Lebensdaten
1888 – 1945
Geburtsort
Wunstorf (Landkreis Neustadt am Rübenberge)
Sterbeort
Unterlüss (Landkreis Celle)
Beruf/Funktion
Industrieller ; Wirtschaftsfunktionär
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 139266992 | OGND | VIAF: 100554955
Namensvarianten
  • Thiele, William Gotthelf (eigentlich)
  • Röhnert, Hellmuth
  • Thiele, William Gotthelf (eigentlich)
  • mehr

Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Röhnert, Hellmuth, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd139266992.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    R. wurde außerehel. geboren, jedoch nach d. Heirat seiner Eltern legitimiert;
    V Hellmuth;
    M Elise Thiele (1857–1916, 2] Adolf Hagedorn, 1850–1920);
    ⚭ Frieda (1889–1965), T d. Adolf Hagedorn (s. o.) u. d. Sophie Heineke (1857–98);
    2 S.

  • Biographie

    R. verbrachte seine Kindheit und Jugend in Wunstorf, Altenhagen und Hannover. Vor 1910 wanderte er als Schafzüchter nach Chile aus. Bei Ausbruch des 1. Weltkriegs hielt er sich in Deutschland auf. Da ihm eine Rückkehr verwehrt war, nahm R. als Artillerist, schließlich als Leutnant, am Krieg teil. 1919 trat er in den Dienst der Stadtverwaltung von Walsrode, wechselte 1924 zum dortigen Zelluloidhersteller „Wolff & Co. KG“ und trat 1926 auf ein Angebot Kurt Gumpels (1896–1972) hin in den Vorstand der kurz zuvor aus zwei älteren Unternehmen gegründeten „Vereinigten Elektrotechnischen Fabriken F. W. Busch & Gebr. Jaeger AG“ in Lüdenscheid ein. Gumpel erwarb bald darauf auch die „Lüdenscheider Metallwerke AG“. Seit 1927 Vorstandsvorsitzender von Busch-Jaeger, widmete R. sich in den folgenden Jahren der Sanierung und Fusion dieser Firmen und wurde in der 1933 gegründeten „Busch-Jaeger Lüdenscheider Metallwerke AG“ Vorstandsvorsitzender. Durch Gumpels Sekretär Fritz Kranefuß (1900–45), ein Neffe Wilhelm Kepplers (1882–1960), wurde R. ein frühes Mitglieder im sog. „Keppler-Kreis“. Ende Mai 1932 trat er in die NSDAP ein. Mit ihm schlossen sich einige seiner engsten Freunde aus der südwestfäl. Unternehmerschaft der Partei an. Sie alle erreichten wie R. hohe Positionen in der NS-Wirtschaftshierarchie: Karl Rasche (1892–1951), Paul Pleiger (1899–1985) und Wilhelm Voss, der die Fusionen von Busch-Jaeger als Wirtschaftsprüfer begleitet hatte. R. wurde in den folgenden Jahren als Vermittler bei Konflikten zwischen der NS-Führung und Unternehmern eingesetzt, zunächst in Kepplers, später vorwiegend in Görings Auftrag. So schlichtete R. 1934/35 den Streit über die Abfindung von Hugo Junkers (1859–1935), der im Okt. 1933 zum Verkauf seines Konzerns an das Reich gezwungen worden war. Als Schlichter trat R. auch bei weiteren Konflikten in der Luftwaffenindustrie auf. Er übernahm regelmäßig Aufsichts- und Beiratsmandate in den betroffenen Firmen. Bestimmend für seinen weiteren Einfluß war R.s Rolle im Junkers-Konzern. 1937 zum Aufsichtsratsvorsitzenden der „Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG“ berufen, blieb er mit Unterbrechungen bis 1945 in dieser Position. Er war maßgeblich am Aufstieg des Junkers-Konzerns zu einem der größten dt. Unternehmen (11 600 Beschäftigte 1934, 116 000 Beschäftigte 1943) beteiligt, auch nach dem Rücktritt des lange Zeit dominierenden Vorstandsvorsitzenden Heinrich Koppenberg (1880–1960). Die zweite zentrale Position erreichte R. 1937 durch sein Aufsichtsratsmandat in der „Reichswerke AG Hermann Göring“. Er leitete seit 1939 die „Rheinmetall-Borsig AG“, die dem Göring-Konzern in mehreren Schritten einverleibt wurde und seit Anfang 1941 zur „Reichswerke AG für Waffen und Maschinenbau, Hermann Göring'“ gehörte (sog. „Waffenblock“ d. Göring-Konzerns). In den Waffenblock, der u. a. zur Abgrenzung der Einflußsphäre R.s gegen den Montanblock unter Pleiger gegründet worden war, wurden auch die in Reichsbesitz gezwungenen österr. und tschech. Waffen- und Maschinenproduzenten (v. a. Steyr-Daimler-Puch AG, Skoda-Werke, Brünner-Waffen-Werke) überführt. R. hatte seit 1941 den Aufsichtsratsvorsitz des Waffenblocks inne, führte die Holding des gesamten, schließlich 600 000 Beschäftigte umfassenden Konzerns und leitete seit 1943 die Privatisierung der Firmen des Waffenblocks. Zusätzlich wurde R. u. a. 1938 in den Beirat der Reichsgruppe Industrie, 1942 in den Rüstungsrat des Ministeriums von Albert Speer berufen. Zur Zeit der Gründung des Munitionsministeriums unter Fritz Todt 1940 galt R. bereits als inoffizieller Sprecher der Rüstungsindustrie. 1941 hielt er Posten in fast 20, 1944 in über 40 Bei- und Aufsichtsräten von Unternehmen, darunter die Dresdner Bank, aber auch die „Weingut Betriebs-GmbH“, die Dachgesellschaft für die unterirdische Verlagerung von Rüstungsfabriken, bei der 1944/1945 zahlreiche KZ-Häftlinge starben. R. galt schon in der zeitgenössischen Wertung der Emigration, z. B. bei Franz Neumann, als Prototyp des NS-Wirtschaftsfunktionärs, der die Interessen der Partei in der Rüstungsindustrie durchsetzte, um der NS-Herrschaft eine ökonomische Basis zu verschaffen. Sein Name ist wie der seiner Freunde Rasche und Pleiger mit der Durchdringung der Industrie in den besetzten Gebieten verbunden. R. war aber seit 1933 vornehmlich damit beschäftigt, Ordnung in die industrielle Beute zu bringen, die der Partei und namentlich Hermann Göring zufiel. Vordergründig an betriebs- und rüstungswirtschaftlicher Effizienz orientiert, überwachte er die betroffenen Unternehmen mit einem Netz aus informellen Absprachen, Bestechung und Nepotismus – nicht ohne sich selbst zu bereichern. R. sanierte zwar seine Stammfirma, die Busch-Jaeger Lüdenscheider Metallwerke, durch Aufträge des Junkers-Konzerns, aber er nötigte Günter Quandt (1881–1954), der seit 1937 die Mehrheit des Unternehmens besaß, alsbald zum Verkauf der Aktien an Rheinmetall-Borsig, um sie anschließend gemeinsam mit Rasche zu erwerben. Im Mai 1945 nahm R. Kontakt zu Remington-Rand, deren dt. Anlagen Rheinmetall-Borsig während des Krieges gepachtet hatte, auf, um seine Dienste für die Nachkriegszeit anzubieten. Da sich diese Hoffnung zerschlug und statt dessen die Verhaftung drohte, erschoß er sich in der Nacht vom 5. auf den 6.6.1945.

  • Literatur

    Lüdenscheider Gen.-Anz. v. 20.4.38 (P);
    F. Neumann, Behemoth, Struktur u. Praxis d. NS 1933-1944, 1942/44;
    Trials of War Criminals before the Nuernberg Military Tribunals, XII;
    R. Vogelsang, Der Freundeskreis Himmler, 1972;
    H. Kehrl, Krisenmanager im Dritten Reich, 1973;
    D. Eichholtz, Gesch. d. dt. Kriegswirtsch., II, 1985;
    R. Fröbe, Der Arbeitseinsatz v. KZ-Häftlingen u. d. Perspektive d. Ind., in: U. Herbert (Hg.), Europa u. d. Reichseinsatz, 1991, S. 351-83;
    R. J. Overy, War and Economy in the Third Reich, 1994;
    L. Budraß, Flugzeugind. u. Luftrüstung, 1918–1945, 1998 (P);
    A. Meyer, Hitlers Holding, Die Reichswerke „Hermann Göring“, 1999;
    Wenzel. |

  • Quellen

    Qu O. Bussemer, Zur Gesch. d. Fa. Busch-Jaeger LMW bzw. DMW, StadtA Lüdenscheid; Imperial War Mus., London; Westfäl. Wirtsch.archiv, Dortmund; BA, Berlin; Archiv d. Rheinmetall AG, Düsseldorf; Mitt. v. K. Henrion, Bonn, u. A. Sandrock, Hagenburg.

  • Autor/in

    Lutz Budraß
  • Zitierweise

    Budraß, Lutz, "Röhnert, Hellmuth" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 716-717 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139266992.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA