Lebensdaten
1821 – 1877
Geburtsort
Kassel
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Dichter
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 101363184 | OGND | VIAF: 76441946
Namensvarianten
  • Mosenthal, Salomon Hermann (bis 1871)
  • Lehner, Friedrich (Pseudonym)
  • Mosenthal, Salomon Hermann von
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Zitierweise

Mosenthal, Salomon Hermann von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd101363184.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V N. N. ( 1850), Kaufm., Inh. e. 1821 fallierten Handelshauses in K., später Buchführer;
    M N. N. Weil (1796–1868), sorgte nach d. Bankrott ihres Mannes durch Betrieb e. Putzmacherladens f. d. Unterhalt d. Fam.;
    1851 Lina ( 1862), T d. Karl v. Weil (1806–78, österr. Rr. 1864), Dr. phil., Publizist (s. Wurzbach 54), u. d. Esther Engelmann; Schwager Heinrich v. Weil (* 1834), Dr. med., Leiter d. orthopäd. Heilinst, in Döbling b. W.; kinderlos.

  • Biographie

    M. wuchs im Kassel der Napoleonischen Ära unter Kg. Jérôme in beengten Verhältnissen auf. Trotz seiner jüd. Abstammung setzte die Mutter, die ihm auch erste literarische Erfahrungen vermittelte, seine Aufnahme ins Lyceum Fridericianum durch, wo 1836 Franz Dingelstedt sein Lehrer war. M. begann Gedichte und Erzählungen zu schreiben, die anonym in Dingelstedts „Salon“ und August Lewalds Zeitschrift „Europa“ erschienen. Durch Vermittlung seines Onkels Dr. Carl Weil trat M. 1840 eine Ausbildung am Polytechnikum in Karlsruhe an, deren praktischer Teil (Fabrikarbeit) ihn aber überforderte. In seiner freien Zeit besuchte er auf Wanderungen Justinus Kerner, Gustav Schwab, Nicolaus Lenau und Alexander von Württemberg.|1842 brachte ihn die Berufung zum Hauslehrer der beiden Söhne von Moritz Goldschmidt, Prokurist der Firma Rothschild, nach Wien, wo er durch Bekanntschaft mit dem Dichter Otto Prechtler und die Aufnahme in die Künstlergesellschaft „Konkordia“ binnen kurzer Zeit umfang- und einflußreiche Verbindungen herstellen konnte. Prechtler überließ ihm Stoff und Plan seines erfolgreichsten Dramas: Aus dessen 1842/43 aufgeführter Oper „Mara“ bearbeitete M. 1848/49, nach einer kurzen revolutionären Episode in der Bürgerwehr, sein Bauernstück „Deborah“ (1848), eines der ersten Werke über den Judenhaß, das an die christliche Einsicht appelliert. Es wurde zuerst in Hamburg aufgeführt, fand eine für deutsche Theaterstücke beispiellose Verbreitung in Europa und wurde auch in Amerika, ja sogar in Australien aufgeführt. Dieser Erfolg und einflußreiche Fürsprache bahnten M. eine für einen Juden ungewöhnliche Laufbahn. 1850 trat er als Official in ein Hilfsamt des Ministeriums für Kultus und Unterricht ein, 1864 avancierte er zum Vorstand der Bibliothek dieses Ministeriums. M. übernahm eine Vielzahl von Ämtern und ehrenamtlichen Funktionen. So hatte er 1868-71 die Direktion der seit 1812 bestehenden Gesellschaft der Musikfreunde Wiens inne, er engagierte sich bei der Reorganisation des Konservatoriums, das neben der Opernschule 1874 noch eine Schule für das rezitierende Schauspiel erhielt und binnen 6 Jahren die Schülerzahl verdoppelte.

    Die Dramen M.s sind durchwegs regelmäßig und übersichtlich gebaut. Seine größten Erfolge errang er mit Bauernstücken, zuerst mit „Deborah“, dann mit „Der Sonnwendhof“ (1854) und „Der Schulz von Altenbüren“ (1867). Die extremen Charaktere und die gelegentlich sentimentale Handlung dieser Stücke bewirkten höchst effektvolle Szenen, aber auch das Abgleiten in Klischees. M.s Dramatisierungen von Stoffen aus der Literaturgeschichte, „Ein deutsches Dichterleben“ (1850), das G. A. Bürgers problematische Stellung zwischen zwei Schwestern behandelt, sowie das der Entstehung des deutschsprachigen Schauspiels im 18. Jh. gewidmete Stück „Die deutschen Komödianten“ (1862) sind ganz dem Bildungshorizont der Zeit verhaftet und leiden an der Beschränktheit deutschnationaler Sichtweise. Die Gruppe der in der ital. Renaissance spielenden Tragödien („Pietra“, 1864; „Parisina“, 1875; „Isabella Orsini“, 1868) verdankt die Stoffwahl vor allem dramaturgischem Kalkül: Für das nachmittelalterliche Italien brauchten cholerische Charaktere, monströse Taten und Emotionen psychologisch nur mit geringem Aufwand motiviert zu werden, sie wurden als typisch vorgestellt und hingenommen. Diese Stücke zeigen in der Nachfolge der bürgerlichen Dramatik des 18. Jh. die traurigen Folgen von Mißverständnissen, Übereilungen und individueller Schwäche. Sie werden im Stil der zeitgenössischen ital. Oper mit Haupt- und Staatsaktionen verbunden, um auf den großen Hofbühnen den Schauspielern pathetisch-sentimentale Darstellung und dem Publikum affektive Teilnahme zu ermöglichen. Die Operntexte wurden von Komponisten wie Friedrich v. Flotow und Heinrich Marschner vertont, denen M. in seinen „Miniaturen“ (Ges. Werke I) ein literarisches Denkmal setzte. „Die lustigen Weiber von Windsor“ sind mit Otto Nicolais Musik noch bis in die Gegenwart bühnenwirksam. Wie kaum ein anderer deutscher Librettist des 19. Jh. verfügte M. über eine ausgeprägte Musikalität, die unmittelbar Eingang in Sprache und Diktion der Texte fand.

    M. blieb als eine zentrale Gestalt des Wiener Kulturlebens im zweiten Drittel des 19. Jh. von gehässigen Angriffen nicht verschont, die immer wieder auch auf seine jüd. Abstammung zielten. Angesichts sinkender Produktivität beendete er 1875 seine Arbeit als Dramatiker und publizierte nur noch einige Prosa-Erzählungen aus dem jüd. Milieu seiner hess. Heimat. Er blieb der international erfolgreichste deutsche Dramatiker des 19. Jh. „Deborah“ wurde in 12 Sprachen übersetzt (in ital. und engl. Fassung für Adelaide Ristori und Sarah Bernard) und jahrelang in der ganzen Welt aufgeführt; „Der Sonnwendhof“, „Die Königin von Saba“ und „Das goldene Kreuz“ konnten an diesen Erfolg anknüpfen, „Die lustigen Weiber von Windsor“ wurden bis in die Gegenwart in zahlreichen Sprachen gedruckt.|

  • Auszeichnungen

    Dr. phil. h. c. (Marburg 1842 ?);
    Kaiserl. Rat (1867);
    Franz-Joseph-Orden (1868).

  • Werke

    Ausgg.: Gedichte, 1845, erweitert ⁵1856 u. d. T. Primulae veris;
    Dramen, 1853 (P);
    Ges. Werke, hrsg. v. J. Weilen, 6 Bde., 1878 (Biogr. in VI);
    Stories of Jewish Home Life, 1907, dt. u. d. T. Tante Guttraud, Bilder aus d. jüd. Fam.leben, 1908, Neudr. 1912 u. 1913.

  • Literatur

    ADB 22;
    H. Laube, Das Burgtheater, 1868, in: ders., Schrr. üb. d. Theater, 1959, S. 335-38;
    Ch. L. Kenney, The New Actress and the New Play at the Adelphi Theatre, 1863;
    W. Goldbaum, L. Kompert, S. H. M., K. E. Franzos, 1878;
    ders., Literar., Physiognomien, 1884, S. 185-95;
    E. Isolani, Der Dichter d. Deborah, in: Dt. Bühne 13, 1921;
    F. Horch, Das Burgtheater unter H. Laube u. A. Wilbrandt, 1925;
    F. Kostjak, H. S. M. als Dramatiker, Diss. Wien 1929 (ungedr.);
    K. Schug, S. H. M., Leben u. Werk in d. Zeit, Diss. Wien 1967 (ungedr.);
    Ch. L. Lea, Emancipation, Assimilation and Stereotype, The Image of the Jew in German and Austrian Drama (1800–50), 1978;
    R. Klüger, „Die Ödnis d. entlarvten Landes“, Antisemitismus im Werk jüd.-österr. Autoren, in: dies., Katastrophen, 1994, S. 59-82, bes. 59-64;
    Wurzbach 19;
    Brümmer;
    MGG;
    Enc. Jud. 1971;
    ÖBL;
    Killy;
    The New Grove Dictionary of Opera, ed. by S. Sadié, III, 1992, S. 480.

  • Autor/in

    Reinhart Meyer
  • Zitierweise

    Meyer, Reinhart, "Mosenthal, Salomon Hermann von" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 173-175 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd101363184.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Mosenthal: Salomon Hermann Ritter v. M. ist als zweiter Sohn des Kaufmanns Herz Mosenthal am 14. Januar 1821 zu Kassel geboren. An demselben Tage verlor der Vater sein Vermögen, und Dürftigkeit trat an die Stelle des früheren Wohlstandes. Doch wuchs der Knabe in sehr glücklichem Familienleben heran, absolvirte das Gymnasium seiner Vaterstadt, empfing dort manche Anregung dnrch Dingelstedt und begab sich dann, durch den Rath eines|Verwandten geleitet, nach Karlsruhe, um am Polytechnikum zu arbeiten. Bald jedoch zeigte sich, daß diese Studien seinen Anlagen gar nicht gemäß waren, eine zu rechter Zeit eintreffende Aufforderung, in das Haus Goldschmidt zu Wien als Erzieher zweier Knaben einzutreten, befreite ihn von quälendem Zwiespalt. Am 30. November 1842 traf er in Wien ein und hat da seine neue Heimath gefunden. Schon 1846 wurde sein erstes Drama aufgeführt. 1850 erhielt er eine Beamtenstelle im Unterrichtsministerium und vermählte sich mit seiner Cousine Lina Weil, die aber ihm, der sie zärtlich liebte, schon Frühling 1862 entrissen wurde. Inzwischen hatte ihm der Erfolg seiner Stücke Ansehen und Auszeichnungen eingetragen: er war Bibliothekar und Regierungsrath geworden, und hatte mit dem Orden der eisernen Krone den österreichischen Adel erhalten. Er fühlte sich in Wien außerordentlich wohl, lebte in einer Gemeinde intimer Freunde, war aber sonst den weitesten Kreisen bekannt und betheiligte sich insbesondere an der Förderung der musikalischen Interessen der Hauptstadt, auch als Vicepräsident der Gesellschaft der Musikfreunde. Sein Tod, am Morgen des 17. Februar 1877 in Folge eines Riffes der Herzwandungen, kam gänzlich unerwartet. M. wurde auf dem israelitischen Friedhofe in Währing bei Wien begraben.

    M. hat 18 Dramen, an 20 Operntexte verfaßt, auch Gedichte und Novellen geschrieben. Schon bei den ersten Anläufen, dem „Holländer Michel" (1845 nach Hauff's Märchen vom steinernen Herzen bearbeitet) und der „Sclavin“ (1847), ist er auf kräftige Wirkung durch starke Mittel ausgegangen. Den ersten großen Erfolg gewann seine „Deborah“ (1848), von der man wol ohne Uebertreibung behaupten kann, sie sei bis jetzt das populärste Drama des Jahrhunderts, und nicht bloß in Deutschland, sondern fast in allen Culturländern: Miß Bateman stellte z. B. die Heldin zu London an 500 auseinanderfolgenden Abenden dar. Ein von Otto Prechtler vorbereiteter Stoff war hier durch M. vollständig umgearbeitet und erweitert worden. Das Problem verkörperte die Versöhnung der religiösen Gegensätze, Duldung, Humanität, aber auch starke und selbstlose Ueberwindung der eigenen Leidenschaft zu Gunsten des Glückes des Geliebten bildet einen wesentlichen Theil. Die Vorgänge sind mit großer Anschaulichkeit und Lebendigkeit geschildert; es ist merkwürdig, wie sehr sich M. in eine ihm ursprünglich ganz fremde Welt und Vorstellungsweise, die katholischer Gebirgsbauern, hineingelebt hat. So sind auch die Nebenfiguren vortrefflich erfunden: Vater Lorenz, der Schulmeister, die Dorfleute, der alte Abraham. Das Stück spricht in gehobener Weise einfache verständliche Empfindungen aus, ohne trivial zu werden. Noch ein Zweites Mal ist M. auf demselben Felde ein ausgezeichneter Wurf gelungen: „Der Sonnwendhof" (1854). Wir sehen wieder ganz simple, klare und von selbst sich entwickelnde Vorgänge: eine in voller Kraft verwittwete Bäuerin, ein stattlicher Oberknecht, eine seine hübsche Magd, ein verstrolchter Schwager der Hofbesitzern!, welcher die treibende Rolle hat, und einige sehr gelungene Episodengestalten, wie die Hauptmagd Crescenz, der Pfarrer, Kesselflicker, Meßner etc. stehen als feste Typen des Bauernlebens einander in bestimmtem Verhältniß gegenüber. Auch hier wird eine Neigung geopfert, ein Vorurtheil bekämpft, ein Unrecht gutgemacht, der Schluß versöhnt. Die Leidenschaft scheint in diesem Stücke fast tiefer und echter empfunden als in „Deborah“, die Prosa fügt sich zweckmäßiger zu den ländlichen Existenzen und so möchte ich beinahe den „Sonnwendhof“ Mosenthal's beste Arbeit nennen. Auch neben den aus der Tiefe des Volkslebens mit stärkster poetischer Kraft geholten realistischen Dramen Anzengruber's werden diese Dichtungen von M. sich halten. Mit dem „Schulz von Altenbüren“ (1867) suchte M. neues Terrain, Westfalen.|Der Contrast zwischen hartnäckig conservativer Bauernanschauung und der schwellenden Thatkraft des amerikanischen Farmer-Neffen bildet, mit einer Liebesgeschichte verwoben, den Hauptinhalt des Stückes. Diesem mangelt vor Allem die rechte Beobachtung von Land und Leuten, über welche M. in den österreichischen Dramen verfügte, die litterarischen Neigungen und Reminiscenzen, hier etwas „Oberhof", dort etwas „Erbförster", konnten das Fehlende nicht ersetzen; das knorrige, widerborstige, innerlich aber weiche Wesen des niedersächsischen Bauers war dem Dichter entschieden weniger zugänglich als die mehr offenliegende Natur der alpinen Landleute. So ist das Stück zwar ganz hübsch, aber nicht wirksam. Nur genannt soll der „Dorflehrer“ (1852) werden, ein einactiges „Seelengemälde“ Iffland’schen Schlages, rührend, doch wol gar zu naiv, — Die Theilnahme, welche vom großen Publicum den Lebensumständen unglücklicher Dichter entgegengebracht wird, suchte M. in seinem Drama „Ein deutsches Dichterleben“ (1850) zu verwerthen, das Bürgers Ehe mit Dora und seine Liebe zu Molly nach Otto Müller's Roman behandelt, mit einer gelungenen Schilderung anhebt, aber dann eintönig larmoyant wird und unbefriedigend ausgeht, die Literaturgeschichte hat hier zu viele Rechte bekommen. „Die deutschen Komödianten“ (1862) gehören wol auch hierher, die Schicksale eines Studenten Ludovici darstellend, der aus Begeisterung für ein deutsches Nationaltheater selbst Schauspieler wird und zu Grunde geht. Daß die Neuberin und Prehauser vorkommen, wirkt anziehend, einige gute Nebenfiguren, begreifliche, wenn auch gar zu verbrauchte Conflicte, der treffliche Aufbau des Ganzen machten das Stück beliebt. Auf dem Gebiete der höheren Tragödie hat M., so viel er darum sich bemühte, doch wenig Erfolge gewonnen. Die einfachen, zum Theil abgenutzten Probleme werden nicht vertieft, vor Allem aber fehlt es fast gänzlich an scharfer Charakteristik, die kräftigen Striche, mit denen M. zu zeichnen gewohnt ist, reichen hier nicht zu und aus dem Vollen geschöpfte Gestalten mit seinen Details sind dem Dichter versagt. Leider bestrebt sich M., was fehlt durch Reizmittel roherer Art zu ersetzen, er scheut vor ganz ordinären melodramatischen Effecten und Kunststücken nicht zurück, läßt Liebesscenen durch Donner, Blitz und Wetterleuchten begleiten und sucht dem Mangel an Energie in seinen Helden durch raffinirte Bühnenanweisungen aufzuhelfen; resultatlos, denn die reichlichsten Vortragszeichen können nie für fehlende Melodik und Harmonie schadlos halten. Nicht wie die Figuren reden sollen, sondern was, ist des Dichters Sache. Zwar verfehlt dieses sensationelle Würzwerk nie ganz der Wirkung: die Glockenschläge im Momente furchtbarster Spannung, welche am Schlusse des dritten Actes von „Pietra" erklingen, lassen gewiß Wenige unergriffen. Daher ist keines dieser Dramen für eine gewisse kleine Zeit ohne Eindruck geblieben, aber er hat nicht weiter vorgehalten als eben eine Saison. Sie haben einzelne Schönheiten, die Sprache ist sorgfältig, wenn auch mitunter etwas zu bunt, und sie sollten in unserer ärmlichen Zeit, schon der geschickten Mache wegen, nicht unterschätzt werden. Ich sehe von so mißlungener Arbeit wie „Gabriele von Precy“ (1853) ab und Zähle hierher: „Cäcilia von Albano“ (1849, Otto IV. im Mittelpuncte, gut aufgebaut, aber durch die Inconsequenz der Heldin scheiternd), „Düwecke“ (1859, das durch ein Mißverständniß, welches den überaus loyalen Dichter arg kränkte, für ein politisch-tendenziöses Stück gehalten wurde, sehr lebendig, der Ausgang aber durch Unbegreifliches beschädigt), „Pietra“ (1864), „Isabella Orsini" (1868, wol das farbenreichste, nur wieder am Schluß gefährdet). „Maryna“ (1870, eine wenig tiefgenommene Darstellung des Demetriusstoffes), „Parisina“ (1875, von vornehmer Haltung). Schon in diesen Dramen treibt der sehnsüchtige Wunsch nach dem Beifall der Menge den Dichter bisweilen zu bedenklichen Concessionen an den augenblicklichen Zeitgeschmack, an die|Stimmung des großen Publicums, das sofort aufhört den Poeten recht zu achten, sobald er zu lebhaft um seine Gunst wirbt. Auch die Beschäftigung mit Operntexten — M. hat darunter sehr hübsche geliefert, so ist der „Goldschmied von Ulm“ ein reizvolles Gedicht — übte nachtheiligen Einfluß auf diese Werke. — Schlimmer steht es mit ein paar Dramen, die bloß der momentan geltenden Neigung des Publicums für gewisse Stoffe zu Liebe gearbeitet sind, wie: „Madeleine Morel" (1872), eine schwache, dem Inhalte nach fast unbegreifliche und unmögliche Nachahmung französischer Thränenkomödien (Augier, Sardou, Dumas Fils); „Die Sirene" (1874), welche so sehr von Bauernfeld's „Aus der Gesellschaft“ und „Moderne Jugend“ beeinflußt erscheint, daß sie ohne diese Vorgänger nicht denkbar wäre; M. fehlt aber zu glücklicher Nachbildung in diesem Falle das Wichtigste, die Masse eindringender Detailbeobachtung, die dem Altmeister des Wiener Lustspiels eigen ist, und dessen graziöse, leichtironische Conversation, M. ist nicht stink und sein genug dazu. Eine romantische Phantasie in Form eines Dramas „Das gefangene Bild“ (1857) ist viel getadelt worden, enthält aber einige schöne Scenen und ist aus wärmstem Enthusiasmus geschaffen. — Ein ehrliches, ernstes Streben müssen M. auch feindselige Kritiker zugestehen und deshalb mag man es um so bedauerlicher finden, daß er vom Volksschauspiel (noch sein „Konrad Vorlauf“ von 1872 ist eine tüchtige Leistung) sich frühzeitig abgewandt hat, dem Gebiete, welches seinem Talente am meisten angemessen war, wo sein Bühnenverständniß, sein Geschick in derberer Decorationsmalerei sachgemäß paßte, und dagegen sein Talent so lange in den Dienst der versificirten Tragödie hohen Stiles gestellt hat, für die seine poetischen Mittel nicht auslangten. — M. hat Gedichte veröffentlicht ("Primulae veris“, 1847, „Gesammelte Gedichte“, 1866), bei gutem Fluß der Verse und einer angenehmen Lebhaftigkeit haben sie doch wenig Eigenthümliches und lehnen sich allzuoft an bekannte Muster. Davon sind die seiner Frau gewidmeten Poesien auszunehmen, welche wahrer Empfindung entquollen sind. Ein Sammelwerk „Oesterreichisches Museum“ (1854), das von den Anfängen im XII. Jahrhundert bis auf die Gegenwart Proben österreichischer Lyrik und Epik gibt, erwähne ich nur, weil M. darin eine Anzahl freier Uebersetzungen aus dem Mittelhochdeutschen geliefert hat. In den letzten Jahren seines Lebens, als Mißerfolge auf der Bühne ihn sehr verstimmten, fing er an, Novellen zu schreiben, die jetzt im 6. Bande der Gesammelten Werke vereinigt sind. Sie entnehmen fast alle ihren Stoff aus des Autors eigenen Erlebnissen und schildern Personen und Zustände der Judengemeinde zu Cassel und Umgebung. Die Erzählung ist schlicht, im Ausdrucke hie und da salopp, macht aber durch Treue, Wärme, scharfe Beobachtung und pietätvollen Sinn für die Intimitäten jüdischen Familienlebens einen behaglichen und erfreulichen Eindruck, der an Oppenheim's reizende Bilder erinnert. — Manches konnte man von M. noch erwarten, seine Laufbahn war nicht durchmessen, er ist vorzeitig abberufen worden.

    • Literatur

      S. H. Mosenthal's Gesammelte Werke, ed. Joseph Weilen, Stuttgart und Leipzig, Hallberger, 6 Bände, 1876. Im 6. Bande eine ausführliche Lebensskizze vom Herausgeber. Außerdem die Einzeldrucke und Bühnenmanuscripte, welche nicht in die Sammlung aufgenommen wurden. Berichte Wiener Zeitungen und einzelne Mittheilungen von Mosenthal's Freunden.

  • Autor/in

    Anton Schönbach.
  • Zitierweise

    Schönbach, Anton, "Mosenthal, Salomon Hermann von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 22 (1885), S. 368-371 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd101363184.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA