Lebensdaten
1813 – 1856
Geburtsort
Tübingen
Sterbeort
Tübingen
Beruf/Funktion
Jurist ; Professor der Rechte ; Kriminalist ; Lyriker
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 100798802 | OGND | VIAF: 5196006
Namensvarianten
  • Reinhold, Christian
  • Reinhold, Christian Reinhold
  • Köstlin, Reinhold
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Köstlin, Reinhold, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100798802.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Nathanael (1776–1855), 1812-15 Prof. d. prakt. Theol. in T., dann Oberkonsistorialrat in Stuttgart, 1835 Prälat (s. ADB 16), S d. Nathanael (1744–1826), Prälat in Urach, u. d. Sibylle Friederike Cless;
    M Henriette (1789–1819), T d. Christian Frdr. Schnurrer (1742–1822), Prof. d. Theol. u. Orientalistik, Kanzler d. Univ. T. (s. ADB 32), u. d. Luise Catherine Faber;
    Groß-Ov Heinrich David Cless (1741–1820), Prälat;
    - 1842 Josephine (1815–80), Sängerin, Liedkomponistin (s. ADB 51; MGG VIII), T d. Theobald Lang (1783–1839), Hornvirtuose in d. Hofkapelle in Mannheim u. München, u. d. Sängerin Regina Hitzelberger (1786–1827, s. MGG VI, L, P);
    4 S, 2 T, u. a. Heinrich (s. 1), Maria Regina (1849–1925, Richard Fellinger, 1909, Leiter e. Siemenswerks, s. NDB V).

  • Biographie

    K. studierte von 1829 bis zur 1. juristischen Staatsprüfung 1834 Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie in Tübingen, Heidelberg, Berlin und Wien. Nach der 2. Staatsprüfung 1836 ließ er sich in Stuttgart als Anwalt nieder. Er habilitierte sich 1839 in Tübingen für Strafrecht. 1841 erhielt er eine außerordentliche, 1851 eine ordentliche Professur für Strafrecht in Tübingen. Ein Lungenleiden nötigte ihn, die Vorlesungen 1853/54 aufzugeben. – K. ist bis zu seiner Habilitation vor allem schriftstellerisch tätig gewesen, danach ist er nur noch gelegentlich als Dichter und politisch-historischer Schriftsteller hervorgetreten. Überwiegend unter dem Pseudonym „Christian Reinhold“ publizierte er schöngeistige und politische Gedichte, Novellen, Schauspiele und politische, an liberalen Ideen orientierte Stellungnahmen. Diese Arbeiten sind nach seinem Tode kaum noch beachtet worden.

    Köstlins juristische Werke konzentrieren sich auf die Rechtsphilosophie, die allgemeinen Lehren des Strafrechts, die Strafrechtsgeschichte und das Strafprozeßrecht. Herausragendes Kennzeichen aller dieser Arbeiten ist die ausdrückliche und energische Übernahme der Sprache, der begrifflichen Schemata und der philosophischen Systematik Hegels für die Bearbeitung strafrechtlicher Gegenstände. Er wird damit zu einem der wichtigsten Beispiele für das Studium der Möglichkeiten und Nachteile, die sich aus dem Anschluß eines Strafrechtlers an eine einzige philosophische Schule ergeben. Seine geschichtlichen Untersuchungen zum römischen, kanonischen und deutschen Strafrecht sind materialreich, haben aber nur geringen Widerhall gefunden. Das Ziel, die historische Rechtsschule im Strafrecht zu bekämpfen und dafür unter Berufung auf Hegel die Idee des Strafrechts im dialektischen Gang der Geschichte des Strafrechts aufzufinden, bleibt bei programmatischen Formulierungen und gezwungen wirkenden Interpretationen stehen. Die strafprozessualen Untersuchungen belegen ein waches politisches Interesse für die Probleme des Strafprozeßrechts um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Das profilierteste strafrechtliche und rechtsphilosophische Werk ist die „Neue Revision der Grundbegriffe des Kriminalrechts“ (1845). Die Abhängigkeit fast jeder Formulierung von Hegel hat viele Einwände gegen dieses Buch entstehen lassen und die Interpretation seiner Bedeutung für die Entwicklung des Strafrechts erschwert. K. sieht klarer als viele seiner Kritiker, daß Hegel, genauer: daß eine rechte Hegelinterpretation nur ein zweckmäßiges Mittel ist, mit dem die Strafrechtswissenschaft um 1850 die Änderung des Staatsverständnisses seit etwa 1800 begreifen kann. Er formuliert die Entwicklung des Strafrechts von einem stets bezweifelbaren, lediglich zweckmäßigen Druckmittel im Staat als zweckmäßiger Anstalt zu einem selbstgewissen, würdigen Machtmittel im Staat als Selbstzweck. Mit K. werden die Extreme, zwischen denen das Strafrecht im 19. und 20. Jahrhundert schwankt, sichtbar.

  • Werke

    u. a. Die Lehre v. Mord u. Totschlag, 1. T. (mehr nicht ersch.): Die Ideen d. röm. Rechts, 1838;
    Wilhelm I., Kg. v. Württemberg, u. d. Entwicklung d. württ. Vfg., 1839;
    Neue Revision d. Grundbegriffe d. Kriminalrechts, 1845;
    Der Wendepunkt d. dt. Strafverfahrens im 19. Jh., 1849;
    System d. dt. Strafrechts, 1855;
    Gesch. d. dt. Strafrechts im Umriß, hrsg. v. Th. Geßler, 1859.

  • Literatur

    ADB 16;
    F. Walther, in: Krit. Überschau d. dt. Gesetzgebung u. Rechtswiss. V, 1857, S. 117-30;
    Stintzing-Landsberg III, 2, Text, 1910, S. 672-80;
    Herm. Fischer, R. K., 1913;
    Eberh. Schmidt, Einführung in d. Gesch. d. dt. Strafrechtspflege, ³1965, S. 292-97.

  • Autor/in

    Wolfgang Naucke
  • Zitierweise

    Naucke, Wolfgang, "Köstlin, Reinhold" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 408-409 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100798802.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Köstlin: Christian Reinhold K., Criminalist und Dichter, wurde den 29. Juli 1813 zu Tübingen geboren, wo sein Vater Nathanael (s. o.) damals Professor der praktischen Theologie war. Da dieser zwei Jahre nachher sein akademisches Lehramt mit dem praktischen Kirchendienst in Stuttgart vertauschte, erhielt sein Sohn im dortigen Gymnasium seine wissenschaftliche Vorbildung. Er zeichnete sich durch reiche Begabung und eine seinen Altersgenossen voraneilende|geistige Reife aus, und entwickelte neben schnellen Fortschritten in den gewöhnlichen Schulfächern auch musikalisches und dichterisches Talent. Gern würde er sich ganz der Kunst gewidmet haben, aber sein Vater wünschte, daß er lieber die Laufbahn des Staats- oder Kirchendienstes einschlage, und so entschloß er sich denn, Rechtswissenschaft zu studiren und bezog zu diesem Behuf, noch nicht siebenzehnjährig, im Herbst 1829 die Landesuniversität Tübingen und setzte später seine Studien in Heidelberg und Berlin fort. Er blieb zwar seinem Fachstudium der Rechtswissenschaft treu, trieb aber daneben allerlei andere Studien, besonders Philosophie, in welcher er der herrschenden Zeitrichtung gemäß Hegel folgte, auch widmete er manche Stunde der eigenen Kunstübung, musicirte und componirte, dichtete Lieder, Dramen und Novellen, versuchte sich wohl auch in befreundeten Kreisen in mimischen Darstellungen. Seiner mancherlei Bestrebungen ohnerachtet vernachlässigte er die Rechtswissenschaft keineswegs und bestand im Spätjahr 1834 die erste Staatsprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg. Nachdem er sein Referendärjahr theils bei dem Gerichtshof in Eßlingen, theils bei dem Criminalgericht in Stuttgart zugebracht hatte, erstand er 1836 auch die zweite Staatsprüfung, trat aber nicht in den Staatsdienst, sondern ließ sich, um sich die Möglichkeit freierer Bewegung zu erhalten, in die Liste der Rechtsanwälte aufnehmen. Obgleich es ihm an advocatorischer Praxis nicht fehlte, entwickelte er eine vielseitige schriftstellerische Thätigkeit. Unter dem Namen Reinhold schrieb er Novellen, unter seinem Familiennamen veröffentlichte er 1835 eine criminalistische Monographie über Mord und Todschlag und eine Geschichte König Wilhelms von Württemberg und der württembergischen Verfassung. Auch wurde von ihm der Gedanke an eine akademische Laufbahn erwogen. Da um diese Zeit Kanzler Wächter durch seine Erwählung und Ernennung zum Präsidenten der Kammer der Abgeordneten auf längere Zeit seinem Lehramt in Tübingen entzogen wurde, so schlug er den jungen talentvollen Advocaten zu seinem Stellvertreter vor. K. habilitirte sich nun in Folge davon im Herbst 1839 als Privatdocent und erhielt einen Lehrauftrag für Criminalrecht. Er widmete sich mit großem Eifer seinem neuen Beruf, las mit Beifall und schrieb eine Abhandlung über „Die Perduellio unter den römischen Königen“. In Folge der gesteigerten Anstrengungen zeigten sich im Frühjahr 1840 bedenkliche Spuren eines beginnenden Brustleidens, welche ihn nöthigten, im Sommersemester seine Vorlesungen auszusetzen. Ein längerer Aufenthalt im baierischen Gebirge, besonders in Kreuth, brachte aber so gründliche Erholung, daß das befürchtete Uebel gänzlich gehoben schien. Er konnte seine Vorlesungen wieder aufnehmen und erfreute sich zunehmenden Erfolges. Nachdem er 1841 zum außerordentlichen Professor ernannt worden war, gründete er sich einen eigenen Hausstand und führte die in Kreuth gewonnene Geliebte Josephine Lang, die sich als geistvolle Liedercomponistin einen Namen gemacht, als Gattin heim. Neben seiner Lehrthätigkeit begann er jetzt das Fach, dem er sich gewidmet, auch schriftstellerisch zu vertreten. Er versuchte eine neue Begründung des Criminalrechts durch Anwendung der Hegel’schen Philosophie in der 1845 veröffentlichten „Revision der Grundbegriffe des Criminalrechts". Einige Jahre später (1849) folgte: „Der Wendepunkt des deutschen Strafverfahrens im neunzehnten Jahrhundert“, worin der Verfasser die gemeinrechtliche Proceßtheorie seiner Kritik unterwirft, die Grundgedanken des germanischen Strafverfahrens in ihrer geschichtlichen Entwickelung darlegt und mit einer Geschichte des englischen Strafverfahrens und des Geschwornengerichts schließt. Gleichzeitig legte er die Ergebnisse dieser Untersuchungen nach ihrem praktischen Gehalte in einer populären Schrift: „Das Geschwornengericht für Nicht-Juristen“ dar. Im J. 1854 folgte der erste Band eines Systems des deutschen Strafrechts. Indessen war K. in Folge des Todes|seines Specialcollegen Hepp 1851 in die Stelle eines ordentlichen Professors vorgerückt, aber bald nachher nöthigte ihn die Wiederkehr seines früheren Uebels, seine Vorlesungen zeitweilig auszusetzen und bald ganz aufzugeben. Er wurde von einer chronischen Heiserkeit befallen, die sich allmählich zu völliger Stimmlosigkeit entwickelte, und man konnte sich nicht mehr verhehlen, daß eine entschiedene Lungenkrankheit sein Leben bedrohe, die denn auch wirklich am 14. Sept. 1856 seinen Tod herbeiführte. — Nach seinem Tode wurden Bruchstücke des zweiten Theils seines Systems des Strafrechts und eine „Geschichte des deutschen Strafrechts“ von Theodor Geßler (1858 und 1859) herausgegeben. In mehreren Zeitschriften, wie in der für deutsches Recht, im Archiv für Criminalrecht, in Goltdammer's Archiv, in der kritischen Ueberschau, in der deutschen Vierteljahrsschrift erschienen juristische Abhandlungen von ihm. Einige seiner Novellen wurden 1848—49 unter dem Namen C. Reinhold und unter demselben Namen 1853 eine Sammlung seiner Gedichte veröffentlicht.

    • Literatur

      S. den Nekrolog im Schwäbischen Merkur 1856 vom 5. Octbr. Nr. 238 und in der kritischen Ueberschau der deutschen Gesetzgebung, Bd. V, München 1857, von Professor Fr. Walther.

  • Autor/in

    Klüpfel.
  • Zitierweise

    Klüpfel, Karl, "Köstlin, Reinhold" in: Allgemeine Deutsche Biographie 16 (1882), S. 759-761 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100798802.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA