Lebensdaten
1831 – 1896
Geburtsort
München
Sterbeort
O-Gyala (Komitat Komorn, Ungarn)
Beruf/Funktion
Finanzmann ; Eisenbahnunternehmer ; Philanthrop
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 123551307 | OGND | VIAF: 19671222
Namensvarianten
  • Hirsch, Moritz von (bis 1869)
  • Hirsch auf Gereuth, Moritz Freiherr von
  • Hirsch, Maurice Baron de
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Zitierweise

Hirsch, Moritz Freiherr von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd123551307.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joseph Frhr. v. H. (bayer. Frhr. 1869, 1805-85), erhielt 1828 Erlaubnis z. Niederlassung in M., Vertrauensmann d. Wittelsbacher in Grundstückserwerbungen, Hofbankier u. württ. Konsul 1840, S d. Jakob (s. 1);
    M Caroline (1808–88), T d. Bankiers Wolf Zacharias Wertheimber in Frankfurt/M. (s. Gen. 2);
    Ov Julius (s. 2);
    B Emil (1837–1917), Vorstandsmitgl. d. Bayer. Vereinsbank, Theodor (1838–1916), Bankier in Paris;
    Schw Amelie ( Henri Bamberger, 1826–1908, Bankier in Paris);
    - 1855 Clara (1833–99), widmete sich philanthrop. Unternehmungen, T d. Jonathan Raphael Bischoffsheim (1808–83), belg. Senator (seit 1833), Bankier in Brüssel, Philanthrop, u. d. Henriette Goldschmidt;
    1 S, 1 T, 2 Adoptiv-S (Frhr. v. Forrest).

  • Biographie

    Nach Schulung in Brüssel 1844-48 wieder in München, fand H. das Arbeitsfeld hier zu beschränkt und kehrte 1850 nach Brüssel zurück, und zwar in den Dienst des internationalen Bankhauses Bischoffsheim & Goldschmidt. 1855 heiratete er die Tochter des Chefs, wurde aber nicht Teilhaber, „da seine Wagemütigkeit gefürchtet wird“, sondern gründete circa 1860 mit seinem Schwager Ferdinand Bischoffsheim ein eigenes Bankhaus „F. Bischoffsheim-de Hirsch“, das 1872 mit der „Banque de Paris et des Pays Bas“ fusionierte. Zusammen mit dem belgischen Finanzier Langrand-Dumonceau war H. 1858 Mitgründer und zeitweise Direktor der Firma „Anker“, Wien, und anderer Versicherungsgesellschaften in Österreich, Belgien, Holland. Weiterhin finanzierte er Bahnbauten in Belgien, Holland, Rußland und Ungarn. 1869 erhielt er die osmanische Konzession für den Bau der transbalkanischen Bahn nach Konstantinopel, ein Projekt, das für 2 Jahrzehnte im Mittelpunkt der europäischen Politik stehen sollte und H. zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten seiner Zeit machte. Die zur Finanzierung dieses Projektes ausgegebenen „Türkenlose“ brachten ihm den Namen „Türkenhirsch“ ein, der, als die Lose nach dem türkischen Staatsbankrott 1875 notleidend|wurden, eine abschätzige Bedeutung erhielt. Im ständigen Kampfe gegen die russischen Intrigen in Konstantinopel, die zu einer Änderung der Konzession 1873 führten, wurde das Bahnnetz 1888 endgültig fertiggestellt. Finanzielle Streitigkeiten mit der Türkei wurden von einem Schiedsgericht mit Rudolf von Gneist als Oberschiedsrichter bereinigt, und 1888 verkaufte H. seine Aktien an ein Konsortium der Deutschen Bank und des Wiener Bankvereins. Jahrelang war H. das Ziel einer Flut feindseliger Publizistik. Gneists unaufgefordert abgegebene Ehrenerklärung, die H. nie veröffentlichte, war daher für ihn eine moralische Genugtuung. Das Unternehmen, das, wie selbst Gegner zugaben, eine Großtat der Zivilisation war, brachte ihm ein vielbeneidetes Vermögen von circa 160-170 Millionen Francs ein.

    Mit dem Verkauf seiner Bahn zog sich H. gänzlich vom Geschäftsleben zurück und widmete sich ausschließlich seinen humanitären Interessen und dem Sport (Turf und Jagen). Abgesehen von Notstandsaktionen, wie dem Bau von Feldspitälern im russisch-türkischen Krieg 1877/78 und liberaler Kriegsflüchtlingshilfe in den Balkanwirren, war sein Interesse auf konstruktive Hilfe gerichtet, besonders auf Schulen und Fachausbildung. Zuerst 1871 in der Türkei, dann 1892 in den östlichen Provinzen der österreichischen Monarchie und in den USA, wo für die Massen der Einwanderer eine Berufsumschichtung nötig war, schuf er besondere Fonds für diesen Zweck. Sein Hauptwerk war jedoch die Gründung (mit 8 Millionen £ 1891) der Jewish Colonization Association (I. C. A.) für die landwirtschaftliche Ansiedlung der unterdrückten russischen Juden in Argentinien und anderen freien Ländern, da er in der Auswanderung die einzige Lösung des russisch-jüdischen Problemes sah. Die I. C. A. konzentriert sich heute auf Arbeit in Israel. H. selbst war skeptisch gegenüber einer Ansiedlung in Palästina, da er bei dem vorauszusehenden Zerfall des osmanischen Reiches Rußlands Herrschaft über dieses Land befürchtete. Den Zionistenführer Th. Herzl traf H. erst wenige Monate vor seinem Tode und hatte daher nicht die Gelegenheit, dessen vollentwickelte Idee kennenzulernen. Insgesamt dürfte H. für philanthropische Zwecke zwischen 500 und 800 Millionen Francs ausgegeben beziehungsweise hinterlassen haben.

    H. selbst war ein Pan-Europäer, der seine Zeit zwischen seinen Wohnsitzen in Paris und London und auf seinen Jagdgütern in der österreichisch-ungarischen Monarchie verbrachte. – In Frankreich unterstützte er finanziell die monarchistische Bewegung 1888-89 unter Boulanger, da ihn freundschaftliche Beziehungen mit dem Hause Bourbon und Coburg (Ferdinand von Bulgarien) verbanden. Seit 1886, als Kronprinz Rudolf ihn dem Prince of Wales (Eduard VII.) vorstellte, gehörte er zu dessen intimem Kreis. Er teilte Eduards Enthusiasmus für den Rennsport und ließ seine Pferde für die Londoner Spitäler laufen, was 1892 allein £ 40 000.– erbrachte.

  • Literatur

    S. Adler-Rudel, M. Baron H., Profile of a Great Philanthropist, in: Yearbook VIII of the Leo Baeck Inst., 1963 (P);
    K. Grunwald, „Türkenhirsch“, A Study of Baron M. de H., Entrepreneur and Philanthropist, 1966;
    Enc. Jud. (L).

  • Autor/in

    Kurt Grunwald
  • Zitierweise

    Grunwald, Kurt, "Hirsch, Moritz Freiherr von" in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 207-208 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd123551307.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA