“ waren damals in Deutschland so ziemlich die einzigen Compendien, welche weiter strebenden Studirenden in die Hand gegeben werden konnten. Drei Specialschriften, in welchen astronomische Nebendisciplinen eine so abgerundete und praktische Darstellung erfahren haben, daß ihnen noch heutzutage kaum etwas besseres an die Seite gesetzt werden kann, sind die „Kalendariographie" (1828), die „Gnomonik" (1831) und die „Chorographie“ (Anweisung zum Entwerfen von Landkarten), (1833). Die Gelegenheitsschrift „Ueber den gefürchteten Kometen von 1832 und über Kometen überhaupt“ (1832) hatte wirklich den großen Erfolg, das durch thörichte Ausstreuungen in Furcht vor dem Zusammenstoß eines Kometen mit der Erde gesetzte Publicum wieder zu beruhigen. Aeußerst lebhaftes Interesse nahm L. an der geschichtlichen Seite seiner Wissenschaft; nicht nur in seinen theoretischen Schriften versäumte er keine Gelegenheit, dem historischen Elemente sein Recht angedeihen zu lassen, sondern er rückte auch in seinem trefflichen „Kalender für alle Stände“ (Wien, vom J. 1833 an fortlaufend) viele bezügliche Aufsätze ein und schenkte den Deutschen eine gute, mit Zusätzen reichlich ausgestattete, Uebersetzung von Whewell's „Geschichte der inductiven Wissenschaften“ (3 Bde., 1840 bis 1841). Als populär-astronomischer Schriftsteller errang L. unbestritten die Palme, denn seine „Wunder des Himmels“ verdienten nicht nur im J. 1834, in welchem sie zu Stuttgart erschienen, den Vorzug vor allen gleicher Tendenz huldigenden Schriften, sondern auch heute noch, wo deren sechste Auflage vorliegt, haben sie sich ihren Leserkreis zu erhalten gewußt. Eine ungemein rührige Thätigkeit entwickelte der rastlose Mann ferner, als er nach Brandes' Tod dazu berufen ward, als Bearbeiter der astronomischen, optischen und mechanischen Artikel sich bei der Herausgabe der 2. Auflage von Gehler's „Phys. Lexikon“ zu betheiligen. Insbesondere bethätigte er sich hier als kundiger und energischer Analytiker, der nur vielfach die so wichtige geometrische Versinnlichung hinter den gehäuften Formeln, über welche er freilich mit Meisterschaft disponirte, zurücktreten ließ. Erwähnen wir noch der 22 Bände „Annalen der k. k. Sternwarte in Wien“, welche unter Littrow's Aufsicht (1821—43) erschienen sind, so glauben wir ein ausreichendes Bild von dem rastlosen Schaffensdrang des trefflichen Astronomen entworfen zu haben.

    • Literatur

      v. Littrow, Vermischte Schriften, Stuttgart 1846 (darin seine Biographie aus der Feder seines Sohnes Karl). — Wolf, Geschichte der Astronomie, S. 754 ff.

  • Autor/in

    Günther.
  • Zitierweise

    Günther, "Littrow, Joseph Johann Edler von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 19 (1884), S. 1-2 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117085405.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA